Allergische Reaktion = "akute arbeitsbedingte Erkrankung"?

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  • Hallo zusammen,

    ich wurde vorhin telefonisch gefragt, wie man sich verhalten bzw. weiter vorgehen soll...

    Bei der Herstellung einer Kürbissuppe - im Rahmen der Ausbildung behinderter Jugendlicher zum Fachpraktiker Koch bzw. Hauswirtschaft - zeigten 2 der Azubis allergische Reaktionen beim Umgang mit dem Kürbis.

    Allergien, egal welcher Art, waren vorher nicht bekannt.

    Die Standortleiterin (SL) rief mich an und fragte, was sie mit denen machen soll. Sie möchte die zum Arzt schicken. Müssen die zum D-Arzt?

    Ich fragte sie daraufhin, was ein Chirurg mit einer dermatologischen Geschichte anfangen soll. *IroAN* Amputieren?*IroAus*

    Mein Hinweis war, den nächsten Dermatologen anzurufen und ihm den Sachverhalt zu schildern, wobei explizit auf den beruflichen zusammenhang verwiesen werden muss. Der Doc wird dann schon das weitere vorgehen kennen und darüber informieren.
    Optional habe ich die Notaufnahme des Klinikums als alternative Anlaufstelle genannt (weil dort alle Fachgebiete greifbar sind). Aber bei diesem Hinweis habe ich auf meine großen "Bauchschmerzen" hingewiesen: Notaufnahmen haben "wichtigeres" zu tun.

    Da man Zeit hatte, mich telefonisch zu kontaktieren und sich die SL nicht besonders aufgeregt anhörte, gehe ich von keiner Lebensbedrohlichen Situation aus, welche bei Allergien ja durchaus auftreten können.

    Jetzt sitze ich hier (im Feierabend) und recherchiere bezüglich meiner Wissensunterdeckung, ohne größeren Erfolg.

    • War mein, aus der Hüfte geschossener, Verweis an den Facharzt (Dermatologe/Allergologe) richtig?
    • Oder doch lieber ins Krankenhaus

    Wenn der Facharzt zuständig ist, darf der dann mit der BG abrechnen (weil kein D-Arzt) oder ist die KK zwischengeschaltet?
    Ja, das ist administrativ und nicht mein Zuständigkeitsbereich, ich bin aber neugierig.

    :/ ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, ob so eine Konstellation in der Ausbildung damals überhaupt thematisiert wurde...

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


    Nur Scheiße "passiert". - Unfälle werden verursacht!

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  • Das Auftreten einer beruflich bedingten Allergie ist kein Fall für den D-Arzt, da KEIN Arbeitsunfall sondern eher dem Bereich Berufskrankheit zuzurechnen. Also, sofern vorhanden, ab zum Betriebsarzt oder eben zum Hausarzt oder Facharzt.
    Dieser wird dann nach der entsprechenden Anamnese , je nach Konstellation, eine Berufskrankheiten-Verdachtanzeige fertigen.

    Lesetipp: Schieke, Braunsteffer, Kurzinformation über Arbeitsunfälle, Wegeunfälle, Berufskrankheiten, 20. Auflage [2021], Erich Schmidt Verlag

    Beste Grüße,
    Udo

    Sapere aude!
    (Horaz)

    Einmal editiert, zuletzt von Safety-Officer (7. Oktober 2022 um 15:51)

  • Hi Micha,

    ich habe mal spontan bei unserer BG RCI in den FAQ´snachgeschaut, da das Thema ja sehr interessant ist. Meist werden ja nur Unfälle mit "Blut" als Unfall betrachtet, aber egal.

    Dort habe ich folgendes gefunden:

    Wenn keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder die voraussichtliche Behandlungsbedürftigkeit weniger als 1 Woche beträgt, kann auch ein anderer Arzt als ein Durchgangsarzt oder eine Durchgangsärztin aufgesucht werden.

    Bei isolierten Augen-/ bzw. Hals-Nasen-Ohren (HNO-)Verletzungen sind entsprechende Fachärztinnen und Fachärzte von der Vorstellungspflicht beim Durchgangsarzt oder bei der Durchgangsärztin befreit.

