Erstellen von Gefährdungsbeurteilungen allgemein

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  • Hallo Zusammen, ich bin neu hier und Tischlermeister in der Instandhaltung bei einer Kommune. Zuständig bin ich für die Aufgabenverteilung in der Tischlerei, Malerwerkstatt und Schlosserei. Ich habe die Stelle erst vor kurzem angetreten und werde nun gebeten Gefährdungsbeurteilungen zur erstellen, bzw. mich sehr umfangreich um den Arbeitsschutz zu kümmern. Leider habe ich im Bereich Arbeitsschutz bisher keinerlei Berufserfahrung sammeln können und habe größte Bedenken was eine objektive Beurteilung angeht. Meine Frage ist zunächst mal, welche Fortbildungen in Sachen Arbeitsschutz sollten sinnvollerweise vorhanden sein um eine rechtssichere GBU erstellen zu können?

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  • Puuhh....

    Das ist eine große Frage, die Antwort ist leider nicht simpel.

    Ohne Kenntnisse im Arbeitsschutz und Regelwerk gilt:

    Du kannst keine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Punkt.

    Als Bereichsverantwortlicher ist man da auf die Unterstützung von Fachleuten, den Fachkräften für Arbeitssicherheit und den Betriebsärzten angewiesen.

    Natürlich kann man die Ausbildung zur Sifa auch selber absolvieren, das dauert bei der UK ca. 2 Jahre - und wer weiß wann man einen Platz kriegt.

    Mit niedrigschwelligen Fortbildungen, z.B. zum Sicherheitsbeauftragtem oder Seminaren zur "Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen" oder ähnlichem wird man nicht in die Lage versetzt auch nur etwas annähernd gerichtsfestes zu produzieren.

    Den Begriff "rechtssicher" gibt es nur, wenn Leute Dir etwas verkaufen wollen. "Recht" wird von Gerichten erzeugt, nicht von Dokumenten.

    Als Einzelkämpfer hast Du keine Chance, im Ernstfall zeigt die oberste Leitung auf Dich und Du hast die A****karte

    Auf der anderen Seite ist aber jeder Betrieb (auch im ÖD) verpflichtet, Sifas und Betriebsärzte gemäß der Vorgaben im Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und der DGUV-V2 einzusetzen. Ihr müsst also Zugriff auf eine Sifa haben.

    Mein Rat:

    Wenn dich jemand fragt eine GB zu erstellen antworte: "Gerne!, dafür brauche ich aber die Unterstützung unserer Fachkraft für Arbeitssicherheit und unseres Betriebsarztes"

    Wenn die Leitung sagt: "kein Problem, hier sind die Kontaktdaten" könnte alles gut werden, im Zweifel bekommst Du hier im Forum Hilfe.

    Wenn die Leitung sagt: "Häh?", verweise sie auf das ASiG, wenn sie dich trotzdem in diese Nummer drängen wollen: Sprich mit dem Personalrat.

    Du bist zwar in der unmittelbaren Umsetzungsverantwortung, wenn die oberste Leitung aber nicht die erforderlichen Ressourcen bereitstellt, haben die wieder den Hut auf.

    Wichtig: Alles dokumentieren, möglichst schriftlich kommunizieren, bei Besprechungen sofort danach ein Gedächnisprotokoll anfertigen. Hinterlasse eine Spur aus Papier...

    In diesem Sinne:

    Toi, Toi, Toi und willkommen im Forum

    Einmal editiert, zuletzt von Schmandhoff (8. September 2022 um 22:19)

  • Als Einzelkämpfer hast Du keine Chance, im Ernstfall zeigt die oberste Leitung auf Dich und Du hast die A****karte

    Damti das Zitat oben nicht zu krass klingt:

    Mit der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung darf der Arbeitgeber nur zuverlässige und fachkundige Personen beaufragen.

    Wenn du vom Arbeitschutz keine Ahnung hast ist das in deiner jetzigen Position in erster Linie ein Organisationsverschulden deines Arbeitgebers.

    Es ist besser eine "verbesserungsfähige" Gefährdungsbeurteilung zu haben als keine. Jedenfalls, wenn es ums "Recht" geht, beim Gewissen sieht es da leider anders aus.

    Fang doch erst mal grob an.

    Mach dir eine Liste mit den Aufgaben, die in den Bereichen Tischlerei, Malerwerkstatt und Schlosserei durchgeführt werden. Hier kannst du schon grob Gefährdungen ableiten (ermitteln) und bewerten (Eintrittswahrscheinlichkeit * Schadensschwere). So siehst du, wo du zuerst dein Augenmerk drauf richten solltest.

    Im weiteren Verlauf unterteilst du die Aufgaben in Tätigkeiten und ermittelst und bewertest die Gefährdungen erneut.

