SPS und Schutzkonzept außer Kraft - Manipulation an Handsteuerung

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  • Hallo Kolleginnen und Kollegen,
    anlaßbezogen bin ich heute mit zwei konkreten Fragen neu hier im Forum. Da ich als freiberufliche SiFa tätig bin, bitte ich um Verständnis für die anonyme Darstellung des Falles aus vertraglichen Gründen.

    Es handelt sich um eine langsam um Längs- und Querachsen horizontal verfahrende Anlage, mit großem Massentransport. Sogenannte kollaborierende Roboter. Die Anlage arbeitet also begleitend zum Menschen, und kann technisch nicht vom Menschen getrennt werden. Bei Erfassen eines Menschen wären schwerste bis tödliche Verletzungen durch Scheren oder Quetschen zu erwarten. Es sind Lichtschranken und Opto-Sensoren ("Scanner") verbaut, die über die SPS die Anlage sicher stillsetzen sollen, wenn ein Mensch in den Gefahrenbereich gerät.

    Bei einer Betriebsbegehung wird festgestellt:

    • Das ursprünglich vorhandene technische Schutzkonzept ist mit der SPS vollständig außer Funktion gesetzt, d. h. alle abschaltenden Signalgeber und Sicherheitsvorrichtungen sind unwirksam, dies ist offenbar schon länger so.
    • Die Anlage wird seither ausschließlich im Tipp-Betrieb
      von Hand und „auf Sicht“ gefahren - dies bei teilweiser Uneinsehbarkeit von den Steuerständen aus.
    • An Handsteuerständen wurden Sicherheitsschaltungn ("Totmannschaltung") manipuliert!

    Da die Anlage wegen Schichtende während der Zeit der Beobachtung grade stillgesetzt wurde (es handelt sich um einen Betrieb mit Einschichtbetrieb), und der Geschäftsführer für ein Gespräch zum Sachverhalt nicht erreichbar war, wurde eine kurze Frist (Stunden) bis zur Mitteilung über die vorgefundene Manipulation an die zuständige BG und Gewerbeaufsicht gestellt. Daraufhin wurde mir vom Geschäftsführer als von ihm beauftragter SiFa die Entfernung der Manipulationen und die nachhaltige Unterbindung weiterer Manipulationen schriftlich zugesagt. Von einer Mitteilung an BG und Gewerbeaufsicht wird daher vorerst für den Zeitraum einer Woche abgesehen.

    Meiner Einschätzung nach muß nun schnellstmöglich eine Gefährdungsbeurteilung für den betreffenden Anlagenteil gemacht werden. Hierauf basierend dann das Konzept für die Wiederinbetriebnahme bzw. Erneuerung der SPS.

    Bisher habe ich zum Thema gefunden:

    • Der Anlagenbetreiber muss eine Gefährdungsbeurteilung für die Arbeitsmittel erstellen. Grundlage hierzu ist die TRBS 1111, die die Anforderungen aus § 5 ArbSchG und § 3 BetrSichV konkretisiert. Ziel hieraus ist es, die noch vorhandenen Gefährdungen für den Mitarbeiter zu ermitteln. Die Anforderungen der TRBS gehen aber über die der EN ISO 14121 hinaus, da hier das gesamte Arbeitssystem beurteilt werden muss. Bei der TRBS müssen auch Psychische Gefährdungen (z.B. Stress), "Sonstige" Gefährdungen ( z.B. durch andere Menschen) sowie die Arbeitsumgebung (Klima, Beleuchtung, ...) mit betrachtet werden.
    • BG/BGIA-Empfehlungen für die Gefährdungsbeurteilung nach Maschinenrichtlinie - Gestaltung von Arbeitsplätzen mit kollaborierenden Robotern
    • GBU = Gefährdungsbeurteilung = Betreiber
    • RBU = Risikobeurteilung = Hersteller
    • SSPS = Sicherheits-SPS: ???
    • DIN EN ISO 10218-2: ???
    • AKTUELL gilt: EN ISO 12100:2010 "Sicherheit von Maschinen - Allgemeine Gestaltungsleitsätze - Risikobeurteilung und Risikominderung"
    • Risikobeurteilung nach EN ISO 14121-1 (bis 2013), aufgegangen in EN ISO 12100:2010

    Meine Fragen dazu:

    • Welche Normen und technischen Regelwerke wären hier für das Konzept der SPS und der Schutzeinrichtungen relevant und zu berücksichtigen?
    • Ist eine Sicherheits-SPS (SSPS) erforderlich?

    Letzteres vermute ich, finde jedoch bisher nicht den eindeutigen Hinweis.

    Die Sache beschäftigt mich ununterbrochen seit Mittwoch Abend.
    Hier muß dringend etwas geschehen. Ein Bußgeld durch die BG wäre für den Unternehmer noch verschmerzbar, aber eine Stillegung durch die Gewerbeaufsicht würde ich gern verhindert sehen.

    Vielen Dank für Eure Hilfe zu den beiden Fragen!
    K.

    23

    Einmal editiert, zuletzt von Kalima (28. April 2015 um 09:53) aus folgendem Grund: Umbruch

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  • Hallo Kalima,

    bei dieser Sache ist mehr als Gefahr im Verzug. Die Anlage ist sofort ausser Funktion zu setzen. In diesem Zustand sollte sie solange bleiben, bis der vom Hersteller gelieferte Zustand wieder vorhanden ist.
    Zusätzlich bedarf es neben einer Untersuchung (hier würde ich von Seiten der BG und der Gewerbeaufsicht) evtl. sogar eine strafrechtliche Verfolgung.

    Klar gefällt dies dem Geschäftsführer nicht. Ein Bussgeld wird ja schnell aus der Portokasse gezahlt, hauptsache der Betrieb läuft. Der Mensch steht voll in der Schusslinie.

    Sogesehen finde ich deinen Ansatz falsch. Nachdem die ANlage wieder tipp-topp und von unabhängigen Untersuchern wieder freigegeben wurde, würde ich an deiner Stelle MIT dem Hersteller eine entsprechende GB machen. Was soll ein Blatt Papier, das etwas vorgaugelt, was nicht vorhanden sein kann?

    Sorry, aber etwas über eine GB legalisieren, was offensichtlich nicht in Ordnung ist, damit dann der Betrieb SO weitergehen kann: NO-GO. :thumbdown:

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

  • ...

    • Die Anlage wird seither ausschließlich im Tipp-Betrieb


    Märchenstunde oder was? Wer kauft eine teure Anlage, mit welcher schnell etwas produziert werden kann, manipuliert sämtliche Sicherheitseinrichtungen um dann die Anlage im Tipp-Betrieb zu betreiben?

    ...und der Geschäftsführer für ein Gespräch zum Sachverhalt nicht erreichbar war, wurde eine kurze Frist (Stunden) bis zur Mitteilung über die vorgefundene Manipulation an die zuständige BG und Gewerbeaufsicht gestellt. ...


    Ich hätte die Anlage sofort außer Betrieb setzen lassen, ob der Geschäftsführer jetzt Zeit und Lust hat oder nicht.
    Meldung an BG oder Gewerbeaufsicht? Nach welcher Rechtsgrundlage? Du bist nicht die Hilfspolizei. Die Meldung würde ich nur machen, wenn die Geschäftsführung nicht kooperativ ist. Gleichzeitig wäre dies meine letzte Minute SiFa für diesen Betrieb.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • DIe richtige Vorgenhensweise wäre zu klären:

    Wer ist der Hersteller der Anlage?
    Hat der eine Risikobeurteilung gemacht? Liegt diese dem Betreiber vor (muss nicht sein).
    Gibt es eine Betriebsanleitung in Landessprache?
    GIbt es eine KOnformitätserklärung mit Aufstellung der herangezognen Normen?
    Hat die Anlage ein CE-Zeichen?
    Wo ist die Gefährdungsbeurteilung?
    Liegt eine Betriebsanweisung vor?
    Sind nachweislich Unterweiseungen durchgeführt worden?
    ....

    "Sei achtsam auf dem Weg zur Schicht, auf der Strasse schläft man nicht!"

