Liebe Mitkämpfer für den Arbeits- und Menschenschutz,
heute bekam ich eine übliche Aufgabe:
"a.r.ni, wir brauchen Ihre Einschätzung von Gefahrstoffen. Dazu brauchen wir u.a. Angaben zum AGW, zur zulässigen Expositionszeit und zum erforderlichen Atemschutz. Ergebnisse bitte in dieser Stunde."
Na, nichts einfacher als das, habe ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn gedacht und mir erst einmal einen Tee gekocht.
Die Aufgabe ist doch schon so gut, wie erledigt:
Sicherheitsdatenblatt aus dem Internet saugen, mit der Datenbank GESTIS gegenprüfen, ein paar Stellen "kopieren & einfügen", fertig.
Der Abgabetermin ist noch lange hin, also noch schnell meine E-Post durchgesehen und ein paar beantwortet.
15 min später ein SDB des gefragten Stoffes "tert-Butylacrylat" gesucht.
Ich wähle das von TCI Europe N.V., weil es den jüngsten Revisionsstatus hat.
Der Stoff ist nach diesem SDB gesundheitsschädlich (H302+H312+H332-Gesundheitsschädlich bei Einatmen, bei Hautkontakt oder bei Verschlucken),
hat keinen AGW.
Als Atemschutz wird vorgeschrieben: "Halb- oder Vollmaske, umluftunabhängiges Atemschutzgerät, Schlauchgerät, etc."
Hmmm. Das Ergebnis gefällt mir nicht.
Also schaue ich mal bei GESTIS nach:
Einen AGW gibt es hier auch nicht; zum Thema Atemschutz steht
"In Ausnahmesituationen (z.B. unbeabsichtigte Stofffreisetzung) ist das Tragen von Atemschutz erforderlich. Tragezeitbegrenzungen beachten.
Atemschutzgerät: Gasfilter A, Kennfarbe braun.
Bei Konzentrationen über der Anwendungsgrenze von Filtergeräten, bei Sauerstoffgehalten unter 17 Vol% oder bei unklaren Bedingungen ist ein Isoliergerät zu verwenden."
So, jetzt ist das ein bisserl blöd, weil die Zeit bis zur Abgabe fast erreicht ist.
Also, was tun:
- fröhlicher Hinweis: "kein AGW, keine Gefahr" oder
- bedeutungsschwangerer Hinweis: "wir wollen alle auf der sicheren Seite sein und das heißt: weil das Zeug auf gar keinen Fall eingeatmet werden darf, die Bedingungen der Freisetzung unklar sind, müssen die Mitarbeiter auf jeden Fall ein umluftabhängiges Atemschutzgerät tragen."
?
Ich stelle das mal zurück; auf zum nächsten Stoff ...
"Hydroxylpropylacrylat" hört sich doch vielversprechend an ...
Abwechslung muss sein, also diesmal das SDB von Penpet Petrochemical Trading GmbH
Ein giftiger Stoff, kein AGW, als PSA zum Atemschutz:
"Bei kurzzeitiger oder geringer Belastung Atemfiltergerät; bei intensiver bzw. längerer Exposition umluftunabhängiges Atemschutzgerät verwenden.
Kurzzeitig Filtergerät: Filter: A (Kennfarbe: braun)"
Auch das gefällt mir nicht ... nun als nächsten Schritt der Gang (hier: der Anruf) nach Canossa: "Äh ja, wegen der angeforderten Informationen, die Datenlage ist wirr - ich brauche mehr Zeit."
Freundlich war das Knurren am anderen Ende der Telefonleitung nicht.
Vielleicht ist ja die Information bei GESTIS etwas freundlicher ...
... kein AGW, nur der Hinweis, dass es ein Stoff ist, für den noch kein AGW festgelegt wurde.
Als PSA Atemschutz steht hier: "In Ausnahmesituationen (z.B. unbeabsichtigte Stofffreisetzung) ist das Tragen von Atemschutz erforderlich. Tragezeitbegrenzungen beachten. Atemschutzgerät: Gasfilter A, Kennfarbe braun. "
Ich schaue mal nach Grenzwerten in anderen Ländern und finde für Polen einen (2,8 mg/m³)
So, was tun:
in Deutschland keine verbindlichen AGWs,
- dennoch in beiden SDB Filtergeräte vorgeschrieben .... wie passt das zusammen?? (... ja, ich weiß, dass das passen kann ... am Bsp. HF)
- in beiden Fällen gemäß DGUV-Datenbank nur in Ausnahmesituationen Atemschutz
?
Nur nebenbei: wenn ich mir sage, dass ich mit einer sog. konservativen Einschätzung auf jeden Fall richtig liege, dann hieße das im Falle des tert-Butylacrylates gemäß SDB auf jeden Fall ein umluftunabhängiges Atemschutzgerät, das neu angeschafft werden müsste ...
So, was würdet Ihr machen?
Und meinen Auftraggeber muss ich noch ein weiteres Mal vertrösten ...