Betriebsrat & Mitbestimmungsrecht

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  • Hallo zusammen,

    ich habe mich jetzt schon durch einige ältere Beiträge gewuselt, aber so ganz zufriedenstellend könnte ich mir selbst die Frage noch nicht beantworten.

    Mal eine etwas "umgedrehte" Fragestellung zum Betriebsrat. Dieser hat in der Regel ja ein Mitbestimmungsrecht welches sich in etwa so beschreiben lässt:
    "Wo aus Gründen des Arbeitsschutzes in betriebliche Belange eingegriffen wird und es sich nicht um eine individuelle Maßnahme handelt, bestimmt der Betriebsrat zwingend mit"

    Normalerweise geht man davon aus, dass der Betriebsrat sich für den Arbeitsschutz einsetzen muss. Bei uns tauchte nun aber die Frage auf, was wenn der Betriebsrat dies nicht tut?
    Beispiel: Die Geschäftsleitung will aufgrund der Verletzungsgefahr in einem bestimmten Firmenbereich zwingend Sicherheitsschuhe tragen lassen.
    Dies müsste "Mitbestimmungspflichtig" sein - was aber wenn der Betriebrat dagegen ist?
    Oder kann er nicht dagegen sein, muss/darf aber "mitbestimmen" wie das ganze umgesetzt wird, z.b. welche Schuhe, welche Mitarbeiter etc etc.?

    Die Gesetze sind scheinbar nur darauf ausgelegt, dass der Unternehmer quer schiesst und Maßnahmen eher nicht umsetzen will.

    Würde mich freuen, wenn da einer was zu sagen kann ggf. mit Quelle / ausführlicher Erklärung.
    Bitte nicht nur einen Link zum BetrVG oder so posten, das kann ich selbst lesen :) es geht eher um die Art wie dieses Mitbestimmungsrecht zu verstehen ist - da fehlt mir leider noch einiges an Wissen.

    Etwas einfacher ausgedrückt: bedeutet Mitbestimmungspflichtig eher der BR darf bestimmen _was_ umgesetzt wird oder _wie_ etwas umgesetzt wird?

    edit: jetzt bin ich grad über folgenden Satz gestolpert:
    "Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht dann, wenn es um das "ob" arbeitsschützender Maßnahmen geht, nicht jedoch beim "wie". Vergibt der Arbeitgeber die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen oder Unterweisungen an Externe, so ist dieser Schritt mitbestimmungsfrei."
    Jetzt bin ich verwirrt - wie kann der BR mitbestimmen ob Gefährdungsbeurteilungen gemacht werden? Das ist doch gesetzlich geregelt?

    Danke & Gruß

    Einmal editiert, zuletzt von JRico (22. April 2015 um 15:45)

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  • Hallo JRico!

    Nun verwirrst du mich eher.

    Der Arbeitgeber ist für die Arbeitssicherheit verantwortlich.
    - Er erstellt die Gefährdungsbeurteilung. Vergibt er diese Aufgabe intern/extern bleibt er verantwortlich. Er unterschriebt sie.
    - Wenn der Arbeitgeber Arbeitsschutzmaßnahmen anordnet, die entstammen ja der GeBe dann ist das so. Der BR kann nicht dagegen sprechen.
    - Auf keinen Fall kann der BR gegen Sicherheitsschuhe sein. Da gibt es dann immer mal spezielle MA die sich vom Arzt individuell bescheinigen lassen, dass sie diese Schuhe nicht tragen können.
    - Mitbestimmungsrecht hat der BR, wenn es um die Anstellung einer bestimmten Sifa geht, nicht in der Art und Weise der GeBe-Erstellung.
    - Arbeitsschutz muss auch initiativ vom BR ausgehen.

    Grüße
    Flügelschraube

  • Wo ist denn die Mitbestimmung geregelt? Im BetrVG und dort z.B. in §87, da kann man nachlesen "(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1.Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;...7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;"
    Weiterhin dann noch §80 "(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben: 1.darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
    2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;...9.Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

    (2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; ....Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

    (3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist."

