Sind Schutzhandschuhe pflicht, wenn eine allergische Reaktion durch Gefahrstoff möglich ist?

ANZEIGE
ANZEIGE
  • Moin,


    brauche Eure Einschätzung zum Thema Schutzhandschuhe ja oder nein.

    Arbeitsaufgabe: Tauchlackierung von Platinen --> Platine am Anschlußkabel halten, in Plastik 70 tunken, abtropfen lassen, Kabel in Halter klemmen und Lack trocknen lassen.
    Dauer: ca. 4 Stunden, 2x im Monat

    Die Gefährdungsbeurteilung haben wir sogar vor :thumbup: der Bestellung des Lacks gemacht --> Ergebnis

    • Alles soll im Abzug passieren.
    • Schutzbrille, da Spritzer nicht sicher auszuschließen sind (könnte ja mal eine Platine plumsen statt tauchen)
    • Keine Handschuhe, da Gefährdung der Haut durch Feuchtigkeit (Schwitzen) > Gefährdung durch Lack (evtl. Spritzer können sofort abgewicht und die Hände gewaschen werden)


    Nun ist das Zeugs da, ich sehe mir das Etikett an und muss feststellen im SDB etwas überlesen zu haben, nämlich:
    Enthält 2-Octyl-2H-isothiazol-3-on, Kann allergische Reaktionen hervorrufen.

    Habe nicht sehr tief gesurft, aber lt. Wikipedia muss dies draufstehen wenn mehr als 500ppm drinne sind. Wird wohl als Biozid eingesetzt.

    2-Octyl-2H-isothiazol-3-on wird im SDB weder in den Inhaltsstoffen, noch sonst weiter erwähnt. R-Sätze geben auch keinen Hinweis auf Allergie oder Sensibilisierung. (R42 oder R43 tauchen im SDB nicht auf.) Bezogen auf Haut ist nur R66 (Wiederholter Kontakt kann zu spröder oder rissiger Haut führen) gelistet.


    Wie hoch schätzt ihr die zusätzliche Gefährdung durch 2-Octyl-2H-isothiazol-3-on ein? Würdet Ihr Einweg-Schutzhandschuhe empfehlen oder nicht? (Wegen der Feinmotorik sind dicke Handschuhe nicht geeignet.)


    Gruß,
    Rainer

    "Der Optimist glaubt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, und der Pessimist befürchtet, das der Optimist recht hat." (James Branch Cabell)

  • ANZEIGE
  • Die GBU kann ich nicht ganz nachvollziehen.
    Mein Vorschlag wäre: Definitiv mit Handschuhen, egal ob allergen oder nicht. Und die korrekte Hautpflege und Hautschutz unterweisen.
    Bei 2x4h im Monat sehe ich da die Feuchtarbeit als weniger gefährdend.
    Ist jetzt aber nur meine Sicht der Dinge. Was sagt den Euer Betriebsarzt dazu?

    Hardy

    Multiple exclamation marks are true sign of a diseased mind.
    (Terry Pratchett)
    Too old to die young (Grachmusikoff)

  • ...

    • Alles soll im Abzug passieren.
    • Schutzbrille, da Spritzer nicht sicher auszuschließen sind (könnte ja mal eine Platine plumsen statt tauchen)


    Irgendwie habe ich den Verdacht, die Arbeit im Abzug erfolgt nicht so, wie man richtig im Abzug arbeitet. Der Frontschieber gehört hierbei weitgehend geschlossen. Ideal wäre in diesem Fall ein Abzug mit zweigeteilter Frontscheibe, beide Seiten werden zur Mitte geschoben, so dass man seitlich jeweils einen Eingriff hat und vor dem Gesicht die Frontschieberscheiben. Dann ist meiner Meinung nach keine Gefahr mehr für Spritzer in die Augen vorhanden.

