10 Beschäftigten die Gefährdungsbeurteilung nicht schriftlich vorlegen müssen?

ANZEIGE
ANZEIGE
  • Ist die Aussage richtig?

    Nach aktuellem Stand des ArbSchG ist es immer noch so, dass Firmen bis zu 10 Beschäftigten die Gefährdungsbeurteilung nicht schriftlich vorlegen müssen (Anforderungen nach GefStoffV oder Forderungen von Arbeitsschutzämtern hierbei unberücksichtigt).

  • ANZEIGE
  • ArbSchG:
    § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
    (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
    (2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
    (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
    1.die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
    2.physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
    3.die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
    4.die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
    5.unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.
    Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis
    § 6 Dokumentation
    (1) Der Arbeitgeber muß über die je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind. Bei gleichartiger Gefährdungssituation ist es ausreichend, wenn die Unterlagen zusammengefaßte Angaben enthalten. Soweit in sonstigen Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, gilt Satz 1 nicht für Arbeitgeber mit zehn oder weniger Beschäftigten; die zuständige Behörde kann, wenn besondere Gefährdungssituationen gegeben sind, anordnen, daß Unterlagen verfügbar sein müssen. Bei der Feststellung der Zahl der Beschäftigten nach Satz 3 sind Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
    (2) Unfälle in seinem Betrieb, bei denen ein Beschäftigter getötet oder so verletzt wird, daß er stirbt oder für mehr als drei Tage völlig oder teilweise arbeits- oder dienstunfähig wird, hat der Arbeitgeber zu erfassen.
    ....


    so ist es.

    Martina

    Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (W. Churchill)
    ----------------------------------------
    Das Schwierige am Diskutieren ist nicht, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, sondern ihn zu kennen.
    Andre' Maurois

  • nein, andersrum.
    Wenn dem so sein sollte, heißt das, dass Deutschland viel Geld ausgibt, um diese Regelung beizubehalten, um die kleinen Unternehmen nicht mit der Dokumentation "zu belästigen".

    Martina

    Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (W. Churchill)
    ----------------------------------------
    Das Schwierige am Diskutieren ist nicht, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, sondern ihn zu kennen.
    Andre' Maurois

  • ANZEIGE
  • Zitat

    Original von Mabu
    Ist die Aussage richtig?
    Nach aktuellem Stand des ArbSchG ... Gefährdungsbeurteilung nicht schriftlich vorlegen müssen


    Die Sache finde ich ärgerlich, denn es gibt eine durch den Europäischen Gerichtshof Anfang Februar 2002 stattgegebene Klage
    der Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
    Rechtssache C-5/00: Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland: Vertragsverletzung - Artikel 10 EG und 249 EG sowie Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a und 10 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 89/391/EWG des Rates- Nationale Gesetzesregelung, die Arbeitgeber mit zehn oder weniger Arbeitnehmern von der Verpflichtung befreit, über Dokumente zu verfügen, die die Ergebnisse einer Gefährdungsbeurteilung enthalten
    nach der das Gesetz zu ändern ist.
    (Nachtrag: uingf - sehe gerade, dass damy schon die Internetverknüpfung angegeben hat! Also Urteil s.o.)

    Zitat

    Original von damy:
    Mir hat jemand erzählt die Deutschland würde jedes Jahr einen sechs stelligen Eurobetrag nach Brüssel überweisen um um diese "10 Mitarbeiter Regelung" weiter im ArbSchG zu lassen. Ob das stimmt, oder ob das noch aktuell ist, kann ich nicht bestätigen.


    Das stimmt - es sind Strafgebühren, weil das Gesetz trotz Urteil nicht geändert wird.

    Wenn jemand meint, den kleinen Unternehmen einen Gefallen zu tun, die GefB nicht schriftlich vorlegen zu müssen, irrt er meiner Meinung nach.
    Wie soll der Unternehmer dann nachweisen, dass einer GefB durchgeführt hat?
    Das geht allenfalls bei einer Dokumentation mit Fotos oder mit Diktiergerät.
    Aber auch das macht Arbeit.

    Und nehmen wir mal den Fall, dass in solch einem Unternehmen etwas passiert und der Schadensversicherer fragt nach der GefB ...

    Nein, ich informiere meine Betriebe, dass diese Befreiung von der schriftlichen Dokumentation meiner Meinung nach Unsinn ist und wir eine nachvollziehbare Dokumentation machen.

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

    Einmal editiert, zuletzt von a.r.ni (19. Oktober 2009 um 13:46)

  • stimmt eigentlich... Sinn macht das nicht. Nur wenn man sowieso keine Gebu macht. Wenn man mal die Statistik liest, wie viel Gebu`s in kleineren Unternehmen so erstellt werden - oder vielmehr, wie viele eher nicht, dann ist das nicht im Sinne der AN. Und auch die BG`en und GA-Ämter müssen sich fragen lassen, warum sie da wegschauen. Bei größeren Unternehmen werden die dollsten Sachen gefordert... - und da interessiert es keinen Menschen. Die Gefährdungen sind doch nicht weniger gegeben. Lediglich die Verlustrate ist kleiner; aber vielleicht stellt das für manchen ein akzeptables Risiko dar ?

    Viele Grüße
    Martina

    Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (W. Churchill)
    ----------------------------------------
    Das Schwierige am Diskutieren ist nicht, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, sondern ihn zu kennen.
    Andre' Maurois

  • Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie schafft Klarheit
    Wegen der unspezifischen gesetzlichen Formulierung bezüglich der Dokumentationspflicht , bei gleichzeitiger Notwendigkeit, eine Gefährdungsbeurteilung durchführen zu müssen, hat die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) in Anlage 2 ihres Statements eine Formulierung vorgenommen.

    Diese ist sinnvoll und dient als Argumentationshilfe für kleine Unternehmen, deren Gefährdungsbeurteilung bisher nur kopfgespeichert ist. Streiten könnte man sich höchstens noch über den notwendigen Aufwand, der zur Dokumentation von Gefahren betrieben werden mag. Hier entscheiden auch die bereits vorhandenen Strukturen im Unternehmen / z.B.: QM-Doku.

    Auszug - GDA Anlage 2
    Das Spitzengespräch LASI/UVT/BMWA vertritt die Auffassung, dass die Anforderungen an die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilungen im Sinne des Artikels 9 der Rahmenrichtlinie 89/391 EWG in kleinen Betrieben mit 10 oder weniger Beschäftigten erfüllt sind, wenn der Arbeitgeber 1. zur Erfüllung seiner Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zumindest eine Hilfe zur Gefährdungsbeurteilung nutzt, die sein Unfallversicherungsträger oder die zuständige staatliche Arbeitsschutzbehörde zur Verfügung stellt, oder 2. in Erfüllung seiner Pflichten nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und den dieses Gesetz konkretisierenden Unfallverhütungsvorschriften

    a. an der Regelbetreuung teilnimmt und die ihn beratenden Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte oder überbetriebliche Dienste ihm Unterlagen zur Gefährdungsbeurteilung überlassen,
    oder
    b. an einem alternativen Betreuungsmodell (z.B. einem Unternehmermodell) seines Unfallversicherungsträgers teilnimmt und er die im Rahmen dieses Modells vorgesehenen Instrumente für die Gefährdungsbeurteilung anwendet.

    *
    Kommentar
    Angemessenheit ist das Schlüsselwort. Mit branchenspezifischem Augenmaß sollte der Dokumentationspflicht nachgekommen werden. Denn schließlich ist das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Mit der Dokumentation soll Verbindlichkeit, Transparenz und Nachhaltigkeit erzielt werden. Ein Tür- und Angelgespräch à là Passt-scho oder Hmmm... da müssen wir wohl was tun, ist nicht im Sinne der geistigen Väter der EU-Rahmenrichtlinie.

    Quelle: http://www.baua.de/nn_12456/de/Th…tlinien-GDA.pdf

    Hildegard Schmidt

    Ergonomiecampus

  • Zitat

    Original von Hildegard Schmidt
    ... Dokumentationspflicht , ... hat die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) in Anlage 2 ihres Statements eine Formulierung vorgenommen.


    Langes Geschwurbel ( :) ) für die Grundaussage:
    "auch Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern sollen eine schriftliche GefB vorliegen haben.
    Die Bearbeitungstiefe wird nicht in dem Umfang erwartet wie in einem Unternehmen mit einer eigenen Arbeitsschutzabteilung."

    Warum zum Teufel wird also nicht endlich das ArbSchG geändert?
    Mir unbegreiflich.
    Die (noch) Bundestagsabgeordnete, die ich heute abend gefragt habe, hatte auch keine schlüssige Erklärung (naja, zumal sie dieses Gesetz nicht kennt ...)

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

  • ANZEIGE
  • ach Hildegard...., natürlich hast du recht, so sollte es sein. Doch spricht die Praxis, wie immer, eine ganz eigene Sprache. Was nutzt denn diese schöne theoretische Abhandlung? Was kann denn eine "Strategie" für eine rechtlich verpflichtende Wirkung haben, wenn die Bundesregierung selbst einen "Strafbonus" zahlt, damit alles bleibt wie es ist? Ich hab mal in dem "Papier" gelesen...; "Unternehmermotivation" - sorry, aber diese "Motivation" findet nur über monetäre Abgaben statt, sonst passiert da nicht viel. Das ist wie Leitmerkmalmethode. Schöne Sache (finde ich wirklich), wenn sie aber nicht angewendet wird, und der Unternehmer in seiner Gebu nur Unterweisungen zum richtigen Heben und Tragen als Maßnahmen beschreibt, dann ist das halt so, fertig.
    Arbeitsschutz ist und bleibt ein Drahtseilakt, bei dem wir jeden Tag gefordert sind, die richtige Balance zu finden. Den Frustfaktor gibts gratis dazu :evil:

    Liebe Grüße
    Martina

    Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (W. Churchill)
    ----------------------------------------
    Das Schwierige am Diskutieren ist nicht, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, sondern ihn zu kennen.
    Andre' Maurois

    Einmal editiert, zuletzt von Martina111 (21. Oktober 2009 um 18:58)

  • Zitat

    Original von Hildegard Schmidt
    b. an einem alternativen Betreuungsmodell (z.B. einem Unternehmermodell) seines Unfallversicherungsträgers teilnimmt und er die im Rahmen dieses Modells vorgesehenen Instrumente für die Gefährdungsbeurteilung anwendet.

    Hallo Hildegard,

    und gerade diese Unternehmermodelle bringen den Unternehmen überwiegend nichts und irgend wann in Schwierigkeiten, und die BG´s stellen noch immer gerne den Erfolg dieser Modelle zur Schau. Ich kenne viele Unternehmen, die an einem der Unternehmermodelle angeschlossen sind, die überhaupt nicht wissen was es machen sollen und darauf hin auch nichts gemacht haben. Viele wissen noch nicht einmal was ein Unternehmermodell ist. Solche schwammigen Angelegenheiten können keine Unfälle verhindern.
    Und wo sind die Kontrollen durch BG und Gewerbeaufsicht usw.? Wenn ich Vorgaben mach muss ich auch kontrollieren und nicht erst kommen wenn es zu spät ist.

    Gerade als SiGeKo hab ich immer wieder Probleme mit diesen kleinen und mittleren Unternehemen und sehe was da läuft.

    Gruß Michael

  • Zitat

    Original von a.r.ni
    Und nehmen wir mal den Fall, dass in solch einem Unternehmen etwas passiert und der Schadensversicherer fragt nach der GefB ...

    Hallo,

    ich kann es mir nicht nehmen lassen, mich auch noch einzuklinken.
    Die Diskussion zeigt doch sehr schön, wie weit Theorie und Praxis bei der GefBeUrt auseinander sind.

    Zu den Sachversicherern:
    Leider ist das Thema GefBeUrt dort noch nicht angekommen.
    Und leider beschränken sich die Sachversicherer (logischerweise) auf den Sachwerteschutz.
    Risk Assessment, Risk Mitigation, Impact Analysis, usw. funktionieren wunderbar, weil die Sachversicherer Druck machen und es direkt mit den Kosten korreliert.
    Nur langsam kommt von Seiten der Sachversicherer der Druck auf die Prüfung elektrischer Betriebsmittel. Aber immerhin.

    Ansonsten kann ich mich nur anschließen: Ich habe kein Verständnis dafür, dass das ArbSchG nicht den EU-Vorgaben angepasst wird. Das bestätigt doch, dass Deutschland im Arbeitsschutz als "Bremser" angesehen wird. Zumindest von mir.

    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -