Rechtslage bei selbstverschuldeten Arbeitsunfällen

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  • Hallo ihr Lieben,
    ich habe in der Suchfunktion nichts ähnliches gefunden, deshalb das neue Thema ^^
    Ich arbeite in einem kunststoffverarbeitendem Betrieb. Beim Einrichten der Spritzgießmaschinen müssen regelmäßig heiße Massekuchen entfernt werden. Außerdem kann sich in den Heißkanälen noch Druck aufbauen, was u.U. dazu führen kann, dass die restliche heiße Masse mit Druck entweicht.

    So, den Einrichtern stehen Hitzeschutzhandschuhe, Hitzeschutzarmstulpen und Helme mit Gesichtsvisier zur Verfügung. Jeder hat seine eigene Ausrüstung, es existiert eine Betriebsanweisung, Gefährdungsbeurteilung sowieso. Jeder Mitarbeiter wird regelmäßig unterwiesen bzgl. Tragepflicht, Unfallgefahren etc. und unterschreibt auch dafür.

    Trotzdem wird die PSA nicht getragen X( - es gab in den letzten Wochen auf Grund dessen einen schweren Unfall bei uns. 2 Wochen später einen weiteren (nur leicht - keine PSA getragen), trotz dass alle natürlich betroffen waren wegen der schwerverletzten Person und vom Abteilungsleiter nochmals schriftlich und mündlich auf die Dringlichkeit des Tragens von PSA hingewiesen wurde.

    Nun zur eigentlichen Frage:
    Wie geht es denn "rechtlich" nach so einem Arbeitsunfall weiter?
    - zahlt die BG die Behandlungskosten? Wenn nein, tut das dann die normale Krankenkasse?
    - den Arbeitsausfall trägt der Arbeitgeber alleine?
    - gibt es für den Arbeitnehmer irgendwelche Folgen? Habe irgendwo gelesen, er muss dann alles "selbst bezahlen"...Was würde das bedeuten?

    Ich möchte die Mitarbeiter darauf hinweisen, was weitere Konsequenzen sein können, wenn schon die eigene Gesundheit nicht als Argument taugt...

    Und natürlich interessiert mich auch, wie ihr das in euren Betrieben gehandelt habt. Werden Abmahnungen verteilt oder oder oder...?

    Ich danke euch schonmal!

    LG

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  • ...Ich möchte die Mitarbeiter darauf hinweisen, was weitere Konsequenzen sein können, wenn schon die eigene Gesundheit nicht als Argument taugt...

    Nachdem vom Abteilungsleiter schriftlich und mündlich auf das Tragen der PSA hingewiesen wurde, ergibt sich für mich bei Missachtung dieser Vorgabe ein klarer Grund für eine Abmahnung und im Wiederholungsfalle dann die verhaltensbedingte Kündigung.
    Sollte der AG dieses Mittel nicht nutzen, macht er sich seinen AN gegenüber unglaubwürdig und braucht sich dann nicht zu wundern, wenn jeder nur das macht, was ihm gefällt.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Wenn der Arbeitsgeber diesen Weg nicht beschreitet, macht er sich selbst angreifbar, da er dann offensichtlich und wissentlich Mitarbeiter mit Aufgaben betraut, die sie nicht ordnungsgemäß durchführen können/wollen. Somit liegt ein Organsiationsverschulden vor, da er offensichtlich ungeeignete Mitarbeiter mit diesen Tätigkeiten betraut. Wahrscheinlich wird man ihm in der Regel daraus keinen ganz dicken Strick drehen, da er ja auch kontrolliert, unterwiesen und ermahnt hat, aber wenn er den Weg nicht weiter geht? ?(

    Vor Gericht und auf hoher See...... :whistling:

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Danke schonmal euch beiden :)

    Die Abmahnung als Konsequenz wäre natürlich auch in meinem Sinne, leider wird dieses Mittel bei uns noch sehr lasch bis gar nicht eingesetzt. Was sich eben darin äußert, dass über Arbeitsschutz nur gelächelt wird... Traurig, dass es nur so geht.

    Guudsje: danke für das Stichwort "Organisationsverschulden". Das ist zumindest eine Argumentationsbasis, die ich anwenden kann und die auch verstanden wird.


    Wer zahlt dann den Unfall, wenn die BG ihn nicht als Arbeitsunfall anerkennt? Die Krankenkasse des Mitglieds? Etwaige Ansprüche, falls beim Unfall Folgeschäden bleiben, hat der MA dann nicht mehr, oder?

