Mitbestimmungsreichweite für PSA Bereitstellung

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  • Hallo Zusammen, ich würde mich über eure Meinung freuen in Sachen Mitbestimmung des (Gesamt)Betriebsrates zu Bereitstellung von Persönlicher Schutzausrüstung. Bei uns ist ein Streit entfacht über die Reichweite der Mitbestimmung. Das sie über § 87 im Boot sind, ist unstreitig.

    Der Sachverhalt:

    Wir haben im Unternehmen ein Bestellkatalog mit sämtlichen PSA Artikeln die wir benötigen. Unser zentraler Einkauf hat nun wegen einer 18 %igen Preiserhöhung eines namenhaften Schuhherstellers (nennen wir ihn „alpha“) einen Alternativschuh („Beta“) vorgeschlagen. Ich als Sicherheitsingenieur habe ihn „produktneutral“ bewertet (Anforderungen) und freigegeben. Beiden Artikel sind Top- Produkte (Mercedes unter den Schuhen) auf dem Markt, auch was Akzeptanz, Qualität und Tragekomfort angeht. Danach hat der Facheinkauf den Alpha Schuh gegen den Beta Schuh getauscht und damit eine „Lawine“ ausgelöst, die nun bis zur Einigungsstelle gehen soll. Das will ich verhindern, sehe mich beratend tätig gleichermaßen für den Abreitgeber als auch für den Sozialpartner. Nachdem der Einkauf nun aber aus Einkaufinteressen für viele andere Produkte im Katalog ankündigt hat, analog zu den Schuhen auch weitere PSA Produkte auf den Prüfstand zu nehmen, hat der BR dem Arbeitgeber den „Krieg erklärt“. Die sind der Auffassung, dass sie nicht nur bei der generellen Auswahl von PSA beteiligt werden müssen, sondern auch bei der Auswahl des expliziten Produktes, also "Adidas" oder "Puma". Der Einkauf will gleichwertige Produkte im Preisleistungsverhältnis beurteilen und das günstigere Einkaufen (meist über die Menge). Das heiß, er will auch die Sortimentstärke bereinigen. Der Einkauf sagt sinngemäß, „es könne nicht sein, dass das Unternehmen 40 verschiedene Modelle XY zu einem gleichen Produkt bereitstellen muss, dass es auch 10 verschiedene Modelle tun würden …“ . Der GBR droht nun das gerichtlich anzufechten. Wie seht ihr das? Wie weit geht das Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl von PSA in Bezug auf konkrete Artikel. Ich stehe genau im Spannungsfeld zwischen AG (Einkauf und Bedarfsträger und dem GBR. Bisherige Diskussionen im Forum gehen bisher nicht so weit ...


    Danke im Voraus!

    Uwe

    "Es ist der der gewöhnliche Fehler der Menschen, bei gutem Wetter nicht an Sturm zu denken." Niccolo´Machiavelli - Der Fürst 1513

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  • Hallo Uwe
    Bei uns ist genau dies auch das Thema. Wir stimmen uns momentan mit allen deutschen Standorten und dem Einkauf ab.Erstellt werden soll ein für alle Units geltender Gesamtkatalog.Der Betriebsrat wird auch von Anfang an mit einbezogen.Alles in allem sind wir bisher nur soweit, das ein Flußdiagramm von Anforderung bis zur Abnahme bzw.Aufnahme in einen Gesamt PSA Katalog erstellt wurde. In diesem Flußdiagramm wurde auch eine negative Bewertung des GBR einbezogen.Kurz um--Sagt der BR zu dem Produkt nein, kommt dieses auch nicht in den Katalog.Der BR wird hier auch explizit mit einbezogen.Wenn er eine bestimmte PSA von einem Hersteller nicht will,sind hier dem Einkauf auch die Hände gebunden.Bisher sehen jedoch die Verhandlungen mit dem GBR positiv aus.
    Gruß Martin

  • ...Die sind der Auffassung, dass sie nicht nur bei der generellen Auswahl von PSA beteiligt werden müssen, sondern auch bei der Auswahl des expliziten Produktes, also "Adidas" oder "Puma". ...Der GBR droht nun das gerichtlich anzufechten. ...

    Ich bin kein Jurist, aber wenn ich §87 BetrVG so lese, steht da:
    "(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: ...7.
    Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;"

    Den meiner Meinung nach relevanten Nachsatz habe ich fett markiert, denn daraus ergibt sich meiner Meinung nach der Handlungsspielraum. Sofern der Arbeitgeber die gesetzlichen Vorschriften oder die Unfallverhütungsvorschriften einhält ist alles in Ordnung, weicht er davon ab, hat der Betriebsrat entsprechend einzugreifen.
    Im vorliegenden Fall gehe ich einmal davon aus, dass beide Schuhe von den sicherheitstechnischen Ansprüchen gleichwertig sind. Beide dürften somit die gesetzlichen Vorschriften erfüllen, da sehe ich keinen weiteren Handlungsspielraum für den Betriebsrat. Gibt es einen Grund für die Ablehnung des einen Schuhs?

