Beiträge von Doctor No

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    Hallo zusammen,

    in der DGUV V2 §5 heißt es:
    "Der Unternehmer hat die gemäß § 2 dieser Unfallverhütungsvorschrift bestellten Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu verpflichten, über die Erfüllung der übertragenen Aufgaben regelmäßig schriftlich zu berichten."
    Was kann ich einem Betriebsarzt entgegnen, der keinen Bericht an den Unternehmer machen will?
    Welche Konsequenzen hat das Fehlen einer solchen Berichterstattung für den Unternehmer?

    Gruß Uwe

    Es gibt in meinen Augen nur zwei Varianten:
    1. Der Betriebsarzt ist bei Ihnen angestellt, d.h. Sie sind sein Vorgesetzter --> dann sollten Sie Ihn abmahnen
    2. Der Betriebsarzt ist nicht bei Ihnen angestellt --> dann ist es nicht Ihr Problem und Sie sollten sich da raushalten. Die Konsequenzen muss der Unternehmer selbst abschätzen, dass ist nicht Ihre Aufgabe.

    Als Arbeitsmediziner rate ich meinen Kunden häufig von der Durchführung von Einstellungsuntersuchungen ab (außer bei wirklich nachvollziehbaren Gefährdungen im Sinne von Eignungsprüfungen).

    Meine Gründe:

    - Der Informationsgewinn durch eine ärztliche Untersuchung wird von den Betrieben meist überschätzt
    - Gemäß einer Stellungnahme des nationalen Ethikrates darf sich die Beurteilung nur auf die der Untersuchungen folgenden 6 Monate beziehen. In dieser Zeit könnte sich der Betrieb aufgrund der "Probezeit" aber ohnehin ohne Angabe von Gründen von seinem Mitarbeiter trennen
    - Aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen müssten bei Einstellungsuntersuchungen im Grunde die Betriebe (und nicht ich als Arzt) die "Bestehenskriterien" festlegen (z.B. "Wie übergewichtig darf Ihr Mitarbeiter für einen Bürojob sein ?" "Führt eine psychische Erkrankung/Burn Out in der Anamnese schon zum Ausschluss aufgrund einer reduzierten Belastungsfähigkeit ?"). Wenn man die Kriterien von den Betrieben aber konkret einfordert, dann sind sie hierzu nicht in der Lage.
    - Wenn der seltene Fall eintritt, dass jemand, der in den Bewerbungsgesprächen alle Konkurrenten ausgestochen hat, auf einmal vom Arzt als "nicht geeignet" eingestuft wird, dann können umgekehrt die meisten Betriebe mit dem Ergebnis nicht umgehen und im Zweifelsfall ist der Betriebsarzt der Blöde

    Ganz unabhängig davon: Wir haben in der Arbeitsmedizin sowohl ein Nachwuchs- als auch ein Kapazitätsproblem. Dies wundert mich allerdings immer weniger, wenn viele Kollegen Ihre Zeit mit sinnlosen Untersuchungen verschwenden, anstatt sich um die wirkich relevanten Dinge der Arbeitsmedizin zu kümmern.

    Zur fragwürdigen Abrechnungspraxis einiger arbeitsmedizinischer Dienstleister muss man in meinen Augen nicht mehr viel sagen, aber auch im Bereich Arbeitssicherheit gibt es etliche schwarze Schafe. Das Problem was die Arbeitsmedizin hat ist in meinen Augen zum einen ein Imageproblem (gilt für viele als "langweiliges" Fach), zum anderen schlägt auch der allgemeine Ärztemangel hier durch. Hinzu kommt noch der Umstand, dass sich einige Dienstleister über Jahre einen Preiskamp nach unten geliefert haben, was die Verdienstmöglichkeiten der Ärzte - im Wettbewerb mit den anderen Fachgebieten - deutlich beschränkt hat. Vermutlich hätte die Arbeitssicherheit das gleiche Problem, wäre die SiFa Tätigkeit auf Ingenieure beschränkt.