  • ...Wer zahlt dann den Unfall, wenn die BG ihn nicht als Arbeitsunfall anerkennt? Die Krankenkasse des Mitglieds? Etwaige Ansprüche, falls beim Unfall Folgeschäden bleiben, hat der MA dann nicht mehr, oder?


    Auch bei grobem Verschulden wird dies wohl als Arbeitsunfall anerkannt und die BG bezahlt. Allerdings kann sie dann Regress nehmen, entsprechend SGB 7, §110
    => die BG holt sich das Geld vom Unternehmer zurück.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Die BG bezahlt zunächst mal alles, was nicht durch Vorsatz bzw. Selbstverstümmelung begründet ist, dazu zählen auch Dummheit, Ignoranz und nicht getragene PSA.
    Vorsatz beinhaltet hier aber nicht den Vorsatz, die PSA nicht zu nutzen, das fällt unter Dummheit und Ignoranz. Es muss der Vorsatz erkennbar sein, eine Schädigung des Körpers bewusst herbeigeführt zu haben, um z.B.in den Genuss von Ausfall- oder Rentenzahlungen zu kommen.
    Darüber hinaus müsst ihr schon selbst den Stiefel tragen, der den Arsch tritt, allein schon wegen der unweigerlich anfallenden Kosten.

    Gruß vom Thomas

    Neueste Studien der EU kommen zu eindeutigem Ergebnis: "Man steckt halt nicht drin...!"

  • ... danke für das Stichwort "Organisationsverschulden".

    ... dann schau auch mal nach unter "Auswahlverschulden" :whistling:
    https://www.kuv24-manager.de/D%26O+Manager+…tml?pageid=1109

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

  • ... Allerdings kann sie dann Regress nehmen, entsprechend SGB 7, §110 => die BG holt sich das Geld vom Unternehmer zurück.

    ... es kann aber auch der Fall eintreten, dass der Mitarbeiter bei dem Unfallhergang noch einen Kollegen verletzt.
    Für die Verletzung des Kollegen würde die BG dann den Unfallverursacher in Regress nehmen.

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

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  • Eine Aussage wie: "Das ist er selbst schuld!" ist immer leicht getroffen, aber Obacht. Wenn ihr hier eine ausfuehrliche Unfallursachenanalyse durchfuehrt, kommt ihr vielleicht zu einem anderen Ergebnis. Eine schriftliche Anweisung zu schreiben und diese zu kommunizieren ist eine Sache. Allerdings ist es sehr haeufig so wie mit der Aufgabendelegation: "Delegiert heisst nicht automatisch auch erledigt!"
    In welcher Form sind denn beispielsweise Vorgesetzte in der Kontrollpflicht? Wenn ich als Unternehmer eine Anweisung in Kraft setze, deren Einhaltung aber nicht regelmaesig nachweisbar ueberpruefe, ist ein "Selbstverschulden" in den allermeisten Faellen nicht gerichtsfest zu argumentieren.

    Gibt es so etwas wie verhaltensorientierte Arbeitschutzmanagementsysteme und/oder Werkzeuge, z.B. STOP etc. Werden Unfaelle anhand ebensolcher Systematiken, z.B. TapRoot, untersucht. Bitte bedenkt das "Fehlverhalten" in den allermeisten Faellen tiefliegende Ursachen hat, die nicht immer ausschliesslich bei Individuen zu suchen sind.

    Bevor sich Unternehmer hier ueber Sanktionen unterhalten sollten sie sicher sein, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben.

    Und nur zur Klarstellung: Bei grober Missachtung bestehender Sicherheitsvorgaben, unter Beruecksichtigung o.g. Aspekte, werde ich den MA sicherlich fragen, ob er sich in unserem Betrieb noch wohlfuehlt.

    In diesem Sinne
    Der Michael

    "You'll Clean That Up Before You Leave..." (Culture/ROU/Gangster Class)

    Einmal editiert, zuletzt von MichaelD (12. November 2013 um 08:37)

  • MichaelD: Da hast du bestimmt Recht, gerade mit der Kontrollpflicht bzw. der Überprüfung. Da hapert es noch ziemlich dran bzw. fehlt es meiner Meinung nach auch am Bewusstsein für Arbeitssicherheit allgemein. Der Stellenwert war in der Vergangenheit nicht ganz so hoch. Mittlerweile wächst bei uns die Bedeutung immens und ich glaube, das ist vielen noch nicht in "Mark und Bein" übergegangen.

