Auf Anweisung gehandelt
Auf einer Baustelle sollten Ankerlöcher für ein Fundament mit einer sogenannten Bohrschnecke angelegt werden.
Um Anhaftungen am Bohrgestänge zu entfernen, sollte ein als Gehilfe zugewiesener Auszubildender auf Weisung seines Ausbilders die Reinigung des laufenden Bohrgestänges von Hand vornehmen. Dabei verfing sich sein Handschuh im Bohrgestänge, das dem jungen Mann den Arm abriss.
In beiden Instanzen wurde ein Regress in Höhe von 97.923,80€ der zuständigen Berufsgenossenschaft nach § 110 Abs. 1 SGB VII gegen den Ausbilder bejaht. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) handelt ein Ausbilder, der seinen Schützling anweist, eine Bohrschnecke im laufenden Betrieb zu reinigen, grob fahrlässig.
Nach §§ 9, 24 der zum Unfallzeitpunkt gültigen Unfallverhütungsvorschrift „Kraftbetriebene Arbeitsmittel“ darf ein Bohrgestänge nur bei Stillstand gereinigtwerden.
Grobe Fahrlässigkeit
Der Ausbilder hatte grob fahrlässig gegen diese Vorschriften, die dem Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren dienen und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt haben, verstoßen. Die Gefährlichkeit seines Handelns hatte sich dem Ausbilder auch deshalb aufdrängen müssen, weil er ein paar Tage zuvor selbst beinahe in die rotierende Bohrschnecke geraten war.
Obwohl der Auszubildende die Gefährlichkeit seines Tuns kannte, verneinte das OLG ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB. Von ihm könne man nicht erwarten, dass er sich den Anweisungen seines Ausbilders widersetze. Darüber hinaus entsprach diese Art der Reinigung bei laufendem Betrieb der üblichen Praxis, so dass dem Geschädigten suggeriert worden war, diese Vorgehensweise sei in Ordnung. Ferner wurde ein Regressanspruch gegen das Unternehmen nach §§ 111, 110 SGB VII bejaht, weil der Geschäftsführer die ständige und gefährliche Übung kannte und nicht abstellte.
Mit dieser Entscheidung folgte das OLG Naumburg der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte, zur Problematik des Mitverschuldens des Geschädigten.
Nach dieser Rechtsprechung, zuletzt OLG Bamberg mit Beschluss vom 03.03.2008 (siehe VMBG-Mitteilungen, Heft 5/2008, Seite 27), begründet die Übernahme gefährlicher Arbeiten durch einen Arbeitnehmer regelmäßig kein Mitverschulden, wenn der Arbeitnehmer damit einer Anordnung eines Weisungsbefugten entspricht, da er dann nicht autonom, sondern unter Eindruck einer Zwangslage handelt. Dies hebt die Verantwortlichkeit des Unternehmers nach § 21 SGB VII für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften besonders hervor. Insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer zuvor auf erkennbare und von ihm erkannte Gefahren aufmerksam gemacht hat, liegt die Verantwortung beim Arbeitgeber, der Kraft seiner Organisationsbefugnis Bedingungen für Schadensrisiken schaffen, beibehalten oder ändern kann.
(OLG Naumburg vom 12.12.2007, Az.: 6 U 200/06)
Gefunden hier: VMBG Mitteilung 02/2009
Gruß Ralph