    "Wenn es einen Weg gibt, es besser zu machen: finde ihn." Thomas Alva Edison (1847-1931)

  • Sorry, aber etwas über eine GB legalisieren, was offensichtlich nicht in Ordnung ist, damit dann der Betrieb SO weitergehen kann: NO-GO. :thumbdown:

    Moin Waldmann,
    danke für die klare Stellungnahme.

    So ist nicht mein Standpunkt. Wenn der GF nicht zeitnah reagiert, gebe ich das ab. Die GefBeurt. soll die Grundlage liefern, auf der die SPS dann vom Lieferanten / Hersteller neu aufgebaut und in Betrieb genommen werden kann.

    Für mich sind die zentralen Fragen:

    • Ist eine Sicherheits-SPS (SSPS) erforderlich (ich vermute ja, habe aber die entsprechende Norm oder Regelwerk noch nicht gefunden, um das belegen zu können), und
    • welche technischen Normen sollte die Steuerung sonst noch vorrangig erfüllen?

    Damit meine ich jetzt nicht die VDI etc. daß die Anlage elektrotechnisch sicher sein muß ist ja selbstverständliche Voraussetzung.

    129

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  • Märchenstunde oder was? Wer kauft eine teure Anlage, mit welcher schnell etwas produziert werden kann, manipuliert sämtliche Sicherheitseinrichtungen um dann die Anlage im Tipp-Betrieb zu betreiben?

    Moin Tiefflieger,
    die Anlage lief mit SPS seit den 90ern. Was da genau der Grund für den derzeitigen Zustand ist, ist mir unklar. Vermutlich vertragliche Unklarheiten oder schlechte Kommunikation mit dem Lieferanten oder so´n Mist. Ist aber auch nebensächlich, der Zustand ist unhaltbar und muß geändert werden!

    Ich hätte die Anlage sofort außer Betrieb setzen lassen, ob der Geschäftsführer jetzt Zeit und Lust hat oder nicht.
    Meldung an BG oder Gewerbeaufsicht? Nach welcher Rechtsgrundlage? Du bist nicht die Hilfspolizei. Die Meldung würde ich nur machen, wenn die Geschäftsführung nicht kooperativ ist. Gleichzeitig wäre dies meine letzte Minute SiFa für diesen Betrieb.

    Ich bin externe Sifa, und als Berater in der Firma. Habe also keinerlei Weisungs- oder sonstige Befugnisse. Was die SiFa generell nicht hat.

    Wenn der GF nicht einsichtig ist und selber handelt, geht Außerbetriebsetzung nur über die Behörden und die BG.

    Oder übersehe ich da einen Weg? Dann würde mich das sehr interessieren!


    130

  • Moin kalima,


    http://www.arbeitssicherheit.de/de/html/fachbe…heit---Gesetze/

    http://www.schneider-electric.de/documents/orig…I02_10_2010.pdf

    die Sicherheit an der Maschine muß nicht zwangsläufig über eine SPS laufen. Es gibt Hersteller, die bspw. diverse Maschinenschutzschaltungen (selbstredend zert.) bauen, die direkt den Hauptstromkreis lahmlegen und die SPS dann von aussen mit Informationen füttern.

    Ich würde versuchen über den Hersteller etwas in Erfahrung zu bringen. Namhafte Hersteller betreiben einen Service, der auch noch für 25jährige Maschinen geht. Versuche etwas über die Service-Stelle des Herstellers. Vorab brauchst du allerdings die Daten: S/N, Bj., Softwarestand, ....


    Viel Erfolg (bei der Arbeit des Betreibers!).

    .
    .
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    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

  • Hi...

    was ich der Geschäftsführung des Unternehmens auf jeden Fall mitgeben würde, wäre das Urteil zu dem tödlichen Arbeitsunfall in der Glasverarbeitung, das hier auch schon mehrfach durchs Forum ging.
    Letzlich bewegt die Geschäftsführung sich in einem ähnlichen Rahmen, wie die Geschäftsführung dort.
    Damit dürfte die Argumentation ein ganzes Ende einfacher werden - vorausgesetzt du findest überhaupt Gehör.