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Moin zusammen,

    ich muss tiefflieger zustimmen.

    Wenn der Unternehmer z. B. einen Schuh der Klasse S3 stellen muss, dann ist es zunächst einmal ihm überlassen, ob er ein Billigmodell oder ein Premiummodell beschafft. Hauptsache, der beschaffte Schuh entspricht den gesetzlichen Forderungen.

    Ob er dann mit der Billigvariante, die er vielleicht alle 4 Wochen ersetzen muss, oder dem Premiummodell, das vermutlich sehr viel länger bis zum nächsten Austausch hält, besser fährt, ist seine Sache. Ob er per Ordre de Mufti den BR übergeht und vor vollendete Tatsachen stellt, ist instinkt- und respektlos, aber immer noch seine Sache.

    Wenn aber herauskommt, dass der billige Schuh z. B. auf Grund von unerwartet frühem Materialversgen die Ursache für Unfälle wird, ist in jedem Fall der Zeitpunkt nicht nur für den Betriebsrat gekommen hier einzuschreiten.

    Gruß aus dem Norden

    nj 1964

    Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

  • Jawoll, danke an Tiefflieger für den Tipp, danke Martin für deinen Prozess. Den leben wir auch fast so, wir bauen noch eine "Botton UP" Maßnahme (Tragetest) im Service mit ein. Der BR ist ebenfalls von Anfang an Beteiligt, wir entscheiden dann gemeinsam was in dne Katalog kommt. In Bezug auf "neue" Prozesse behakeln wir uns nicht. Der Katalog ist ein Überbleibsel längst vergangener Tage, es geht um das "Optimierungspotenzial". Meine Frage geht nur in die Richtung: Hat er gesetzlich Mitsprache bei Produkt- und Artikelauswahl in Bezug auf bestimmte Marken. Und da kommt mir die Antwort von Tiefflieger sehr entgegen ....

    "Es ist der der gewöhnliche Fehler der Menschen, bei gutem Wetter nicht an Sturm zu denken." Niccolo´Machiavelli - Der Fürst 1513

  • So isses tiefflieger. So weit geht das Mitbestimmungsrecht nun wieder nicht, wenn die PSA die gleichen Eigenschaften hat und andere Gründe nicht dagegen sprechen. Bei uns wird halt viel überzeugungsarbeit auch seitens des Einkaufes geleistet um den GBR mit ins Boot zu holen.

  • Sorra - noch die Antwort an Tiefflieger: Nein es gibt keinen Grund für die Ablehnung, es sei Prinzipsache ... .

    "Es ist der der gewöhnliche Fehler der Menschen, bei gutem Wetter nicht an Sturm zu denken." Niccolo´Machiavelli - Der Fürst 1513

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  • Hi

    Das Mitbestimmungsrecht des BR soll sicher stellen, dass geeignete PSA gekauft wird.
    Beispiel:
    Wenn z.B. in einem Betrieb die Auswahl zwischen Gehörstöpsel und Micky Mäusen besteht und bei ansonsten gleichem Schutzeffekt die Auswahl aus Kostengründen zugunsten der Micky Mäuse getroffen würde …..
    dann könnte der BR sein Veto einlegen und argumentieren, dass aufgrund des geringeren Tragekomforts doch besser die Gehörstöpsel ausgewählt werden sollten.

    Bezogen auf euren Fall:
    Wenn der BR Einwände hat, sollte er diese auch begründen können.
    Bei Überarbeitung des vollständigen Katalogs würde ich unbedingt den BR beteiligen. Auch wenn die PSA durch FaSi etc. verglichen und bewertet wurde, ist ja nicht auszuschließen, dass dem BR Aspekte auffallen, die den anderen Beteiligten entgangen sind.

    LG A

    PS
    Gerade erst gesehen

    Zitat

    Nein es gibt keinen Grund für die Ablehnung, es sei Prinzipsache .


    Tja, so ein BR kann recht zickig werden (und manchmal kann ich das sogar verstehen...). Daher lieber im Vorfeld entsprechend berücksichtigen...

  • Moin,
    von der Seite reingegrätscht

    Nein es gibt keinen Grund für die Ablehnung, es sei Prinzipsache ... .

    meine Antwort wäre: "Das Prinzip ist, sich an Gesetze zu halten."
    ... Ausführung siehe Beitrag Nr. 5 von tiefflieger, kombiniert mit Beitrag Nr. 11 "Wenn der BR Einwände hat, sollte er diese auch begründen können."
    Wenn ein Betriebsrat zickig ist, muss er damit rechnen, dass ich stachelig werde ...

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

  • Nein es gibt keinen Grund für die Ablehnung, es sei Prinzipsache ...


