duales Arbeitsschutzsystem und die Kenntnis davon

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  • Hallo zusammen,

    im Zuge meiner Ausbildung zur SIFA bekomme ich natürlich ein wenig tiefere Einblicke in den Paragraphendschungel. Und immer mehr drängt sich mir die Frage auf, welcher Unternehmer weiß eigentlich, dass es derartig viele Vorschriften und Regeln gibt. Gut, man könnte sagen, dafür haben sie ja die Betreuung nach DGUV 2. Aber mich interessiert, wer hat die wirklich, welcher Unternehmer (wenn er nicht gerade ISO-Zertifiziert ist) weiß davon überhaupt?
    Also in meinem Freundeskreis kennen die wenigsten (mir fällt gerade gar keiner ein) den Begriff. Neulich kam jemand zu mir und erklärte, er habe immer Nackenschmerzen. Büroarbeitsplatz, klarer Fall, sollte sich doch die SIFA mal angucken, wie der ausgestattet und aufgebaut ist. Als Antwort kam, dass es sowas da gar nicht gäbe.
    Nun ja, spontan war ich wieder am Anfang meiner These, dass außer den SIFA's und den BG-Kollegen wohl nur sehr sehr wenige wissen, was sie eigentlich zu tun hätten.
    Auch das an jeder Baustelle erst einmal eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird, halte ich für ein wenig utopisch, oder hat da jemand Erfahrungen in diesen Bereichen?

    Viele Grüße,
    Hawkeye

    ...diese Beitrag wurde digital erstellt und ist ohne Unterschrift gültig 8)

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  • Ich glaube, das ist oftmals das Problem, dass viele Unternehmer sich dessen nicht bewusst sind und solange nix Schlimmes passiert...

    Bei uns wurde bis jetzt auch ziemlich sorglos mit dem Thema umgegangen, einfach, weil keine grossen Unfälle passiert sind. Als in unserem Kurs nachgefragt wurde, wo es denn überhaupt schon eine Sifa gibt oder wer den Betriebsarzt kennt....na, da haben sich nicht viele gemeldet!

    Ich hab mir jedenfalls auf die Fahnen geschrieben, bei uns grundlegend was dran zu ändern und kann nur hoffen, ich lauf nicht gegen Mauern!

    Was muss, das muss..... :D

  • ...Auch das an jeder Baustelle erst einmal eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird, halte ich für ein wenig utopisch, oder hat da jemand Erfahrungen in diesen Bereichen?


    Gefährdungsbeurteilungen macht man in der Arbeitswelt und auch im privaten Bereich doch schon seit ewigen Zeiten, nur akribisch dokumentiert und systematisch durchgeführt wurden sie da nicht. Bereits die Mammutjäger haben die Risiken abgewogen, bevor sie auf die Jagd gingen.
    Dass allerdings Gefährdungsbeurteilungen in schriftlich ausgeführter Form für jede Tätigkeit und jedes Arbeitsgerät vorliegen und auch danach gehandelt wird, dürfte nur Wunsch und niemals Realität sein.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Hallo Hawkwye,

    die Erfahrungen die Du gemacht hast haben ich leider seit meiner SiFa Ausbildung 2007 auch machen müssen, bei vielen zertifizierten Unternehmen und auch größeren Unternehmen kennt und hat man eine SiFa, man weiß auch welche Aufgaben sie zu erfüllen hat.

    Aber bei vielen kleinen Unternehmen ist es um die Arbeitschutzkenntnisse leider nicht sehr gut bestellt. Ich kenne Unternehmer im Bekanntenkreis die sagen die SiFa ist sowas wie ein Sicherheitsbeauftragter ( dieser Begriff ist vielen aber auch unbekannt) und weil ja viele Unfallverhütungsvorschriften weggefallen sind braucht man die auch nicht mehr.
    Auch die DGUV Vorschrift 2, Betriebssicherheitsverordnung, Gefährdungsbeurteilung, Gefahrstoffkataster unsw kennen viele nicht, allenfalls von den UVV,s haben manche Unternehmer, Führungskräfte gehört wenn sie eine Berufsausbildung genossen haben. Viele, nicht alle Unternehmer /Führungskräfte die nach dem Abi ein Hochschulstudium abgeschlossen haben sind in der Arbeitssicherheit leider nicht ausgebildet. Erst wenn ihr Unternehmen auf Kundenwunsch zertifiziert werden soll oder die BG und das Gewerbeaufsichtsamt vor der Tür stehen wachen sie langsam auf und dann muss es natürlich ganz schnell gehen. Diese Unkenntnis ist mir bis heute schon viele male untergekommen und ich bin Sifa seit 2007.

    Für diese Unkenntnis allerdings können viele Unternehmen/Führungskräfte aber teilweise auch nichts, woher sollen sie es auch wissen wenn wir die SiFa,s, die BG oder das Gewerbeaufsichtsamt sie nicht aufklären. Von den BG,en und dem Gewerbeaufsichtsamt können wir leider nicht so viel Hilfe erwarten, die sind Personel unterbesetzt oder ihre Bezirke werden immer größer also auch viele zu betreuende Betriebe mehr.
    Wie ich schon sagte die Unternehmer/Führungskräfte die ich kennengelernt habe wurden noch nie von der BG u. Gewerbeaufsicht besucht obwohl es die Unternehmen schon sehr lange gibt.
    Also es gibt viel Arbeit packen wir es an.

