Unfall oder Erkrankung?

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  • Hallo alle,

    gerade hatten wir eine kleine Diskussion, was ein Unfall und was eine Erkrankung ist.

    Folgende Möglichkeiten:

    - Auffahrunfall auf einer Dienstfahrt. Dem Betreffenden geht es gut, er fährt weiter und beschließt den Tag als glücklicher Mensch (gehen wir davon aus, dass der Vorfall gemeldet wurde). Am nächsten Morgen Kopf- und Nackenschmerzen.
    - Mitarbeiter geht einer Arbeit nach (z.B. Basteln am Auto, Airbag explodiert), Ohr piepst. Sicherlich vergeht das noch, oder? Am nächsten Morgen ist das Piepsen immer noch da. Mitarbeiter geht zum Arzt. Dokumentation: Keine.
    - Mitarbeiter klebt sein Bauteil an den Träger des Bauteils mit irgend einem Epoxidharz. Einige Tage danach fängt sein Finger an zu jucken. Dokumentation: Keine.

    Ich habe zu diesen Punkten eine Meinung, will sie aber hier nicht äußern. Nur so viel: verschiedene Meinungen liegen bei uns vor. Im Endeffekt entscheidet die BG, ob es ein Unfall oder eine Erkrankung war - rechtswirksam. Interessant ist die "korrekte" Entscheidung für uns lediglich deswegen, damit schon im Vorfeld mit höherer Wahrscheinlichkeit der "richtige" Prozess gestartet wird (Formulare usw.), und die eventuelle Nacharbeit geringer bleibt.

    Und noch eine Frage - wie handhabt Ihr das: wenn jemand irgendwem aus der Firma einen Unfall meldet (dem Vorgesetzten, der SiFa, dem Gesundheitsmanagement), und der Vorfall nach DGUV V1 rechtssicher dokumentiert wurde - wird noch jemand auf einen Eintrag im Verbandbuch bestehen (halte ich für sinnlos)?

    FG.

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  • Hallo azrazar,

    die Definition lautet:
    Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führt.

    Eine Erkrankung liegt vor, wenn die Voraussetzungen der Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.

    Als Berufskrankheiten gelten Krankheiten, die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht worden sind. Infos bekommst Du hier und genauere Infos hier

    Gruß
    Stephan

    Respekt, Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl

  • Ins Verbandbuch kommen nur die kleinen Geschichten, sprich das Pflaster, weil sich die Wunde noch nacht Tagen entzünden könnte. Die mittleren Geschichten dokumentiere ich ausführlicher, meist in einem Formular für die Unfallmeldung an die BG, jedoch mit einem Hinweis versehen wie "Keine Arbeitsunfähigkeit, daher keine weitere Bearbeitung". Wenn der Mitarbeiter mindestens die bekannten 3 Tage ausgefallen sein sollte, geht die Meldung an die BG raus. Die Verwendung der normalen Formulare an die BG auch für nicht meldepflichtige Unfälle erleichtert die spätere Auswertung des Unfallgeschehens.

    Bei einem Fall wie dem explodierten Airbag ist es für mich klar: Natürlich ist das ein Arbeitsunfall. Aaaaaabeeeeeerrr - das muß natürlich belegt oder bewiesen werden. Das sollte nicht so schwer fallen, wenn es in einer Werkstatt passiert ist, als der Mitarbeiter an einem Kundenauto arbeitete, da der Schaden ja mit dem Kunden geregelt werden muß. Hat der Monteur aber wirklich gebastelt, also in der Pausenzeit am eigenen Auto geschraubt, dann wird es diesen Beweis nicht geben. Das ist aber auch nicht schlimm, denn es wäre ein eigenwirtschaftliches Handeln gewesen und damit eh nicht versichert.

    Die Unterscheidung nach Unfall oder Krankheit durch Gefahrstoffe ist also weniger die Hauptfrage, sondern eher, ob der Unfall bzw. die Erkrankung in einem inneren Zusammenhang zur versicherten Arbeit steht. Die Beweispflicht liegt hier nach meiner Überzeugung eindeutig beim verunfallten oder erkrankten Mitarbeiter. Ich habe das hier den Mitarbeitern in den Unterweisungen deutlich gesagt und so melden sie in ihrem eigenen Interesse lieber einmal zu oft als zu selten Unfälle.

    Ich sehe die ganz große Klippe auch in der Abgrenzung der Unfallfolgen bei Vorverletzungen oder Vorerkrankungen. Ein aktuelles Beispiel: Eine Mitarbeiterin hatte auf dem Weg ins Büro einen Auffahrunfall, sie ist aufgefahren. Nun hat sie bereits einen noch nicht verheilten Kreuzbandriss. Sie war aktuell deswegen noch arbeitsunfähig, wollte aber die Arbeit wieder aufnehmen, damit der Berg auf dem Schreibtisch nicht zu hoch wird. Sie hat keine zusätzlichen Schmerzen und entsprechend wird im Augenblick auch nichts gemacht. So ist zwar der Unfall dokumentiert, aber die Folgen nicht. Ich halte solche Fälle für die wirklich kritischen, weil hier sicher auch die Medinziner nicht werden sagen können, ob ein schlechter Heilungsverlauf sozusagen Pech oder eine Folge des an sich versicherten Auffahrunfalles ist.


