Hallo zusammen,
aus der Nachbereitung des SEM3 und der aktuellen Bearbeitung SOL4-2 habe ich noch eine meiner vielen offenen Fragen auf dem Tisch.
Die sind meiner Meinung nach ausschließlich im wesentlichen für die Ausbildung relevant, über die spätere Praxis reden wir hier ausdrücklich nicht. (Dazu hatte meine AP auch einiges zu sagen. )
Für die Beurteilung wurde uns im SEM3 folgende Rangfolge beigebracht:
1. Spezifische Verfahren (aus Gesetzen und Vorschriften)
2. Qualitative Anforderungen (aus Regeln etc.)
3. Grundpflichten (aus den Gesetzen, aber mit eigener Einschätzung, z. B. mit Risikomatrix)
Die große Frage war nun nach der Definition der Begriffe. Da wurde es dann unscharf.
Hängengeblieben ist:
Spezifisch = Zahlen, Daten, Fakten, Grenzwerte
Also konkrete Grenzwerte aus Vorschriften und Gesetzen, z. B. Arbeitsplatzgrenzwerte, soundsoviel mg/m³ Raumluft, weniger als Y dB(A), Gangbreiten über Z mm. Die Beurteilung ist dann also quantifizierbar (Meßwert aus beschriebenem Meßverfahren im Verhältnis zum Grenzwert) und binär (i.O oder nicht i.O.).
Qualitativ = keine expliziten Grenzwerte vorhanden oder keine Quantifizierung möglich oder vorgegeben.
Unser Beispiel für die SOL4-2: Aus der TRBA462 geht für verschiedene biologische Einwirkungen das Gegenstück einer Ampel Grün/Gelb/Rot hervor. Diese Einstufung nehme ich dann für meine Beurteilung her. (SOL4-2 Feedback ist noch nicht da, also weiß ich nicht, ob das aus Sicht der Lernbegleiter legitim ist oder totaler Blödsinn)
Beispiel aus dem SEM3, das mich am meisten verwirrt hat: Gefahr der Berührung spannungführender Teile in luftisolierter Schaltanlage. Quantitativ liegen mir aus DGUV Vorschrift 3 konkrete Schutzabstände vor, die ich (EFK) überprüfen kann und die in der Praxis eine Entweder-Oder-Entscheidung (bzw. Rot-Grün, um bei der Ampel zu bleiben) liefern. Laut Lernbegleitung hieß es aber, das sei qualitativ zu sehen: "Mitarbeiter dürfen keine spannungsführenden Teile berühren können."
Grundpflichten = Wenn ich gar nichts anderes finde, überlege ich mir einen sinnvollen Maßstab und arbeite daran entlang. Gut, das ist die klassische Rückfallposition, die mir eigentlich am liebsten ist. Hier kann man mit den anderen eine Metrik finden, überprüfen, anpassen - schöner PDCA-Zyklus.
So weit, so gut. Aber der Ingenieur, der ich bin, sucht nun nach möglichst belastbaren und reproduzierbaren Definitionen für die ersten beiden Punkte, wenigstens aber für "Qualitativ".
Wo ziehe ich die Grenze zu "Quantitativ"? Und wessen Sichtweise lege ich für diese Unterscheidung zu Grunde?
Ist z. B. bei Anstoßgefahr am Fenster die Verwendung der in den ASR definierten Bewegungs- und Lufträume ein spezifisches Verfahren? Oder muß ich eher qualitativ herangehen, weil Mitarbeiter sich nicht den Kopf stoßen dürfen, und dann erst in den Maßnahmen konkrete (Grenz-)Werte herausarbeiten?
Diese Unterscheidung hat uns im SEM3 wirklich gefordert, und gelöst ist es für uns immer noch nicht. Auch die Nachfragen und Diskussionen haben uns nicht sicherer gemacht, sondern nur zu fruchtlosen und emotionalen Debatten geführt.
Bestimmt steckt da irgendwo auch der Übergang von der Beurteilung zur Maßnahmenplanung drin, aber wir sehen ihn nicht.
Ich vermute auch, daß das Problem wenigstens zum Teil in der "Lingua DGUV" zu suchen ist und wir uns einfach noch nicht verstehen, weil wir als Teilnehmer die Fachsprache noch nicht verinnerlicht haben und vielleicht auch zu wenig abstrahieren.
Bonusdetail:
Bei der VBG habe ich folgendes Dokument gefunden:
VBG "Spezifische Verfahren zur Beurteilung von Einwirkungen"
Das widerspricht, zumindest in Teilen, den im SEM3 vermittelten Definitionen.
Habt Ihr Quellen, wo diese Stufen besser und genauer definiert sind? Oder habt Ihr für Euch etwas praktikables gefunden?
Nur zur Sicherheit nochmal:
- Es geht nur um die Ausbildung Sifa 3.0.
- Ja, wir haben die Lernbegleiter gefragt. Mehrmals.
- Nein, wir haben die Begriffe außerhalb der Sifa 3.0 und weniger anderer Dokumente nirgendwo gefunden.
Vielen Dank für Eure Hilfe!