Umsetzung neue ArbMedVV

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  • Moin Basti,

    Vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden - dann bitte ich um Aufklärung, aber für mich sieht es so aus, als bekämen wir, egal ob Eignungs- oder Vorsorgeuntersuchung, zuküftig nur noch Teilnahmebescheinigungen zugesandt - und nur, wenn es ganz besonders kritisch wird, dann bekommen wir vom Betriebsarzt mehr mitgeteilt, vorausgesetzt die ärztliche Schweigepflicht spricht nicht dagegen.

    Eignungsnachuntersuchungen bedürfen Ihrer Ausführung nach einer rechtlichen Grundlage, die es aber nur in einigen Bereichen gibt. Wenn ich diese Grundlage nicht habe, weil eben gesetzlich nichts geregelt ist - auf welche rechtliche Grundlage soll ich denn meine Berechtigung stellen, da ja selbst die Gefährdungsbeurteilung als Grundlage möglicherweise nicht ausreicht.

    Sie schreiben weiter: Zitat "Bei den meisten Vorsorgeuntersuchungen geht es ja nicht um die Gefährdung von Dritten oder von Sachgütern, sondern um die Eigengefährdung der Mitarbeiter." Zitat Ende. Und wenn doch?

    Wir sind u. a. im Gleisbau tätig. Hier ist es unbedingt notwendig Warnsignale verstehen zu können. Wie sollen wir Ihrer Meinung nach gewährleisten, dass alle Mitarbeiter auch die Warnsignale hören können, weil allein schon dadurch gefährliche Situationen können, dass ein Kollege die Warnung nicht hört und ein anderer ihn warnen will/muss. Da Eignungsnachsorgeuntersuchungen aber kaum rechtlich geregelt sind, müssen wir also zukünftig darauf vertrauen, dass uns der jeder Mitarbeiter seine mittlerweile bei einer Vorsorgeuntersuchung festgestellte Schwerhörigkeit von selbst meldet?

    Es ist menschlich verständlich, wenn er genau dies nicht tut, weil er vielleicht Angst um seinen Arbeitsplatz hat.

    Aber nach einem schweren Unfall muss sich das Unternehmen von allen Seiten fragen lassen, wie es dann dazu kommen konnte, dass der Mitarbeiter die Warnsignale nicht gehört hat. Aber wie denn? Der Arbeitnehmer sagt nichts und der Betriebsarzt hält sich an seine Schweigepflicht. Der aber weiß außer dem Arbeitnehmer überhaupt von der inzwischen entstandenen Schwerhörigkeit.

    Das Unternehmen soll vorsorgen - gut. Aber es erhält irgendwie keine Informationen, wenn ein Mitarbeiter gesundheitliche Probleme bekommen hat, die für seine Arbeit relevant sind. Für mich gehört auch das zum Thema Vorsorge - nämlich zu reagieren, bevor dem Mitarbeiter etwas passiert. Soviel zu Ihrem gutgemeinten Rat mit dem Seminar zum Thema Verantwortung im Arbeitsschutz.

    Sie vertreten in Ihrem Beitrag sehr stark die Interessen der Beschäftigten - und das ist auch gut so. Ansonsten aber betrachten Sie die neue ArbMedVV nur aus der Sicht des Betriebsarztes (bitte nicht falsch verstehen, weil das nicht böse gemeint ist), so wie ich diese neue Verordnung nur aus Sicht des Unternehmens betrachten kann.

    Wir wissen im Moment nicht, wie Vorsorge funktionieren soll, wenn man über die Eignung von Mitarbeitern keine Informationen bekommt. Das Unternehmen hat zwar die Verantwortung, aber neue Informationen über seine Mitarbeiter, erhält es wenn überhaupt nur dann, wenn die Mitarbeiter diese freiwillig weitergegeben haben. Möglicherweise ist ein Brief an unseren BA, der ihm die Verantwortung zuschieben soll überzogen (und wenn Sie meinen Beitrag etwas weiter oben gelesen haben, dann finde ich das selbst auch unfair), aber es ist Ausdruck der momentanen Ratlosigkeit.

    Gruß aus dem Norden

    nj 1964

    Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

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  • Hallo nj 1964,

    ich hatte mich im Jahr 2009 bei der DB Sicherheit beworben, zur Einstellungsuntersuchung musste ich von Ffm nach Mainz, da dort die frühesten Termine frei waren.
    Ich sollte eigentlich als Ausbilder tätig werden, aber 6 Monate hätte ich auf der S-Bahn bleiben müssen um einen tieferen Einblick zu erhalten.
    Die Ärztin in Mainz hat mich ziemlich gut durchleuchtet und auch meine defekten Bandscheiben hat sie nur toleriert. mit dem Verweis auf die anstehende Ausbildertätigkeit,
    eine dauerhafte Arbeit nur im reinen Sicherheitsdienst hätte sie nicht befürwortet.
    Der Arbeitsvertrag wurde in Ffm auch erst nach ihrem OK ausgefertigt. Diesen hatte ich dann aber aus persönlichen Gründen abgelehnt.
    Was ich halt befürwortet hatte, ist die Kompetenz der Ärztin explizit für die Arbeitsfelder im DB Konzern, genauso wie das Verkehrsunternehmen in Ffm ebenfalls eine eigenen Betriebsärztlichen Dienst hat.

    Nun müsste man einen Fachanwalt hinzu ziehen, da die ArbMedVV eine Verordnung ist, sie ist kein Gesetz und müsste daher durch z. B. StGB § 13 Begehen durch Unterlassen oder §229 StGB fahrlässige Körperverletzung etc.im Ernstfall quasi
    "aufgehoben" werden.
    Und dann kann ich es mir auch nicht vorstellen, das ein Betriebsarzt/ärztin solche Risiken eingehen wird. Wie Basti oben geschrieben hat, er könne seine ärztliche Schweigepflicht bei Gefahr im Verzug umgehen.
    Wie seht ihr das?

    Gruß aus Ffm,

    Carsten

  • Oder um mal ein Beispiel zu haben.

    Ich wäre Betriebsarzt und das Unternehmen hat neue Busfahrer eingestellt, bei einem wird Farbblindheit festgestellt, es viel halt lange nicht auf, weil dieser an Ampeln erst losfuhr wenn es hupte.
    Ihm kann ich doch nicht einfach ein Papier in die Hand geben und sagen, es liegt bei Ihm, ob er dem Chef das mitteilen, oder nicht?
    Dann stellt sich die Frage, wie verhält sich die BG bei einem Schadensfall und einem solchen Vorgang?
    Z. B. habe ich eine Tätigkeitseinschränkung festgestellt im Verlauf einer Reha durch die DRV. Wenn ich diese Tätigkeit nun trotzdem fortführe und frühzeit EU werde,
    dann wird mir die DRV wohl einen Vogel zeigen, ebenfalls die BG, wenn diese von der ärztlichen Feststellung erfährt.

    Carsten

  • Vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden - dann bitte ich um Aufklärung, aber für mich sieht es so aus, als bekämen wir, egal ob Eignungs- oder Vorsorgeuntersuchung, zuküftig nur noch Teilnahmebescheinigungen zugesandt - und nur, wenn es ganz besonders kritisch wird, dann bekommen wir vom Betriebsarzt mehr mitgeteilt, vorausgesetzt die ärztliche Schweigepflicht spricht nicht dagegen.


    Bei Vorsorgeuntersuchungen gemäß ArbMedVV gibt es nur eine Teilnahmebescheinigung. Bei Eignungsuntersuchungen ist eine ärztliche Beurteilung möglich. Diese wird aus Gründen der Schweigepflicht am besten nur dem Mitarbeiter ausgehändigt. Der Arbeitgeber bekommt eine Teilnahmebescheinigung und kann sich dann vom Mitarbeiter die Eignungsbescheinigung vorlegen lassen (genauso wie auch den Staplerschein, Führerschein usw. - die werden ja auch nicht direkt an den Arbeitgeber geschickt). Legt der Mitarbeiter die Eignungsbescheinigung nicht vor sollte der Arbeitgeber den Mitarbeiter mit der entsprechenden Tätigkeit nicht mehr betrauen.


    Eignungsnachuntersuchungen bedürfen Ihrer Ausführung nach einer rechtlichen Grundlage, die es aber nur in einigen Bereichen gibt. Wenn ich diese Grundlage nicht habe, weil eben gesetzlich nichts geregelt ist - auf welche rechtliche Grundlage soll ich denn meine Berechtigung stellen, da ja selbst die Gefährdungsbeurteilung als Grundlage möglicherweise nicht ausreicht.


    Ich stimme Ihnen zu, dass im Grunde genommen eine Art Eignungsverordnung fehlt. Es gibt aber mehrere Unfallverhütungsvorschriften die körperliche und geistige Eignung verlangen. Wenn der Gesetzgeber sich schon nicht kümmert, könnten die Berufsgenossenschaften hier ggf. auch noch Lücken schließen.


    Sie schreiben weiter: Zitat "Bei den meisten Vorsorgeuntersuchungen geht es ja nicht um die Gefährdung von Dritten oder von Sachgütern, sondern um die Eigengefährdung der Mitarbeiter." Zitat Ende. Und wenn doch?


    Das hängt davon ab, wie man den Vorsorgebegriff definiert. Nach der klassischen Definition geht es tatsächlich nur um den Mitarbeiter selbst, alles andere wäre nicht Vorsorge sondern eine Eignungsfrage. Das Thema wird im Kollegenkreise aber unterschiedlich gesehen, denn natürlich hat eine Reduktion des Unfallrisikos durch Eignung für die Tätigkeit auch was mit Vorsorge zu tun.


    Wir sind u. a. im Gleisbau tätig. Hier ist es unbedingt notwendig Warnsignale verstehen zu können. Wie sollen wir Ihrer Meinung nach gewährleisten, dass alle Mitarbeiter auch die Warnsignale hören können, weil allein schon dadurch gefährliche Situationen können, dass ein Kollege die Warnung nicht hört und ein anderer ihn warnen will/muss. Da Eignungsnachsorgeuntersuchungen aber kaum rechtlich geregelt sind, müssen wir also zukünftig darauf vertrauen, dass uns der jeder Mitarbeiter seine mittlerweile bei einer Vorsorgeuntersuchung festgestellte Schwerhörigkeit von selbst meldet?


    Was ändert sich denn hier "zukünftig" für Ihren Betrieb ? Eine Eignungsuntersuchung mit der festgestellt werden kann, ob ein Mitarbeiter Warnsignale hört oder nicht, gab es doch auch in der alten ArbMedVV nicht. Die G20 "Lärm" hat doch einen völlig anderen Fokus. "Keine gesundheitliche Bedenken" bedeuten hier, dass nicht mit einer gesundheitlichen Gefährdung des Mitarbeiters durch Lärm zu rechnen ist. Die Beurteilung bedeutet nicht, dass der Mitarbeiter besonders gut hören kann. Man kann bei der G20 schon ziemlich schlecht sein und die Untersuchung trotzdem regelhaft "bestehen". Im übrigen ist der Bewertungsmaßstab der G20 Untersuchung (es wird mit Hörverlustsummen gearbeitet) für die o.g. Eignungsfeststellung vollkommen ungeeignet, möglicherweise wird die Frequenz auf welcher Ihr Warnsignal trötet bei der G20 Untersuchung überhaupt nicht getestet oder der Proband kann gemäß Grundsatz G20 schlechte Werte auf dieser Frequenz mit guten Werten auf anderen Frequenzen ausgleichen - für eine Eignungsfeststellung vollkommen absurd.


    Sie vertreten in Ihrem Beitrag sehr stark die Interessen der Beschäftigten - und das ist auch gut so. Ansonsten aber betrachten Sie die neue ArbMedVV nur aus der Sicht des Betriebsarztes (bitte nicht falsch verstehen, weil das nicht böse gemeint ist), so wie ich diese neue Verordnung nur aus Sicht des Unternehmens betrachten kann.


    Genau das ist der Sinn der neuen ArbMedVV - Stärkung der Vorsorge im Interesse der Beschäftigten. Die Eignungsfrage ist eigentlich ein Thema, mit welchem sich die Arbeitsrechtler im Unternehmen beschäftigen sollen. SiFas und Betriebsärzte sollten sich hier nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Wichtig ist aber dass richtige Maß zu finden, damit nicht am Ende alle ohne Job dastehen. Was würden die Forumsmitglieder wohl dazu sagen, wenn man unter dem Deckmantel der Gefahrenabwehr für SiFas über 55 Jahre regelmäßig eine Eignungsuntersuchung einführen würde (Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung) und die Weiterbeschäftigung davon abhängig machen würde.

    Zusammenfassend kann man das ganze ArbMedVV Thema in drei Sätzen zusammenfassen:

    1. Die ArbMedVV (alt und neu) regelt nur die arbeitsmedizinische Vorsorge aber nicht die Eignungsfeststellungen (Ausnahme: in der alten ArbMedVV war die Drucklufteignung enth.)
    2. Demzufolge fehlt die Eignung für Fahr-/Steuertätigkeiten (G25) und Arbeiten mit Absturzgefährdung (G41) in der ArbMedVV (alt und neu)
    3. Wer die Beurteilung von Vorsorgeuntersuchungen bisher als Eignungsnachweis interpretiert hat - der hat es streng genommen bisher falsch gemacht

    Alles wird sich fügen
    Basti

    2 Mal editiert, zuletzt von Doctor No (10. Dezember 2013 um 01:43)

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  • Bei der G25 (Fahr- und Steuertätigkeiten) und bei der G26.3 (schwerer Atemschutz) hat sich durch die neue ArbMedVV ohnehin nichts geändert, denn diese Untersuchungen kommen sowohl in der alten als auch in der neuen ArbMedVV überhaupt nicht vor. Sie sind also weder Pflicht- noch Angebotsuntersuchung (letzteres wird hier im Forum gerne mal behauptet) sondern Eignungsuntersuchungen auf Wunsch des Arbeitgebers oder Wunschuntersuchungen gemäß §11 ArbSchG.

    Moin,
    schön mal was von der anderen Seite zu lesen! Ich stoße mich, mal wieder, an der G26.3. Ich finde in beiden ArbmedVV Pflichtuntersuchungen -vorsorgen für das Tragen von Atemschutz der Gruppe 2 und 3. Ich kenne das nur so, dass diese nach dem Grundsatz 26 durchgeführt wurden. Darf ich fragen, was du bisher bei einer solchen Untersuchung, im Unterschied zur G26, gemacht hast, bzw. in Zukunft machen wirst? Wie wird sich in deinen Augen die Pflichtvorsorge für schweren Atemschutz nach aktueller ArbmedVV von einer Eignungsuntersuchung unterscheiden?

    Lg Moritz

  • Moin zusammen,

    genau wie Moritz finde ich es gut ein paar Einblicke aus dem Gebiet der Betriebsrzte zu bekommen. Gerne mehr davon.

    Es ist sehr interessant auch die verschiedenen Ansichten und Standpunkte innerhalb der Betriebsärztschaft kennenzulernen Man hat im Unternehmen in der Regel ja nur mit einem BA zu tun - und kennt nur dessen Standpunkt.

    Gruß aus dem Norden

    nj 1964

    Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

  • ...da die ArbMedVV eine Verordnung ist, sie ist kein Gesetz...


    Eine Verordnung nach deutschem Recht ist ein Gesetz im materiellen Sinn. Eine EU-Verordnung ist ebenfalls ein Gesetz, mit der Besonderheit, dass es nicht einmal national umgesetzt werden muss.

    Oder um mal ein Beispiel zu haben.

    Ich wäre Betriebsarzt und das Unternehmen hat neue Busfahrer eingestellt, bei einem wird Farbblindheit festgestellt, es viel halt lange nicht auf, weil dieser an Ampeln erst losfuhr wenn es hupte....


    Farbenblindheit (in der Regel rot-grün) ist üblicherweise kein Hinderungsgrund zur Teilnahme am Straßenverkehr. Warum wohl ist die Reihenfolge der Farben an der Ampel festgelegt?

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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