Was ist eine GefBeUrt?

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  • Hallo SiFas,

    heute kam mal wieder die Diskussion hoch, was denn eine Gefährdungsbeurteilung eigentlich ist. Insbesondere der Umgang mit Gefährdungen, die nicht wirksam werden, ist bei uns ungeklärt.

    - Gehören die dazu oder nicht?
    - Wenn sie nicht wirksam werden, brauchen sie auch nicht betrachtet zu werden!?
    - Was aber, wenn die Schutzmaßnahmen versagen? Oder sich als unzureichend herausstellen? Vielleicht auch erst nach Jahren?

    Ich verwende folgende Definition, konnte mich aber damit bei meinen Kollegen bisher nicht einvernehmlich durchsetzen:

    Eine Gefährdungsbeurteilung ist das systematische, den Regeln der Logik folgende, Aufstellen von Risiken, Gefahren und Gefährdungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die in einem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Betriebes stehen.

    Dabei ist zum Zeitpunkt der Erfassung von Gefährdungen nicht relevant, ob die Gefährdung(en) wirksam werden oder schon sind.

    Entscheidend ist, ob Gefährdungen

    - technologisch
    - aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung
    - aufgrund der betrieblichen Erfahrung der betroffenen Anwender, des Anlagenbetreibers und der Fachabteilung

    als vorhanden zu betrachten sind.

    Die notwendige Beurteilung ist die Einschätzung des Wirksamwerdens von Gefährdungen
    - unter Beachtung der Kriterien relevanter Vorschriften und Regelungen
    - nach der Wahrscheinlichkeit des Eintritts
    - nach der Schwere des Ausmaßes
    - unter Beachtung der bereits umgesetzten, sowie ggf. weiteren umzusetzenden Maßnahmen.

    Wie seht ihr das?
    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

    2 Mal editiert, zuletzt von Niko (10. August 2009 um 15:39)

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  • Hallo Niko,

    in der GB sind alle Gefährdungen aufzulisten sowie die Maßnahmen die ein wirksam werden verhindern sollen.

    Heißt, habe ich eine mechanische Gefährdung durch ein bewegtes Teil welches aber durch ein Schutzgitter abgedeckt ist, ist dies aufzuführen. Dies ist auch gleich die Daseinsberechtigung für das Schutzgitter. Wird bei Instandhaltungsarbeiten das Gitter entfernt darf das Betriebsmittel nicht wieder betrieben werden solange das Schutzgitter nicht wieder montiert wurde.
    Ein anderes Beispiel: Ich habe an einem Arbeitsplatz einen Gefahrstoff, durch eine Absaugung wird die Chemische Gefährdung nicht wirksam, fällt die Absaugung aus darf nicht mehr gearbeitet werden!

    Habe daher auch in meinen GB's eine Spalte für vorhandene Schutzmaßnahmen!
    GefB in Excel inzwischen habe ich sie nicht mehr in Excel sondern in Word!

    Gruß Ralph

    "In der Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben. In der anderen Hälfte opfern wir Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen." (Voltaire)

  • Hallo Niko,

    ich hätte da zwei Tipps aus meiner Erfahrung:

    1. Meine GB-Gerüst besteht aus zwei Teilen.
    Zunächst wird eine "Gefährdungsermittlung" durchgeführt. Hier werden alle wirklich möglichen Gefährdungen für den betrachteten Fall aufgeführt, unabhängig von der tatsächlichen Wirksamkeit.
    Hier mal ein fiktives Beispiel: In einem Produktionsbereich werden nur batteriebetriebene Geräte mit maximal 12 V Gleichspannung bestimmungsgemäß betrieben. Sind in diesem Bereich Steckdosen des normalen Haushaltsstromnetzes auch mit vorhanden, musst du auch die elektrischen Gefährdungen betrachten. Es könnte ja sein, das ein Mitarbeiter sein eigentlich batteriebetriebenes Gerät mit einem Steckernetzteil betreibt. Hast du in diesem Bereich überhaupt kein elektrisches Hausnetz, brauchst du die elektrischen Gefährdungen nicht zu betrachten, da von 12 V Gleichspannung keine Gefahr ausgeht.
    Im zweiten teil wird eine "Risikoabschätzung" vorgenommen. Die vorher ermittelten Gefährdungen werden im Kontext mit den tatsächlichen Verhältnissen und den bisherigen Maßnahmen mit einer Risikomatrix verglichen. Wird ein vorher festgelegtes Grenzrisiko überschritten, müssen die bisherigen Maßnahmen sofort überarbeitet werden. Alles darunter kann erst mal so bleiben bzw. wird später noch einmal in die Hand genommen.

    2. Eine GB ist - wie du ganz sicher auch weist - keine statische Sache, sondern ein Entwicklungsprozess. Sie sollte einmal in Jahr , mindestens aber alle zwei Jahre, noch einmal auf Aktualität geprüft werden. Hierbei fließen dann, z.B. in der Risikoabschätzung, das Ergebnis von vorher eingeleiteten Maßnahmen mit ein oder strukturelle bzw. technischen Änderungen aus dem letzten Jahr usw. Genausogut kann eine bisherige Gefährdung entfallen oder eine neue dazukommen.

    Ich hoffe das hilft dir in deiner Diskussion ein wenig weiter.

    PF

    Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen
    (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von Niko
    ... Insbesondere der Umgang mit Gefährdungen, die nicht wirksam werden, ist bei uns ungeklärt.
    - Gehören die dazu oder nicht?
    - Wenn sie nicht wirksam werden, brauchen sie auch nicht betrachtet zu werden!?
    - Was aber, wenn die Schutzmaßnahmen versagen? Oder sich als unzureichend herausstellen? Vielleicht auch erst nach Jahren?

    Meiner Meinung gehören auch diese Gefährdungen dazu, denn wir betrachten ja auch "Beinahe-Unfälle" - und gerade hier sieht man dann, dass es oftmals Gefährdungen gibt, die man nicht als solche berücksichtigt hat oder von denen man annahm, dass sie nicht wirksam werden.

    Zitat

    Ich verwende folgende Definition, konnte mich aber damit bei meinen Kollegen bisher nicht einvernehmlich durchsetzen: ...


    Gute Definition ... von Dir formuliert? ;)

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

  • Hallo a.r.ni,

    Zitat

    Original von a.r.ni
    [Gute Definition ... von Dir formuliert? ;)

    Danke für die :7:
    Die Definition ist über einen Zeitraum von einem guten Jahr gewachsen.
    Ich würde gerne mehr in dieser Richtung arbeiten. Aber meine Kolleginnen und Kollegen sind doch sehr stark "operativ" ausgerichtet ("einge-nord-et") und erteilen mir immer eine Abfuhr. An Grundlagenarbeit und strategischer Positionierung haben hier nur sehr wenige Leute Interesse. Leider...

    Und wie das halt im Leben so ist, muss das "Rad immer wieder neu erfunden werden". Auch bei der GefBeUrt.
    Derzeit bin ich am Thema "Akzeptiertes Restrisiko".
    Wunderbares Thema, das sehr viel mit Lebenserfahrung, Kultur, Lebenseinstellung, soziales Umfeld und persönlicher Prägung zu tun hat. Mal sehen, ob auch was brauchbares raus kommt.

    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

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  • Eine Gefährdungsbeurteilung ist – anders als eine Unfallanalyse – eine vorausschauende, präventive Analyse einer möglichen Belastungs- und Beanspruchungssituation, die eine Gefährdung darstellen kann.
    Die Gefährdungsbeurteilung soll ein systematisches Vorgehen gegen Belastungen, Beanspruchungen und Störfaktoren ermöglichen. Die Gefährdungsbeurteilungen sind nach § 5 Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben.

    Horst

  • Zitat

    Original von eisenhuth
    Die Gefährdungsbeurteilungen sind nach § 5 Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben.

    Hallo,

    und nach
    - §3 Betriebssicherheitsverordnung
    - §7 Gefahrstoffverordnung
    - §3 Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
    - §3 BGV A1
    - §2.4 Gefahrstoffverordnung Anhang III Nr. 2
    - §3.1.1 BGR 190
    - §4 BGR 198
    - usw., usw.

    Wir haben uns die Aufgabe gestellt, diese Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Und da kommen zwangsläufig die Fragen:
    Was ist eine GefBeUrt im Sinne dieser Vorschriften?
    Was war die Absicht und das Ziel des Vorschriftengebers?