    Zum Glück ist die nächste ASA sehr zeitnah. Werde das Thema dort ansprechen; ich denke, da werden von den Vorgesetzten noch viele Fragen kommen.

  • Hallo Peroxid,

    mach doch mal beim nächsten ASA eine Vorgesetztenschulung zur Verantwortung im Arbeitsschutz? Material dazu findest du hier im Forum genug...

    Trotzdem wird die PSA nicht getragen

    Und? Welche arbeits- und personalrechtlichen Konsequenzen hat der Unternehmer und seine (Linien-)Organisation gezogen?

    ... und vom Abteilungsleiter nochmals schriftlich und mündlich auf die Dringlichkeit des Tragens von PSA hingewiesen wurde...

    Und trotzdem wurde nicht die angewiesene PSA getragen? Dann hat der Abteilungsleiter ein Problem. Und zwar ein großes. Er wird sich vom Staatsanwalt und Richter die Frage gefallen lassen müssen, ob er für diesen Job der Richtige ist. Ein Vorgesetzter hat eine Weisungspflicht. Und werden seine Weisungen nicht eingehalten/befolgt, ohne dass weitere Maßnahmen erfolgen, ist er ungeeignet in der Vorgesetztenfunktion.

    Und natürlich interessiert mich auch, wie ihr das in euren Betrieben gehandelt habt. Werden Abmahnungen verteilt oder oder oder...?

    Ja. Bis hin zu einer personenbedingten Kündigung. Das hilft dem Standort für ein paar Jahre.


    Darüber hinaus müsst ihr schon selbst den Stiefel tragen, der den Arsch tritt,

    :thumbup::21:

    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • In welcher Form sind denn beispielsweise Vorgesetzte in der Kontrollpflicht? Wenn ich als Unternehmer eine Anweisung in Kraft setze, deren Einhaltung aber nicht regelmaesig nachweisbar ueberpruefe, ist ein "Selbstverschulden" in den allermeisten Faellen nicht gerichtsfest zu argumentieren.

    Großartig Michael D. So hätte ich Deine Antwort auch geschrieben. Nun zu Deiner Frage. Wenn doch im Unternehmen bekannt ist, dass bei solchen Arbeiten immer wieder Unfälle vorkommen, dann hat meiner Meinung nach der Vorgesetzte, in der Regel der Schichtführer, evtl. der Produktionsleiter die "Aufgabe" die Tätigkeiten zu überwachen. Dann kann kontrolliert werden, ob die Mitarbeiter gemäß Betriebsanweisung oder Verfahrensanweisung ihre Tätigkeiten verrichten. Viele Vorgesetzte bzw. Unternehmen verstecken sich hier hinter den jeweiligen Anweisungen und Unterweisungen.
    "Warum"? der Mitarbeiter ist doch "unterwiesen" und eine "Anleitung" ist auch vorhanden. Er muss nur danach handeln. Ich habe früher in Produktionsbetrieben gearbeitet. Dieses Verhalten plus fehlende Ausbildung bei Mitarbeitern führen zu fehlerhaften Verhaltensweisen bei Prozessvorgängen. Meiner Meinung nach werden in Unternehmen kaum noch Fachkräfte ausgebildet. Temporäre Zeitarbeitskräfte sind günstiger! Das ist eine typische amerikanische Vorgehensweise: learning by doing! Chemiefacharbeiter und Kunststoffformgeber werden kaum noch ausgebildet. Die müssen ja dann auch anständig bezahlt werden. Kennen und verstehen aber die Gefahren durch den Prozess und handeln dementsprechend. Das ist zwar ein ziemlich grober Rundumschalg von mir, spiegelt aber ein wenig meine Meinung wieder.

    Man(n) ist erst dann ein Superheld, wenn man sich selbst für Super hält!
    (unbekannt)
                                                                                                                                                              
    „Freiheit ist nicht, das zu tun, was Du liebst, sondern, das zu lieben, was Du tust.“
    (Leo Tolstoi)

    *S&E* Glück auf

    Gruß Mick

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  • ... es kann aber auch der Fall eintreten, dass der Mitarbeiter bei dem Unfallhergang noch einen Kollegen verletzt. Für die Verletzung des Kollegen würde die BG dann den Unfallverursacher in Regress nehmen.


    Und hätte kaum eine Chance, siehe Haftungsfreistellung SGB 7, §105. Nur bei Vorsatz des Verursachers hätte sie die Möglichkeit des Regress. Wobei der Vorsatz hier auf die Handlung der Schädigung zu ziehen ist und den sehe ich nicht.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.