Urteil spricht gegen Nagelplattenbinder

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  • Minden (NW) – Interessantes Urteil des Verwaltungsgerichtes Minden: Der Bauherr eines Lebensmittelmarktes kann zu baulichen Brandschutzmaßnahmen verpflichtet werden, die die Durchführung wirksamer Löscharbeiten auch nach der Evakuierung des Gebäudes ermöglichen. Ein kontrolliertes Abbrennenlassen eines Supermarktes sei mit einem ordnungsgemäßen Brandschutz nicht zu vereinbaren. Der aktuell veröffentlichte Richterspruch richtet sich indirekt auch gegen die bei der Feuerwehr so gefürchteten Nagelplattenbinder.

    Die Klägerin, eine Bauträgergesellschaft, hatte sich gegen Brandschutzauflagen gewandt, die der beklagte Kreis Lippe für einen Lebensmittelmarkt in Extertal-Asmissen gemacht hatte. Unter anderem war gefordert worden, die Statik für die von ihr gewählte Dachkonstruktion aus sogenannten Nagelplattenbindern nachzuweisen und ausreichende Rauchabzugsmöglichkeiten zu schaffen. Die Klägerin vertrat die Auffassung, den Anforderungen des Brandschutzes sei Genüge getan, wenn eine frühzeitige Branderkennung und schnelle Räumung des Gebäudes sichergestellt sei. Wenn das Schutzziel Menschenrettung erreicht sei, könne das Gebäude kontrolliert abbrennen, ohne dass ein Feuerwehreinsatz im Gebäudeinneren erfolgen müsse.

    Feuerwehreinsatz nur möglich, wenn kein Dacheinsturz droht

    Dem schloss sich die zuständige 9. Kammer des Verwaltungsgerichts nicht an. Die vom Beklagten gestellten Brandschutzanforderungen dienten der Gefahrenabwehr. Die von der Klägerin gewählte Dachkonstruktion weise keinen Brandwiderstand auf, und schon beim Ausfall eines einzigen Nagelplattenbinders könne es zu einem schlagartigen Einsturz des gesamten Daches kommen. Dies sei mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht zu vereinbaren; auch ein Feuerwehreinsatz im Inneren des Gebäudes könne nur erfolgen, wenn sichergestellt sei, dass die Dachkonstruktion nicht vorzeitig einstürze.

    Die geforderte Rauchabzugsmöglichkeit sei ebenfalls rechtens, weil dies im Brandfall zu einer Verbesserung der Sichtbedingungen für die Feuerwehr führe, so dass ein Brandherd im Gebäudeinneren, der noch nicht das gesamte Gebäude erfasst habe, noch bekämpft werden könne. Das Brandschutzkonzept der Klägerin, wonach der Einsatz der Feuerwehr nur von außen und mit dem Ziel erfolge, den Lebensmittelmarkt kontrolliert abbrennen zu lassen, sei mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften unvereinbar, weil es wirksame Löscharbeiten nicht ermögliche.

    (Urteil vom 16.12.2010 – 9 K 1694/09 -, nicht rechtskräftig.)

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

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  • Hallo Simon,

    von dieser Dachkonstruktion, sind ja seit den 80ziger Jahren in Deutschland viele Lebensmittel Disconter Supermärkte und Getränkemärkte betroffen. Ich finde es gut , das endlich das Leben der Feuerwehrkameraden nicht mehr so leichtfertig auf Spiel gesetzt werden soll. Gibt es 
    eine Vorschrift ab wieviel qm² Ladenfläche eine Rauchabzugsmöglichkeit gefordert wird?

    Gruß Olaf

    Die Kunst des Redens besteht darin, zu wissen, was man nicht sagen darf.

  • Hallo,

    zu deiner Frage, Beispiel Verkaufsstättenverordnung Baden- Württemberg:

    § 16 Rauchabführung

    (1) In Verkaufsstätten ohne Sprinkleranlagen müssen Verkaufsräume ohne notwendige Fenster nach § 34
    Abs. 2 LBO sowie Ladenstraßen Rauchabzugsanlagen haben.

    (2) In Verkaufsstätten mit Sprinkleranlagen müssen Lüftungsanlagen in Verkaufsräumen und Ladenstraßen
    im Brandfall so betrieben werden können, dass sie nur entlüften, soweit es die Zweckbestimmung der Ab-
    sperrvorrichtungen gegen Brandübertragung zulässt.

    (3) Rauchabzugsanlagen müssen von Hand und automatisch durch Rauchmelder ausgelöst werden können
    und sind an den Bedienungsstellen mit der Aufschrift »Rauchabzug« zu versehen. An den Bedienungsein-
    richtungen muss erkennbar sein, ob die Rauchabzugsanlage betätigt wurde.

    (4) Innenliegende Treppenräume notwendiger Treppen müssen Rauchabzugsanlagen haben. Sonstige
    Treppenräume notwendiger Treppen, die durch mehr als zwei Geschosse führen, müssen an ihrer obersten
    Stelle eine Rauchabzugsvorrichtung mit einem freien Querschnitt von mindestens 5 vom Hundert der Grund-

    fläche der Treppenräume, jedoch nicht weniger als 1 m2 haben. Die Rauchabzugsvorrichtungen müssen von
    jedem Geschoss aus zu öffnen sein.

    Bei Discountmärkten ist eine Entrauchung in der Regel aber nicht vorgesehen, siehe hier zum Beispiel das Muster- Brandschutzkonzept von Aldi:
    http://www.brandschutz.bureauveritas.de/pdf/Muster%20BSK%20Adli_2006.pdf
    (siehe Seite 20, Punkt 6.2.10 Entrauchung)

    Gruß
    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010