    In Anbetracht dieser Aussage würde ich schon sagen, dass das Aufsuchen eines Dermatologen ok ist.

    Ich würde aber parallel dazu die Aufsichtsperson in einer Art "Vorab Info" auf Stand halten.

    Gruß

    Peter

    Keine Demonstration verändert die Welt.

    Es ist die unpopuläre und stille Eigenverantwortung im Handeln jedes Einzelnen, die eine Wandlung in Bewegung setzt.:evil::saint:

  • Ich würde aber parallel dazu die Aufsichtsperson in einer Art "Vorab Info" auf Stand halten.

    Die VBG hat um 15:00 die Tore zu den heiligen Hallen geschlossen.

    Das ich dort am Montag anrufe, habe ich auf der Agenda.

    Ebenso die Prüfung, ob ein Eintrag ins Erste-Hilfe-Buch erfolgt ist. Wir haben da das Ankreuzfeld "an Arzt verwiesen".

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


    Nur Scheiße "passiert". - Unfälle werden verursacht!

  • Jeder Arzt kann den Verdacht auf eine BK melden.
    Sonst Hautarztverfahren beim Dermatologen starten.

    Grüßle
    de Uil

    „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich das generische Femininum. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Personen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen und mitgemeint.“

    Omnia rerum principia parva sunt. [Der Ursprung aller Dinge ist klein.] (Cicero)

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  • Hi Micha,

    ich hatte mal einen ähnlichen Fall, mit einer allergischen Reaktion. Die Berufsgenossenschaft (BGHM) hat dies als Arbeitsunfall gesehen. Da von außen einwirkender Stoff und plötzliches Auftreten (innerhalb einer Schicht).

    In deinem Fall hätte ich auch direkt zum Dermatologen weitergeleitet. Bei Augenverletzungen fahren wir die Betroffenen auch direkt zum Augenarzt. Wichtiger ist für uns eine sinnvolle Erstbehandlung, wie anschließende Abrechnungsmodalitäten.

    Gruß

  • Moin,

    sicher, dass der Kürbis das eindeutige Allergen war ...?

    Unterscheidung der Maßnahmen nach Intensität, bei Akut - plötzlich: Als Notfall in Krankenhaus - kann ja nur mit Hautreizungen beginnen und unvermittelt weiter eskalieren.

    Wenn es langwiriger ist über den Betriebsarzt einen Dermatologen aufsuchen. Die BGW hat in Ihren BG Kliniken auch Dermatologische Abteilungen, sodass der Betriebsarzt auch dahin verweisen kann.

    Beste Grüße

    J.H.J

  • Also von einer "Berufskrankheit" würde ich nicht sprechen wollen.

    Das sind Azubis, die zum ersten mal mit diesem Nahrungsmittel gearbeitet und spontan eine allergische Reaktion haben. Die Allergie hatten sie also schon vorher und nicht erst durch häufige exposition entwickelt, wie z.B. beim Bäckerasthma.

    Das Bild, wie ich heute erfahren habe, stellte sich wie folgt dar:
    extrem gerötete Handflächen, Bläschenbildung (sehr klein), Trockenheits- und Spannungsgefühl.

    Auch habe ich erfahren, dass es um den Typ "Butternut" ging.

    Hokaido wurde bereits verarbeitet, ohne das irgendwelche allergischen Symptome gezeigt wurden.

    Die eine Azubine hat heute die Arbeit wieder aufgenommen: Alle Symptome haben sich vollständig zurückgebildet.
    Die andere Azubine hat heute Berufsschule und sich noch nicht bei uns gemeldet.

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


    Nur Scheiße "passiert". - Unfälle werden verursacht!

  • Das Bild, wie ich heute erfahren habe, stellte sich wie folgt dar:
    extrem gerötete Handflächen, Bläschenbildung (sehr klein), Trockenheits- und Spannungsgefühl.

    Moin,

    bei der Schilderung und meiner rettungsdienstlichen Interpretation, wäre das ein Fall für einen RTW und Notaufnahme - wenn dieser Zustand in Summe spontan eintrat. Das ist ja keine "leichte" Hautreizung mehr und eine fortschreitende systemische Reaktion bspw. der Atemwege kann glaub ich keiner ausschließen.