    Somit ergibt sich, dass der Betriebsrat in Sachen Arbeitsschutz erst einmal darauf hinzuwirken hat, dass geltende Vorschriften entsprechend eingehalten werden.
    Wenn der AG in seiner GB feststellt, dass Sicherheitsschuhe zu tragen sind, so kann der Betriebsrat dies nur ablehnen, wenn er über einen Sachverständigen feststellt, dass dies nicht notwendig ist. Allerdings halte ich dieses Vorgehen für wenig sinnvoll und es dürfte auch die Ausnahme sein. Viel häufiger wird der Betriebsrat den Arbeitgeber darauf hinweisen müssen, dass bestimmte Maßnahmen notwendig sind.
    Der Betriebsrat kann auch eine Regelung mit dem AG treffen was die Ausgabe von PSA betrifft. Hier kann man um beim Beispiel zu bleiben z.B. regeln, dass der AN jedes halbe Jahr neue Sicherheitsschuhe bekommen kann oder immer wenn die alten an die Verschleißgrenze kommen (mit Festlegung was das ist) usw.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Hallo,

    Wenn der Arbeitgeber Arbeitsschutzmaßnahmen anordnet, die entstammen ja der GeBe dann ist das so. Der BR kann nicht dagegen sprechen

    Das kann er sehr wohl und kommt, zumindest in meiner Praxis, auch vor. Und das Thema "Rechte und Pflichten des Betriebsrat im Arbeitsschutz" ist doch auch Bestandteil der Sifa-Ausbildung? ?(

    Wenn der AG in seiner GB feststellt, dass Sicherheitsschuhe zu tragen sind, so kann der Betriebsrat dies nur ablehnen, wenn er über einen Sachverständigen feststellt, dass dies nicht notwendig ist.

    Genau. Wobei ich hier den Begriff "Sachkundiger" verwenden würde. Leider gibt es diese Sachkundige/Sachverständige aber in allen Ausprägungen. Bei uns haben wir dafür den Spruch "You will get what you ask for."

    Allerdings halte ich dieses Vorgehen für wenig sinnvoll und es dürfte auch die Ausnahme sein. Viel häufiger wird der Betriebsrat den Arbeitgeber darauf hinweisen müssen, dass bestimmte Maßnahmen notwendig sind.

    Beim Thema "verhaltensbasierte Sicherheit (BBS)" ist dieses leider nicht die Ausnahme. Deswegen versuchen wir auch immer, einen Betriebsrat in das Leitungsteam zu BBS zu bekommen. Klappt aber nicht immer. Wir haben auch einen Standort, in dem sich ein Betriebsratsmitglied weigert, konsequent die Schutzbrille zu tragen. Das wird wohl irgendwann vor dem Arbeitsgericht landen. ;(

    Etwas einfacher ausgedrückt: bedeutet Mitbestimmungspflichtig eher der BR darf bestimmen _was_ umgesetzt wird oder _wie_ etwas umgesetzt wird?

    Kleine Korrektur: Er darf MITbestimmen.
    Der Betriebsrat bestimmt nicht alleine, aber ohne Betriebsrat geht auch nichts.

    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • Genau. Wobei ich hier den Begriff "Sachkundiger" verwenden würde. Leider gibt es diese Sachkundige/Sachverständige aber in allen Ausprägungen. Bei uns haben wir dafür den Spruch "You will get what you ask for."


    Ich habe bewusst Sachverständiger geschrieben, denn dies ist die Formulierung in §80 BetrVG.

    Zitat von "BetrtVG §80

    (3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Hallo JRico,

    der Betriebsrat hat lt. BetrVG die "Pflicht" darauf hinzuwirken, dass Arbeitsschutzmaßnahmen (und geltendes Recht) durchgesetzt werden. Wenn er eine Maßnahme (Tragen von Sicherheitsschuhen) verhindert oder Blockiert, macht er sich strafbar und kann belangt werden. Auch wenn manche sich sträuben unbequeme Maßnahmen zu unterstützen, so sind sie doch mit verantwortlich und akzeptieren es dann.

    Der Unternehmer kann Dienste an Externe vergeben (Unternehmerentscheidung), aber die Mitarbeit eines BR an Gefährdungsbeurteilungen etc. bleibt bestehen.

    Auch welche Arbeitsschuhe bestellt werden bleibt Unternehmerentscheidung. Der BR kann darauf hin wirken das ein bestimmtes Modell angeschafft wird, aber solange der Sicherheitsschuh den Anforderungengenügen, kann er nicht die Kaufentscheidung verhindern.