    ...Mein Vorschlag wäre: Definitiv mit Handschuhen, egal ob allergen oder nicht. Und die korrekte Hautpflege und Hautschutz unterweisen.
    Bei 2x4h im Monat sehe ich da die Feuchtarbeit als weniger gefährdend....


    Ich sehe hier keinen gravierenden Grund für Handschuhe. Vollkontakt dürfte üblicherweise nicht erfolgen und wenn, dann gehe ich bei dem Lack davon aus, dass höchstens entfettende Wirkung durch die Lösemittel erfolgt.
    Das 2-Octyl-2H-isothiazol-3-on ist als Biozid im Lack, allerdings ist mir schleierhaft warum, denn das Produkt "Plastik 70" ist eigentlich ein lösemittelhaltiger Lack und Biozide sind in der Regel bei wässrigen Systemen anzuwenden, da würde ich den Hersteller befragen, was das Biozid da drin soll. Bei Spritzkontakt dürfte die Schädigung auch eher zu vernachlässigen sein. Weiterhin gilt es zu bedenken, dass es keinen allergenfreien Handschuh gibt! Dies wird leider auch immer wieder vergessen und ein flüssigkeitsdichter Handschuh führt schon nach wenigen Minuten zum Aufquellen der Haut, was ein Eindringen von Stoffen erleichtert.
    Trotzdem gilt es zu beachten, dass die Lösemittel ja aus dem Lack verdampfen und somit auch bereits über der Wanne mit dem Lack. Da Fette und Lack sich in der Regel nicht gut vertragen, ist hier eine Hautschutzcreme aus Produktqualitätsgesichtspunkten wohl eher kritisch zu sehen. Bei Arbeitsende sollte aber eine entsprechende Hautreinigung und -pflege erfolgen, hierbei evt. mit nachfettenden Pflegeprodukten. Meiner Meinung nach ist dies aber Sache des Betriebsarztes, hier auf eine entsprechende Systematik zu achten.
    Sollen trotzdem Handschuhe verwendet werden, ist die Auswahl wohl überschaubar, denn das Ethylacetat und Butylacetat sind zwei nette Lösungsmittel, die fast alle Handschuhmaterialien angreifen. Somit bleibt eigentlich nur ein Mehrschichthandschuh oder als Alternative evt. ein Butylhandschuh z.B. Butoject von KCL. Allerdings wären beide Handschuhvarianten meiner Meinung nach völlig überzogen.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Was sagt den Euer Betriebsarzt dazu?


    Ich erreiche ihn nicht. Bei meinem letzten Gespräch zu einer sensibilisierenden Substanz (da war R43 im SDB gelistet) erntete ich den Hinweis "es gibt keine Schwellenwerte für sensibilisierende Stoffe" und auf die Frage, wie wir mit dem Stoff umgehen sollten gab es ein Schulterzucken.

    Irgendwie habe ich den Verdacht, die Arbeit im Abzug erfolgt nicht so, wie man richtig im Abzug arbeitet.


    Verdacht bestätigt. Abzug ist aber auch nicht der richtige Begriff, zumindest wenn man einen Laborabzug aus einem chemischen Institut vor Augen hat. Besser wäre von Absaughauben zu sprechen.
    Vor 10-12 Jahren wurden unter diesen Hauben Entlackarbeiten mit Xylol ausgeführt. Überschüssiges Xylol wurde mit Druckluft in einen Trichter gepustet und über Haushaltsstaubsauger (sic) in die Abluftleitung befördert. (ich wundere mich immer noch, dass da nix BUFF gemacht hat.) Es gab damals Raumluftmessungen und der Xylol-Grenzwert wurde eingehalten. Die damalige Betriebsärztin hatte keine Einwände, nur das Abblasen in den Trichter fand sie etwas laut. Bin froh, dass diese Zeiten lange Geschichte sind und ich mich nicht mehr damit herumschlagen muss. Immerhin zeigen die Messungen, dass die Anlage wirksam ist.