    Allerdings wäre der Punkt, bei dem die Geschäftsführung mich bei einer derart wichtigen Angelegenheit nicht "empfängt" der Punkt, wo für mich die Basis einer guten Zusammenarbeit aufhört.

    in diesem Sinne

    Gruß
    Thorsten

    ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    Es genügt nicht, unseren Kindern einen besseren Planeten hinterlassen zu wollen.
    Wir müssen auch unserem Planeten bessere Kinder hinterlassen!

  • ...Wenn der GF nicht einsichtig ist und selber handelt, geht Außerbetriebsetzung nur über die Behörden und die BG.

    Oder übersehe ich da einen Weg? Dann würde mich das sehr interessieren!


    Eine relevante Frage sollte sein, wie ist das Verhältnis von Dir zur GF? Bist Du nur Alibi SiFa, die man eben hat, da der Gesetzgeber es vorschreibt, oder wird Dein Rat auch beachtet?
    Die vorgefundene Situation könnte ja recht schnell strafrechtliche Relevanz erlangen, wenn eine Person verletzt wird. Da sind wir dann im Bereich fahrlässige Körperverletzung bis gefährliche/schwere Körperverletzung evt. auch fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge. Teilweise sind dies Straftaten, die nur auf Antrag verfolgt werden und noch sind sie ja nicht eingetreten.
    Hier gibt es meiner Meinung nach nur 2 Wege:
    1. Die GF kooperiert und setzt die Maschine sofort außer Betrieb. Dann wird die Maschine in einen sicheren Zustand gebracht und erst anschließend wieder in Betrieb genommen.
    2. Die GF kooperiert nicht, dann folgt Die Kündigung Deines SiFa Vertrages mit entsprechender Mitteilung an die Aufsichtsbehörden.
    Ist natürlich auch hart für Dich, denn ein Auftraggeber und somit eine Geldquelle bricht möglicherweise weg. Allerdings wäre es für mich persönlich schwer zu ertragen, bei einem AG tätig zu sein, der keinerlei Rücksicht nimmt auf die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Moin,

    warum kündigen? Ich dachte bislang, eine SiFa hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Gesundheits- und Arbeitsschutz in einem Betrieb zu unterstützen und zu fördern. Gerade in einem solchen betrieb sollte man am Ball bleiben, um etwas für die Beschäftigten zu erreichen. Leichter verdient man natürlich sein Geld mit einer Ansammlung von Schreibtischtätern, die regelmäßig Betriebssport machen, immer schön den Handlauf benutzen, an allen Gesundheitstagen teilnehmen und selbst das kleinste Nasenbluten ins Verbandbuch eintragen. :whistling:

    Sehenden Auges vor einem solchen Missstand "wegzulaufen" halte ich für den absolut falschen Weg.

    Zitat von DGUV 2

    Beratung der Beschäftigten über besondere Unfall- und Gesundheitsgefahren bei derArbeit...
    Motivieren zum sicherheits- und gesundheitsgerechten Verhalten...
    Allgemeine Beratung von Arbeitgebern und Führungskräften...
    Direkte persönliche Beratung von Arbeitgebern...

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Zitat von Kalima

    Bei Erfassen eines Menschen wären schwerste bis tödliche Verletzungen durch Scheren oder Quetschen zu erwarten.


    Den Ball spiele ich mal zurück. Was dann?

    Zitat von §16 ArbSchG

    (2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen.


    Da wäre doch eine Beratung der Beschäftigten und die Einbeziehung der Personalvertretung gefragt.

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

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  • Anhand der Unterlagen ( Schaltpläne ) sollte man erkennen können welches Schutzkonzept wirklich vorlag und wo Manipulationen statt gefunden haben, ich tippe mal darauf das hier Mehrkanal Sicherheitsrelais vorgeschaltet sind. Eine SSPS kann ich mir bei dem BJ nicht vorstellen

    Gibt es vor Ort eine VEFK ? Wenn ja ist auch diese u.u. berechtigt die Anlage still zu setzen

    Mfg Dierk

    Mfg Dierk

    Elektriker aus Leidenschaft :thumbup:

  • Zahlreiche Telefonate, Faxe und Mails später:
    Inzwischen liegen mir einige Unterlagen und Erklärungen vor.