    Beste Grüße

    J.H.J

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  • Nachtrag:

    Ich hatte zwischenzeitlich mit der VBG gesprochen (telefonisch) und folgendes erfahren:

    • Diesen Sachverhalt hätte auch ein D-Arzt behandeln können.
      Er ist medizinisch ausgebildet, kann das notwendige BG-Verfahren einleiten und, wenn er es für notwendig erachtet, entsprechende Fachärzte hinzuziehen bzw. an diese verweisen.
    • Der Sachverhalt ist per Definition als Unfall zu betrachten
      a) Arbeitsunfälle sind die Unfälle, die versicherte Personen infolge der versicherten Tätigkeit erleiden.
      b) Ein Unfallereignis ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den
      Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führt.


    • Dazu von der DGUV:
      "Nach Arbeitsunfall Durchgangsarzt aufsuchen
      Durchgangsärzte sind besonders qualifiziert für die Behandlung von Unfallverletzten. Die Vorstellung bei einem Durchgangsarzt ist erforderlich, wenn
      • die Unfallverletzung über den Unfalltag hinaus zur Arbeitsunfähigkeit führt,
        oder
      • die notwendige ärztliche Behandlung voraussichtlich über eine Woche andauert,
        oder
      • Heil- und Hilfsmittel zu verordnen sind,
        oder
      • es sich um eine Wiedererkrankung aufgrund von Unfallfolgen handelt.
      Bei leichten Verletzungen werden Unfallverletzte vom Durchgangsarzt zur weiteren Behandlung an den Hausarzt überwiesen. In diesen Fällen überwacht der Durchgangsarzt das Heilverfahren z.B. durch Wiedervorstellungstermine (Nachschau).

      Unfallverletzte mit alleinigen Augen- oder Hals-, Nasen-, Ohrenverletzungen können sich auch direkt bei einem entsprechenden Facharzt vorstellen oder werden dorthin überwiesen."

    Anmerkung: Ich bin mir sicher, das in meiner Ausbildung von einer "von aussen einwirkenden Kraft" und nicht von einem "von aussen einwirkenden Ereignis" gesprochen wurde.
    Keine Ahnung, ob ich das falsch verstanden, der Dozent falsch vermittelt oder sich die Definition zwischenzeitlich geändert hat...

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


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  • Moin,

    bei der Schilderung und meiner rettungsdienstlichen Interpretation, wäre das ein Fall für einen RTW und Notaufnahme - wenn dieser Zustand in Summe spontan eintrat. Das ist ja keine "leichte" Hautreizung mehr und eine fortschreitende systemische Reaktion bspw. der Atemwege kann glaub ich keiner ausschließen.

    Ich war nicht anwesend, denke aber, das die Kollegen entsprechend umsichtig gehandelt haben bzw. im Zweifel einen RTW gerufen hätten.

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


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  • Das Sie die Allergie schon vorher hatten... mag sein, aber wie soll nun verfahren werden?

    Das ist doch der Hauptpunkt...

    Möglich wären:

    - als Koch auf Kürbis verzichten und hoffen, dass nicht noch mehr Kreuzreaktionen auftreten können...

    - Nur noch Handschuhe bei Kürbisverarbeitung verwenden und hoffen, dass man nicht noch auf die Aerosole reagiert...

    - die Kochausbildung gänzlich an den Nagel hängen...

    Zynismus an: - Augen zu und durch... Köche wachsen schließlich auf den Bäumen...

    Wir hatten während der SiFa Ausbildung dazu eine ganz einleuchtende Fallbeschreibung "Reinigungsfachkraft"... da ging es um den wiederholten Kontakt mit einem Grundreiniger... Am Ende blieb nichts anderes übrig als die Berufsunfähigkeit...

    Beste Grüße aus Mainz

    E.weline

    Versicherung der Unsicherheit ist Sicherheit.

    Hanspeter Rigs (*1955), Dr. phil., deutscher Philosoph und Aphoristiker

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  • Den Punkt haben wir intern tatsächlich schon angesprochen/abgehandelt:

    Wenn wieder Butternut verarbeitet wird,

    • wird dieser von anderen Azubis verarbeitet werden
      oder
    • unter Verwendung von Handschuhen zubereitet werden.

