Arbeitsunfall vs. innere Ursache

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  • Moin zusammen,

    folgende Frage treibt mich um - und dazu hätte ich gern Eure geschätzte Meinung:

    Wenn eine sogenannte innere Ursache bei einem Unfall während der Arbeit (ich sage extra nicht Arbeitsunfall) mit im Spiel ist, wie würdet Ihr so einen Unfall behandeln?

    Fall 1:
    Ein Mitarbeiter stolpert in unebenem Gelände auf einer Baustelle, fällt hin und verletzt sich. Eine Unfallanzeige wird geschrieben. Beim D-Arzt stellt sich heraus, dass er massive Kreislaufprobleme hatte, deren Ursache nicht arbeitsbedingt waren.
    War das ein Arbeitsunfall? Ich tendiere zu nein, da ich die Kreislaufprobleme für den Auslöser halte.

    Fall 2:
    Dieselbe Baustelle, dieselbe Ausgangssituation. Der Mitarbeiter, der jetzt stolpert, klagt anschließend über Schmerzen im Leistenbereich, hat aber ansonsten keine Verletzung. Eine Unfallanzeige wird geschrieben. Dem D-Arzt erzählt der Mitarbeiter, dass er vor drei Wochen von einer Leistenoperation genesen ist. Zum Zeitpunkt des Unfalles galt er als gesund.
    War das ein Arbeitsunfall? Ich bin mir nicht sicher, denn einerseits war der Auslöser baustellenbedingt, andererseits hätte der MA ohne die vorangegangene OP gar keine Verletzung gehabt. Jetzt habe ich eine riesenlange Ausfallzeit des MA.

    Würden solche Unfälle bei Euch in die Unfallstatistik für Arbeitsunfälle mit eingehen?

    Danke für Eure Einschätzungen.

    nj 1964

    Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

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  • Hi,

    relative einfache Antwort: Das hängt von der Anerkennung durch die BG ab. Jedes Ereignis, welches als Arbeitsunfall im Sinne der Definition von der BG anerkannt wird, ist als solcher zu betrachten - unabhängig von meiner persönlichen Einschätzung. Also, so handhaben wir es hier.

    In diesem Sinne
    Der Michael

    "You'll Clean That Up Before You Leave..." (Culture/ROU/Gangster Class)

  • relative einfache Antwort: Das hängt von der Anerkennung durch die BG ab. Jedes Ereignis, welches als Arbeitsunfall im Sinne der Definition von der BG anerkannt wird, ist als solcher zu betrachten - unabhängig von meiner persönlichen Einschätzung. Also, so handhaben wir es hier.

    Ja so ist das ....da gibt es merkwürdige Anerkennungen ...

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

  • Moin,

    wir hatten etwas vergleichbares:

    Mitarbeiter auf dem direkten Weg nach Hause. Fährt dabei in die Leitplanken. Wegeunfall? Bis hierhin ja.
    MA gibt aber an, ihm sei "schlecht" geworden und fährt daraufhin unkoordiert. Wegeunfall? Nein. Auslöser des Unfalles war die Krankheit.

    Manche BG'n sind etwas kleinkariert in der Auslegungssache. Mir ist die Definition "Unfall" auch klar.
    In Unterweisungen sage ich immer: Überlegen, was man in eine Unfallmeldung hineinbringt. Damit meine ich jetzt kein Unwahrheiten. :D

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

  • Ich habe aktuell auch einen Grenzfall, bei dem ich nicht weiß, ob das ein Wegeunfall ist:
    Ein Mitarbeiter aus Polen mit polnischer Heimatadresse und Monteurszimmer in der Nähe seines Einsatzortes, also des Arbeitsplatzes wollte am 23.12.2016 nach Hause fahren - d. h. nach Polen. Auf dem Weg kam es zum Unfall, bei dem er schwere, für den Nichtgebrauch des Gurtes typische Verletzungen erlitt. Heimfahrt = Wegeunfall? Die Sachbearbeiterin der BG war sich auch nicht sicher. Ich muß es nicht entscheiden. Ich habe die Unfallanzeige gemacht, jetzt liegt der schwarze Peter bei der BG.


    Gruß Michael

    SiFaFa weil ich zwei BG-spezifische Blöcke erfolgreich absolviert habe.