    Der BR soll und muss helfen/unterstützen, die Entscheidung (so sie den den geforderten Ansprüchen genügt) liegt aber letzten Endes beim Unternehmer, da er auch dafür dei Verantwortung trägt.

    Mögliche Unterstützung bekommst Du ggf bei der Gewerkschaft deines Vertrauens oder der BG.

    Gruß aus dem Pott
    Ruhrpott-Harry

  • Hallo Zusammen,

    das Beispiel mit den Sicherheitsschuhen ist trivial.

    Es wird interessant, wenn zwischen Geschäftsleitung und BR echte Interessenkonflikte entstehen, z.B. die Einführung von Geschwindigkeitskontrollen auf dem Werksgelände, weil gerast wird oder Alkoholtests, weil Mitarbeiter betrunken zum Dienst erschienen sind. Hier entscheidet oft der Unternehmer für Überwachungsmaßnahmen, während der BR auf Selbstkontrolle der Mitarbeiter setzt, z.B. durch Aufklärung, Seminare, usw.

    Hier ist der Part der Mitbestimmungsrechte/-Pflichten im BetrVG in meinen Augen zu allgemein gestrickt.

    Gruß Holgi

    Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist. (R. Lemke)

  • Hallo und danke für die Antworten.


    Nun verwirrst du mich eher.


    Ja, ich war/bin ja auch verwirrt was das Thema angeht :) Evtl zu viele verschiedene Quellen gelesen.

    Also wenn ich es jetzt richtig verstanden habe würde ich es in meinen Worten so beschreiben:
    Der BR darf dann mitbestimmen, wenn der Arbeitgeber Handlungsspielraum in der Umsetzung einer Maßnahme hat.

    Die Frage die auch seitens der Geschäftsführung auftauchte war jetzt eher wo hier die Grenzen sind. Allerdings ging die GF auch von dem Fall aus, dass der BR gegen eine Arbeittschutzmaßnahme sei - wo ich nun gelernt habe der BR _muss_ sich für den Arbeitsschutz einsetzen (ist eigentlich logisch - war aber trotzdem mal eine theoretische Annahme).



    Etwas einfacher ausgedrückt: bedeutet Mitbestimmungspflichtig eher der BR darf bestimmen _was_ umgesetzt wird oder _wie_ etwas umgesetzt wird?
    Kleine Korrektur: Er darf MITbestimmen.
    Der Betriebsrat bestimmt nicht alleine, aber ohne Betriebsrat geht auch nichts.


    Ja, mitbestimmen schön und gut. Aber wo ist die Grenze? Oder geht es eher darum das beide Seiten Kompromisse eingehen und sich dann in der Mitte treffen? :P
    Bspw: Rauchverbot. Der Arbeitgeber verbietet auf gesetzlicher Grundlage (Nichtraucherschutz) das Rauchen im gesamten Gebäude. Laut Gesetz hat er aber nur "die erforderlichen Maßnahmen zu treffen" daher ist der BR mitbestimmungspflichtig, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Soweit richtig? Sagen wir jetzt der BR fordert Raucherkabinen im Gebäude, der Arbeitgeber will aber zukünftig alle Raucher außerhalb des Gebäudes haben.
    Wo trifft man sich nun?
    Sorry für diese Gedankenkonstrukte, aber ich versuche mir zum verdeutlichen immer szenarien auszudenken an denen man es ganz gut erläutern kann :)


    Auch welche Arbeitsschuhe bestellt werden bleibt Unternehmerentscheidung. Der BR kann darauf hin wirken das ein bestimmtes Modell angeschafft wird, aber solange der Sicherheitsschuh den Anforderungengenügen, kann er nicht die Kaufentscheidung verhindern.

    Der BR soll und muss helfen/unterstützen, die Entscheidung (so sie den den geforderten Ansprüchen genügt) liegt aber letzten Endes beim Unternehmer, da er auch dafür dei Verantwortung trägt.


    Wäre denn die Mitbestimmungspflicht damit erfüllt dass man den Betriebsrat einbezogen hat - sich aber über ihn hinwegsetzt und trotzdem das Billigmodell bestellt?
    Ich mein das ist ja dann eher eine Beratung als eine "bestimmung" - daher evtl auch mein Verständnisproblem.