Unfall mit Todesfolge

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  • Ein Kurzbericht in Stichworten zu einem Unfall mit Todesfolge vom heutigen Tage. Berichte über tatsächliche Unfälle sind bei Unterweisungen und Schulungen meist überzeugender, daher dieser Bericht, den ich aus nachvollziehbaren Gründen natürlich nur anonymisiert posten kann.

    An einer klassischen Drehbank wurde ein langes Werkstück bearbeitet. Es wurde mit einer so genannten Lünette abgestützt (siehe unteres der drei Bilder), damit es sich während der Bearbeitung nicht zu stark durchbiegt. Das Werkstück hatte einen Durchmesser von etwa 60 mm, zwischen der Lünette und dem Meißel waren etwa 600 mm Platz. Die Drehzahl des Werkstücks betrug 380 U/min.

    Aus nicht bekannten Gründen beugte sich der Dreher vor. Denkbar ist, dass ihm etwas aus der Hand oder den Taschen fiel und er schnell nachgreifen wollte. Diese Theorie beruht auf mehreren persönlichen Dingen des Drehers, die zwischen den Spänen gefunden wurden. Es ist aber auch möglich, dass er diese Dinge (z. B. Brille, Smartphone) während des Unfalls verlor. Ebenfalls denkbar ist, dass er Späne bei laufender Maschine entfernen wollte. Auch möglich wäre, dass der Mann aufgrund einer Bewußtlosigkeit oder Schwindel nach vorne fiel. Da niemand den Unfall sah, wird sich die Ursache nicht mehr klären lassen.

    Der aufgewickelten und von den Ersthelfern zerschnittenen Kleidung nach zu urteilen kam der Mann mit seinem Ärmel oder seiner Oberbekleidung zuerst an die laufende Welle. Er wurde derart schnell von der Welle eingezogen, dass er nicht einmal mehr schreien konnte. Kollegen in der Halle wurden durch die lauten schlagenden Geräusche aufmerksam. Nach dem Abschalten der Maschine per Notaus befreiten mehrere Kollegen den Mann und leisteten Erste Hilfe. Der alarmierte Notarzt bemühte sich noch sehr lange, erklärte den Mann ca. 45 Minuten nach dem Unfall für tot.

    Die Bereitschaftsärztin, die die Leichenschau durchführte stellte mehrere Verletzungen fest, die bereits alleine tödlich gewesen wären.

    Der verunglückte Mann war unterwiesen und die Gefährdungsbeurteilung lag vor.


    Gruß Michael

    SiFaFa weil ich zwei BG-spezifische Blöcke erfolgreich absolviert habe.

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  • Moin,

    solche Nachrichten am Morgen schlagen auf den Magen.

    Mann!!!!!!!!!!!!!

    Das sind echt die "Klassiker", die keiner braucht.
    Ich denke, wir sollten alle an die Angehörigen denken.

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

  • Guten Morgen,

    @Micherheit vielen Dank für deinen Bericht. Den Rest hat Waldmann schon auf den Punkt gebracht.

    Gruß

    Stephan

    --- Wer schreit hört auf zu denken. --- Manche Dinge erledigen sich von selbst, wenn man ihnen genug Zeit gibt. --- Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. A.E. ---

  • Er schreibt "Unfallbericht vom heutigen Tage" ... sicher war das Schreiben ein Möglichkeit das drastische , furchtbare Erlebniss für sich zu verarbeiten... Ja den Angehörigen und den anderen Mitarbeitern und Kollegen die Zeuge wurden viel Kraft.

    Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden;
    es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun. (Johann Wolfgang von Goethe)

  • Da ist zum Teil sicher etwas dran, jedoch habe ich bis heute nicht vergessen, dass vor fast 35 Jahren während meiner Ausbildung als Maschinenschlosser, wo wir natürlich auch das Drehen lernten die meisten Azubis schlicht nicht glaubten, dass ein Mensch von einem Werkstück eingezogen werden könnte. Das hielten alle für Märchen. Ob im Studium, in der jahrzehntelangen Berufspraxis oder eben heute als SiFa - noch immer glauben viele Arbeiter nicht, dass es solche Unfälle überhaupt gibt. Das ist einer der Gründe für diesen Bericht: Doch, es gibt diese Unfälle!

    Für mich unerwartet und alles andere als angenehm war, dass als ich zweieinhalb Stunden nach dem tödlichen Unfall zur Unfalluntersuchung in dem Betrieb ankam der Mann noch neben der Maschine auf dem Boden lag (ich hatte eine Anfahrt von über einer Stunde). Es waren am Ende mehr als dreieinhalb Stunden nach dem Unfall vergangen, als der Bestatter die Leiche abtransportierte. Zuvor hatten die Kripo, die Bereitschaftsärztin, die für den Betrieb zuständige SiFa und ich als für den Leiharbeiter zuständige SiFa den vor Ort möglichen Teil der Untersuchung des Unfalles erledigt.

    Belastend sind auch die Probleme, die sich aus dem Todesfall für die Hinterbliebenen ergeben und um die meine Kollegen und ich uns gestern schon kümmerten, um den Hinterbliebenen zu helfen. Der Mann kam aus Kroatien und hatte auch dort seinen Wohnsitz und seine Familie. Er hatte zwar ein Monteurszimmer in Deutschland, aber der Lebensmittelpunkt war in seiner Heimat. Er hatte mit uns einen deutschen Arbeitgeber, eine deutsche Krankenkasse und ein deutsches Konto. Die Hinterbliebenen brauchen daher einen deutschen Erbschein. Für den wäre streng formal das deutsche Amtsgericht am Hauptwohnort, also in Kroatien zuständig. Dort gibt es natürlich keines. Ich habe gestern schon hier in Deutschland angefragt, wie das nun ablaufen kann. Auch mit der BG habe ich schon Kontakt aufgenommen, damit das Sterbegeld schnell ausgezahlt werden kann.

    Diese Hilfen sind besonders wichtig, da die Mitarbeiter und Kollegen im Unfallbetrieb eine Vermutung zur Unfallursache haben: Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass der Mann aus mangelnder Aufmerksamkeit oder mangelnder Konzentration verunglückte. Mir wurde berichtet, dass er schon seit einiger Zeit unter sehr starkem Stress stand und oft unkonzentriert war, da seiner Frau kürzlich beide Beine amputiert wurden und sie nun auf den Rollstuhl angewiesen sei, wodurch sie auch große psychische Probleme haben soll und dass den Mann wohl auch wegen seiner Frau große finanzielle Sorgen quälten.

    Im Sinne der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter ist jetzt jede mögliche Unterstützung für die Hinterbliebenen eine Selbbstverständlichkeit.


    Gruß Michael

    SiFaFa weil ich zwei BG-spezifische Blöcke erfolgreich absolviert habe.

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  • Und noch ein P.S.: Während ich mich gestern um die Angelegenheiten kümmerte, kam die nächste traurige Nachricht: Ein weiterer Todesfall bei einem anderen Kunden. Der Ablauf deutet allerdings auf einen krankheitsbedingten Todesfall hin. Dem Mann ging es nicht gut und weil er so schlecht aussah, wurde er nach Hause geschickt, damit er sich hinlegen könne. Etwa eine Stunde später fiel jemandem auf, dass das Auto des Mannes noch immer da war. Es stellte sich heraus, dass er tot im Auto saß. Da zumindest im Augenblick nichts auf einen Arbeitsunfall hindeutet ist das aber keine Angelegenheit der Arbeitssicherheit.

    SiFaFa weil ich zwei BG-spezifische Blöcke erfolgreich absolviert habe.