nachstehend ein interessanter Artikel in den VDI nachrichten:
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Verfasser: Elmar Wallerang
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Brandgefährdete Senioren: Feuer in Haus und Heim
Das Jahr 2015 stellt einen traurigen Rekord auf: Laut dem Bundesverband Technischer Brandschutz (bvfa) hat es vergangenes Jahr 106 Brände in sozialen Einrichtungen gegeben, 40 mehr als im Vorjahr. Dabei stieg die Zahl der Verletzten mit 322 auf das Doppelte, und mit 15 Toten forderte das Feuer vier Opfer mehr als noch 2014.
Dass sich die Feuerwehreinsätze in deutschen Seniorenheimen häufen, signalisiert: Alte Menschen sind eine von Brandgefahr besonders betroffene Zielgruppe. Sie seien, so der bvfa, oft nicht in der Lage, sich selbst in Sicherheit zu bringen, und das sei fatal. Während Altenheime meist über Möglichkeiten einer schnellen Evakuierung verfügen, sehen sich Rettungskräfte beim Brandfall in Wohnhäusern in Zukunft vermehrt mit fehlender Barrierefreiheit konfrontiert.
Pflegebedürftige werden zunehmend in der eigenen Wohnung versorgt. Einstige Vertrautheit in den eigenen vier Wänden kann für Hochbetagte zur Falle werden. Selbst in gewohntem Umfeld lauern plötzlich Gefahren, wobei sich vor allem Bad und Toilette als problematische Bereiche für über 70-Jährige erweisen. Stolperfallen gibt es aber auch auf Balkonen, im Wohnzimmer und selbst im Treppenhaus, im Brandfall oft der einzige Fluchtweg. Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, dass in den letzten Jahren etwa die Hälfte der Brandopfer in Deutschland über 70 Jahre alt war.
Dass die Bevölkerung immer älter wird, erweist sich aus Sicht des sicheren Wohnens als neue Aufgabe für Bauplaner. Galt es für sie im Sinne des demografischen Wandels im Wohnbereich zunächst vor allem Stufen und Stolperfallen zu vermeiden, wächst bei fortschreitender Pflegebedürftigkeit der Bevölkerung auch der Anspruch an den baulichen Brandschutz. Barrierefreiheit müsse also – so Spangardt – um den Aspekt sicherer Rettungswege erweitert werden.
Nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird sich allein in Deutschland die Zahl der 80-Jährigen und Älteren von heute fast 4 Mio. auf 10 Mio. im Jahr 2050 erhöhen. Überdies verbringen ältere Menschen täglich nur noch etwa drei Stunden außerhalb der Wohnung. Aufgrund der wachsenden Zahl von älteren Menschen und deren nachlassenden Mobilität werden Wohnungen zunehmend zu ihrem Lebensmittelpunkt.
Die Gebäude sind oft aber nicht auf dem Brandschutzniveau, das Senioren brauchten. Die Organisation „Barrierefrei Leben“ stellt fest: „70 % der Gebäude sind schwer begehbar. 30 % der Wohnungen mit Treppen innerhalb der Wohnung verfügten über kein ausreichendes Geländer.“ Man stelle sich im Brandfall die Flucht alter Menschen vor, warnte Georg Spangardt, Leiter für Gefahrenvorbeugung der Stadt Köln, anlässlich der unlängst von der VdS Schadenverhütung GmbH in Köln veranstalteten Brandschutztage.
Selbst für einen häuslichen Pflegedienst, der bei Ausbruch eines Feuers gerade vor Ort sei, könne die „Fremdrettung“ des zu betreuenden Menschen zum Desaster werden. Im normalen Wohnungsbau gebe es auf den Etagen nämlich so gut wie keinen Flur, der im Brandfall dazu geeignet sei, ein Pflegebett in einen sicheren Bereich horizontal zu verschieben, so Spangardt. Mit einer Flurabtrennung, die ein Feuer mit Rauchentwicklung abschotten könne, sei schon gar nicht zu rechnen.
Brandursachen gibt es viele, die man im Zusammenhang mit Senioren sehen muss: Dauerbetrieb alter Fernsehgeräte, nicht ausgeschaltete Herdplatten und Bügeleisen, vergessene brennende Kerzen, Rauchen im Bett.
„Fast alle Brände beginnen in den Zimmern der Bewohner“, sagt Sicherheitsfachwirt Frank D. Stolt, international gefragter Sachverständiger für vorbeugenden Brandschutz aus Mannheim. Aber auch aus technischen Defekten resultierten Feuerausbrüche in Senioren- und Pflegeeinrichtungen, weiß Stolt. Häufigste Fälle: in Brand geratene TV-Geräte. Häufig stehen dort noch Röhrenfernseher. Hat ein Gerät seine Lebensdauer – bei Haushaltsgeräten meistens um die zehn Jahre – überschritten, steigt die Gefahr von technischen Fehlern und damit die Brandgefahr.
Weitere Gefahren gingen von anderen „lieb gewordenen“ Geräten aus, die einzelne Senioren als eine Art „letzte Verbindung zur Vergangenheit“ hegten und pflegten. Auch diese seien technisch oft völlig überaltert.
Bei der Nutzung von Wohnräumen gebe es einen „schleichenden Wechsel“, so Spangardt. Die geänderten Brandschutzanforderungen für eine Pflegeeinrichtung würden dabei öfter vergessen. Die Heimrauchmelderpflicht sei ein erster Schritt. Für weitere brandschutztechnische Nachrüstungen in Wohngebäuden habe die Gesellschaft zurzeit noch kein Ohr. Nötig wären Feuer- und Rauchabschlüsse auch in Wohnbauten, um eine Brandübertragung im Gebäudeinneren zu verhindern, und Türen mit 90 cm lichter Durchgangsbreite für den Fluchtweg, sagt der VdS-Experte.
Der bvfa-Geschäftsführer Wolfram Krause fordert automatische Sprinkleranlagen in Altenheimen: „In den USA konnte die Mortalität bei Bränden in Seniorenheimen durch den Einsatz von Sprinkleranlagen um 88 % verringert werden.“
So weit will Spangardt mit seinen Forderungen für den Wohnungsbau derzeit noch nicht gehen. Doch bei den brandschutztechnischen Betrachtungen ihrer Neubauentwürfe sollten Architekten tunlichst den demografischen Wandel in der Gesellschaft im Auge behalten. Auch sei es für den Wohnungsbau sinnvoll, die Weiterentwicklung des Brandschutzes in Sonderbauten wie Senioren- und Pflegeeinrichtungen genau zu beobachten.