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  • Wir als meist technisch geprägte Arbeitsschützer sind fast immer medizinische Laien, daher halte ich den Weg "immer Unfallanzeige und abwarten was die BG entscheidet" für richtig. Im Zweifelsfall ist die BG allerdings nicht die letzte Instanz, es gibt regelmäßig Gerichtsurteile zur Anerkennung von Leitungsfällen (häufig bei Berufskrankheiten, seltener bei Unfällen). Wichtig für den Betrieb wäre, wenn sicherheitsrelevante Vorerkrankungen, Behinderungen, ... dem Vorgesetzten oder dem Betriebsarzt bekannt sind, damit man z.B. am Arbeitsplatz Anpassungen vornehmen kann und/oder den Aspekt in der Gefährdungsbeurteilung mit aufnimmt. Insgesamt sind innere Ursachen ein recht sensibles Thema, bei der man sich schnell mitten in der Privatsphäre von Kollegen befindet.

  • @nj1964
    Fall 1: kein Arbeitsunfall
    Fall 2: Arbeitsunfall

    Hintergrund: Während meiner SiFa-Ausbildung bei der BG wurde uns erklärt, dass ein Arbeitsunfall nur dann vorliegt, wenn die Person während der Arbeit durch ein Ereignis ausserhalb des Körpers zu schaden kommt.

    "Sei achtsam auf dem Weg zur Schicht, auf der Strasse schläft man nicht!"

    "Wenn es einen Weg gibt, es besser zu machen: finde ihn." Thomas Alva Edison (1847-1931)

  • Moin und danke für Eure Meinungen.

    Ich will nochmal nachhaken.

    Wie behandelt Ihr solche Unfälle bei Eurer Unfallstatistik und -Analyse - unabhängig von einer Anerkenntnis durch die BG? (Falls Ihr aus dem Nähkästchen plaudern wollt/dürft)

    Gruß aus dem Norden

    nj 1964

    Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

  • Hallo nj 1964,

    Wie behandelt Ihr solche Unfälle bei Eurer Unfallstatistik und -Analyse - unabhängig von einer Anerkenntnis durch die BG? (Falls Ihr aus dem Nähkästchen plaudern wollt/dürft)

    So lange der Fall noch nicht entschieden ist und BG oder Richter sich damit befassen, ist es für mich noch ein Arbeitsunfall.
    Erst wenn rechtswirksam feststeht, dass Verletzungen aus innerer URsache aufgetreten sind, und die BG die Kosten nocht mehr trägt, ist es kein Arbeitsunfall mehr und wird aus der Statistik genommen.

    Ich muss aber eingestehen, dass ich in der Praxis beisher noch keinen derartigen Fall hatte (auch wenn sie mir aus meinem Umfeld bekannt sind). Ich würde in der Statistik wahrscheinlich auch noch einen Vermerk hinzufügen: "Entscheidung steht noch aus" oder so ähnlich...

    in diesem Sinne

    Gruß
    Thorsten

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    Es genügt nicht, unseren Kindern einen besseren Planeten hinterlassen zu wollen.
    Wir müssen auch unserem Planeten bessere Kinder hinterlassen!

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  • Hallo,

    wir behandeln erst mal alles als einen Arbeitsunfall.

    von der BG bekommen wir alle drei Monate eine Aufstellung der Personen die bei uns einen Arbeitsunfall hatten.
    Wir bekommen aber keine zusätzliche schriftliche Meldung das der Unfall vom .... von Herrn xyz kein Arbeitsunfall war....

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

  • Mahlzeit,

    ganz frisch und gerade auf meinem Tisch gelandet:

    MA stürzt über ein Palette (vor einer Woche!!!), keiner hat irgendwas gesehen, keiner hatte irgendwelche Info's, MA geht heute zum Arzt und einen diagnostizierten Rippenbruch.
    (Ich predige immer von einer Eintragung ins Verbandbuch, einer Meldung, Zeugen, etc.)
    Hier war nichts. Jetzt streubt sich natürlich unsere Personalabteilung mit einer Anerkennung. Wo ist das passiert, ist da noch die harmloseste Frage.

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    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

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  • Kann eure Personalabteilung diese Entscheidung treffen?

    Spätestens wenn die BG die Unfallanzeige einfordert wird die Personalabteilung dies wohl "anerkennen" ;)

    Dazu eine Frage:
    Hatte mal wer von euch diesen dazugehörigen ausführlichen Fragebogen gesehen?

    :bremse:


  • MA stürzt über ein Palette (vor einer Woche!!!), keiner hat irgendwas gesehen, keiner hatte irgendwelche Info's, MA geht heute zum Arzt und einen diagnostizierten Rippenbruch.
    (Ich predige immer von einer Eintragung ins Verbandbuch, einer Meldung, Zeugen, etc.)
    Hier war nichts. Jetzt streubt sich natürlich unsere Personalabteilung mit einer Anerkennung. Wo ist das passiert, ist da noch die harmloseste Frage.

