Frage/Diskussion: Definition "Spezifisch"/"Quantitativ" in Sifa 3.0

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  • Hallo zusammen,


    aus der Nachbereitung des SEM3 und der aktuellen Bearbeitung SOL4-2 habe ich noch eine meiner vielen offenen Fragen auf dem Tisch.

    Die sind meiner Meinung nach ausschließlich im wesentlichen für die Ausbildung relevant, über die spätere Praxis reden wir hier ausdrücklich nicht. (Dazu hatte meine AP auch einiges zu sagen. :D)


    Für die Beurteilung wurde uns im SEM3 folgende Rangfolge beigebracht:

    1. Spezifische Verfahren (aus Gesetzen und Vorschriften)

    2. Qualitative Anforderungen (aus Regeln etc.)

    3. Grundpflichten (aus den Gesetzen, aber mit eigener Einschätzung, z. B. mit Risikomatrix)


    Die große Frage war nun nach der Definition der Begriffe. Da wurde es dann unscharf.


    Hängengeblieben ist:

    Spezifisch = Zahlen, Daten, Fakten, Grenzwerte

    Also konkrete Grenzwerte aus Vorschriften und Gesetzen, z. B. Arbeitsplatzgrenzwerte, soundsoviel mg/m³ Raumluft, weniger als Y dB(A), Gangbreiten über Z mm. Die Beurteilung ist dann also quantifizierbar (Meßwert aus beschriebenem Meßverfahren im Verhältnis zum Grenzwert) und binär (i.O oder nicht i.O.).


    Qualitativ = keine expliziten Grenzwerte vorhanden oder keine Quantifizierung möglich oder vorgegeben.

    Unser Beispiel für die SOL4-2: Aus der TRBA462 geht für verschiedene biologische Einwirkungen das Gegenstück einer Ampel Grün/Gelb/Rot hervor. Diese Einstufung nehme ich dann für meine Beurteilung her. (SOL4-2 Feedback ist noch nicht da, also weiß ich nicht, ob das aus Sicht der Lernbegleiter legitim ist oder totaler Blödsinn)

    Beispiel aus dem SEM3, das mich am meisten verwirrt hat: Gefahr der Berührung spannungführender Teile in luftisolierter Schaltanlage. Quantitativ liegen mir aus DGUV Vorschrift 3 konkrete Schutzabstände vor, die ich (EFK) überprüfen kann und die in der Praxis eine Entweder-Oder-Entscheidung (bzw. Rot-Grün, um bei der Ampel zu bleiben) liefern. Laut Lernbegleitung hieß es aber, das sei qualitativ zu sehen: "Mitarbeiter dürfen keine spannungsführenden Teile berühren können."


    Grundpflichten = Wenn ich gar nichts anderes finde, überlege ich mir einen sinnvollen Maßstab und arbeite daran entlang. Gut, das ist die klassische Rückfallposition, die mir eigentlich am liebsten ist. Hier kann man mit den anderen eine Metrik finden, überprüfen, anpassen - schöner PDCA-Zyklus. ;)


    So weit, so gut. Aber der Ingenieur, der ich bin, sucht nun nach möglichst belastbaren und reproduzierbaren Definitionen für die ersten beiden Punkte, wenigstens aber für "Qualitativ".

    Wo ziehe ich die Grenze zu "Quantitativ"? Und wessen Sichtweise lege ich für diese Unterscheidung zu Grunde?

    Ist z. B. bei Anstoßgefahr am Fenster die Verwendung der in den ASR definierten Bewegungs- und Lufträume ein spezifisches Verfahren? Oder muß ich eher qualitativ herangehen, weil Mitarbeiter sich nicht den Kopf stoßen dürfen, und dann erst in den Maßnahmen konkrete (Grenz-)Werte herausarbeiten?

    Diese Unterscheidung hat uns im SEM3 wirklich gefordert, und gelöst ist es für uns immer noch nicht. Auch die Nachfragen und Diskussionen haben uns nicht sicherer gemacht, sondern nur zu fruchtlosen und emotionalen Debatten geführt.


    Bestimmt steckt da irgendwo auch der Übergang von der Beurteilung zur Maßnahmenplanung drin, aber wir sehen ihn nicht.

    Ich vermute auch, daß das Problem wenigstens zum Teil in der "Lingua DGUV" zu suchen ist und wir uns einfach noch nicht verstehen, weil wir als Teilnehmer die Fachsprache noch nicht verinnerlicht haben und vielleicht auch zu wenig abstrahieren.


