Beiträge von achtzehntausendeins

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    ... wenn ja - ist dann auch Anhusten oder Handschütteln mit Ansteckungsgefahr einer Grippe,
    ein scharfer Ton in einem Gespräch,
    die Mitteilung, dass die Firma mittelfristig 20% der Belegschaft entlassen will
    uvam.
    auch ein "Ereignis"?
    Irgendwo hört es auf ... :evil:

    Die Ursache für die Fehlbelastung (=psychologische Gefährdung) sehe ich als "Ereignis".


    Die Ursache für Fehlbeanspruchungen sind fehlbelastende Ereignisse bzw. Vorfälle. Eine Gefährdung ist noch keine Fehlbelastung.

    Wem die niedrige Toleranzschwelle von OHSAS 18001 nicht gefällt, muss sich ja nicht zertifizieren lassen. Die niedrige Toleranzschwelle zwingt dazu, Verantwortung für die Bewertung der Schwere von Vorfällen zu übernehmen. In OHSAS 18001:1999 war die Schwelle noch höher. Tatsächlich muss sich heute der Arbeitsschutz zertifizierter Betriebe nach OHSAS 18001:2007 nun auch mit "Kleinigkeiten" befassen. Das ist aber kein Problem, denn es kann ja entschieden werden, dass ein Vorfall tatsächlich nur eine tolerierbare Kleinigkeit ist. Der Unterschied zu früher: Heute muss der Arbeitgeber die Verantwortung für eine solche Entscheidung nachvollziehbarer übernehmen. Wohl aus diesem Grund ist in OHSAS 18001:2007 die Gefährdungsbeurteilung ja auch in zwei Schritte unterteilt worden. So kann man mit "Kleinigkeiten" effizient umgehen und muss nicht immer gleich das volle Programm fahren.

    In der Praxis hilft in Deutschland die Mitbestimmung. Eine gute und paritätische zusammengesetzte Kommission kann sicherstellen, dass frivole Meldungen von Vorfällen schnell erledigt werden.

    Nebenbei: "Anhusten oder Handschütteln mit Ansteckungsgefahr einer Grippe" ist ganz sicher keine Kleinigkeit mehr. Das passiert, wenn Mitarbeiter trotz Erkrankung zur Arbeit gehen. Klar sind solche Vorfälle ein Arbeitsschutzthema. Und natürlich ist 20% Stellenabbau auch dann ein belastendes (und eventuell Erkrankungen verursachendes) Ereignis, wenn diese Maßnahme unvermeidbar ist. Ein Unternehmen ist keine Insel, auf der man Fehlbelastungen verbieten kann. Auch Unternehmen können krank machendem Stress ausgesetzt sein, ohne dass hier den Arbeitgeber die Schuld trifft. Der Arbeitgeber kann nicht alle Vorfälle (nach Def. 3.9 in OHSAS 18001:2007) verhindern, aber er muss dafür sorgen, dass verantwortlich mit diesen Vorfällen umgegangen wird.

    Zum Thema dieser Diskussion: Die Mitarbeiterin war fehlbelastet und der Arbeitgeber setzte dann mit der Abmahnung noch Eines drauf. Auch stellte sich ja heraus, dass der Arbeitgeber die Abmahnung nicht aufrecht erhalten konnte und den gemeldeten Mißstand dann doch beseitigen musste. Hinsichtlich der für die Mitarbeiter theoretisch benachteiligungsfreien Bearbeitung von Fehlbelastungsmeldungen durch den Arbeitgeber kommt dieser Vorfall einem GAU doch ziemlich nahe.

    Trauriges Beispiel für ein fehlbelastendes Zusammenwirken von Arbeitssystemen: Eine Logistikerin in dem deutschen Betrieb eines internationalen Konzerns ist für ihre Planung auf korrekte Daten von Produktionsbetrieben in Südostasien angewiesen. Die Arbeitssysteme dort funktioniert aber nicht so, wie es offiziell immer wieder dargestellt wird. Die Logistikerin kann nicht richtig planen und bekommt schlechte Bewertungen. Sie schreibt eine Überlastungsanzeige. Daraufhin bietet ihr die Personalabteilung die Abstufung in eine niedrigere Tarifgruppe an. Der Arbeitgeber kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass hier ein Arbeitsschutzhema vorliegt. Erst der Betriebsrat des deutschen Betriebes sorgt dafür, dass auch der Arbeitsschutzbeauftragte des Betriebes sich dieses Falls annehmen muss.