    Zum Thema "Arbeitsmedizin auf Abruf": Unabhängig davon, dass so etwas bei 80 Mitarbeitern rechtlich gar nicht möglich ist, läuft der Betrieb auch Gefahr, dass ohne festes Betreuungsverhältnis bei Bedarf kein Arzt verfügbar ist. Die Betriebe im "Unternehmermodell" können ein Lied davon singen. Und ich praktiziere es in meiner Praxis auch so: Zu erst werden die Vertragskunden bedient, wenn dann noch zufällig Termine frei sind auch "Laufkundschaft", sonst nicht. Hinzu kommt, dass im Zeitalter von ArbMedVV und AMRs eine arbeitsmedizinische Vorsorge ohne Kenntnis des Betriebes/Arbeitsplatzes eigentlich gar nicht mehr durchgeführt werden sollte.
    Und auch bei Eignungsuntersuchungen ist eine Kenntnis des Arbeitsplatzes eigentlich unentbehrlich. Bei jeder Untersuchung hat man einen ärztlichen Ermessensspielraum und da ist es schon wichtig ob jemand eine Ameise oder eine Dampfwalze fährt, G25 ist nicht gleich G25.

    Das Argument, dass der Betriebsarzt ja gar nichts zu tun hätte hört man immer wieder. Dies liegt aber häufig auch daran, dass der Betriebsarzt ins Arbeitsschutzmanagement gar nicht eingebunden wird und selbst klare Aufgaben des Betriebsarztes (Organisation der Ersten Hilfe, Psychische Gefährdungsbeurteilung, Belehrung Biostoffe, toxikologische Bewertung von Gefahrstoffen usw.) gerne von den SiFas erledigt werden, teils weil kein Betriebsarzt verfügbar ist, teils aber auch um den eigenen Wirkbereich zu vergrößern.

    Die Tatsache, dass das o.g. Unternehmen die vordringliche Aufgabe der Arbeitsmedizin in der Durchführung der G37 und G25 Untersuchung sieht zeigt, dass der Arbeitsschutz an dieser Stelle schon versagt hat.

    Viele Grüße
    Doctor No

    Die Notwendigkeit einer Sehhilfe für das Staplerfahren wurde hoffentlich nicht wie von Ihnen angegeben im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung sondern im Rahmen einer Eignungsuntersuchung bekannt.
    Das Thema "Zulässigkeit von Eignungsuntersuchungen während einer laufenden Beschäftigung" ist ein juristisches Mienenfeld (wurde an anderer Stelle hier im Forum schon diskutiert). Der Arbeitgeber wäre verantwortlich durchzusetzten, dass die verordnete Sehhilfe auch getragen wird.
    Die Frage wer die Brille bezahlen muss ist schwierig, gerade wenn der Arbeitnehmer es darauf ankommen ließe, ggf. nicht mehr auf dem Stapler eingesetzt zu werden.

    Von unterwegs.[/quote]

    der Betriebsarzt ist in diesem Fall das Problem. :whistling:

    Gruß Frank[/quote]

    Also eines muss mal vorweg gesagt werden: Die psychische Belastung der Beschäftigten ist gemäß §3 (1) 1. d) ASiG Aufgabe des Betriebsarztes und nicht primär Aufgabe der FaSis. Der Betriebsarzt sollte deshalb auf jeden Fall ins Boot geholt werden, wenn schon in fremden Gewässern gefischt wird. Der Betriebsarzt hat sich in seinem Studium mindestens 4 Semester mit medizinischer Psychologie, Psychosomatik, Psychiatrie und Statistik beschäftigt.

    Selbstverständlich geht es bei Thema psychische Belastung nicht nur um die objektiv beurteilbare Belastung sondern auch um die individuell empfundene Beanspruchung, welche letztendlich auch für krankheitsbedingte Ausfallzeiten verantwortlich ist. Die Leute kommen zu mir in die Praxis oftmals nicht deshalb weil Sie krank sind sondern weil Sie sich krank fühlen !

    Von einer nachträglichen Ergänzung eines bestehenden Fragebogens würde ich aus Gründen der Validität allerdings abraten. Ich würde stattdessen gleich einen Fragebogen verwenden, in welchem auch die individuell empfundene Beanspruchung Berücksichtigung findet (z.B. KFZA/Impulstest).

    Ohnehin kann eine Fragebogenerhebung nur Auftakt sein, um anschließend ins Detail zu gehen, z.B. in Form von Gestaltungsworkshops.