    Bonusdetail:

    Bei der VBG habe ich folgendes Dokument gefunden:

    VBG "Spezifische Verfahren zur Beurteilung von Einwirkungen"

    Das widerspricht, zumindest in Teilen, den im SEM3 vermittelten Definitionen.


    Habt Ihr Quellen, wo diese Stufen besser und genauer definiert sind? Oder habt Ihr für Euch etwas praktikables gefunden?


    Nur zur Sicherheit nochmal:

    • Es geht nur um die Ausbildung Sifa 3.0.
    • Ja, wir haben die Lernbegleiter gefragt. Mehrmals.
    • Nein, wir haben die Begriffe außerhalb der Sifa 3.0 und weniger anderer Dokumente nirgendwo gefunden.

    Vielen Dank für Eure Hilfe!

    Gruß


    Thilo


    "...denn bei mir liegen Sie richtig!"

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  • Servus,


    vielleicht hilft dir das etwas weiter.


    Risikobewertung


    Es gibt z.B. DGUV Info zur "Bedienung von Hubarbeitsbühnen" mit Maßnahmen die getroffen werden sollen. Jetzt prüfst du einfach ob die Maßnahmen die getroffen werden sollen mit dem aktuellen Stand übereinstimmen.

    Hier hast du keine genauen Fakten, sondern eher "Der Gefahrenbereich soll abgesperrt werden". Wie die Absperrung erfolgt ist nicht genauer definiert.


    Gruß,

    Andy

    Grüße,

    Andreas


    „Märchen erzählen Kindern nicht, dass Drachen existieren. Denn das wissen Kinder schon. Märchen erzählen den Kindern, dass Drachen getötet werden können." (G.K. Chesterton)

  • Ich denke, dass ist auch immer ein Stückweit vom Thema abhängig.

    Sind die Anforderungen genauesten definiert oder nur "schwammig" (s. Beipiel "Mestragon").

    Lärm als Grenzwert ist zum Beispiel genau definiert. AGW ebenfalls. Aus meiner Sicht hilft hier viel zu lesen

    oder hier nachzufragen. Ein aus meiner Sicht klasse Beispiel ist das Tragen von Sicherheitskleidung / Schutzkleidung auf Baustellen im Straßenverkehr.

    Was haben wir da alles schon diskutiert. Wie schon geschrieben, abhängig vom Thema.

    Bei spannungsführenden Anlagenteilen sehe ich das auch quantitativ. Abdecken, dann sind die Abstände egal.

    Je nach Spannung, Luftfeuchte und Widerstand, hat Strom die Möglichkeit den kürzesten Weg durch die Luft zu nehmen (Lichtbogen). Abdecken, dann kann das nicht passieren.

    Man(n) ist erst dann ein Superheld, wenn man sich selbst für Super hält!
    (unbekannt)
                                                                                                                                                              
    „Freiheit ist nicht, das zu tun, was Du liebst, sondern, das zu lieben, was Du tust.“
    (Leo Tolstoi)

    *S&E* Glück auf


    Gruß Mick

  • Bonusdetail:

    Bei der VBG habe ich folgendes Dokument gefunden:

    VBG "Spezifische Verfahren zur Beurteilung von Einwirkungen"

    Das widerspricht, zumindest in Teilen, den im SEM3 vermittelten Definitionen.

    Dazu fällt mir gerade noch ein, das ein solches Dokument auch in der Lernwelt zu finden ist. Allerdings wurde von unseren Lernbegleitern auch auf das VBG Dokument verwiesen, da dort mehr spezifische Verfahren genannt werden.

    Grüße,

    Andreas


    „Märchen erzählen Kindern nicht, dass Drachen existieren. Denn das wissen Kinder schon. Märchen erzählen den Kindern, dass Drachen getötet werden können." (G.K. Chesterton)

  • Grundpflichten = Wenn ich gar nichts anderes finde, überlege ich mir einen sinnvollen Maßstab und arbeite daran entlang. Gut, das ist die klassische Rückfallposition, die mir eigentlich am liebsten ist.

    Auch wenn es Dir am liebsten ist, ist das die "schwächste Variante", denn da kommt es auf Deine individuelle Bewertung an und die kann eben abweichen von der Bewertung durch andere Personen => Konfliktpotential ist hier erhöht. Bei den spezifischen oder quantitativen bist Du da viel schneller und einfacher dabei, die Vermutungswirkung der Einhaltung der Vorgaben feststellen zu können.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Hi, vlt hilft dir mein Post aus einem andern Thema:

    Nohl ist "veraltet" oder doch nicht?