    • Ein aktueller Unterweisungsnachweis, womit das Unternehmen das ausdrückliche Verbot jedweder Manipulation an Steuerungen, insbesondere Totmannschaltungen, anweist, alle betreffenden MA haben das unterschrieben.
    • Eine Stellungnahme des Teamleiters des Unternehmens, dass Anfang des Jahres die Steuerung von S5 auf S7 erneuert hat, die besagt, die bestehende Software wurde aus der alten S5 übernommen. Damit ist das ursprüngliche Sicherheitskonzept "Fahren auf Sicht von Hand" ebenfalls übernommen worden.
    • Eine Erklärung mit Unterschrift und Firmenstempel, daß der Betreiber die Anlage im gegenwärtigen Zustand - nach Entfernen und Unterbinden weiterer Manipulationen! - für sicher hält und entgegen meinem Rat auf eigenes Haftungsrisiko weiter betreibt.

    Zu 1: Erstmal soweit, so gut.
    Zu 2: Ob das Konzept für kollaborierende Robotik nach heutigem Stand der Technik noch ausreicht, muß eine Gefährdungsbeurteilung ergeben (ich denke vorläufig, eher nicht, will aber hier nicht vorgreifen). Die vorgefundenen optoelektronischen Sicherheitseinrichtungen (Lichtschranken, Optoscanner etc.) wurden auf eigene Initiative des Unternehmens nachgerüstet, waren aber bisher nie in Betrieb! Daraus schließe ich, die wollen was verbessern. Warum das nicht erfolgte und wirksam umgesetzt wurde, ist eine andere Frage.
    ZU 3: Am Mittwoch findet ein Treffen vor Ort mit der GF und den weiteren in den Vorgang Involvierten statt, die wollen Lösungen. Da wird sich vermutlich einiges klären. Meine Vermutung: Unklare und uneindeutige Organisation, unklare Kommunikation. Das wird zur Sprache kommen, und in der GB abgebildet werden ("sonstige Gefährdungen" und "Psychische Belastungen").

    Immerhin konnte hier durch klare und eindeutige, dabei sachliche Kommunikation überhaupt eine Reaktion der GF erzwungen werden - vorläufig ohne weitere Eskalation, das ist schonmal gut. Das Beratungs-Mandat wurde im Zuge der Diskussion beiderseits zur Disposition gestellt. Manchmal muß man halt was riskieren.

    Alles Weitere sehen wir dann am Mittwoch.

    Vielen Dank nochmals für die vielen Antworten! :thumbup:

    K.

    ..und wenn das durch ist: :138:


    505

  • ...Immerhin konnte hier durch klare und eindeutige, dabei sachliche Kommunikation überhaupt eine Reaktion der GF erzwungen werden - vorläufig ohne weitere Eskalation, das ist schonmal gut. ...

    Schön, dass doch Bewegung in die Sache kommt. Jetzt würde ich vorschlagen evt. gemeinsam mit dem Hersteller ein Konzept zu erarbeiten, wie die Anlage in einen Sicheren Zustand nach dem heutigen Stand der Technik gebracht wird und wie man weitere Manipulationen verhindert.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Moin,

    wie auch immer:

    Die Maschine hat bis zu den entsprechenden Änderungen still zu stehen. Alles andere ist in meinen Augen mind. vorsätzliche Körperverletzung.

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

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  • Schön, dass doch Bewegung in die Sache kommt. Jetzt würde ich vorschlagen evt. gemeinsam mit dem Hersteller ein Konzept zu erarbeiten, wie die Anlage in einen Sicheren Zustand nach dem heutigen Stand der Technik gebracht wird und wie man weitere Manipulationen verhindert.

    Guten Morgen Kollegen,
    hier der aktuelle Sachstand:

    Der Unternehmer hat den mit Nachdruck kommunizierten Hinweis auf die Manipulationen eingesehen, und reagiert in dem Sinne, daß er alle Beschäftigten dahingehend schriftlich unterwiesen hat. Der Unterweisungsnachweis mit allen Unterschriften liegt mir vor. Insofern konnte hier eine Reaktion erzwungen werden, die auch etwas bewirkt hat. Damit ist die Gefahr im Verzug erstmal gebannt, die "Kuh vorläufig vom Eis". Die Gewerbeaufsicht bleibt somit erstmal draußen.
    Der Sachverhalt stellt sich inzwischen etwas klarer dar:

    • Das Sicherheitskonzept sah ursprünglich Fahren von Hand auf Sicht, ausschließlich im Tippbetrieb (sog. "Totmannschaltung") vor. Inzwischen wurde die Steuerung von S5 auf S7 erneuert, die Software aber unverändert übernommen. Soweit eine schriftliche Stellungnahme des Steuerungs- und Anlagenbauers.
    • Alle in der Anlage vorgefundenen optoelektronische Signalgeber als Sicherungselemente sind vom Unternehmer nachträglich verbaut, aber nie in Kraft gesetzt worden! Das ist kurios, aber erstmal sekundär in der Betrachtung. Immerhin spricht das für den Unternehmer, daß er "was machen will" und auch investiert! Nur leider sind diese Investitionen bisher nicht wirksam.

    Im Zentrum steht nun die Frage: Wie sollte bei dieser Art von "kollaborierender Robotik" ein aktuelles Schutzkonzept aussehen? Fahren von Hand auf Sicht ist für mich "gefühlt" nicht mehr zeitgemäß. Die Tatsache, daß von den Steuerständen teilweise die Sicht in die Anlage versperrt ist, wäre in der Gefährdungsbeurteilung nach MaschRiLi entsprechend zu bewerten.

    Meine aktuellen Fragen, wo finde ich weitere klare Antworten:

    • Ist bei einer kollaborierenden Robotik eine Sicherheits-SPS (SSPS) zur Einbindung der optoelektronischen Signalgeber als Sicherungselemente erforderlich, und wenn ja, worauf gründet sich dies? (Normen, Regelwerke, etc. hier blicke ich noch nicht ausreichend durch), und
    • Kann jemand einen Hinweis auf ein Beispiel einer Gefährdungsbeurteilung nach MaschRili geben?

    Damit wäre mir, und dem Unternehmer, sehr geholfen.

    Vielen Dank.
    K.

    P.S.: Hier war - und ist weiterhin - wirklich Ausdauer und Fingerspitzengefühl in der Kommunikation gefordert, um eine funktionierende Balance zwischen Nachdrücklichkeit und Dringlichkeit mit der Rolle des Dienstleisters zu verbinden. Ich denke, nur so konnte die Eskalation verhindert werden. Der Geschäftsführer ist Gründer und seit 40 Jahren alleiniger Gesellschafter. Ich sehe mich mit unklaren und uneindeutigen Zuständigkeiten und Kompetenzen konfrontiert (Überschneidungen und Ignoranz, d.h. nicht sehen- bzw nicht-wissen-wollen, etc.). Insofern wird das Organisationsversagen DAS Rahmen-Thema des ganzen weiteren Verfahrens auf der Sachebene sein. Ich bin sehr froh, daß ich hier im Laufe des Lebens einige Methoden- und Kommunikations-Kompetenzen erworben habe. SiFa zu sein, ist für mich eine Schnittmenge aus Ingenieur, Rechtsberater und psychologischem Organisationsberater.

    Aber das können wir gerne an anderer Stelle vertiefen.

    22

  • Hallo Kalima,


    nachdem was ich da lese: Nachrüstung optoelektronischer Signalgeber usw. gehe ich mal ganz stark davon aus, das es sich um eine sogenannte "Wesentliche Änderung" handelt.
    Damit wäre das gesamte Konformitätsbewertungsverfahren nach MRL durchzuführen.
    Bedeutet die Anlage wir ohne Betriebserlaubnis betrieben!



