85 % der Paketdienstleister verstoßen gegen das Arbeitsschutzgesetz

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  • Zitat

    In Nordrhein-Westfalen verstoßen 85 % der Paketdienstleister gegen den Arbeitsschutz.
    Bei einer großangelegten Kontrollaktion wurden unter anderem Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten festgestellt. Die schlechten Arbeitsbedingungen gefährden auch die Sicherheit im Straßenverkehr.

    http://www.haufe.de/arbeitsschutz/…_96_274468.html

    Das ist doch eins dieser offenen Geheimnisse. Alle beteiligten wissen davon, aber es tut sich trotzdem nichts.

    Und die ganz grundlegende Frage: Wie kann man Menschen vor der Selbstausbeutung schützen?

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  • Hi...

    ich finde, dass gerade die "großen" Auftraggeber sich zu einfach aus der Verantwortung stehlen:
    Fakt ist doch, dass die Auftragsvergabe der Subunternehmer nach kaufmännischen Gesichtspunkten erfolgt. Da sich keiner die Mühe macht, einmal nachzurechnen, wie sich Löhne, Verwaltungs- und sonstige Kosten und der Wunsch nach Gewinn auch des Subunternehmers miteinander vereinbaren lassen bekommen die günstigsten den Auftrag.

    Zudem gab es nun wirklich genügend Berichte in allen verfügbaren Medien, wie die Subunternehmer mit ihren Mitarbeitern umgehen.
    Wenn für die Auftragsvergabe nicht berücksichtigt wird, dass ein Mindestbetrag nun einmal erfoderlich ist, um den rechtlichen Regelungen zu entsprechen, kann man nach meiner Meinung auch nicht die Schuld auf den Subunternehmer, oder schlimmer noch, den Fahrer selbst abschieben.
    Zudem gilt auch in diesem Bereich, was in der Industrie inzwischen üblich ist: Ein "Kunde" hat durchaus die Möglichkeit, die Durchführung von Audits o.ä, in seine Verträge mit aufzunehmen und sich unangekündigt (so wie es hier einmalig von Seiten der Behörden durchgeführt wurde) einen Überblick über die Umsetzung des Regelwerks zu verschaffen.

    Da aber, wie leider so oft, die Gewinnmaximierung an erster Stelle steht (warum sonst, nimmt man Subunternehmer mit ins Boot, anstatt die Fahrer selbst einzustellen), besteht von Seiten der Paketdienstleister ja auch kein Eigeninteresse daran, die Einhaltung des Regelwerkes mit entsprechendem Nachdruck zu verfolgen.

    in diesem Sinne

    Gruß
    Thorsten

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    Es genügt nicht, unseren Kindern einen besseren Planeten hinterlassen zu wollen.
    Wir müssen auch unserem Planeten bessere Kinder hinterlassen!

  • Moin,

    ich hatte mal Gelegenheit, ein Depot eines großen blau-gelben Logistikdienstleisters "besichtigen" zu dürfen. Zentrale IT-Komponente ausgefallen und die Backupkomponente hat nach zwei Stunden beschlossen, dass es für ihr Netzteil zu warm wäre. Also per 3D-Voodoo-Mega-Eilig-Express-Service so ein Teil bestellt und tapfer gewartet. Lieferung garantiert bis 12.00 Uhr. Um 13.00 Uhr mal zart bei unserem Lieferanten angwerufen wo das Ding bleibt.

    "Keine Ahnung, ich kläre es."

    10Min.

    "Das Paket befindet sich wieder im Depot in Mannheim. Die Annahme wurde verweigert."

    " :cursing: Iss klar, es ist Freitag, und bevor der Fahrer seinen Feierabend verpasst, schreibt er einfach Annahme verweigert."

    "Sie können es aber in Mannheim abholen Adresse...."

    Ich rufe dort an und erläutere der Dame, die das Monnemer Platt drei Stufen besser beherrscht als Bülent Ceylan, mein Problem und avisiere mein Kommen.

    Ich ins Auto und gutgelaunt X( Richtung Mannheim gefahren. Im Depot angekommen habe ich wie weiland Ingemar Stenmark die mir entgegenkommenden Sprinter rechts und links an mir vorbeigelassen, ansonsten hätten die mir einen Stern auf den Bauch tätowiert. Eine riesen Lagerhalle mit null Beschilderung. Neben der Halle eine Tür "Büro". Aha, da werden sie geholfen. Ein Druck auf den Klingelknopf:

    "Mer häwwe schun zu."

    "Ich habe angerufen."

    "Sie misse niwwer" und schließt die Bürotür. Niwwer ist wahrscheinlich die Bezeichnung für "Das gesuchte Frachtstück befindet sich in der angrenzenden Lagerhalle". Ich also noch gutgelaunter Richtung Monsterhalle. Eine offene Tür. Ich nix wie rein und wärme mein Südhessisch auf, um mit dem nächsten Eingeborenen in Kontakt zu treten. Umsonst wie sich gleich zeigt. Mit einem freundlichen "Alder was stehst Du rum?" gibt mir ein Arbeiter zu verstehen, dass er mich offensichtlich mit einem Beschäftigten des Logistikdienstleisters verwechselt und mich freundlich bittet, meiner Tätigkeit, für die ich nach seiner Ansicht bezahlt werde, nachzukommen.

    Ich erläutere ihm mein Anliegen.

    "Hast Du Abholschein?"