    Da muss man dann eben genau hinschauen, einige Leute befragen und auch etwas Druck aufbauen,
    1. wenn es wirklich ein Arbeitsunfall war, damit klar wird wofür Verbandbucheinträge eigentlich gut sind oder
    2. wenn es um alternative Fakten und/oder Versicherungsbetrug geht, damit klar wird, dass der Betrieb so etwas nicht hin nimmt.

    Vor vielen Jahren hatten wir mal Fall 2. als ein angeblicher Arbeitsunfall mit Knieverletzung auch im Spielbericht eines Fußballspiels vom Vortag gefunden wurde.

  • Wie behandelt Ihr solche Unfälle bei Eurer Unfallstatistik und -Analyse

    ist abhängig von meinen Kunden. Aber bei den meisten würde das analysiert und in die Unfallstatistik aufgenommen, unabhängig davon ob anerkannt durch die BG oder nicht. (Energiesektor, zumeist ausländische Unternehmen)

    im Fall 1 zum Beispiel:
    würde eine RCA (Root Cause Analyse) durchgeführt, bei der ermittelt würde ob der Mann auch ohne Kreislaufprobleme hätte stolpern können. Dazu würde der Unfallort genau dokumentiert und beobachtet.

    Im Fall 2, das selbe, RCA.

    Wenn beide Fälle auf der selben Baustelle vorgekommen wären dann fließen diese auf alle Fälle in die Statistische Erfassung mit ein. Sowie eben auch Beinaheunfälle aufgenommen würden.

  • Kann eure Personalabteilung diese Entscheidung treffen?

    Sie streubt sich zumindest mit der Unfallmeldung. Hier möchte sie gerne weitere Informationen haben.
    Kann ich pers. auch verstehen. Letztlich kann der MA auch mit einem dicken Kopf auf Eis und Schnee ausgerutscht sein oder es ist irgendetwas anderes passiert?
    Warum erst die Info nach vielen Tagen und nicht sofort?

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    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

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  • @Waldmann
    Du bist doch sehr erfahren. Die Personalabteilung ist nicht legitimiert die Unfallmeldung zurück zu halten. Der Vorgesetzte und Personalrat muss gegenzeichnen. Wenn der MA beim Arzt einen Arbeitsunfall angegeben hat, wird der gesetzliche UVT irgendwann die Meldung verlangen.

    Ich selber bin im Rentenausschuss eines UVT und bewerte grundsätzlich den Unfall nach SGB VII und gegebener Kausalität. Stolpert der MA auf unebenem Gelände, wäre diese m.E. nach ausreichend.

    Bei Unfällen die in der weiteren Bearbeitung abgelehnt werden, werden bereits entstandene Kosten von der KV des Versicherten erstattet. Das läuft im Hintergrund ab und wird selten bekannt. Natürlich bei hohen Wiederherstellungskosten sieht das ganz anders aus und geht auch schon einmal vor Gericht.

    Fazit: der gesetzliche UVT entscheidet alleine ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht! Kein Vorgesetzter, kein Personalamt, kein Personalrat und auch keine Sifa oder BA sind hier Entscheidungsträger.

    Gruß
    AL_MTSA

    Sicherheit schaffen ist besser als Vorsicht fordern.
    Ernst Gniza (1910 – 2007),

  • Sie streubt sich zumindest mit der Unfallmeldung. Hier möchte sie gerne weitere Informationen haben.

    Ok das ist bei uns auch so und das zurecht ....
    wobei die Unfallmeldung gemacht wird und dann weiter geforscht.

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

  • Moin,

    rein formal kann man (wer auch man immer sein mag) eine Unfallmeldung direkt absenden. Die entsprechenden Unterschriften von z.B. BR müssen auch nicht zwingend drauf sein.

    Das offizielle Paket wird schon gestartet, wenn der Verunfallte beim nächsten D-Arzt war. Ab da geht die Schleife los. Parallel dazu gibt es dann, so kenne ich es, eine Meldung des Betriebes (Personalabteilung). Jetzt zu klären, ob es denn ein Arbeitsunfall war, ist Sache des Unfallversicherungsträgers. Der zahlt, der forscht auch nach und der setzt sich auch mit den einzelnen Parteien auseinander. Wir können dabei nur helfen.

    Soweit, so gut.
    Ich persönlich finde die Meldung nach einer langen Zeit einfach komisch. Das hat so ein Geschmäckle. ABER: Das ist meine persönliche Meinung und die zählt nicht.
    Mitlerweile ist die offizielle Meldung durch die Firma auch noch abgeschickt worden und man wartet ab. Also alles gut.

    Persönliche Empfindungen haben dabei nichts zu suchen. Die Sache muß davon losgelöst reich sachlich bearbeitet und betrachtet werden.

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    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)