    Zudem werde ich den Azubis nahelegen, bei einem Allergologen vorstellig zu werden, um einen Allergietest zu machen.

    Dadurch soll(en) Butternut als Allergen bestätigt (widerlegt) und ggf. weitere Allergene erkannt werden. Auch kann der Arzt auf mögliche Kreuzallergien mit <...> hinweisen.

    Darauf aufbauend sollen sich die Azubis dann einen Allergiepass austellen lassen, was prospektiv auf die Prüfungen ausgerichtet ist.
    Das Prozedere ist, laut unserem Kochausbilder, so, dass die Azubis aus einem Pool von Rezepten ihr Prüfungsaufgabe ziehen und im Anschluss dann zubereiten.
    Sollte dieses Rezept ein Allergen enthalten, darf der Azubi, wenn der Allergiepass vorgelegt wird, nochmal ziehen.

    Mein Ratschlag wäre in jedem Fall auf Handschuhe zu verzichten und ein anderes Rezept zu ziehen, da das Allergen beim abschmecken in den Körper aufgenommen wird. Aus eigener erfahrung weiß ich, das man auch bei Allergien gute und schlechte Tage hat. Will sagen: Was bisher nie etwas ausgemacht hat, kann unter dem Prüfungsstress etc. deutlich heftigere Reaktionen auslösen.

    Die Mädels und Jungs befinden sich bei uns in der Erstausbildung. Eine mögliche "Berufsunfähigkeit" thematisieren wir erst, wenn es notwendig erscheint.

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


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  • unter Verwendung von Handschuhen zubereitet werden.

    Bei Kürbisallergie ist auch eine Kreuzallergie mit Latex möglich! Ebenso mit Sellerie und noch einiges mehr. Das sollte unbedingt mit einem Allergologen abgeklärt werden.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Bei Kürbisallergie ist auch eine Kreuzallergie mit Latex möglich! Ebenso mit Sellerie und noch einiges mehr. Das sollte unbedingt mit einem Allergologen abgeklärt werden.

    Danke für den Hinweis! Ich habe das bereits an den Koch weitergeleitet!

    In der Küche kommen Vinylhandschuhe zum Einsatz.

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


    Nur Scheiße "passiert". - Unfälle werden verursacht!

  • Beim regionalen Sifa-Forum meinte der Dozent der BGHM, dass keine Allergietest gemacht werden, weil dadurch die Gefahr bestünde, dass Allergien ausgelöst werden könnten.

    Die geringen Mengen zum Testen könnten da schon reichen, dass der Körper den Stoff nicht mehr "mag".

    Kann das jemand bestätigen, anhand der Praxis?

    „Ich habe 26 eklatante Sicherheitsverstöße gezählt!...27!!!!!!!!“ (frei nach Melman Mankowitz, Madagascar)

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  • Die geringen Mengen zum Testen könnten da schon reichen, dass der Körper den Stoff nicht mehr "mag".

    Kann das jemand bestätigen, anhand der Praxis?

    ja, außer bei Blutest ( IgE).

    Kontakt zu Allergen=pot.Sensibilisierung.

    Ist ja das gleiche Immunsystem was sonst Krankheiten abwehrt und zu Vieren kommt man ja meist auch nicht gleich Grammweise in Kontakt..

    ( ok Streng genommen wird IgE bei Endoparasiten gebildet, aber Mastzellen und Histamin für alle ist ja auch noch da.
    Bei Prick gibt es Kontakt zum Blut, dafür bei Epicutan >24h+ Kontakt…

    Also als nicht ganz trivial.


    Aber NEIN, meistens braucht es mehrere Kontakte.


    iBesonders Kritisch sollte man bei Stoffen sein, die das Potential haben eine anaphylaktische Reaktion hervorzurufen..


    Gute Allergologen testen nur was notwendig ist.

    Schlechte freuen sich über die Leistung , die sie extra abrechnen können…

    Grüßle
    de Uil

    „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich das generische Femininum. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Personen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen und mitgemeint.“

    Omnia rerum principia parva sunt. [Der Ursprung aller Dinge ist klein.] (Cicero)