    Mit der Tauchlackierung haben wir heute begonnen. Erstmal mit Handschuhen. Der Lack hat einen UV-Tracer. Damit kann man nicht nur sehen ob die Platinen vollständig lackiert sind. Man konnte auch erkennen, dass die Mitarbeiterin nix abbekommen hat. ;)


    Vollkontakt ist bei keiner unserer Tätigkeiten vorgesehen oder erwartet. Es geht idR um Spritzschutz. Daher tue ich mich auch so schwer mit der Einschätzung: Handschuhe sind muss, denn Nachteile gibt es einige:
    - MA werden mit Handschuhen sorgloser (hatten wir das nicht schon mal - warum langsamer fahren, mein Wagen hat ABS)
    - Die Feinmotorik wird beeinträchtigt, es geht leichter mal was daneben.
    - Hautprobleme! Bislang hat niemand sich beklagt, der ohne Handschuhe arbeitete. Aber 2 MA haben mir Ekzeme gezeigt, die sie (bzw. deren Hautarzt) auf das Handschuhmaterial zurückführten. Muss wohl was dran gewesen sein, in beiden Fällen brachte Materialwechsel Abhilfe (Die beiden haben die Packungen getauscht).


    Gruß,
    Rainer

    "Der Optimist glaubt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, und der Pessimist befürchtet, das der Optimist recht hat." (James Branch Cabell)

  • ...Besser wäre von Absaughauben zu sprechen. ...Überschüssiges Xylol wurde mit Druckluft in einen Trichter gepustet und über Haushaltsstaubsauger (sic) in die Abluftleitung befördert. (ich wundere mich immer noch, dass da nix BUFF gemacht hat.)


    Schon mal nachgemessen, ob diese Absaughaube überhaupt richtig absaugt? Mit dem Abstand zum Objekt nimmt die Absaugleistung gewaltig ab. Ist die Haube nur oben, oder gibt es so etwas wie ein einschließendes Gehäuse um das abzusaugende Objekt?
    Dass es damals nicht BUFF gemacht hat könnte mehrere Gründe haben. Wahrscheinlich war man außerhalb der explosionsfähigen Dampf-Luft Mischung. Bei Ethanol als Lösemittel hätte man hier vermutlich den Knalleffekt erreicht, da breiterer Explosionsbereich und niedrigere Zündtemperatur.
    Sind wenigstens die Absaughauben Ex-geschützt?

    ...Der Lack hat einen UV-Tracer. Damit kann man nicht nur sehen ob die Platinen vollständig lackiert sind. Man konnte auch erkennen, dass die Mitarbeiterin nix abbekommen hat. ;)

    Und wie sieht es mit dem Schutz der Haut und Augen vor UV-Strahlung aus?

    .......Handschuhe sind muss, denn Nachteile gibt es einige:...


    Irgendwie verstehe ich den Satz nicht. Die Handschuhe haben Nachteile, aber man muss sie einsetzen? Auch hier gilt eigentlich T-O-P und da kommen somit die Handschuhe erst am Ende der Kette.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • ANZEIGE
  • Hallo Zusammen,

    die Nachteile von Schutzhandschuhen die Rheydter unten beschreibt kann ich voll nachvollziehen. Bei den Einsatz von Schutzhandschuhen muss man sich ersteinmal viel Gedanken machen.Unser Betriebsarzt und ich haben mit diesen Thema auch schon leidvolle Erfahrungen gemacht.
    Bei uns wurden früher elektronische Baugruppen per Hand lackiert. Ersteinmal ohne Schutzhandschuhe unter einer Absaugung, wurde ja nur vorsichtig gepinselt und es gab keine Klagen und Probleme von den Mitarbeitern. Als ich mir das SDB einmal genauer angeschaut hatte haben der Betriebsarzt und ich entschieden Schutzhandschuhe beim lackieren zu verwenden. Damit hatten wir beide den Salat, es gab seitens der Mitarbeiter nur Klagen und Probleme wie sie auch schon Rheydter beschrieb.