    Gruß Michael

    SiFaFa weil ich zwei BG-spezifische Blöcke erfolgreich absolviert habe.

  • @bauco (Stephan)

    Die Definitionen sind mir klar.
    Lärmschwerhörigkeit ist jedoch eine Berufskrankheit. Sie kann durch dauerhaften Lärm (Tagesexpositionspegel > 80 dB(A) lt. medizinischer Annahme, 85 dB(A) aktuell lt. Rechtslage) oder durch ein Knallereignis > 137 dB(C)ausgelöst werden. Das Ergebnis ist identisch. Das Knallereignis kann absichtlich (z.B. Schießen als Polizist) oder unabsichtlich (z.B. Airbag löst aus) ausgelöst werden.

    Nun ist ein Knallereignis plötzlich und der Gesundheitsschaden tritt unmittelbar ein. Der Gesundheitsschaden ist im Detail allerdings eindeutig eine berufsbedingte Erkrankung (2301), während ein gebrochenes Bein ja "nur" eine Verletzung wäre. Die Einschätzung der Frage, ob Lärmschwerhörigkeit nach einem Knallereignis als Unfall oder als Erkrankung eingestuft wird, ist ja nach wie vor offen.

    @Michereit (Michael)

    Die Ursachen, Quellen usw - sind ja alle klar. Obige Beispiele sind auch nur Modellbeispiele, die so noch nicht vorgekommen sind (aber vorkommen KÖNNEN). Wir basteln nicht direkt an Airbags, wir bauen Fahrzeuge zu Forschungszwecken und Validationszwecken um (nur die Elektronik). OK, es KANN passieren, dass wir Airbags ausbauen, weil da Elektronik eingebaut werden muss (und nie wieder einbauen...). Dabei können Handgriffe vorkommen, die den Airbag auslösen können. Wenn der Mitarbeiter gerade seine Kabel verlegt, und mit dem Ohr mehr oder minder direkt an der Kapsel dran ist, wenn sie hochgeht - die Verbrennungen hierzu seien geschenkt. Ob der gute Mann noch jemals wieder etwas auf dem Ohr hören wird, wage ich zu bezweifeln. Zudem legen wir jährlich mehrere Millionen km zurück (dienstlich) und fahren dabei alle wesentlichen und einige unwesentliche Automarken (VW, Ford, Hyundai, Toyota, Honda, Audi, BMW, Opel, Jaguar, Volvo, Mercedes) von Kompaktklasse bis Ultimo (die Normalsterblichen, wie ich, kriegen keine "Ultimo"-Autos, und der M6 ist gedrosselt... Und es ist ein Testfahrzeug :) ) bei diesen ganz normalen Fahrten hat man ja auch schon von Airbags gehört, die selbst ohne expliziter Fehlbehandlung ganz von alleine losgehen. Gehörschäden sind hierbei auch schon dokumentiert.

    Wir arbeiten auch mit Aluprofilen. Wenn von den großen Aluprofilen einige gleichzeitig herunterfallen, konnte ich auf Ohrhöhe auch schon 137,x dB(C) messen (Mit einem Messgerät Klasse 1, Befähigung vorhanden).

    Und - zumindest bezüglich Knalltrauma habe ich erhebliche Bedenken, ob das ein Unfall ist, weil die Folge eine anerkannte Erkrankung ist, und keine Verletzung... Wenn "Gesundheitsschaden" kompromisslos Erkrankung UND Verletzung bezeichnet, haben wir aber nur noch "Unfälle".... SO ziemlich alles ist nämlich "zeitlich begrenzt", was vorher war, und jetzt nicht mehr so ist....: "Zeitlich begrenzt war der Epoxi-Kleber auf meinem Finger und jetzt habe ich eine Hautkrankheit"....

    FG.

  • Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führ

    bauco: Zur Definition Unfall gehört glaube ich auch, dass es "ein plötzlich eintretendes" Ereignis ist. Und für einen Arbeitsunfall (wovon hier die Rede ist) gilt das alles auch nur, wenn dies "bei einer versicherten Tätigkeit" passiert.

    Diskussion, was ein Unfall und was eine Erkrankung ist

    zzz: Meinst Du mit Erkrankung eine (anerkannte) Berufskrankheit oder eine arbeitsbedingte Erkrankung?