    So arbeitest du dich von grob nach fein vor.

    Zugegeben etwas umfangreich aber vom Ablauf dafür simpel.

    Gibt es eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, dann hole dir diese direkt als Unterstützung dazu.

    Gruß Roland

  • Unabhängig davon, ob ihr eine SiFa (extern oder intern) habt...

    Für Führungskräfte gibt es zwei, drei Veranstaltungen - auch der Unfallkassen - die ich in so einem Fall

    Leider habe ich im Bereich Arbeitsschutz bisher keinerlei Berufserfahrung sammeln können ...

    für absolut wichtig zum Einstieg halte.

    Die UK RLP z.B. bietet an:

    -Chef(innen)sache Sicherheit und Gesundheitsschutz - was Führungskräfte über Vorschriften und Pflichten wissen sollten

    -Die Gefährdungsbeurteilung in Kommunen

    - Führungskraft? – Ihre Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden

    und noch viele mehr. In allen Veranstaltungen wird die Gefährdungsbeurteilung zumindest als Punkt abgehandelt... bis auf die zweite Veranstaltung, welche ausschließlich GBU durchnimmt...

    Beste Grüße aus Mainz

    E.weline

    Versicherung der Unsicherheit ist Sicherheit.

    Hanspeter Rigs (*1955), Dr. phil., deutscher Philosoph und Aphoristiker

  • Hi,

    im Zuge deiner Ausbildung hast du bestimmt schon Grundkenntnisse zu Arbeitssicherheit vermittelt bekommen. Wäre zumindest der einzige Meisterberuf der das dann nicht hätte.

    Insofern kannst du schon die Arbeitssicherheit an Tischler - üblichen Arbeitsgeräten beurteilen. Wenn dir z.B. die Kenntnis über CNC Fräßmaschienen fehlt, du aber darüber beurteilen sollst, wäre der erste Ansprechpartner für mich der Lieferant des Gerätes. Es gibt Firmen die entsprechende Fortbildungen anbieten.

    Du hast ein Stück Papier erhalten, mit dem dir bestätigt wurde was du kannst, nennt sich "Meisterbrief" Zumindest hieß es mal so bevor es das ganze Bachelor und Master - gedöns gab.

    Also keine Angst vor Verantwortung.

    Alles was aber über die typischen Tischlertätigkeiten hinausgeht und evtle. Tätigkeiten die du nicht kennst, solltest du nur unter Einbindung einer bestellten SIFA und des zuständigen Betriebsarztes erstellen (mitwirken).

    Und immer schön deine Vorgesetzten schriftlich auf ein evtl. fehlendes Arbeitssicherheitsmanagement hinweisen. Wurde schon erwähnt, ist ein Organisationsverschulden.

    Gruß

    Peter

    Keine Demonstration verändert die Welt.

    Es ist die unpopuläre und stille Eigenverantwortung im Handeln jedes Einzelnen, die eine Wandlung in Bewegung setzt.:evil::saint:

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  • Hallo Zusammen, vielen Dank für die schnellen und ausführlichen Antworten. Natürlich ist es so, dass in der Meister- und Gesellenausbildung vieles zum Thema AS gelehrt wird. Da geht es ja aber „nur“ um die Einhaltung von den Vorgaben. Weniger um die Organisation AS und die GBU. Jedenfalls wurde ich da nie großartig mit eingebunden. Meine Erfahrung aus der freien Wirtschaft ist, dass vieles aus dem AS dem Thema Wagnis und Gewinn zum Opfer fällt und einfach verschwiegen bzw. nicht gemacht wird. Ich hoffe aber, dass ich bisher nur „Ausnahmebetriebe“ kennen gelernt habe. Ist halt so, kanns nicht ändern, ich kanns in der aktuellen Position nur besser machen.

    So nun zum Thema: Das ein Vorgesetzter Arbeitgeberpflichten übernehmen muss, wozu dann auch GBU‘s gehören ist ja erstmal nichts ungewöhnliches. Hatte mir eine bessere Vorbereitung erhofft, aber das kann ja noch werden. Ich benötige einfach mal ein paar unabhängige Tipps und Meinungen.

    Was ich bisher gesehen und wo ich mich auch eingelesen habe sind verschiedene Tätigkeiten zu denen es Bertungsbögen zum ankreutzen und Einschätzung der Gefährdung nach Einstufung 1-3 gibt. Um jetzt aber diese Bewertungsbögen OBJEKTIV beurteilen zu können müsste ich ja sämtlich Trgs, BGI, BGR usw. durchlesen um zu schauen was einzuhalten ist. Oder sehe ich das irgendwie falsch? Es geht sich bei der GBU doch um die Einhaltung von klaren Vorschriften? Nicht um eine subjektive Bewertung, dass man sich an einem splittrigen Holz evtl. verletzen kann?

