Zuverlässigkeit Abzüge ?

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  • Moin allerseits !

    Da es mein erster Post ist eine Kurzvorstellung:

    Ich bin Chemiker und bin als Gruppenleiter an einer Uni beschäftigt, Sicherheitsfragen am Lehrstuhl werden durch mich erledigt .
    Wir bauen verschiedene Chemie-Versuchsanlagen, von denen einige im kontinuierlichen Betrieb ihre Abgase in den Abzug einleiten. (CO, H2)

    Da ein starker Verdünnungseffekt bei Saugleistungen im Bereich 500-1000 m^3/h und eingeleiteten Volumenströmen im Bereich <0,2m^3/h eintritt geht das bei z.B. Wasserstoff ganz gut. Ex-Zone in der Abzugsrückwand, keine Zündquellen, verdünnt sehr schnell unter UEX, alles gut (?).

    Nun gewinne ich aber den Eindruck das die Abluftanlage ziemlich ausfallgefährdet ist mit ca. 1/Monat Ausfällen unterschiedlicher Dauer > 1 min. Dabei stellt die Abluftanlage komplett ab, weder Ab- noch Zuluft laufen.
    Das erscheint mir recht viel. Ansonsten habe ich den Eindruck das bei stabilen Systemen die Ausfallrate bei < 0,2/Jahr liegt.

    Daher habe ich zwei Fragen:

    Gibt es Vorschriften oder Empfehlungen zur Ausfallrate von Abzugsanlagen ?
    Wie ist eine hohe Ausfallrate in Gefährdungsbeurteilungen zu berücksichtigen ?

    bis dann

    Grobi

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  • Moin Grobi,

    Gibt es Vorschriften oder Empfehlungen zur Ausfallrate von Abzugsanlagen ?

    Nein, leider nicht. Du könntest über entsprechende DIN-Normen eine Ausfallquote ableiten. Halte ich aber für nicht notwendig.
    Wichtiger finde ich da die eigenen Ansprüche, wie z.B. Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte zu jeder Zeit, keine Ex-Gefährdung, usw. Darüber kann man für sich eine max. Ausfallrate ableiten. Einen Ausfall jeden Monat empfinde ich aber definitiv als zu hoch.

    Wie ist eine hohe Ausfallrate in Gefährdungsbeurteilungen zu berücksichtigen ?

    Durch den Ausfall der Anlage ändert sich die Gefährdung durch Ex-Atmosphäre. Ist sichergestellt, dass der Ausfall bemerkt wird (Warnton,-licht o.ä.)? Welche Maßnahmen sind für den Ausfall vorgesehen? Du schreibst es hängt u.a. eine Anlage mit kontinuierlicher Abgabe daran, wird die bei Ausfall des Abzugsanlage abgestellt? Du siehst, es gibt viele Faktoren, die wir von hier aus nicht kennen und beurteilen können. Deswegen eine leider ungenaue Antwort auf die Frage wie eine hohe Ausfallrate zu berücksichtigen ist: Vollumfänglich ;)

    Gruß
    Stephan

    Respekt, Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl

  • Moin !

    Danke erstmal !

    Die Abzüge sind soweit OK, mit Warnlicht- und Ton bei Ausfall. Leider hilft das nicht wirklich, da der H2-Generator nicht sofort abstellbar ist. Der produziert noch ca. 30 min signifikant weiter. Und schon nach wenigen Sekunden habe ich genug H2 für > 10 L mit mehr als UEX. Nach ca. 5 min reicht es um Gebäudeteile wegzureißen.
    Im Moment versuche ich eine Vollinertisierung des Abgases mit Stickstoff nach BGR 104 zu organisieren. Die Stickstoffmengen muß man aber auch erst mal bekommen ...

    Das ist auch nur die Spitze des Eisbergs; insgesamt betreiben wir ca. 60 Abzüge gemischt mit normaler Chemie (mit CMR-Stoffen) und Kleinanlagen.
    Wie kann ich mir eine max. Ausfallrate herleiten ? Mit dem Anspruch "Keine Ex-Gefährdung" oder "Einhaltung der Grenzwerte zu jeder Zeit" komme ich immer auf ein nicht ausfallendes Abluftsystem. Irgendwo muß ich doch mit einem akzeptierten Risiko starten ?

    bis dann

    Grobi

  • Ich halte die Ausfallrate auch für zu hoch, kann aber nicht gerade einen Richtwert liefern. Ich würde mal Uwe Wagner von der Uni Mainz (Link Uni Mainz) befragen. Wenn ich mich nicht irre, dann hat er erhebliche Erfahrungen mit Abzügen. Vor einigen Jahren konnte man über die Uni Mainz auch entsprechende Sachkunde in Abzugsprüfungen erlangen.

    Weiterhin würde ich mir mal Gedanken machen, ob die Abluftanlage Ex-geschützt ausgeführt ist und der Schutz auch für Wasserstoff ausreicht. Oft wird "nur" für diverse Lösemittel ausgelegt. Kritisch ist meiner Meinung nach die Anlaufphase nach einem Ausfall. Hat sich hier entsprechend Wasserstoff im Abluftsystem angesammelt könnte es zur Zündung und Verpuffung/Explosion kommen. Wäre wahrscheinlich nicht nett, da im Rohrleitungssystem verdämmt, mit entsprechender Wirkung.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Hallo Grobi,

    Mit dem Anspruch "Keine Ex-Gefährdung" oder "Einhaltung der Grenzwerte zu jeder Zeit" komme ich immer auf ein nicht ausfallendes Abluftsystem. Irgendwo muß ich doch mit einem akzeptierten Risiko starten ?