    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • merkwürdig zu dem Thema finde ich, das man eine Bewertung der Gefährdungen vor Festlegung der Maßnahmen durchführen soll, und diese auch dokumentieren soll, wenn ich jetzt aber die Hilfen zur Gefährdungsbeurteilung zB. von der BGETE(CD praxisgerechte Lösungen) sehe, dann fehlt diese Bewertung völlig.......

    Die Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.

  • Zitat

    Original von tommygm
    ... wenn ich jetzt aber die Hilfen zur Gefährdungsbeurteilung z.B. von der BGETE(CD praxisgerechte Lösungen) sehe, dann fehlt diese Bewertung völlig.......

    Hallo tommygym,

    soviel zu Theorie und Praxis. ;)

    Für mich einer der Knackpunkte einer "guten" GefBeUrt.
    Meine Ideen hierzu:
    Eine Beurteilung muss auch eine Bewertung enthalten.
    Und wenn ich eine Bewertung habe, so ergibt sich daraus auch eine Rangliste.
    Und anhand der Rangliste kann ich Prioritäten festlegen, was ich zuerst tue und was ich permanent unter Kontrolle halten muss.
    Danach kommt der permanente Verbesserungsprozess, der dazu führen muss, dass die Rangliste sich zu geringerem Risiko entwickelt.

    Was ich bisher nicht weiß:
    Ist das die Absicht des Gesetzgebers?
    Warum gibt es hierzu seitens der Aufsichtsbehörden keine praktikablen Umsetzungsvorschläge?
    Geht die Verbesserung "nur" bis zum akzeptierten Restrisiko (siehe obigen Beitrag)? Oder wird konsequenterweise im Entwicklungsprozeß auch des akzeptierte Risiko reduziert?

    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

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  • Zitat

    Original von Niko
    Geht die Verbesserung "nur" bis zum akzeptierten Restrisiko (siehe obigen Beitrag)?


    Nochmal meine Meinung dazu: eher nein, denn überall dort, wo man über "Beinahe-Unfälle" spricht und diese auswertet, möchte man auch das "Restrisiko" minimieren.
    Schwierig wird dann die Definition (und das hast Du ja schon als Problem beschrieben), was dann ein "Rest-Restrisiko" ist ... ;)

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von tommygm
    merkwürdig zu dem Thema finde ich, das man eine Bewertung der Gefährdungen vor Festlegung der Maßnahmen durchführen soll,....

    hallo tommy

    du machst die bewertung natürlich immer mit den bereits vorgenommenen maßnahmen, ansonsten würdest du immer eine gefährdung herausfinden und ohne maßnahmen nie zu einem grenzrisiko kommen.
    Ergebnis der bewertung ist eben herauszufinden: reichen die bisherigen maßnahmen (die jetzt ja schon in die bewertung mit eingeflossen sind)aus oder muss ich bis zur errreichung eines grenzrisikos die maßnahmen noch weiter überarbeiten, ergänzen, neu festlegen o.ä.

    @ niko.

    das grenzrisiko ist entweder durch grenzwerte, normen, vorschriften mehr oder weniger vorgegeben oder wird vom verantwortlichen mit deiner fachlichen hilfe für den konkreten fall selbst festgelegt.
    Dennoch bleibt es jedem selbst überlassen (je nach finanzieller austattung) das grenzrisiko noch schärfer zu setzen.

    richtig ist natürlich, dass man durch die wichtung erst einmal die schwerpunkte herausfindet und entschärft und sich dann den anderen weiter widmet.

    peter

    Es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, sondern mit den Augen die Tür zu finden. (Werner-von-Siemens zugeschrieben)

  • es ging mir auch eher darum, das selbst BG Musterlösungen diese Bewertungen nicht unbedingt enthalten ;)

    Die Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.

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  • wenn man jedoch Mitgliedsunternehmen der jeweiligen BG ist, empfiehlt es sich ja schon deren angebotenen Musterlösungen/Vorgaben zu verwenden

    Die Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.

  • es handelt sich um die hier schon öfters diskutierte CD3, praxisgerechte Lösungen der BGETE mit Muster gefährdungskatalogen, aus deren Bausteinen man seine eigene Gef.Beurteilung zusammenbaut

    Die Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.