    Diese Bewertungsbögen gibt es ja auch für Maschinen. Das verstehe ich am alllerwenigsten, warum muss ich Gefährdungen einer Kreissäge erstmal erfassen und dann für Abhilfe sorgen.? Eine Kreissäge ist eine Kreissäge, da sollte es fertige Unterweisungen für geben und gut ist.!

    :):)

  • Sunseeker_2

    ...auch wenn du wahrscheinlich genau das nicht hören möchtest - aber die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben hat erst einmal nicht viel mit GB zu tun! Denn genau dieses "Erstellung von" und anschließend "halten an" Vorschriften läuft ja der Idee der GB entgegen.

    Eine GB führt am Ende u.U. zu "Vorschriften", z.B. zu einer Betriebsanweisung. Die gesetzlichen Vorschriften werden i.d.R. zu Maßnahmen.

    Um bei der Kreissäge zu bleiben: Natürlich gibt die die Bedienungsanleitung viele Hinweise und Vorgaben zum sicheren Betrieb - auf die du dich selbstverständlich stützen und verlassen kannst. Und für die grundsätzliche, sichere Bedienung gibt es auch durchaus schöne Vorlagen. Was es selten gibt sind Betrachtungen deiner ganz speziellen Sägeaufgabe. Diese musst du eben betrachten und beurteilen.

    In diesem Sinne

    Der Michael

    "You'll Clean That Up Before You Leave..." (Culture/ROU/Gangster Class)

  • Um jetzt aber diese Bewertungsbögen OBJEKTIV beurteilen zu können müsste ich ja sämtlich Trgs, BGI, BGR usw. durchlesen um zu schauen was einzuhalten ist.

    Yep, wäre mal ein Anfang, schafft aber keiner;).

    Es geht sich bei der GBU doch um die Einhaltung von klaren Vorschriften?

    Ein klares "jein". (ich liebe diese Antwort 8o)

    Nicht um eine subjektive Bewertung, dass man sich an einem splittrigen Holz evtl. verletzen kann?

    Teilweise schon.

    Will mal sagen wenn es eine Vorschrift gibt, die besagt "Obacht Splitter vom Holz Verletzungsgefahr" du aber gar keinen Kontakt zu den Splittern bekommen kannst, musst du das Subjektiv bewerten.

    Vielleicht werden bei dir ja alle Holzsplitter automatisch abgesaugt, sodaß du dich nicht mehr verletzen kannst.

    Die ganzen Vorschriften geben uns einen Rahmen vor, in dessen Grenzen wir handeln dürfen.

    Früher war das ein wenig anders, da gab es konkrete Vorgaben.

    Jetzt muss jeder Arbeitgeber sich selbst seinen Kopf zerbrechen, darf also auch von "vorgegebenen Lösungen" abweichen, solange dieselbe Sicherheit auf andere Art gewährleistet wird.

    Beispiel: Stapler fährt in Werkstatt und kreuzt Verkehrsweg; könnte Mitarbeiter umfahren.

    Lösung Getrennte Fahrwege/Fußwege aber, nicht immer umsetzbar. Alternative wären evtl. Staplerassistenzsysteme die automatisch bremsen wenn ein Fußgänger zu nahe am Fahrzeug ist.

    Du kommst also nicht darum, dir einschlägige Vorschriften und Vorgaben durchzulesen und dann zu beurteilen was du davon schon umgesetzt hast und ob das Schutzziel ggf. mit alternativen Lösungen auch erreicht wird.

    Daher ist der Kontakt zur SiFA ganz wichtig.

    Natürlich wirst du auch hier im Forum noch Unterstützung finden.;)

    Kannst ja mal beim TÜV oder auch bei etlichen Sicherheitsfirmen nach geeigneten Seminaren suchen.

    Habt ihr Lösemittel im Betrieb, dann etwas mit Gefahrstoffen. Auf jeden Fall ein Seminar zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen, Transportsicherung wenn ihr evtl Material zum Kunden trabnsportiert...

    Gruß

    Peter

    Keine Demonstration verändert die Welt.

    Es ist die unpopuläre und stille Eigenverantwortung im Handeln jedes Einzelnen, die eine Wandlung in Bewegung setzt.:evil::saint:

  • Ich würde zunächst einmal Kontakt zur SiFa aufnehmen, denn da bekommst Du Unterstützung. Zusätzlich nachfragen nach dem Kontakt zur Aufsichtsperson der Unfallkasse, auch diese hat als Arbeitsaufgabe die Prävention.

    Du musst auch nicht alle Regelungen im Detail kennen, das ist eher der Job der SiFa. Mache Dich ein wenig vertraut mit den Gefährdungsfaktoren und überlege dann, bei welchen Tätigkeiten welcher Faktor vorhanden ist.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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