    Auch wenn das Thema durch ist, hier ein für manchen sicher interessantes Dokument der DGUV zum Thema Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis

    Gruß
    Stephan

    Und um die allgemeine Verwirrung noch zu vergrößern hier die Stellungnahme der "Konkurrenz" vom BMAS zum gleichen Thema. Das BMAS sieht das Thema Eignungsuntersuchungen während eines laufenden Beschäftigungsverhältnisses ohne konkreten Anlass ganz anders.

    http://www.bmas.de/SharedDocs/Dow…rsuchungen.html

    Grüße
    Sebastian

    Aus arbeitsmedizinischer Sicht sind Fußstützen nicht grundsätzlich zu empfehlen, sondern allenfalls individuell. Zunächst sollte immer die Ergonomie des ganzen Bildschirmarbeitsplatzes optimiert werden. Die meisten Mitarbeiter werden dann gar keine Fußstütze mehr benötigen. Im Einzelfall kann eine Fußstütze natürlich erforderlich sein. Regelhaft ist dies z.B. bei kleinen Mitarbeitern der Fall, wenn der Bildschirm nicht höhenverstellbar ist. Um den leichten Abwärtsblick auf den Bildschirm zu ermöglichen müssen diese Mitarbeiter so hoch sitzen, dass Sie ohne Fußstütze keinen Bodenkontakt hätten. Allerdings wäre auch in diesem Fall die Anschaffung eines höhenverstellbaren Bildschirmes sicher die bessere Alternative. Gelegentlich berichten auch Mitarbeiter, dass Sie es bei Fußstützen angenehm finden, wenn der Fuß dadurch nicht waagerecht auf dem Boden sondern schräg auf der Fußstütze abgestellt werden kann. Deshalb sollte eine Fußstütze - wenn man sie verwendet - eine ausreichende Abstellfläche für den Fuß haben und nicht nur aus einer Metallstange bestehen.

    Viele Grüße
    Sebastian

    Bei uns wird dies so geregelt (Betriebsvereinbarung), das alle Mitarbeiter mit innerbetrieblichen Fahrtätigkeiten die G 25 Untersuchung haben müssen. Nach Ablauf von 3 Jahren, muss eine erneute Untersuchung statfinden.

    Kann man so regeln - ist aber wahrscheinlich rechtswidrig. Sollte die Betriebsvereinbarung dann noch die Weitergabe des Untersuchungsergebnisses vom Arzt direkt an den Arbeitgeber beinhalten, käme noch für den Arzt noch ein Strafrechtsverstoß dazu ... eine solide Basis für den Arbeitschutz.

    Ob es sich bei der G25 um Eignungs- oder um eine Vorsorgeuntersuchung handelt, dass wissen die Unfallversicherungsträger leider selbst nicht so genau und für den Gesetzgeber (bzw. AfAMed) gibt es sowie keine G-Grundsätze sondern nur ArbMedVV und AMRs. Vom Charakter ist die G25 eindeutig eine Eignungsuntersuchung, allerdings trägt das blaue Buch mit den G-Grundsätzen (auch gerne als blaue Bibel bezeichnet) den klangvollen Namen "Arbeitsmedizinische Vorsorge". In der ArbMedVV ist die G25 nicht drin, es gibt aber auch andere Vorsorgeuntersuchungen die dort nicht drin sind (z.B. die Vorsorge bei Nacht- und Schichtarbeit, welche im ArbZG steht). Auch die Strahlenschutzuntersuchung steht nicht in der ArbMedVV. Trotzdem würde ich diese Untersuchung als Vorsorge- und nicht als Eignungsuntersuchung bezeichnen, denn niemenad ist für den Empfang von radioaktiver Strahlung "geeignet" (für uns Arbeitsmediziner ist das Thema auch steuerrechtlich relevant, denn nur Vorsorgeuntersuchungen (und Krankenbehandlung) sind von der Umsatzsteuer befreit).
    Man darf die G-Grundsätze nicht überbewerten. Sie stellen weder eine eigenständige Rechtsgrundlage dar, noch entfalten Sie hinsichtlich des Arbeitsschutzes "Vermutungswirkung". Sie erfüllen noch nicht einmal die wissenschfatlichen Kriterien von Leitlinien. Man könnte Sie als Empfehlung im Sinne eines "Best practice" auf Grundlage von Expertenmeinung/Mehrheitsmeinung bezeichnen. Einige Dinge sind auch total unsinnig. So ist es in meinen Augen z.B. vollkommen sinnlos, bei einer Eignungs G25 die Tagesschläfrigkeit nicht objektiv zu messen (Vigilanztest) sondern per Fragebogen zu erfragen. Bei einer Vorsorgeuntersuchung könnte man dies machen.
    Man sollte sich auch von der Vorstellung lösen, dass Eignung immer etwas mit medizinischer Untersuchung zu tun haben muss (dies steht übrigens in den meisten UVV auch nicht drin). Wenn jemand fehlerfrei und zur Zufriedenheit seines Arbeitgebers einer Tätigkeit nachgeht, ist er für diese Tätigkeit offensichtlich geeignet. Auch die Aussagekraft einer Eignungsuntersuchung darf nicht überbewertet werden. Vieles bekommt man auch durch eine Eigungsuntersuchung nicht heraus. Sie können ja mal die Betriebsunfälle in Ihren Firmen anschauen und sich fragen, ob diese Betriebsunfälle durch eine Eignungsuntersuchung hätten verhindert werden können - wahrscheinlich nicht ?!