    Mit freundlichen Grüssen aus Braunschweig!

    Hans-Jürgen

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  • Ich möchte noch einen weiteren Punkt einwerfen:
    In so manchem Betrieb (GmbH und Co., auch e.V.) sichert sich das "Management" über eine D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung, Vermögensschadenhaftpflichtversicherung) ab. Da diese Versicherung selbst bei grober Fahrlässigkeit einspringt, treffen Bußgeld- oder OWI-Maßnahmen von BGen und GA nicht mehr bei diejenigen, die es treffen sollte.
    Getreu dem Motto: "Arbeitsschutz? Haftung? *lacht* Ich hab meine Versicherung! *Arme verschränken, zurücklehnen*"
    Mit einer möglichen Haftung kannst du diesen Leuten nicht mehr kommen ...

    Beste Grüße,
    Udo

    Sapere aude!
    (Horaz)

  • Hallo Hawkey,

    meiner Erfahrung nach ist es in Betrieben <20 Angestellten oft der Fall wie von Dir geschildert. Wenig Kenntnis gepaart mit viel Unwillen.
    Meiner Meinung nach müsste jeder Unternehmer bevor er anfangen darf erst mal einen Kurs machen. Grundlagen in Steuerpflicht, Kalkulation- und Finanzplanung, Führung, Arbeitssicherheit... das könnte helfen einige Pleiten zu verhindern. Wenigstens die Berufsgenossenschaften sollten eine Infoveranstaltung (natürlich bezogen auf Arbeitssicherheit) für ihre Versicherten Unternehmen zur Pflicht machen.

    Auf Baustellen ist es übrigens deutlich besser geworden. Auf jeder "größeren" Baustelle kommen die Bauunternehmen in Kontakt mit dem SiGeKo und/oder der Bau-BG. Dadurch erlangen auch kleine Unternehmen sehr schnell Kenntnisse von Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung etc. Dadurch hat sich in den letzten Jahren einiges getan.

    Zitat von Safety-Officer

    ...Mit einer möglichen Haftung kannst du diesen Leuten nicht mehr kommen ...

    Das sollte imho sowieso nicht die Grundlage für das Handeln sein. Grundlage sollte immer die Gesundheit der Mitarbeiter sein. Insofern hoffe ich die Argumentation warum Arbeitsschutz anzuwenden ist, wandelt sich in den nächsten Jahren deutlich ;)

    Gruß
    Stephan

    Respekt, Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl

  • Grundlage sollte immer die Gesundheit der Mitarbeiter sein.

    Das auf jeden Fall :thumbup:
    Es gibt nur leider so manche Manager, denen die Gesundheit der Mitarbeiter irgendwo vorbeigeht, hochgradig beratungsresistent, Hauptsache die Zahlen stimmen. Dort konnte bisher ggf. mit dezenten Hinweisen auf die Haftung nachgeholfen werden ... Seit dem vermehrten Auftreten der D&O hilft da gar nichts mehr - und das kriegen teils selbst die Aufsichtspersonen zu hören.

    Ich klink mich jetzt besser aus, bevor ich anfange, mich aufzuregen ...

    Beste Grüße,
    Udo

    Sapere aude!
    (Horaz)

  • Moin,

    ich möchte es mal aus "Kundensicht" beleuchten. Ich denke in vielen Fällen liegt es daran, dass einfach das Wissen fehlt. Wenn man keinen fitten Betriebsarzt oder SiFa hat, die ihre Grundbetreuung ernst nehmen, sondern nur darauf bedacht sind, "spazieren zu gehen" (neudeutsch Begehungen) und danach ein Protokoll zu verfassen, wird sich in so einem Betrieb nichts ändern. TAPs sind wie der Yeti. Man weiß (manchmal), dass es sie gibt, aber keiner hat sie bislang gesehen. Auch von dieser Seite ist leider wenige Hilfe zu erwarten.

    Mein Vorgänger hatte in seiner Stellenbeschreibung 5% zeitlichen Anteil für Gesundheits- und Arbeitsschutz. Da kann beim Management nicht viel ankommen. Reden, informieren, aufklären bis zum Erbrechen, ansonsten hat man von vorne herein verloren. Oftmals liegt es nicht am fehlenden Willen der Geschäftsleitung, aber die notwendigen Informationen dringen nicht bis dorthin (wenn sie im Betrieb überhaupt bekannt sind). Ich sehe die Führungsebenen nicht so schlecht wie sie manchmal dargestellt werden. Wenn man ihnen die notwendigen Infos gibt und vor allen Dingen aufzeigt, wo man selbst im Arbeitsschutz steht, laufen manche Sachen viel besser und man gewinnt immer mehr Rückhalt.

    Knackpunkt ist oft das Geld, aber ich habe gemerkt, dass es auch dann klappt, wenn man sauber argumentieren und Lösungen aufzeigen kann.

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

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