Haftung von Vorgestzten bei Arbeitsunfällen

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  • Hallo liebe Sifakollegen|nnen!

    Ich bin jetzt völlig verwirrt.

    Ich dachte bisher immer, dass wenn ein schwerer Arbeitsunfall passiert, der direkte Vorgesetzte haftet. Dies natürlich nur wenn dieser auch über eine Pflichtenübertragung des Arbeitgebers in die Pflicht genommen wurde.
    I
    ch nahm bisher an, das wenn dieser Vorgesetzte seine Pflichten in Sachen Arbeitssicherheit nicht wahrgenommen hat und daraus ein vielleicht schwerer Unfall resultiert, dieser dann auch die Verantwortung trägt.

    Diverse Gerichtsurteile belegen ja, dass schon viele Vorgesetzte so zu hohen Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

    Jetzt lese ich in einem Infoschreiben unseres Betriebsversicherers, das dem nicht so ist und diese Geldstrafen von der Versicherng getragen werden.

    Was ist denn nun? Muss ein Vorgesetzter nun um seine Ersparnisse bangen, oder hat er Glück und die Versicherung kommt für seine Fahrlässigkeit auf?

    Und wenn die Versicherung aufkommt, warum gibt es dann noch Fälle in denen der Vorgestzte wirklich eine Geldstrafe bezahlen muss?

    Es wird doch kaum noch einen Betrieb geben der nicht Versichert ist, wenns dass überhaupt gibt.


    Hier ein Auszug aus dem Infosschreiben unseres Versicherers:

    Bei Arbeitsunfällen springt der UnfaIlversicherungsträger ein

    Wichtig: Werden Kollegen oder betriebsfremde Mitarbeiter durch einen betrieblichen Arbeitsunfall verletzt, springt bei Personenschäden der Unfallversicherungsträger ein. Der Mitarbeiter bleibt dann von einer Haftung verschont, vorausgesetzt der Unfall wurde nicht durch vorsätzliches Handeln herbeigeführt. Auch droht ihm im Regelfall kein Regress durch den Unfallversicherungsträger.

    Fazit: Je nach Verschuldungsgrad haften Arbeitnehmer nur eingeschränkt für selbst verursachte Schäden. Alle Personen-, Sach- und (bei besonderer Vereinbarung) Vermögensschäden, die der Arbeitnehmer Kollegen oder betriebsfremden Dritten nicht vorsätzlich zufügt, sind durch die Betriebshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers abgesichert - mit Ausnahme der Arbeitsunfälle, für die die Gesetzliche Unfallversicherung einspringt. Über eine Betriebshaftpflichtversicherung sichern Unternehmen ihre Mitarbeiter
    ab - auch für Ansprüche der Mitarbeiter untereinander .•

    "Wenn zwei Menschen immer dasselbe denken, ist einer von ihnen überflüssig."

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  • Das käme einem Freibrief gleich, dem ist aber nicht so!

    Der Unfallversicherungsträger (BG) kommt erst mal für die Kosten auf, Krankenhaus, Arzt, Reha und wartet erst mal ab ob:
    1. Ein Dritter im Spiel war, d.h. Fahrlässigkeit bei einem Unternehmensfremden.
    2. durch einen Richter eine grobe Fahrlässigkeit bescheinigt wird.

    denn dann sind sie nach ihren Statuten dazu verpflichtet sich das Geld wieder zu holen.

    Weitere Ansprüche des Versicherten gegenüber den "Verursacher"/"Verantwortlichen" gibt es nach dem Gesetz nicht. D.h. es kann keiner seinen Chef auf Schmerzensgeld verklagen!

    Bei allen anderen Versicherungen gilt das sie bei grob Fahrlässig gar nicht zahlen!
    z.B. Ein Mitmensch der selbstmordabsichten hat und mit seinem Auto falsch auf die Autobahn fährt und einen Unfall verursacht gilt als grob fahrlässig. Die Geschädigten bekommen nix!

    Gruß Ralph

    "In der Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben. In der anderen Hälfte opfern wir Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen." (Voltaire)

  • Jau, da sind wir dann wieder bei den "teuflischen und unverschämt teuren Berufsgenossenschaften, die den Unternehmen nur Geld aus der Tasche ziehen" ...so die Meinung vieler Unternehmensverantwortlicher, die nicht sehen wollen, dass eine wesentliche Aufgabe der BG'en die Übernahmer genau dieser Unternehmerhaftpflicht ist.

    Anyway, auch wenn es schwierig ist, seinen Chef im Falle eines Unfalles auf 3.5 Mio. € Schmerzenzgeld zu verklagen (s.o.) heißt das nicht, dass die Verantwortungsträger aus der Verantwortung und/oder Haftung herauskommen.

    Haftung aufgrund von Verstößen oder Versäumnissen gegenüber Arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen ist eine Seite, die häufig im Vordergrund von Prozessen steht - die Stellung eines Geschädigten ist hier aber in der Regel, wenn überhaupt zugelassen, die des Nebenklägers. In den allermeisten Fällen funktioniert das für Betroffenen nur in Form zivilrechtlicher Prozesse.

    In diesem Sinne
    Der Michael

    PS: Danielski: Die Übernahme von Personenschäden jeglicher Art, die während der Ausübung einer abhängigen Beschäftigung entstehen, erfolgt primär durch den Unfallversicherungsträger (BG) und nicht durch die Betriebshaftpflicht.

    "You'll Clean That Up Before You Leave..." (Culture/ROU/Gangster Class)

  • Die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Pflichtenübertragung sind dem § 9 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zu entnehmen.