    Viele Grüße
    Sebastian

    als AG steht hier meine Verantwortung meinen MA gegenueber im Vordergrund


    Im Grunde ist genau das die entscheidende Frage, von welcher die ganze "Eignungsuntersuchungsproblematik" abhängt. Steht die Verantwortung des Arbeitgebers über dem Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers oder ist es umgekehrt oder hängt es immer von der jeweiligen Gefährdung (Stichwort Verhältnissmäßigkeit) ab. Diese Frage werden uns nur Juristen beantworten können.

    Viele Grüße

    Sebastian

    Hallo,

    die Erstellung eines Impfkatasters ist primäre Aufgabe der Betriebsärzte. Ich als Betriebsarzt käme auch nie auf Idee einen Brandschutzplan aufstellen zu wollen.

    Allgemeine Branchenempfehlungen ergeben sich ja schon aus der STIKO Empfehlung und diversen BG-Informationen. Hinzu kommen aber immer auch betriebsspezifische Dinge (hat der Haustechniker, der 1 x im Jahr mit Handschuhen ein WC aufschraubt, weil er sonst dafür ohnehin eine Sanitärfirma beauftragt, wirklich ein erhöhtes Risiko für Hepatitis-A ?). Da Impfungen auch ein gewisses medizinisches Restrisiko mit sich bringen, muss medizinisch zunächst im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und dann noch einmal individuell beim einzelnen Beschäftigten (Vorerkrankungen, Allergieneigung usw.) ärztlich abgewogen werden, welche Impfungen sinnvoll sind.

    Viele Grüße

    Sebastian

    Hallo zusammen,

    man kann sich der Fristen des Grundsatzes G25 bedienen - rechtsverbindlich sind diese Grundsätze allerdings nicht. Da es sich bei der G25 - oder nennen wir Sie mal ganz korrekt "Eignungsuntersuchung b. Fahr- und Steuertätigkeiten" um eine Eignungsuntersuchung ausschließlich auf Wunsch des Arbeitgebers handelt (ohne juristisch belastbare Rechtsgrundlage) sollte auch der Arbeitgeber die Fristen festlegen und nicht ich als Betriebsarzt. Ich kann den Arbeitgeber natürlich dahingehend beraten, dass sich die Fristen aus dem Grundsatz G25 bewährt haben aber ein "Verfallsdatum" einer Eignungsfeststellung ist juristisch schwierig.
    Am besten legt man auch die Untersuchungsfristen in einer Betriebsvereinbarung fest. Wichtig: Betriebsvereinbarungen zu Eignungsuntersuchungen dürfen geltendes Recht (z.B. die ärztliche Schweigepflicht) nicht außer Kraft setzen. Eine Betriebsvereinbarung zur G25 darf deshalb nur die Weitergabe der Untersuchungsbescheinigung vom Mitarbeiter zum Arbeitgeber regeln aber nicht die Weitergabe vom Arzt direkt zum Arbeitgeber, ansonsten wäre sie nicht rechtswirksam.

    Generell sollte man sich - um sich auf juristisch zumindest weichem Boden zu begeben- bei der G25 aber auf wesentliche Gefährdungen beschränken (z.B. Gabelstaplerverkehr usw.). Eine G25 beispielsweise für berufliche PKW Fahrer (z.B. Außendienstmitarbeiter) ist dagegen schon sehr problematisch da die Gefährdung nicht höher als beim privaten Führen eines PKW sein dürfte. Man muss sich bei allen Eignungsuntersuchungen immer klar machen, dass es hier oft auch um Existenzfragen geht, die sehr in das Persönlichkeitsrecht eingreifen. Wenn Betriebe eine Eignungsuntersuchung einführen würden, welche beispielsweise alle Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Rot-Grün Schwäche oder einem Visus unter 80% (könnten bei der Begehung ja was übersehen) per se für untauglich erklären würde - natürlich nur zur Gefahrenabwehr - , dürfte sich die Begeisterung in Ihren Kreisen in Grenzen halten.