    "Nein, es war eine Versandbestellung inklusive Lieferung und nicht zur Abholung, aber ich habe die interne xxx-Nummer." (In der Hoffnung, dass der Kollege jetzt seinen Scanner zückt, ein kurzes beep ertönt und er dann jemanden beauftragt, aus Sektor 5, Gang 7, Regal 378, Ebene 4 mein Paket zu holen.) Er zückt seinen Scanner, es macht beep.

    "Du hast Annahme verweigert."

    "Nein, ich habe auf glühenden Kohlen gesessen und auf das Paket gewartet."

    "Wilsst Du Paket nicht?"

    "Doch deswegen bin jetzt hier hier."

    "Hättest Du Annahme nicht verweigert, wäre Paket schon da."

    "Wäre das Paket geommen hätte ich es angenommen."

    "Guckst Du, steht hier Annahme verweigert."

    "Vielleicht können wir jetzt das Paket holen?"

    "Hast Du Ausweis?"

    "Ja" Ich schiebe ihm meinen Personalausweis rüber.

    "Ist nicht Dein Paket"

    "Ich weiß, dass auf dem Paketaufkleber eine Firmenadresse steht, aber der Name darunter, der bin ich." :cursing:

    Ich biete ihm an, in der Firma anzurufen und meine Identität bestätigen zu lassen. Scheinbar zu viel Aufwand, denn plötzlich steht es außer Frage, dass es sich um mein Paket handelt. Während dieser Zeit, die wir an dem Tresen stehen (eigentlich ein besserer Tisch mit einer Zentimeter dicken Holzplatte, herrscht ein reges Kommen und Gehen von Fahrern, die Retouren auf den Tisch schieben, der nächste schiebt das nächste Paket hinterher, der nächste schiebt sein Paket hinterher. Auf der anderen Seite des Tisches fallen die Pakete zu Boden, da der junge Mitarbeiter im Hintergrund aufgrund Smartphone und Zigarette leider keine Hand frei hat, um sich um die Retouren zu kümmern (wer zerbrechliche Ware hat, sollte diese nicht mit blau-gelb schicken).

    "Ist noch nicht im Lager"

    "Wie finde ich jetzt mein Paket?"

    "Guckst Du hinten, da liegt was zurückgekommen" und zeigt vage in die Halle. Ich begebe mich in die Halle und versuche mit zu dem Bereich durchzufragen, in dem die Retouren gelagert werden. Die Firma beschäftigt scheinbar viele kreative Köpfe, denn ich laufe an einer ganzen Reihen von selbstgebauten Regalen aus Holz und Metallregalen, die offensichtlich aus Überresten ältere Regale zusammengebaut/-geschweißt wurden, vorbei. Einen leicht durchhängenden Fachboden kann man übrigens ganz einfach mit ein paar leeren Getränkekisten abstützen. Dann steht das Regal wieder fest wie ein Eichbaum. Bei nicht allzu großen Paketen geht es übrigens viel schneller, auf eine Leiter zu steigen und dem Kollegen das Paket nach unten zu werfen, als einen Hubstapler zu benutzen. Zeit ist schließlich Geld.

    Endlich sehe ich ein Paket, dass den Aufdruck meines Lieferanten trägt. Ich stiefele darauf zu und nehme es auf den Ast. Obwohl ich als Einziger in der Halle mit einem Hemd und ordentlichen Schuhen rumlaufe und eindeutig kein Mitarbeiter von XXX bin, fragt mich niemand, wohin ich mit dem Paket will. Weder die beiden Kollegen, die gerade dabei sind, dafür zu sorgen, dass es wieder leere Kisten für eine Abstützung gibt (ob die heute noch m Steuer sitzen ?( ), noch die Raucher, die wohl gerade ihre gesetzlich vorgeschriebene Pause machen. Ich kämpfe mich durch den blauen Dunst und versuche diesen komischen Flecken und Lachen auf dem Boden auszuweichen.

    Vorne angekommen, stelle ich fest, dass der Stapel der Retouren gerade rapide abnimmt. Die Taktik ist nicht schlecht. Anstatt sich mit dem Heben der Pakete den Muskel-Skelett-Apparat zu zerstören, schiebt ein Mitarbeiter im kroatischen Nationaltrikot den Berg mit einem Stapler erst einmal in den hinteren Bereich. Dass beim Schieben so manches Paket rechts und links aus der Schubbahn gerät ist nicht weiter tragisch, denn der Kollege ist flott unterwegs und holt den Rest bestimmt bald.

    Ich will aber nicht nur schimpfen. Die Sicherheitskennzeichnung war vorbildlich. Es hing zwar kein Feuerlöscher unter dem Schild, aber das Schild war gut sichtbar, ebenso das des Notausgangs, da die Kisten nur ca. 1,50m hoch gestapelt waren und somit die Sicht auf das Schild noch gegeben war.

    Wer mal die Chance hat, sich ein solches Depot anzusehen, sollte seine Digitalkamera, eine zweite Speicherkarte und Ersatzakkus mitnehmen.

    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

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  • Ei gude wie,

    Wer mal die Chance hat, sich ein solches Depot anzusehen, sollte seine Digitalkamera, eine zweite Speicherkarte und Ersatzakkus mitnehmen.

    mit der Beschreibung der Situation bestätigst Du, was ich Dir beim letzten Treffen über Schreibstil gesagt habe ...
    ich schließe mich dem Foristen cb2012 an:
    sammel mal Deine derartigen Artikel für ein Buch ...
    ich helfe dann gerne weiter, wenn es ums Publizieren geht ... ich habe seit 1988 einen kleinen Verlag ... ;)

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