    Diese Vorschrift ermöglicht es dem Unternehmer, jede ihm obliegende Pflicht grundsätzlich auf jede Person zu übertragen. Aus dem Gesichtspunkt der Aufsichtspflicht kann sich für ihn sogar die Verpflichtung ergeben, gewisse Pflichten auf andere Personen zu übertragen, nämlich dann, wenn die ihn als Inhaber des Betriebes treffenden Pflichten so zahlreich und vielschichtig sind, dass er außerstande ist, sie selbst im einzelnen wahrzunehmen.

    In Einzelfällen erübrigt sich allerdings eine Pflichtenübertragung auf bestimmte Personen, soweit diese nämlich bereits aus einem anderen Rechtsgrund eigenständige Pflichten auf dem Gebiet der Unfallverhütung haben. Dies trifft insbesondere auf Personen zu, die vom Unternehmer beauftragt sind, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, z.B. Betriebsleiter, Direktoren, Prokuristen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Darüber hinaus gilt dies auch für andere betriebliche Führungskräfte und Vorgesetzte, z.B. Meister. Denn die Verantwortung dieser Personen, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und damit für die Gefahrenabwehr in ihrem Bereich zu sorgen, ergibt sich bereits im wesentlichen aus den ihnen durch den Arbeitsvertrag übertragenen Aufgaben, also aus der Stellung, die sie im Betrieb einnehmen. Einer gesonderten Übertragung dieser mit der Stellung des Vorgesetzten ohnehin verbundenen Pflichten bedarf es nicht. Eine gesonderte Pflichtenübertragung kann sich in diesen Fällen nur auf solche Unternehmerpflichten beziehen, die über den diesen Personen ohnehin obliegenden Pflichtenkreis hinausgehen.

    Eine wirksame Pflichtenübertragung setzt die Einhaltung bestimmter Kriterien voraus. Es muss eine „ausdrückliche“ Beauftragung durch den Unternehmer dergestalt erfolgen, dass die Erfüllung der Pflichten „in eigener Verantwortung“ geschieht (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Dies bedeutet, dass dem Beauftragten die erforderliche Entscheidungsbefugnis und Vollmacht eingeräumt werden, in dem übertragenen Pflichtenrahmen selbständig mit verbindlicher Wirkung für den Unternehmer zu handeln. Soweit im Einzelfall zur Durchführung der übertragenen Pflichten finanzielle Entscheidungen erforderlich werden, muss dem Beauftragten die Verfügungsbefugnis über Geldmittel eingeräumt werden. Schließlich muss die Übertragung im Rahmen des Sozialadäquaten liegen, d.h. im Rahmen dessen, was bei der Aufteilung von Aufgaben und Pflichten in der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft allgemein üblich ist.

    Die Schriftform der Pflichtenübertragung, die kraft gesetzlicher Ermächtigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) in § 13 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) geregelt wird, dient der Schaffung klarer Verhältnisse und liegt daher im besonderen Maße im Interesse der Rechtssicherheit. Eine ordnungsgemäße Pflichtenübertragung bewirkt, dass neben dem allein in der Unfallverhütungsvorschrift angesprochenen Unternehmer nunmehr auch der Beauftragte verantwortlich ist. Die Verantwortlichkeit des Beauftragten ist indes nur eine zusätzliche, keine ausschließliche; denn neben dem Beauftragten bleibt der Unternehmer, wenn auch in geminderter Form, weiterhin verantwortlich (§ 130 OWiG). Ein aus rechtlichen Gründen unwirksamer Übertragungsakt ist auf die Verantwortlichkeit des Beauftragten grundsätzlich ohne Einfluss (§ 9 Abs. 3 OWiG). Notwendig ist jedoch, dass der Beauftragte mit dem Einverständnis des Unternehmers tätig geworden ist und tatsächlich eine Stellung eingenommen hat, wie sie von § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG vorausgesetzt wird. Es muss also zumindest faktisch ein Auftragsverhältnis vorliegen.

    Eine Pflichtenübertragung stellt ein im konkreten Einzelfall auszufüllendes Rahmenkonzept dar; seine Verwendung erfordert in der Praxis eine auf die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles abgestellte Konkretisierung sowohl des örtlichen Bereichs, für den die Pflichtenübertragung gilt, als auch der Art und des Umfangs der übertragenen Pflichten sowie erforderlichenfalls eine Aussage über die finanzielle Verfügungsbefugnis des Beauftragten.

    Horst

    Einmal editiert, zuletzt von eisenhuth (10. September 2008 um 13:12)

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    hallo danielski,

    ich denke, man muss hier genau hinsehen und zwei verschiedenen dinge dabei sauber auseinanderhalten:

    ganz grundsätzlich gesagt gilt docherst einmal:

    1. macht oder erleidet ein mitarbeiter bei der arbeit einen materiellen oder gesundheitlichen schaden während seiner tätigkeit, so muss nicht der jeweilige vorgesetzte diesen schaden begleichen sondern es treten erst einmal die jeweiligen versicherungen (betriebshaftpflicht für materielle schäden; oder unfallversicherung/berufsgenossenschaft für gesundheitliche schäden bei den versicherten) dafür ein. Versicherungsrechtlich kann sich dann je nach sachverhalt und versicherungsbedingungen die versicherung mehr oder weniger bei den schuldigen einen geldanteil zurückholen.

    2. wird einem vorgesetzten in diesem zusammenhang ein mehr oder weniger schuldhaftes verhalten oder eine pflichtverletzung (z.b. nach OWiG) zur last gelegt, dann kann er auch noch strafrechtlich mit "zur Verantwortung gezogen werden". Dafür muss dann er persönlich (oder möglicherweise seine vorsorglich privat abgeschlossene berufshaftpflichtversicherung) dafür einstehen.

    peter

    Es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, sondern mit den Augen die Tür zu finden. (Werner-von-Siemens zugeschrieben)