    Viele Grüße

    Sebastian

    Vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden - dann bitte ich um Aufklärung, aber für mich sieht es so aus, als bekämen wir, egal ob Eignungs- oder Vorsorgeuntersuchung, zuküftig nur noch Teilnahmebescheinigungen zugesandt - und nur, wenn es ganz besonders kritisch wird, dann bekommen wir vom Betriebsarzt mehr mitgeteilt, vorausgesetzt die ärztliche Schweigepflicht spricht nicht dagegen.


    Bei Vorsorgeuntersuchungen gemäß ArbMedVV gibt es nur eine Teilnahmebescheinigung. Bei Eignungsuntersuchungen ist eine ärztliche Beurteilung möglich. Diese wird aus Gründen der Schweigepflicht am besten nur dem Mitarbeiter ausgehändigt. Der Arbeitgeber bekommt eine Teilnahmebescheinigung und kann sich dann vom Mitarbeiter die Eignungsbescheinigung vorlegen lassen (genauso wie auch den Staplerschein, Führerschein usw. - die werden ja auch nicht direkt an den Arbeitgeber geschickt). Legt der Mitarbeiter die Eignungsbescheinigung nicht vor sollte der Arbeitgeber den Mitarbeiter mit der entsprechenden Tätigkeit nicht mehr betrauen.


    Eignungsnachuntersuchungen bedürfen Ihrer Ausführung nach einer rechtlichen Grundlage, die es aber nur in einigen Bereichen gibt. Wenn ich diese Grundlage nicht habe, weil eben gesetzlich nichts geregelt ist - auf welche rechtliche Grundlage soll ich denn meine Berechtigung stellen, da ja selbst die Gefährdungsbeurteilung als Grundlage möglicherweise nicht ausreicht.


    Ich stimme Ihnen zu, dass im Grunde genommen eine Art Eignungsverordnung fehlt. Es gibt aber mehrere Unfallverhütungsvorschriften die körperliche und geistige Eignung verlangen. Wenn der Gesetzgeber sich schon nicht kümmert, könnten die Berufsgenossenschaften hier ggf. auch noch Lücken schließen.


    Sie schreiben weiter: Zitat "Bei den meisten Vorsorgeuntersuchungen geht es ja nicht um die Gefährdung von Dritten oder von Sachgütern, sondern um die Eigengefährdung der Mitarbeiter." Zitat Ende. Und wenn doch?


    Das hängt davon ab, wie man den Vorsorgebegriff definiert. Nach der klassischen Definition geht es tatsächlich nur um den Mitarbeiter selbst, alles andere wäre nicht Vorsorge sondern eine Eignungsfrage. Das Thema wird im Kollegenkreise aber unterschiedlich gesehen, denn natürlich hat eine Reduktion des Unfallrisikos durch Eignung für die Tätigkeit auch was mit Vorsorge zu tun.


    Wir sind u. a. im Gleisbau tätig. Hier ist es unbedingt notwendig Warnsignale verstehen zu können. Wie sollen wir Ihrer Meinung nach gewährleisten, dass alle Mitarbeiter auch die Warnsignale hören können, weil allein schon dadurch gefährliche Situationen können, dass ein Kollege die Warnung nicht hört und ein anderer ihn warnen will/muss. Da Eignungsnachsorgeuntersuchungen aber kaum rechtlich geregelt sind, müssen wir also zukünftig darauf vertrauen, dass uns der jeder Mitarbeiter seine mittlerweile bei einer Vorsorgeuntersuchung festgestellte Schwerhörigkeit von selbst meldet?


    Was ändert sich denn hier "zukünftig" für Ihren Betrieb ? Eine Eignungsuntersuchung mit der festgestellt werden kann, ob ein Mitarbeiter Warnsignale hört oder nicht, gab es doch auch in der alten ArbMedVV nicht. Die G20 "Lärm" hat doch einen völlig anderen Fokus. "Keine gesundheitliche Bedenken" bedeuten hier, dass nicht mit einer gesundheitlichen Gefährdung des Mitarbeiters durch Lärm zu rechnen ist. Die Beurteilung bedeutet nicht, dass der Mitarbeiter besonders gut hören kann. Man kann bei der G20 schon ziemlich schlecht sein und die Untersuchung trotzdem regelhaft "bestehen". Im übrigen ist der Bewertungsmaßstab der G20 Untersuchung (es wird mit Hörverlustsummen gearbeitet) für die o.g. Eignungsfeststellung vollkommen ungeeignet, möglicherweise wird die Frequenz auf welcher Ihr Warnsignal trötet bei der G20 Untersuchung überhaupt nicht getestet oder der Proband kann gemäß Grundsatz G20 schlechte Werte auf dieser Frequenz mit guten Werten auf anderen Frequenzen ausgleichen - für eine Eignungsfeststellung vollkommen absurd.