    Ich kann mich nur wiederholen: Eure Anforderungen sind entscheidend. Die Ausfallzeiten bei der Abluftanlage in dem einen Bereich muss eventuell ausfallsicher sein, in einem anderen Bereich ist das womöglich kein Problem, wenn entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und Studenten getroffen wurden. Deswegen bleibt imo für die Festlegung der Ausfallzeiten nunmal nur die Gefährdungsbeurteilung, bzw. Risikobeurteilung.

    Gruß
    Stephan

    Respekt, Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl

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  • Hast Du es schon mal mit einem PHA --> Process hazard analysis probiert. Hier wird das Risiko über die Anzahl der Ausfälle/Zeiteinheit beurteilt. Zuzüglich den Mengen an Dämpfen und Gasen und der notwendigen Einstufung nach BetrSichVO (Ex-Schutzzonen) wirst du nicht umherkommen zusätzliche Maßnamen zu ergreifen. Die Ursache scheinen ja die Ausfälle zu sein. ich denke, die gilt es zu reduzieren.

    http://www.epa.gov/region10/pdf/rmp/cepp_newsletter_0708.pdf

    Man(n) ist erst dann ein Superheld, wenn man sich selbst für Super hält!
    (unbekannt)
                                                                                                                                                              
    „Freiheit ist nicht, das zu tun, was Du liebst, sondern, das zu lieben, was Du tust.“
    (Leo Tolstoi)

    *S&E* Glück auf

    Gruß Mick

  • Moin !

    Unsere Abluftanlage ist nicht EX, da der normale Betrieb immer zu einer Verdünnung unter UEX führt.
    Wenn man sich allerdings einen ausgefallenen Abzug mit Ex-Atmosphäre flutet dürfte die erste Zündquelle bei Wiederanlaufen der Volumenstromregler direkt über dem Abzug sein. Nicht schön ... Bis zu den Lüftern könnte schon wieder soweit verdünnt sein das alles UEX ist.
    Aber das gilt es ja alles zu vermeiden ! Die Maßnahmen zur Stabilisierung der Abluftanlage laufen.


    Unabhängig davon interessiert mich an diesem Beispiel wie eine Risikogrenze sinnvoll gezogen werden kann.

    Ich versuchs mal mit einer Wahrscheinlichkeitsabschätzung in Personenjahren für eine Anlage (die Wahrscheinlichkeiten sind aus der Literatur und geraten):

    Die Abluftanlage fällt 10 mal pro Jahr aus.
    Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 läuft zu einem Ausfallzeitpunkt der Wasserstoffgenerator (nur Tagschicht, läuft nicht jeden Tag).
    -> einmal pro Jahr läuft der H2-Generator ohne funktionierende Abluft, es bildet sich eine explosionsfähige Atmopshäre. (Ziemlich sicher auch in gefahrbringender Menge)

    Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 findet sich eine Zündquelle bevor der Gasalarm alles stromlos schaltet (der Sensor hängt halt im Raum, nicht im Abzug-> wird korrigiert)
    -> alle zwei Jahre gibt es eine Explosion

    Aufgrund der Raumgeometrie vermute ich eine eher frühe Zündung, d.h. mit eher "geringen" Mengen. Große Mengen sollten den Gasalarm und Stromlosschaltung bewirken und dann zumindest in diesem Raum nicht mehr zünden. Auf dem Flur sieht das schon anders aus.

    Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,2 ist zum Zeitpunkt der Explosion jemand im Raum.
    -> Alle 10 Jahre ist jemand mit einer Explosion zusammen im Raum.

    Mit einer Wahrscheinlichkeit nahe 1 entstehen Wurfstücke (nämlich der zerlegte Abzug), die mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,4 die Person verletzen und mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,05 töten. (Für Tote durch die Druckwelle bräuchte man recht viel und gut angemischte Ex-Atmosphäre, eher unwahrscheinlich)
    -> Alle 25 Jahre gibts einen Verletzten
    -> Alle 200 Jahre einen Toten

    Sollte es mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 zur Zündung einer größeren Menge kommen fehlen nachher Wände und Fenster, es gibt Wurfstücke auf einen öffentlichen Weg.
    -> Alle 20 Jahre eine große Explosion mit Wirkung ausserhalb des Labors.


    Ist das soweit von Gedankengang richtig ?


    Jetzt habe ich Eintrittsfrequenzen für einige Schadensfälle; alles mit einiger Unsicherheit.
    Es fehlt mir bis auf die Todesfälle jeder Vergleich was ein sinnvoller Wert für Verletzungen und Gebäudeschäden sein könnte.

    Die Todesfälle sind nach den britischen Empfehlungen um den Faktor 20 zu hoch, nach den Niederländischen etwa drei Größenordnungen. Deutsche Empfehlungen gibts nicht oder ich hab nur nix gefunden.

    Das es alles ziemlich hohe Werte sind steht ausser Frage, nur wie niedrig sollen sie denn sein?
    Oder andersrum, beim "So geringes Risiko wie vernünftigerweise möglich" (ALARP) stellt sich die Frage nach der Quantifizierung oder Grenzziehung von "vernünftigerweise". Da stehe ich im Moment voll auf dem Schlauch.

    bis dann

    Grobi