    Die anhaltende Fehlbelastung der Mitarbeiterin (und ihrer Kollegen) ist in der Gefährdungsbeurteilung ihres Arbeitsplatzes weder erfasst noch beurteilt worden. In dem Betrieb ist eine Betriebsvereinbarung zur einem ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilungsprozess zwar in Arbeit (dank des Betriebsrates), aber noch nicht implementiert. Entgegen den Vorschriften sind also bis heute psychische Belastungen noch nicht Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung. Anstelle angesichts dieses Mangels etwas vorsichtiger mit den Mitarbeitern umzugehen, nutzt der Arbeitgeber die noch bestehende Vernachlässigung des Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz, um Mitarbeiter unter Druck zu setzen. Der deutsche Betrieb nimmt die von dem Arbeitssystemen der südostasiatischen Betriebe ausgehenden Fehlbelastungen überhaupt nicht wahr, denn wegen der Zertifizierung der Betriebe des Konzerns nach OHSAS 18001 dürfte es ja derart lang anhaltende Dauerfehlbelastungen überhaupt nicht geben.

    Bei den Änderungen handelt es sich um eine eindeutige Klarstellung.


    Ja, darauf muss deutlich hingewiesen werden. Psychische Belastungen sind auch heute schon in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Das soll nun im Gesetz ausdrücklicher klargestellt werden.

    Mal sehen, ob Arbeitgeber nach der Änderung (so es sie geben wird) versuchen werden, zu behaupten, dass der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vor der Änerung nicht vorgeschrieben gewesen sei.

    inwieweit hat der Betriebstrat ein Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrecht bei der Zertifizieurng eines Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsystem?

    In den Niederlanden gibt es ein Zertifizierungsverfahren, in dessen englischsprachiger Beschreibung Einiges zu dem Thema gesagt wird. Es gibt auch einen Musterbrief zur Einladung der Arbeitsnehmervertretung zu Audits. Mehr dazu in einem anderen Beitrag im SIFABOARD.

    In den Niederlanden gibt es ein interessantes Zertifizierungsverfahren der SCCM (Stichting Coördinatie Certificatie Milieu- en arbomanagementsystemen) für OHSAS 18001, nach dem sich niederländische Zertifizierungsgesellschaften richten können. In dem englischsprachigen OHSAS certification scheme dieser Stiftung zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsbedingungs-Managementsystemen findet man eine Interpretation des Standards und auch ein Kapitel zur Anwendung des Verfahrens außerhalb der Niederlande, aber nur innerhalb der EU. Lesenswert im Anhang der Verfahrensbeschreibung ist auch der Vorschlag einer Mitteilung an die Arbeitnehmervertretung zu anstehenden Audits.

    Was haltet ihr davon?

    Nach Definition 3.9 in OHSAS 18001:2007 sind "Vorfälle" Ereignisse, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. "Erkrankungen" sind erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden.

    Eine Mitarbeiterin meldet eine Fehlbelastung. Daraufhin erhält sie eine Abmahnung, weil ihre Fallbeschreibung vom Arbeitgeber als Vorwurf einer Straftat interpretiert wird. Bei der Übergabe der Abmahnung an die Mitarbeiterin wird diese vom Arbeitgeber noch mündlich aufgefordert, "Verleumdungen" (§ 187 StGB) zu unterlassen. Mit Hilfe des Betriebsrates und eines Rechtsanwalts erreicht die Mitarbeiterin innerhalb von drei Monaten die Rücknahme der Abmahnung.

    Danach ist die Mitarbeiterin innerhalb der folgenden 12 Monate für insgesamt 14 Wochen arbeitsunfähig, davon 6 Wochen in einer Klinik für psychosomatische Erkrankungen.

    Die Fehlbelastung wird weiterhin vom Arbeitgeber weder erfasst noch beurteilt. Weitere Mitarbeiter melden die gleiche Fehlbelastung. Ohne Gefährdungsbeurteilung trifft der Arbeitgeber daraufhin Maßnahmen zur Beseitigung der Fehlbelastung.

