Ingerenzprinzip - Garantenstellung SFK/Sifa

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  • Hallo Sifas "draußen",

    bin heute über ein Thema gestolpert, das ich euch nicht vorenthalten will. Wird in der österreichischen Rechtsprechung auch für die Sicherheitsfachkräfte angewendet.
    Und irgendwann kommt die europäische Harmonisierung.
    Gruß, Niko.

    Seit über 200 Jahren gültig (01.01.1812)
    Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Österreich:

    § 1297. Es wird aber auch vermuthet, daß jeder welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Wer bey Handlungen, woraus eine Verkürzung der Rechte eines Anderen entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich eines Versehens schuldig

    insbesondere: a) der Sachverständigen;
    § 1299. Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne Noth freywillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder, bey gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können; so fällt zugleich dem Letzteren ein Versehen zur Last.

    § 1300. Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachtheiligen Rath ertheilet. Außer diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Ertheilung des Rathes dem Anderen verursachet hat

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

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  • Hallo!
    "Garantenstellung" ist ein Thema, was in den Prozessen wohl bislang, in unserem Bereich, keine Rolle gespielt hat.
    Grundsätzlich denke ich, dass jemand der durch seine fachliche Ausbildung z.B. wesentliche Gefahren erkennt, dies nicht enfach ignorieren darf.
    Unsere Gewerbeaufsicht sagte einmal. dass sie rechtzeitig aus Festen mit übermäßigem Alkoholgenuss verschwinden muss, um nicht als Garant belangt zu werden.
    Auch hier wäre die Meinung eines Juristen nicht schlecht.

    Ungetrübte Ferien für Euch.
    Flügelschraube

  • so sieht es aus. Die Frage ist nur, welche Pflichten sich aus der Garantenstellung ergeben und welche Konsequenzen die Nichterfüllung dieser Pflichten nach sich ziehen.

    Beispiel: Ich übernachte im Hotel, sehe verkeilte Brandschutztüren / Rauchschutztüren. Was muss ich als geborener Brandschützer nun machen?

    Keile konfiszieren (direkte Beseitigung der Gefahr)
    Keile dem Betreiber überreichen (um keinen Diebstahl zu begehen)
    Dem Betreiber klar machen, dass die Türen nicht verkeilt werden dürfen (ob er es versteht / verstehen will?)

    reicht das?

    Muss ich ihn anzeigen? Es einer Behörde melden? Nochmal einen Kontrollbesuch machen?

    Fettflecken werden wie neu, wenn man sie täglich mit Butter bestreicht...

  • Hallo Sifas,

    aus der Garantenstellung ergeben sich keine direkten Pflichten.
    Die Garantenstellung besagt lediglich, dass andere sich auf das Tun (hier Beraten) eines Garanten verlassen dürfen.

    Und die Rechte und Pflichten einer Sifa ergeben sich aus der Bestellung. Dort oft mit dem Verweis auf das Arbeitssicherheitsgesetz.
    Wenn eine Sifa im Hotel übernachtet, dann ist sie zuerst einmal Hotelgast (normalerweise ;) ). Und für Hotelgäste in Österreich gilt dieser schöne Satz:

    Siehe oben:
    Es wird aber auch vermuthet, daß jeder welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann.

    Die Frage nun, ob eine Sifa den Verstandesgebrauch besitzt... Und wie sie den Verstand gebraucht...
    Tja, die kann ich nicht beantworten. :D
    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • Hallo Niko!