    1. Der sorglose Umgang mit dem Lack wie Rheydter ihn schon beschrieben hat. Es wurde auf einmal viel mehr lack verbraucht.
    2. Die Feinmotorik hatte Rheydter ja auch schon beschrieben.
    3. Diverse massive Hautprobleme bei mehreren Mitarbeitern durch die Schutzhandschuhe, die haben mich und vor allen den Betriebsarzt bald um den Verstand gebracht.

    Das Problem ist einfach Menschen sind verschieden und reagieren auch verschieden auf Stoffe, ich werde niemals mehr auf die Versprechungen der Herstellern/Vertreter hören. Das gilt für mich nicht nur in diesen Fall sondern auch im allgemeinen.

    Wir haben das Problem gelöst in dem wir die Baugruppen jetzt bei einen Fremdfertiger maschinell lackieren lassen.

    Mit freundlichen Grüssen aus Braunschweig!

    Hans-Jürgen

  • Schon mal nachgemessen, ob diese Absaughaube überhaupt richtig absaugt?


    Ja!

    Sind wenigstens die Absaughauben Ex-geschützt?


    Ja!

    Und wie sieht es mit dem Schutz der Haut und Augen vor UV-Strahlung aus?


    Danke für den Hinweis. Werde ich noch in die GBU aufnehmen.
    Der UV-Tracer wird durch Schwarzlicht zur Fluoreszenz angeregt und leuchtet dann im sichtbaren Bereich. Niemand blickt direkt in die Schwarzlichtlampe und bei der geringen Intensität und kurzen Einsatzzeit erwarten wir keine Gefährdung durch Reflexion. (Meine Disco-Zeit liegt ein paar dutzend Jahre zurück :rolleyes: - leuchten die Klamotten und Schmincke immer noch so dolle?).


    Gruß,
    Rainer

    "Der Optimist glaubt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, und der Pessimist befürchtet, das der Optimist recht hat." (James Branch Cabell)

  • Hallo Zusammen,

    Das 2-Octyl-2H-isothiazol-3-on ist ein Biozid, dass häufig in der Industrie eingesetzt wird, z. B. in Lacken, Holzschutzmitteln, Kühlschmierstoffen oder sogar Textilien.
    Macht doch euch erstmal Gedanken, ob diese Lösung überhaupt Biozide enthalten muss, oder ob es besser ist einen Ersatzstoff ohne zu nehmen und den dann öfter zu tauschen.

    Die Sache mit dem Abzug halte ich für übertrieben, wenn von dem Tauchbad nicht noch andere Gefahren ausgehen. Wir reden ja hier nicht über den reinen Stoff, sondern um eine kleine Beimengung als Fungizid. Der Stoff ist wenig löslich in Wasser und schwer flüchtig und muss angegeben werden, wenn mehr wie 500ppm vorliegen.
    Ihr soltet mal sehen, was auf einer Flüssigseifenflasche alles für Stoffe stehen, die pur sensibilisieren, aber verdünnt die Haut reinigen.
    Also bitte hier keine Panik machen.

    Gruß Holgi

    Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist. (R. Lemke)


  • Die Sache mit dem Abzug halte ich für übertrieben, wenn von dem Tauchbad nicht noch andere Gefahren ausgehen.


    Es sind ja auch noch Ethyl- und Butylacetat als organische leicht flüchtige Lösemittel vorhanden. Ohne Abzug sollte man nicht damit umgehen, die Folgen können schrecklich sein. Schau Dir einmal ein paar Schnüffler an, die sich das Hirn weggeschnüffelt haben.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • ANZEIGE
  • Hallo Tiefflieger,

    da hast du recht; deshalb habe ich ja von "weiteren Gefahren" gewarnt.
    Letztendlich wird sich eine Antwort im SDB für den Stoff finden.

    Gruß Holgi

    Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist. (R. Lemke)