    Die Fehlbelastung wurde also beseitigt und der Arbeitgeber kann sich auch mit einer Abmahnung einmal irren. So weit, so gut. Aber war die Abmahnung ein Ereignis gewesen, das eine Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) hätte zur Folge haben können? Müsste der Vorgang vom Arbeitgeber gemäß Kapitel "4.5.3.1 Vorfalluntersuchungen" im Sinn der Definition 3.9 bearbeitet werden oder sollte man hier die Vergangenheit ruhen lassen und in die Zukunft schauen?

    ich rate immer dazu dass das Handbuch die Norm wiederspiegelt.

    Das ist gut nachvollziehbar. Genau das wollen der Betriebsrat und der Arbeitsschutzbeauftragte eines Unternehmens bei der Überarbeitung eines AMS-Handbuchs. Die Rechtsabteilung ist aber dagegen, weil sie befürchtet, gegen das Urheberrecht zu verstoßen, das für den BS OHSAS 18001 besteht.

    Im Kapitel 3 des AMS-Handbuchs eines großen Unternehmens werden immer noch die Begriffsdefinitionen aus OHSAS 18001:1999 verwendet. In dem Unternehmen ist der Gefährdungsbeurteilungsprozess ein Unterprozess des AMS. Die Beschreibungen des Gefährdungsbeurteilungsprozesses und der anderen Unterprozesse verweisen auf die spätestens seit dem 1.7.2009 ungültigen Begriffsdefinitionen im AMS Handbuch.

    Die Betriebe des betroffenen Unternehmens sind weltweit nach OHSAS 18001:2007 zertifiziert. Aber was z.B. ein "Vorfall" oder eine "Erkrankung" nach dem heute gültigen BS OHSAS 18001:2007 ist, kann in dem Unternehmen nur im Standard selbst nachgelesen werden, der aus Urheberrechtsgründen leider nicht im Intranet des Unternehmens veröffentlicht wird. Mitarbeiter können sich den Standard gegen Unterschrift ausleihen. (Deswegen hat sich der Betriebsrat am Hauptsitz des Unternehmens OHSAS 18002:2008 zugelegt, den sich Mitarbeiter ohne Unterschrift ausleihen können. OHSAS 18002:2008 ist OHSAS 18001:2007 mit Umsetzungshinweisen.)

    Besonders erstaunt mich, dass eine große Zertifizierungsgesellschaft die Betriebe des Unternehmens bereits zwei mal nach OHSAS 18001:2007 zertifiziert hat, obwohl ausgerechnet im Fundament des Hauptdokuments des AMS immer noch die inzwischen ungültigen Begriffe verwendet werden. (Bei der Erstzertifizierung und bei den Re-Zertifizierungen waren übrigens keine Arbeitnehmervertreter beteiligt.)

    Das Unternehmen ist stolz darauf, dass es nicht nur "Unfälle", sondern auch "Beinaheunfälle" erfasst und beurteilt. Beide Begriffe waren in OHSAS 18001:1999 zwar noch definiert, jedoch in OHSAS 18001:2007 gibt es diese Begriffe nur noch in den Anmerkungen zum Begriff "Vorfall".

    Nach OHSAS:18001 sind "Vorfälle" Ereignisse, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. "Erkrankungen" sind erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden.

    Hier geht es nicht um Wortklauberei. Gerade arbeitsbedingte psychische Erkrankungen werden auch im heutigen Sprachgebrauch noch nicht als arbeitsbedingter "Unfall" begriffen. Und tatsächlich werden psychische Belastungen in dem Unternehmen, das sich auf die Erfassung und Beurteilung von Unfällen und Beinaheunfällen beschränkt, weder in auditierbaren noch in mitbestimmten Prozessen erfasst und beurtelt. Mit dem Begriff des Vorfalls, der eine psychische Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) hätte zur Folge haben können, kämen diese Erkrankungen besser auf den Radar der Arbeitsschutzverantwortlichen.

    Die Unternehmensleitung meint, dass die Verwendung der heute nicht mehr gültigen Begriffe aus OHSAS 18001:1999 keine Abweichung sei, denn schließlich sei das AMS-Handbuch bereits zwei mal nach OHSAS 18001:2007 zertifiziert worden. Kann hier jemand erklären, wie das möglich ist? Sollte sich der Betriebsrat nun an die Zertifizierungsgesellschaft oder an die Deutsche Akkreditierungsstelle wenden?