    Gruß an den Betriebsrat, er möge mal §80 BetrVG lesen:
    "§ 80 Allgemeine Aufgaben
    (1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
    ...
    8. die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;"

    Zur Beschäftigungssicherung gehört auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Unternehmensführung. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, soll ja preiswertere PSA mit gleichem Schutzniveau beschafft und auch über Trageversuche die entsprechende Auswahl optimiert werden. Eigentlich müsste dies doch aus Prinzip auch das Anliegen des Betriebsrates sein.
    Irgendwie habe ich den Eindruck, da ist ein Machtkampf im Gange und nun wird nach jeder Gelegenheit gesucht auf den AG einzudreschen. Die von Amaranth gebrachten Beispiele für Einwände könnte ich akzeptieren, aber so einfach "aus Prinzip", da wird es schon schwierig.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Moin,

    ich will es mal von der anderen Seite aus beleuchten. Auch eine Lawine beginnt mit einem kleinen Schneeball/Schneebrett. Kommt die ursprüngliche Ablehnung aus dem betriebsrat selbst oder ist es so, dass Mitarbeiter, die sich seit Jahren mit dem Adidas-Schuh wohlfühlen nun auf einmal Puma-Schuhe tragen sollen? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Veränderungen erzeugen oftmals Ängste, Zurückweichen und Missmut. Wenn der Personalrat fit ist, nimmt er dieses Verhalten ernst und sucht zusammen mit allen Beteiligten zu einer konstruktiven Lösung zu kommen.

    Ich beteilige hier meinen Personalrat auch manchmal dann, wenn er gar nicht zu betiligen wäre. Das schafft Vertrauen und fördert die Kommunikation. Versuche herauszubekommen, aus welcher Ecke die Gegenwehr eigentlich kommt (BR oder Belegschaft?). Wenn hier nur ein Stellvertreterkrieg geführt wird, wird es schwer für Dich. Wenn es aber anders ist, sollte man mit Argumenten und viel Transparenz die "Gegenseite" mit ins Boot holen und erklären, dass man gemeinsam einen Mittelweg zwischen gleichbleibender Qualität und Wirtschaftlichkeit anstrebt.

    Viel Erfolg

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Hallo,

    macht es doch einfach so....das die alten und die neuen Schuhe Angeboten werden....

    die Mehrkosten bei den alten Schuhen muss der Arbeitnehmer zahlen. 8o

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

  • ....die Mehrkosten bei den alten Schuhen muss der Arbeitnehmer zahlen. 8o


    Mit welcher Begründung? Ich hätte bei so einer Regelung Bauchschmerzen, denn das könnte dann ganz schnell in Extreme ausarten. Nur noch billig PSA, die auf dem Papier die Anforderungsnorm erfüllt wird angschafft und sinnvolle, geeignete, sowie ergonomische PSA hat dann der Nutzer zu großen Teilen selbst zu bezahlen.
    Wobei eine grundsätzliche Festlegung auf nur eine Sorte Sicherheitsschuhe (hier als Beispiel) halte ich auch für kritisch. Was der einen Person bequem ist, kann für die andere unerträglich sein. Eine gewisse Auswahl sollte schon möglich sein, aber eben nicht ein unendlicher Katalog.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Bei uns wird das in der Form eines Gutscheins gemacht ....

    Jeder Mitarbeiter bekommt einmal im Jahr oder bei Bedarf einen Gutschein damit geht er dann zu unseren Lieferanten für PSA.

    Hier sind um die 10 paar Sicherheitsschuhe zur Auswahl (mal mehr mal weniger) der Mitarbeiter sucht sich den Schuh aus ihm passt und bequem sind...

    Kostet er mehr wie der Gutschein beträgt muß der Rest vom Arbeitnehmer getragen werden.

    Ich stehe voll hinter dieser Regelung ...da der Gutschein nicht auf die billigsten Schuhe ausgelegt ist .....

    unsere Mitarbeiter werden hierzu auch befragt und auch hier kommen nur positive Rückmeldungen

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

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  • ...Kostet er mehr wie der Gutschein beträgt muß der Rest vom Arbeitnehmer getragen werden....


    Dies ist allerdings nicht rechtskonform, siehe §3 Abs. 3 ArbSchG, denn da kann man lesen: "(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen."

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Hallo tiefflieger,

    offtopic, aber die Eingangsfrage hattest Du ja bereits klasse beantwortet

    Zitat von tiefflieger

    Dies ist allerdings nicht rechtskonform, siehe §3 Abs. 3 ArbSchG, denn da kann man lesen: "(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen."


    Es ist rechtskonform, da die Forderung aus dem ArbSchG als erfüllt gilt, wenn mit dem Gutschein die erforderliche PSA erstanden werden kann. So hat Kelte es ja beschrieben. Passt imho!

    Gruß
    Stephan

    Respekt, Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl