Wo ist die Grenze zwischen Rechtssicherheit und Praktikabilität?

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  • Moin,

    als Newbie in dem ganzen Bereich Arbeitschutz versuche ich gerade, bei uns einiges "anzuschubsen" Bewusstsein zu wecken, Verantwortlichkeiten übertragen zu lassen, um den Arbeitsschutz bei usn vorwärts zu bringen. Hier [Frage] Ich traue mich bald keine Tür mehr aufzumachen habe ich ja bereits einiges beschrieben. Problem: Jeder findet es super, dass sich im Arbeitsschutz endlich etwas bewegt. Die Begeisterung nimmt aber rapide ab, wenn es ans Eingemachte geht und ich einigen Leuten klarmache, dass Arbeitsschutz Geld kostet und manchmal auch einen gewissen Mehraufwand für viele bedeutet. Ich fange langgsam an, lästig zu werden (was mich aber darin bestärkt, dass ich auf einem guten Weg bin :thumbup: ).

    Beispiel: In einem Raum lagern wir z.Zt. noch Seife, Scheuermilch, Reinigungsgranulat Bodurit, Entkalker BUZ Contracalc, Bodenreiniger Oldomat, Essigreiniger usw. Eine ausreichende Belüftung ist nicht gegeben, aber das ist ein anderes Thema (was auch Geld kosten wird). Bei Produkten wie Bodurit Granulat oder G 461 BUZ Contracalc kann ich jedem anhand des Sicherheitsdatenblattes klarmachen, dass hier PSA erforderlich ist. Jetzt habe ich mir aber mal für etwas völlig ungefährliches(?) das SDB heruntergeladen. Somat Spülmaschinen Tabs. Großes Erstaunen: Es werden Handschuhe für dem Umgang mit dem Produkt empfohlen. Wenn ich das jetzt den Betroffenen mitteile, werde ich wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln ernten.

    Wie handhabt Ihr das? Haltet Ihr Euch strikt an die SDB und die Betriebsanweisungen der Hersteller, die ja wohl einen fundierten Hintergrund haben oder sagt Ihr "Hier greift die gängige Praxis, und die Leute können mit den Tabs weiterhin ohne Handschuhe agieren? Es ist halt verdammt schwer, jetzt solche "weltfremden" (aus Sicht der User) Anweisungen durchzusetzen, wenn in dem Bereich jahrelang nichts gelaufen ist. Ich bin für jeden Input dankbar.

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

    Einmal editiert, zuletzt von Guudsje (23. März 2013 um 12:55)

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  • Hi,

    das Zauberwort heißt wie so häufig: Gefährdungsbeurteilung.

    Zum SDB: In den meisten Fällen wird im SDB das "Worstcase-Szenario" beschrieben, bzw der Umgang mit sehr großen Mengen in Produktionsbereichen. Deshalb sollst du dein Somat auch nur mit Handschuhen anpacken. So weit so gut.

    Nun schaust du weg von diesem Werk rein in deine Küche. Was stellst du fest?

    Jahresmenge: Sicher unter einer Tonne.
    Kontaktzeit mit dem Tabs: Sicher unter einer Minute.

    Da würde meine Gefährdungsbeurteilung ergeben, dass hier nur ein minimales Restrisiko besteht, ich auch ohne weitere Maßnahmen im grünen Bereich liege. Ich würde sogar auf eine Betriebsanweisung verzichten.
    Das SDB aber für alle erreichbar in diesem Bereich vorhalten.

    Korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Unterstellt habe ich eine Teeküche, Stationsküche oder ähnliches.

    Hardy

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  • Mit Deiner "Kücheneinschätzung" liegst Du richtig. Die Maschinen laufen einmal am Tag, bei größeren Veranstaltungen evtl. auch mal bis zu zehn mal am Tag. Nehmen wir tatsächlich mal das worst-case Szenario. Ich befülle die Maschine mit den Tabs mit bloßen Händen. Zwischendurch gehe ich mal rauchen. Schon bin ich wieder bei der Gefahr des oralen Zuführens oder bin ich da zu paranoid?

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • in meinen Augen ist diese Befürchtung übertrieben Gesendet von meinem ALCATEL ONE TOUCH 997D mit Tapatalk 2

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  • Das beruhigt mich. Also geht der normale Verstand eines Mitteleuropäers doch über das SDB. Dreh- und Angelpunkt ist für mich jetzt die realistische GBU. Damit dürfte ich dann am besten fahren. Danke für die Antworten.

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

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  • Das beruhigt mich. Also geht der normale Verstand eines Mitteleuropäers doch über das SDB. Dreh- und Angelpunkt ist für mich jetzt die realistische GBU. Damit dürfte ich dann am besten fahren. Danke für die Antworten.