    Sie vertreten in Ihrem Beitrag sehr stark die Interessen der Beschäftigten - und das ist auch gut so. Ansonsten aber betrachten Sie die neue ArbMedVV nur aus der Sicht des Betriebsarztes (bitte nicht falsch verstehen, weil das nicht böse gemeint ist), so wie ich diese neue Verordnung nur aus Sicht des Unternehmens betrachten kann.


    Genau das ist der Sinn der neuen ArbMedVV - Stärkung der Vorsorge im Interesse der Beschäftigten. Die Eignungsfrage ist eigentlich ein Thema, mit welchem sich die Arbeitsrechtler im Unternehmen beschäftigen sollen. SiFas und Betriebsärzte sollten sich hier nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Wichtig ist aber dass richtige Maß zu finden, damit nicht am Ende alle ohne Job dastehen. Was würden die Forumsmitglieder wohl dazu sagen, wenn man unter dem Deckmantel der Gefahrenabwehr für SiFas über 55 Jahre regelmäßig eine Eignungsuntersuchung einführen würde (Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung) und die Weiterbeschäftigung davon abhängig machen würde.

    Zusammenfassend kann man das ganze ArbMedVV Thema in drei Sätzen zusammenfassen:

    1. Die ArbMedVV (alt und neu) regelt nur die arbeitsmedizinische Vorsorge aber nicht die Eignungsfeststellungen (Ausnahme: in der alten ArbMedVV war die Drucklufteignung enth.)
    2. Demzufolge fehlt die Eignung für Fahr-/Steuertätigkeiten (G25) und Arbeiten mit Absturzgefährdung (G41) in der ArbMedVV (alt und neu)
    3. Wer die Beurteilung von Vorsorgeuntersuchungen bisher als Eignungsnachweis interpretiert hat - der hat es streng genommen bisher falsch gemacht

    Alles wird sich fügen
    Basti

    Hallo,

    da hier anscheinend nicht viele andere Arbeitsmediziner unterwegs sind, möchte ich da Thema gerne mal aus arbeitsmedizinischer Sicht beleuchten.

    Durch die neue ArbMedVV hat sich gar nicht sooo viel geändert, wie viele (auch Berufskollegen) behaupten. Vielmehr besteht jetzt Rechtsklarheit über Dinge, die auch vorher schon gegolten haben. Neu ist, dass der Arbeitgeber bei der der Pflichtvorsorge wie in den letzten Jahren bereits bei der Angebotsvorsorge nur noch eine Teilnahmebescheinigung enthält und keine Beurteilung mehr darüber ob "gesundheitliche Bedenken" bestehen oder nicht. Die gesundheitliche Unbedenklichkeit war aber auch in der alten ArbMedVV keine Tätigkeitsvoraussetzung (Ausnahmen: Druckluft und Strahlenschutz), verlangt wurde lediglich die Teilnahme an der Untersuchung. Neu ist auch, dass auch bei der Pflichtvorsorge die körperliche Untersuchung abgelehnt werden darf. Es bleibt dann nur noch eine Pflichtberatung übrig (auch hierfür gibt es bereits die o.g. Teilnahmebescheinigung). Nach juristischer Auffassung des BMAS bestand jedoch auch nach alter ArbMedVV für körperliche Untersuchungen kein Duldungszwang. Im Grunde hat das Ergebnis einer Vorsorgeuntersuchung den Arbeitgeber auch nicht zu interessieren (es sei denn, der Mitarbeiter wünscht dies - z.B. um Veränderungen am Arbeitsplatz zu erreichen). Mängel bei der Arbeitsplatzgestaltung die in der Person des untersuchten Mitarbeiters liegen dürfen nach neuer ArbMedVV auch nur mit Zustimmung des Mitarbeiters dem Arbeitgeber kundgetan werden. Wenn also beispielsweise alle Bürostühle nichts taugen, kann ich dies dem Arbeitgeber mitteilen. Wenn aber nur Herr XY aufgrund eines Bandscheibenvorfalls einen speziellen Bürostuhl benötigt muss Herr XY mit der Mitteilung einverstanden sein bzw. die Bürostuhlbescheinigung am besten selbst beim Arbeitgeber abgeben. Bei den meisten Vorsorgeuntersuchungen geht es ja nicht um die Gefährdung von Dritten oder von Sachgütern, sondern um die Eigengefährdung der Mitarbeiter. Jeder hat das Recht ein gewisses Risiko zu tragen, ansonsten dürften schnelle Autos nicht gebaut und Zigaretten nicht verkauft werden. Die mitlesenden SiFas und Personalverantwortlichen können sich ja selbst mal fragen, ob Sie - wie empfohlen - ab dem 35. Lebensjahr regelmäßig bei der Hautkrebsvorsorge oder ab dem 50. Lebensjahr bei der Darmkrebsvorsorge waren. Wahrscheinlich wird der eine oder andere hier diesbezüglich Nachholbedarf haben. Trotzdem käme niemand ernsthaft auf die Idee, die Teilnahme an diesen Untersuchungen vorzuschreiben. Warum soll das bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge anders sein ?