    Deine Fallbeispiele würde ich wie folgt einschätzen:
    - Auffahrunfall, gemeldet (= dokumentiert): Dienstfahrt ist versicherte Tätigkeit, ist damit ein Arbeitsunfall. Auch wenn spürbare Folgen erst am Folgetag auftreten.
    - Explodierter Airbag, nicht dokumentiert: wenn bei versicherter Tätigkeit passiert, wäre das theoretisch ein Arbeitsunfall, wenn erst am Folgetag der Arzt aufgesucht wird, ändert das meines Wissens nach nichts an diesem Fakt; aber: wenn nicht dokumentiert und nicht über andere Wege zweifelsfrei belegbar, könnte es nach meiner Einschätzung Probleme mit der Anerkennung als Arbeitsunfall geben.
    - Hautkontakt Epoxidharz mit erst nach Tagen eintretenden Symptomen: würde ich als arbeitsbedingte Erkrankung einstufen

    "Kleine Taten, die man ausführt, sind besser als große, die man plant." (Georges Marshall)

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  • Auch wenn spürbare Folgen erst am Folgetag auftreten.

    Was nicht unüblich ist.
    Meistens wird der Schmerz durch die große Ausschüttung von Adrenalin usw. erst einmal gehemmt
    Kennt vielleicht jeder von sich selbst, wenn er mal beim Sport umgeknickt ist und am anderen tag erst Schmerzen hatte

    Ins Verbandbuch kommen nur die kleinen Geschichten, sprich das Pflaster, weil sich die Wunde noch nacht Tagen entzünden könnte. Die mittleren Geschichten dokumentiere ich ausführlicher, meist in einem Formular für die Unfallmeldung an die BG, jedoch mit einem Hinweis versehen wie "Keine Arbeitsunfähigkeit, daher keine weitere Bearbeitung". Wenn der Mitarbeiter mindestens die bekannten 3 Tage ausgefallen sein sollte, geht die Meldung an die BG raus. Die Verwendung der normalen Formulare an die BG auch für nicht meldepflichtige Unfälle erleichtert die spätere Auswertung des Unfallgeschehens.

    Was sind denn mittlere Geschichten?
    Also ich würde empfehlen das auch das umknicken oder das stolpern eingetragen werden kann.
    Ob sich im weiteren Verlauf daraus eine Arbeitsunfähigkeit resultiert ist schwer abzuschätzen

    Was passiert Mitarbeiter A knickt um. Verrichtet weiter seine Arbeit trägt es im Verbandbuch ein, weil es geht ja schon und später stellt sich raus es war ein Bänderriss und es folgt dann eine Arbeitsunfähigkeit. Denn in diesem Fall bekommt nicht jeder sofort ein MRT und es kann ja nicht sofort eine hundertprozentige Diagnose gestellt werden.

    Problem sehe ich persönlich - an der Ehrlichkeit des Verunfallten.
    Ich kann auch in der Freizeit einen "Unfall" erleiden, gebe aber dann später an, es ist auf der Arbeit passiert.

    Verbandbuch bestehen (halte ich für sinnlos)?

    Ein großes Unternehmen besteht darauf, dass jeder Unfall usw. sofort dem Vorgesetzten gemeldet wird.
    Dieser muss es ins Verbandbuch eintragen - ganz egal ob eine weitere Unfallmeldung erfolgt oder nicht.
    Dann das weitere Prozedere.

    Ergänzung:
    Im Gesundheitswesen muss jede Stich- und Schnittverletzung im Verbandbuch dokumentiert werden und eine Unfallanalyse erfolgen.
    Das jemand krank geschrieben wird, ist sehr unwahrscheinlich

    :bremse:

  • Was sind denn mittlere Geschichten?Also ich würde empfehlen das auch das umknicken oder das stolpern eingetragen werden kann.
    Ob sich im weiteren Verlauf daraus eine Arbeitsunfähigkeit resultiert ist schwer abzuschätzen.

    Mit mittleren Geschichten meine ich leichte Unfälle, die einen Arztbesuch erfordern, aber nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit von 3 Tagen oder mehr führen. Ich dokumentiere diese leichten Unfälle in der Regel erst dauerhaft, wenn die betreffenden Mitarbeiter beim Arzt waren und die Arbeit wieder aufgenommen haben. Erfahre ich von einem Unfall, dann notiere ich mir alle bekannten Informationen in einem Unfallanzeigeformular. Bequemer kann man sich keine Notiz machen. Bekomme ich dann - meist nach ein oder zwei Tagen - die Information, was der Arztbesuch ergeben hat und ob und wie lange eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, schreibe ich das in das schon angelegte Formular und entscheide, was ich weiter mache (Meldung an BG ja/nein etc.).

    Wenn kein Arztbesuch nötig ist, dann landet der Unfall direkt im Verbandbuch. Dafür ist es ja da.


    Gruß Michael

    SiFaFa weil ich zwei BG-spezifische Blöcke erfolgreich absolviert habe.

  • Moin,
    zur Dokumentation, bei uns wird jeder Unfall der Kosten verursacht (also auch der Arztbesuch ohne Arbeitsunfähigkeit) auf einem Formular ähnlich der Unfallmeldung an die BG erfasst.
    Kleinere Verletzungen ohne Arztbesuch kommen nur in das Verbandbuch. Zuständig dafür ist der unmittelbare Vorgesetzte.

    Gruß Micha

    Glück hat auf die Dauer doch nur der Tüchtige - Moltke-

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