    In Eurem Recht kenne ich mich natürlich nicht aus, nicht mal wirllich in unserem.
    Trotzdem erscheint mir Deine Aussage gefährlich:

    "Man macht sich strafbar, wenn man durch sein Handeln gegen ein Strafgesetz verstößt. Bei gewissen Tatbeständen wird indes das Nichtstun bestraft. Allgemein gilt: Wer nichts unternimmt, um einen vom Gesetz verbotenen Sachverhalt zu verhindern, macht sich strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Tatbestand
    nicht eintritt. Diese Verpflichtung zum Tätig-werden wird als Garantenpflicht bezeichnet. ....."
    Quelle: http://www.rechtslexikon.net/d/garantenstel…tenstellung.htm

    harmis Beispiel ist für mich sehr einleuchtend, hab ich doch in meiner Kur dauernd eine aufgekeilte Brandschutzür passiert.
    Eine Vorstellung beim Geschäftsführer brachte kein Ergebnis. Ja, ich hätte abreisen können.

    Grüße
    Flügelschraube

    Einmal editiert, zuletzt von Flügelschraube (23. Juli 2013 um 21:35) aus folgendem Grund: Schreibfehler im Namen

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  • Ja, ich hätte abreisen können


    Hallo Flügelschraube,

    es ist nicht mein Recht. 8|
    Ich bin nicht mal Österreicher, sondern einer dieser Piefkes, die regelmäßig in Österreich (und anderen Ländern) arbeiten. ;)

    Und entsprechend deiner Ausführung würdest du dich mit einer Abreise auch strafbar machen. Du hättest den Eintritt eines Straftatbestands ja durchaus verhindern können. Mit dieser Logik kann ich mich anfreunden.
    Trotzdem wird in der Quelle ja angegeben, dass nur derjenige sich strafbar macht, der rechtlich dafür einzustehen hat. Und das ist auch im Hotel zuerst einmal der Geschäftsführer. Und nicht die dort übernachtende Sifa.

    Achja, über ein K in meinem Namen hätte ich mich schon gefreut. ;(
    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • Hallo Niko!

    Name ist geändert. Entschuldigung.
    Deine Auslegung ist interessant. Habe es nicht ganz verstanden.
    Vielleicht kannst du es noch weiter ausführen. Wenn sich im Kopf erst eine Meinung festgesetzt hat, ändert man sie schlecht :)
    Natürlich sehe ich dauernd Gerüste, die sofort gesperrt gehörten. Ich wäre ganz froh, wenn ich dies einfach übersehen darf.

    Grüße
    Flügelschraube

  • Eine ganz spannende Frage.

    Ich sehe die Sache so (IANAL):
    Eine Garantenstellung durch vorausgegangenes gefährliches Tun (Ingerenz) trifft auf mich in den genannten Fällen (Hotelbesucher, Gerüste) nicht zu. Dies aus dem einfachen Grund, weil hier kein Pflichtzusammenhang besteht, es fehlt eben am Zusammenhang zwischen pflichtwidrigem Vorverhalten und der abzuwendenden Gefahr.
    Es kann ja nicht sein und es ist mit Sicherheit auch nicht Wille des Gesetzgebers, das an einer gefahrbringenden Situation Unbeteiligte einer unbegrenzten Garantenpflicht unterliegen, nur weil sie zufällig über spezielle Kenntnisse verfügen.

    Eine ganz andere Frage ist natürlich, wie ich mich persönlich - z.B. aus altruistrischen Gründen heraus - in diesen Fällen verhalte.
    Bei den Keilen unter den Brandschutztüren habe ich kein Problem, diese einzusammeln und bei Abreise mit einem Geschenkbandschleifchen versehen dem Consierge abzugeben. ;)
    Ebenso habe ich kein Problem damit, in Bezug auf Gerüste bei der BG Bau anzurufen oder bei zugestellten Notausgängen die Geschäftsführung anzusprechen oder, wenn dies nicht hilft, auch mal bei der zuständigen Behörde anzurufen.

    Beste Grüße,
    Udo

    Sapere aude!
    (Horaz)

  • Vielleicht kannst du es noch weiter ausführen.


    Hallo Flügelschraube,

    Safety-Officer hat es nochmals mit anderen Worten geschrieben. Dem will ich eigentlich nichts hinzufügen, weil es gut ist.

    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

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