Guten Morgen... auch wieder so ein Fall...
Schmiedehammer schlägt Hand ab
Quelle: Konradin Mediengruppe
Schmiedehammer schlägt Hand ab
Unfall an Umformmaschine
12. Januar 2024
4 Minuten Lesezeit
Foto: © Akarawut - stock.adobe.com
Arbeiten an Umformmaschinen sind gefährlich, deshalb müssen hier neben technischen Sicherheitsmaßnahmen auch Verhaltensanforderungen strikt eingehalten werden. Sonst sind schwere Verletzungen möglich, wie dieser Unfall in einem Schmiedeunternehmen zeigt.
In dem kleinen Schmiedeunternehmen werden unterschiedliche Schmiedepressen (Hämmer) und andere Umformmaschinen zur Herstellung von verschiedenen Rohlingen eingesetzt. Da überwiegend Kleinserien auf Kundenanforderungen hergestellt werden, ist sehr viel manuelle Tätigkeit an den Maschinen erforderlich. Aus technologischen Gründen sind sie als Umformgruppen angeordnet, an denen meisten zwei – bei größeren Bauteilen auch drei – Beschäftigte arbeiten.
Diese Mitarbeitenden müssen sehr gut aufeinander eingespielt sein, damit die Arbeit fehler- und unfallfrei ablaufen kann. Die eingesetzten Maschinen sind zum Teil relativ alt (Baujahr vor 1995) und entsprechen somit nicht in jedem Fall der EU-Maschinenrichtline beziehungsweise der Betriebssicherheitsverordnung. Ein Teil der Maschinen wurde mit neuen Sicherheitseinrichtungen nachgerüstet.
Die Umformgruppe, bei der es zu dem schweren Unfall kam, besteht aus einem Induktionsofen zum Erwärmen der Werkstücke, einem Oberhammer, in dem die Rohform hergestellt wird, einem Gesenkschmiedehammer mit Doppelgesenk zur Fertigformung sowie zwei Exzenterpressen.
Letztere dienen zur Entfernung der Schmiedegrate sowie zur weiteren Bearbeitung der Werkstücke, zum Beispiel zum Lochen. An dieser Umformgruppe waren zwei Beschäftigte tätig, einer als Hammerführer und einer als Schmied. Letzterer legte die Teile in die jeweilige Maschine ein und beförderte sie nach dem Entnehmen zur nächsten.
Kein eingespieltes Team
Am Unfalltag war hier ein neues Team im Einsatz, was bisher noch nie zusammengearbeitet hatte und somit keine Erfahrungen miteinander und der auszuführenden Arbeit hatte. Da er die betreffenden Arbeitsprozesse am zentralen Bedienpult der Umformgruppe auslöst, sind die Handlungen des Hammerführers maßgeblich. Dazu muss er die entsprechenden Informationen vom Schmied bekommen. Bei eingearbeiteten Teams funktioniert das meist mit wenigen Kommandos oder sogar nonverbal durch Blickkontakte.
Der Unfall ereignete sich an dem großen Gesenkschmiedehammer beim Bearbeiten des dritten Werkstücks in der Schicht. Der Schmied hatte das vorbearbeitete Werkstück aus der ersten in die zweite Gesenkform umgelegt, um den im Oberhammer vorgeformten Knüppel in die erste Form des Doppelgesenks mit der Zange einzulegen. Als Trennmittel mussten noch Sägespäne mit der Hand über die Werkstücke eingebracht werden.
Hammerschlag zu früh ausgelöst
Bedingt durch die geringe Erfahrung miteinander löste der Hammerführer am Bedienpult den Hammerschlag aus, obwohl der Schmid mit seiner Hand noch im Gesenk war. Dabei wurde dem Schmied die rechte Hand abgetrennt und diese im Gesenk zerquetscht. Im Krankenhaus konnte nur noch eine Versorgung des Armstumpfs erfolgen. Der verunfallte Beschäftigte war damit nicht mehr in der Lage, die bisherige Tätigkeit auszuführen und musste auf ein neues Arbeitsfeld umgeschult werden.
Fehlende Schutzeinrichtungen
Im Rahmen der Unfalluntersuchung wurde festgestellt, dass die Maschinen nicht den Mindestforderungen des Anhangs 1 der Betriebssicherheitsverordnung entsprachen. Auch die in der ehemaligen Unfallverhütungsvorschrift „Kraftbetriebene Arbeitsmittel“ (VBG 5) gestellten Sicherheitsanforderungen waren nur zum Teil erfüllt.
Zusätzlich wären auch die in der Berufsgenossenschaftlichen Regel „Betreiben von Arbeitsmitteln“ (BGR 500) in Kapitel 2.7 „Schmiedehämmer und Fallwerke“ aufgelisteten Sicherheitsmaßnahmen zu beachten gewesen, insbesondere die Ausrüstung der Hämmer und Pressen mit Schutzeinrichtungen, die die Auslösung des Hammerschlags oder des Pressenhubs bei Eingriff in den Arbeitsraum verhindern oder stoppen. Solche Sicherheitseinrichtungen können zum Beispiel Lichtgitter vor dem Arbeitsraum oder Schutzgitter mit Verriegelungsfunktion sein.
Organisatorische Mängel
Es traten aber auch gravierende organisatorische Mängel in der Arbeitsschutzorganisation des Unternehmens zutage. So waren die Gefährdungsbeurteilungen nur sehr allgemein gehalten, es gab keine aktuellen und auf die jeweiligen Tätigkeiten ausgelegten Betriebsanweisungen und auch keine tätigkeitsbezogenen Unterweisungen.
Insbesondere waren in den Gefährdungsbeurteilungen die notwendigen Nachrüstungen der „Altmaschinen“ an die Mindestanforderungen des Anhang 1 Betriebssicherheitsverordnung nicht betrachtet und somit auch keine Maßnahmen im Unternehmen ausgelöst worden. Für den Einstreu des Trennmittels Sägespäne sollte zudem eine Schaufel zur Verfügung stehen, um die Hände aus dem Gefahrbereich herauszuhalten.
Pflicht zur Nachrüstung
In Unternehmen sind noch sehr viele Maschinen mit Baujahren vor dem 01.01.1995 mit unterschiedlicher Herkunft und damit unterschiedlichen Sicherheitsstandards im Einsatz. Die notwendigen Anforderungen an die Mindestsicherheit solcher Maschinen wurden bereits 1997 in der Arbeitsmittelbenutzerverordnung (AMBV) beschrieben.
Die Betreiber standen in der Pflicht, bis zum 30.06.1998 eine Überprüfung und gegebenenfalls eine notwendige Anpassung der Mindestsicherheitsanforderungen gemäß dem Anhang zur AMBV durchzuführen. Seit 2002 beinhaltet der Anhang 1 BetrSichV diese Mindestanforderungen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsmittels durch den Betreiber zu prüfen und bei Erfordernis nachzurüsten sind.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
Foto: © Fotostudio City Color Munschke, Weimar