Zur chemischen Seite:
Glyphosat ist ein beliebter, weil sehr wirkungsvoller Bestandteil, von Breitbandherbiziden. Das Problem an einem Inhaltsstoff festzumachen ist bei chemischen Gemischen immer mit großer Vorsicht zu genießen. Oftmals liegt das Problem nämlich nicht am Offensichtlichen, sondern an Wechselwirkungen, die schwer bis gar nicht vorherzusehen sind. Dazu kommt, dass Inhalte des Gemischs erst ab einer gewissen Gewichtung angegeben werden müssen. In der Regel werden also gar nicht alle Bestandteile eines Gemischs vom Hersteller angegeben. Dabei sind die Hilfsstoffe oftmals wesentlich spannender zu betrachten, als die Hauptkomponenten. Ein befreundeter Toxikologe sieht beim Roundup tatsächlich nicht im Glyphosat das Problem, sondern in den Hilfsstoffen und den Wechselwirkungen der Hilfsstoffe mit den Menschen. Ob das erstinstanzliche Urteil in den USA Bestand haben wird, darf also durchaus bezweifelt werden. Oftmals macht bei solchen Geschichten nur der erste Ausgang mit Millionenstrafe Schlagzeilen und das letztinstanzliche Ergebnis schafft es nicht mehr in die Berichterstattung.
Alle möglichen und unmöglichen Wechselwirkungen chemischer Gemische mit der Umwelt und Lebewesen lassen sich nicht sicher vorhersagen oder berechnen. Bei neuen Gemischen bleibt immer ein Restrisiko und es kann eben auch erst Jahrzehnte später eine langfristig schädliche Wirkung festgestellt werden. Mit diesem Restrisiko müssen wir leben, da es nicht vertretbar ist, ein neues Produkt erst ein Menschenleben lang zu testen / zu beobachten vor der Markteinführung. Und wenn ein Problem festgestellt wird, kann es auch sehr lange dauern, bis die wirkliche Ursache ausfindig gemacht wird (wir sind auch wissenschaftlich noch weit davon entfernt, z.B. alle Vorgänge im menschlichen Körper nachvollziehen und erklären zu können). So ist das mit der Chemie halt und im Großen und Ganzen funktioniert es auch (sonst hätten wir z.B. andere Lebenserwartungskurven in Deutschland).
Zur landwirtschaftlichen Seite:
Das Problem eines Verbots ist, dass es an brauchbaren Alternativen fehlt. Insofern war es aus Sicht der Landwirtschaft wichtig und richtig, den Einsatz nicht ad hoc zu verbieten. Gab dazu gute Fachartikel in entsprechenden Landwirtschaftszeitungen und auch aus diesen ging hervor, dass das Hauptproblem wenn dann die Hilfsstoffe neben dem Glyphosat in den Breitbandherbiziden sind. Warum sich nur auf den Hauptinhaltsstoff eingeschossen wurde dürfte vermutlich vor allem an fehlendem chemischem Hintergrundwissen der Akteure der Kampagne gegen Glyphosat liegen (ja, böse Vermutung, aber mir fällt keine bessere Erklärung auf die Schnelle ein). Und das Glyphosat in Bier oder anderen Lebensmitteln ist die Folge einer nicht bestimmungsgemäßen Verwendung des Herbizids zur Abreifebeschleunigung (Stichwort: Sikkation). Da wurde tatsächlich Schindluder mit dem Produkt in der Landwirtschaft betrieben (und wird es auch heute noch in vielen Ländern).
zum Sicherheitsdatenblatt:
Das erweiterte Sicherheitsdatenblatt richtet sich nur an fachkundige Personen, die mit den Expositionsszenarien auch etwas anfangen können. Aus fachlicher Sicht finde ich das erweiterte SDB gut. Ebenso ist es notwendig, dass es zusätzlich das "einfache" SDB für den Laien gibt.
Die normalen Sicherheitsdatenblätter sind dagegen aus fachlicher Sicht leider tatsächlich viel zu oft inhaltlich falsch oder liefern zu wenig bzw, keine ausreichenden Informationen mit (ich kann z.B. die Angabe "Handschuhe tragen" nicht mehr lesen, das ist einfach zu wenig Information). Die Chemie-Lobby muss in der EU echt enormen Einfluss haben, anders kann ich mir nicht erklären, dass hier politisch nichts unternommen wird, um vernünftige Sicherheitsdatenblätter für den Anwender durchzusetzen. Da haben wir im Chemikalienrecht tatsächlich noch eine sehr große Baustelle und auch weltweit führende Hersteller liefern mitunter falsche oder unzureichende SDB mit. Aus diesem Grund ist die Fachkunde für die Gefährdungsbeurteilung nach GefStoffV immens wichtig, um trotz fehlender oder falscher Angaben die richtigen Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten auswählen und umsetzen zu können. Die Hersteller bzw. Inverkehrbringer der Chemikalien werden hier leider noch viel zu wenig zur Verantwortung gezogen. Dass bei neuen Gemischen Erkenntnisse erst im Laufe der Zeit gesammelt werden können sehe ich ein. Aber bei altbekannten Stoffen und Zubereitungen, zu denen ausreichend Erkenntnisse vorliegen, ist es eine bodenlose Frechheit, kein korrektes Sicherheitsdatenblatt mitzuliefern und pervers, dass die Politik dies duldet.