    Klar trennen von der arbeitsmedizinischen Vorsorge muss man die Eignungsuntersuchungen. Diese Trennung war auch zu Zeiten der alten ArbMedVV im Grunde schon erforderlich, wurde in der Praxis aber gerne vermieden. Die Eignungsuntersuchungen sind (abgesehen von Druckluft und Strahlenschutz) nirgends staatlich geregelt (und werden sie wohl auch nicht). Eignungsuntersuchungen im Rahmen der Einstellung scheinen juristisch unbedenklich zu sein (wenngleich die Arbeitgeber regelmäßig damit überfordert sind Eignungskriterien für Ihren Betrieb festzulegen). Für routinemäßige Eignungs-Nachuntersuchungen muss es jedoch eine Rechtsgrundlage geben. Für einige Bereiche gibt es die ja auch (div. Unfallverhütungsvorschriften, Feuerwehrdienstverordnungen usw.) für andere Bereiche aber auch nicht. Ob eine Gefährdungsbeurteilung alleine bereits eine Rechtsgrundlage darstellen kann ist juristisch noch nicht ausdiskutiert. Um Eignungsuntersuchungen zu rechtfertigen muss die Gefahr schon ein gewisses Ausmaß haben, damit die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Insbesondere muss das Risiko durch die Tätigkeit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erheblich erhöht sein. Eine Untersuchung für Gabelstaplerfahrer kann so gerechtfertigt sein, für PKW Fahrer aber eher nicht. Die Trennung von Eignungs- und Vorsorgeuntersuchungen macht übrigens auch medizinisch inhaltlich Sinn. Wenn ich beispielsweise wissen will, ob jemand unter Konzentrationsstörungen leidet kann ich dies bei einer Vorsorgeuntersuchung erfragen (es gibt ja keinen Grund mich anzulügen), bei einer Eignungsuntersuchung sollte man aber besser einen Konzentrationstest machen um eine vernünftige Beurteilung abgeben zu können (da man sonst ggf. angelogen werden würde). Anderes Beispiel: Im Rahmen einer Vorsorge wäre ein suchtkranker Mitarbeiter gut beraten sich dem Arzt gegenüber zu offenbaren, im Rahmen einer Eignungsfeststellung wohl eher nicht. Das Eignungs- und Vorsorgeuntersuchungen nicht am selben Termin stattfinden ist natürlich eher Theorie, man kann auch am selben Termin die Untersuchungsteile klar trennen und dies auch kommunizieren.

    Leider ist die Nomenklatur der G-Untersuchungen immer noch stark verbreitet. Die G-Grundsätze stellen aber schon seit Inkrafttreten der alten ArbMedVV keinerlei Rechtsgrundlage mehr da (Ausnahme Ehrenamtliche) sondern haben allenfalls Leitliniencharakter (obwohl sie noch nicht mal evidenzbasiert sind). Dementsprechend kann sich aus den G-Grundsätzen auch kein Untersuchungszwang ergeben. Bei der G25 (Fahr- und Steuertätigkeiten) und bei der G26.3 (schwerer Atemschutz) hat sich durch die neue ArbMedVV ohnehin nichts geändert, denn diese Untersuchungen kommen sowohl in der alten als auch in der neuen ArbMedVV überhaupt nicht vor. Sie sind also weder Pflicht- noch Angebotsuntersuchung (letzteres wird hier im Forum gerne mal behauptet) sondern Eignungsuntersuchungen auf Wunsch des Arbeitgebers oder Wunschuntersuchungen gemäß §11 ArbSchG.