    Im Fall einer Wesentlichen Veränderung müssen Roboter und Roboteranlagen den aktuell geltenden Rechtsvorschriften entsprechen. Dazu zählt die EN ISO 10218 Teile
    1 und 2, welche auch die Steuerungsnorm EN ISO 13849-1 mit Performance Level d beinhaltet. Die sicherheitsrelevanten Steuerungen müssen jedoch im
    Fall einer Wesentlichen Veränderung noch nicht zwingend dem Schutzniveau dieser Norm angepasst werden, da dies aufgrund der fehlenden Datenbasis zur Berechnung
    der Performance Level meistens nicht möglich ist.
    Es genügt in diesem Fall, wenn die sicherheitsrelevanten Stromkreise einer Roboteranlage wie z. B.:
    • Not- Halt
    • Zustimmungseinrichtung
    • Berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen (z. B. Lichtschranken, Laserscanner)
    • Taktile Schutzeinrichtungen (z. B. Schaltmatten, Schaltplatten, Schaltleisten)
    • Ortsbindende Schutzeinrichtungen (z. B. Zweihandschaltungen)
    • Türüberwachungsschaltungen mit und ohne Zuhaltung
    • Sicherer Einzelbetrieb eines Roboters bei Anlagen mit mehreren Robotern (z. B. zu Programmierzwecken oder Nachjustage)
    mindestens der Kategorie 3 gemäß EN 954-1 entsprechen (Zweikanaligkeit).


    Schau die die entsprechenden Normen an und die folgenden Infos der DGUV:


    DGUV Information 209-074 Industrieroboter


    Wesentliche Veränderungen von Produkten

    Interessant ist auch dieses
    Hier einfach mal in den angebotenen Unterlagen stöbern.

    Gruß drachen64


    Gib einem Menschen Macht und du erkennst sein wahres Gesicht.

  • Ich kenn das. Genau so.

    Eine Galvanikanlage mit automatisierten Schüttkörben. Läuft im drei-Schicht Betrieb.

    Vorgesehen sind: Schutzgitter, Sicherheitsschalter, Lichtschranken, SPS Steuerung. Dann die Abnahme (war in den 90ern) durch den Hersteller.
    Dann wurden nach und nach abgebaut/überbrückt: Schutzgitter, Sicherheitsschalter, Lichtschranken, SPS Steuerung

    Es ist ohne Probleme möglich Schutztüren (wenn sie überhaupt noch da sind) zu öffnen, in die Anlage zu laufen (die Zäune sind nicht mehr da, bei Vollbetrieb in den Bereich der selbstfahrenden Wägen), in die laufende Anlagen zu fassen (Lichtgitter sind überbrückt).
    Sicherheitsschlüssel sind alle da, stecken, und die Anlage läuft im Tipp/Einrichtbetrieb, aber dauerhaft. Auf den Schalt/Steuerkästen stehen die Passwörter des Maschinenherstellers und diese sind auch allen bekannt. So kann mühelos in die Anlagensteuerung eingegriffen werden.
    Achso... Prüfungen der Anlage und der Anlagenteile erfolgen natürlich bei Defekten. Und nur dann.

    Es hat schon ein Unfall stattgefunden als ein Mitarbeiter durch die Anlage lief und von einem Transportwagen erfasst wurde.

    Trotz mehrerer Begehung und Hinweise dass dies z.B. u.U. den Straftatbestand erfüllen würde passiert: GAR nichts. Im Gegenteil; es wird eher noch mehr abgeschraubt.
    Die Geschäftsleitung weiß Bescheid, der Sibe weiß Bescheid, der Technische Leiter weiß Bescheid, die FASI (also ich) ebenfalls. Es passiert trotzt drängen, Hinweisen etc. GAR NICHTS. Stillsetzen und reparieren der Anlage fällt hier gleich aus. Zitat Geschäftsführer: "Ich solle jetzt mal die Kirche im Dorf lassen."

    Das Verständnis und das Interesse ist nicht da. Geld für solchen Sicherheitsfirlefanz übrigends auch nicht. Das wurde in mehrere hochglänzende Geländewägen und Cabrios investiert.

    Die Sache mit dem Gewerbeaufsichtsamt und der BG ist für mich vielleicht was. Ich kämpf seit mehreren Jahren in dem Laden und es wird immer schlimmer anstatt besser.

    Ich bin gerade dran, aus dem Vertrag auszusteigen (Ich schreibe gerade einen Mängelbericht, der sich gewaschen hat).
    Ich kann und will das nicht mehr mit ansehen.

    Mike

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    Irgendwann gehe ich zur BG und lasse mir den Arbeitsschutz als Berufskrankheit anerkennen...

    Wisst ihr was das Schlimmste ist? Wenn nicht.. .klickt hier ....

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    Mike