    Gruß Frank


    Du kannst das natürlich noch absichern mit einer generellen Unterweisung zum Thema "Grundsätzliche hygienische Maßnahmen im Umgang mit Chemikalien".
    Dann steckt sich keiner, zumindest weiß er, dass er es nicht tun sollte, eine Zigarette ins Gesicht, bevor er nach Tab-Anwendung die Hände gewaschen hat.

    Hardy

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  • Bei uns gibt es zu den Spülmaschinentabs eine entsprechende Betriebsanweisung. Dort ist dann zum Handschutz zu lesen "Normalerweise sind keine Handschutzmaßnahmen erforderlich. Nach Gebrauch des Produktes Hände waschen."
    Die Hersteller schreiben schon mal übertriebene Maßnahmen vor, gehen aber oft auch von anderen Voraussetzungen aus. Ein Beispiel ist hier das SDB von Natriumchlorid (Kochsalz) der Firma Merck. Auch dort findet man entsprechende Vorgaben zu Schutzhandschuhen. Natriumchlorid in größeren Mengen und langanhaltend benutzt, führt zu durchaus nicht zu vernachlässigenden Hautschäden, besonders in Kombination mit Wasser, da sind also entsprechende Schutzmaßnahmen durchaus gerechtfertigt. Ich habe aber z.B. noch nie einen Koch in der Küche gesehen, der bei der Verwendung von Salz Schutzhandschuhe getragen hat (außer er hatte sich zuvor in den Finger geschnitten).
    SDB geben somit sinnvolle Hinweise, die aber immer noch hinterfragt werden müssen, um dann entsprechend der Gefährdung bei Dir vor Ort, passende Handlungsvorschriften zu erlassen.
    Bei den Spülmaschinentabs könnte man durchaus zum Schluß kommen, geringe Menge, geringe Umgangsdauer => geringe Gefährdung. Dies würde bedeuten, man kann auf eine BA verzichten. Auch ich bin zu "geringe Gefährdung" gelangt, erstelle aber trotzdem eine BA, da ich dies aus Konsistenzgründen so für richtig erachte. Bei uns bekommt jeder kennzeichnungspflichtige Stoff eine BA, auch wenn geringe Gefährdung konstatiert wird, denn in der Regel hat man nicht nur Kontakt mit einem Stoff, sondern über die Arbeitsschicht kommen mehrere kurze Kontakte mit den unteschiedlichsten Stoffen zustande, die in Summe oft nicht mehr bei geringer Gefährdung bleiben. Nur bei den reinen Bürobereichen verzichte ich auf dieses Vorgehen, denn da komme ich auch in der Summe der täglichen Kontakte mit Stoffen in der Regel auf geringe Gefährung.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Bei uns gibt es zu den Spülmaschinentabs eine entsprechende Betriebsanweisung. Dort ist dann zum Handschutz zu lesen "Normalerweise sind keine Handschutzmaßnahmen erforderlich. Nach Gebrauch des Produktes Hände waschen."

    Danke, dass Du das schreibst. Es zeigt, wie unterschiedlich man die Sache betrachten kann:

    Ich habe auf die BA verzichtet, weil ich bei der Zahl der BAs von dem in der Pflege erlernten Prinzip "Soviel als nötig und so wenig wie möglich" ausgehe.
    Mir ist es wichtig, dass bei problematischen Stoffen die BAs ernst genommen werden und nicht ein "schon wieder so ein Quatsch" das Beachten verhindert. Ich bevorzuge da den allgemeinen Unterweisungshinweis "Nach Umgang mit Chemikalien, z.B. auch Spülmittel: Hände waschen!"

    Hardy

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  • Es ist halt abhängig vom Anwender.

    Ist die Person eine Putzfrau die neben dieser Chemikalie noch mit andern in Berührung kommt ist Handschuhtragen auch bei Spülmachinen Tabs Pflicht.

    Ist es aber die Sekretärin, die zum Feierabend die Machine anstellt und ansonsten mit keiner Chemikalie in Berührung kommt, reicht gründliches Händewaschen danach aus. Information über die mögliche Gefährdung die vom Produkt ausgehen kann ist aber trotzdem notwendig. Ist auch den meisten Hausfrauen nicht bewußt dass das Produkt nicht unebdenklich ist.

    PS: so letztens im Frühstücksfernsehen der ARD/ZDF. Eine Dame infomiert über Reinigung im Haushalt. Also welche Produkte wofür am besten und so weiter.
    Da hält sie eine Flasche zum Kalkentfernen in die Kamera und da war ein fettes X drauf. Sagt sie mit einer wegwischenden Handbewegung: Es reicht einmal gründlich durchzulüften.

    vom Handschuhe tragen bei "reizenden" stoffen hat sie wohl noch nie gehört. (nur so nebenbei, für eine solche Informationsqualität soll man Gebühren zahlen. hmmpfff :cursing: )