    Mit Betriebsvereinbarungen darf nur die betriebliche Umsetzung geltenden Rechts konkretisiert werden. Es darf aber das geltende Recht nicht ausgehebelt oder umgangen werden (dies wäre bei einer Ergebnismitteilung der Vorsorgeuntersuchungen an den Arbeitgeber der Fall) und es darf auch kein zusätzliches Recht neu geschaffen werden. So wäre beispielsweise eine Betriebsvereinbarung zur Einrichtung einer Arrestzelle für ungehorsame Mitarbeiter rechtlich nicht zulässig. Eine vom Mitarbeiter zu unterschreibende Schweigepflichtsentbindung ist im übrigen auch nutzlos, da der Mitarbeiter diese jederzeit (z.B. nachdem er den Sehtest nicht bestanden hat) widerrufen werden kann. Für sämtliche ärztliche Tätigkeiten gilt ja die ärztliche Schweigepflicht. Wenn man mit diesem Thema kommt reagieren Unternehmer (und auch SiFas) gerne mal genervt. Aber es handelt sich bei der ärztlichen Schweigepflicht eben nicht um irgendeine beliebige Verwaltungsvorschrift sondern ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht stellt einen Straftatbestand dar, man kann seine Approbation und evtl. den Wohnungsschlüssel abgeben. Ausnahmen sind nur dort möglich, wo diese der Gesetzgeber explizit gestattet hat (z.B. die Beurteilung gemäß alter ArbMedVV bei Pflichtuntersuchungen). Eine Betriebsvereinbarung kann die Schweigepflicht niemals außer Kraft setzen. Der Betriebsarzt darf (nicht muss) die ärztliche Schweigepflicht nur dann brechen, wenn akute Gefahr im Verzug ist (also wenn ich z.B. einen blinden Epileptiker dem ich im Arztgespräch das Gabelstaplerfahren verboten habe dennoch im Gabelstapler antreffe). Die Hürde für den Bruch der Schweigepflicht bei akuter Gefahr ist aber sehr hoch und ggf. geht es dann vor Gericht durch mehrere Instanzen (wenn der Staplerfahrer seinen Job verloren hat und den Arzt anzeigt).

    Am einfachsten ist es, man lässt die Vorsorge in der Hand des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, Bescheinigungen die ich ihm aushändige an den Arbeitgeber weiterzugeben (z.B. wenn er eine Bildschirmbrille oder einen höhenverstellbaren Schreibtisch benötigt) oder eben auch nicht wenn es dies nicht will. Im übrigen wird dann auch der Arbeitgeber von der Last "gesundheitliche Bedenken" befreit. Damit konnten viele Unternehmen nämlich überhaupt nicht umgehen, am Ende hatte der Arzt dann gerne Schuld (... "Herr Doktor, das ist mein bester Mitarbeiter, nun lassen Sie Fünfe doch mal gerade sein").

    Für wirklich relevante Gefährdungen sollte man Eignungsuntersuchungen etablieren (Eignung "Gabelstapler", Eignung "Absturzgefährdung" und zukünftig auch Eignung "schwerer Atemschutz"). Die Eignungsbescheinigung bekommt der Mitarbeiter in die Hand gedrückt und gibt diese beim Arbeitgeber ab. Tut er dies nicht sollte der Arbeitgeber beim Mitarbeiter aktiv nachfragen oder sich seinen Teil denken und den Mitarbeiter ggf. mit der jeweiligen Tätigkeit nicht mehr betrauen. Ob er den Mitarbeiter deshalb kündigen darf ist juristisch nicht ausdiskutiert.

    "Interessant" finde ich den in einem Beitrag weiter oben beschriebenen Vorstoß eines Unternehmens, dem Betriebsarzt schriftlich mitzuteilen zu wollen, dass das Unternehmen für Schäden, die durch gesundheitliche Nichteignung einzelner Mitarbeiter entstehen, keine Verantwortung übernimmt. Als Betriebsarzt würde ich mit einem Zweizeiler antworten, dass man selbst aufgrund der vom Gesetzgeber zugewiesen Rolle als Betriebsarzt die Verantwortung natürlich auch nicht übernehmen kann. Es gebe dann keinen Verantwortlichen mehr im Betrieb - das Amt f. Arbeitsschutz könnte den Betrieb schließen ;) Ein Seminar zum Thema "Verantwortung im Arbeitsschutz" würde dem Unternehmen gut tun.

    Viele vorweihnachtliche Grüße
    Basti