    Deine Beispiele wie X Meter Fluchtwegbreite, Abstände o.Ä. wären für mich qualitative Anforderungen (in meinem Prozess "branchen- o- tätigkeitsspezifische Vorgabe").

    Auch wenn da eine Zahl X dahinter steckt, ist die Anforderung entweder erfüllt oder nicht (qualitativ) und gehört zu einem Anforderungskatalog (bei Fluchtwegen bspw. die der ASR A2.3). Die lassen sich gut mit Checklisten prüfen.

    Bei Lärm, AGW oder z.B. auch der Leitmerkmalmethode hätte ich eine quantitative Zahl, mit der ich ich dann bezüglich eines Grenzwertes vergleichen kann (in meinem Prozess "Beurteilungsmaßstab"). Die lassen sich Messen oder mit einem spezifischen Verfahren erheben (Leitmerkmal).

    Einmal editiert, zuletzt von Kai P. ()

  • Hallo


    Die Unterscheidung ist von größter Bedeutung für die Praxis. Arbeitsschutz muss dem Stand der Technik genügen und der ist im Regelwerk beschrieben. Daher muss man bei der Beurteilung der Einwirkungen auch erst prüfen, ob es spezifische Verfahren gibt. Falls nicht: qualitative Mindestanforderungen. Nur wenn es die auch nicht gibt, behilft man sich mit den Grundpflichten.


    Spezifisch bedeutet, es gibt ein konkretes Grenzrisiko bei dessen überschreiten Maßnahmen erforderlich sind. Beispiele: 80dB Lärm, 10.000F/m3 Asbest, Absturzhöhe 1m, UV Index.....


    Qualitativ bedeutet, dass ein Zustand/eine Eigenschaft beschrieben ist. Beispiel: Verkehrswege müssen frei von Stolperstellen sein, das Berühren spannungführender Teile muss unmöglich sein,.... (Spezifisch wäre hingegen: auf einem Verkehrsweg dürfen pro Meter max. 3 Teile liegen. Und das wäre ja Quatsch).


    Grundpflichten bedeutet, dass man das Risiko anhand der Parameter "Eintrittswahrscheinlichkeit" und "Schadensschwere" selber beurteilt. Dabei besteht das Risiko, dass man das aus dem Bauch heraus, nach Gefühl macht. Und da das individuelle Risikoempfinden sehr unterschiedlich ist, ist diese Methode sehr fehleranfällig. Viele empfinden das als "praxisnah". Aber: Man muss beide Parameter valide begründen (z.B. mit Statistiken), das ist schwer und teils unmöglich. Deswegen ist die Beurteilung anhand der Grundpflichten nur zulässig, wenn es keine "besseren" Verfahren gibt und auch nur dann, wenn sie seriös durchgeführt wird.


    Das Seminar 3 ist total überfrachtet mit der Erarbeitung der drei Modelle (Gesundheits-Schaden, Belastung-Beanspruchung, Ressourcen), die dann auch noch als gleichwertig nebeneinander gestellt werden. Richtig hingegen ist, dass das 1. Modell an der Quelle und den Gefahrbringenden Bedingungen ansetzt, während die beiden anderen den Menschen im Blick haben. Da wir aber die Arbeitssysteme an den Menschen anpassen und Gefahren an der Quelle bekämpfen müssen, ist Modell 1 zunächst das relevanteste. Dass es den Urhebern der neuen Ausbildung gefallen hat, Begriffe zu verwenden, die es sonst nirgends gibt, macht es nicht einfacher. Und wenn man dann noch eine "Lernbegleitung" hat, die kein Licht ins Dunkel bringt und statt dessen den Sinn des methodischen Vorgehens in Frage stellt ......


    Das Verständnis des Gesundheitsschaden Modells und der Anwendung der richtigen Beurteilungsverfahren zählt zusammen mit der präzisen Abgrenzung des Arbeitssystems zu den elementaren Werkzeugen der FACHkraft für Arbeitssicherheit. Leider kommt das in dem neuen Ausbildungsformat zu kurz, weil der Fokus auf "Beratungskompetenz" liegt. Woher die ohne Fachkompetenzkommen soll, habe ich noch nicht verstanden.


    Lange Rede kurzer Sinn:

    - Du hast die Begriffe schon richtig zugeordnet.

    - In der Ausbildung gibt es andere Begriffe als in der Praxis.

    - "Lernbegleiter" sind keine Dozenten


    Gruß vom Regelwerk

  • Vielen Dank!

    Fun fact: Ich hatte heute Vormittag ein längeres Gespräch mit meiner AP, da die Einreichung des PRA2-Themas ansteht. Dabei haben wir auch über dieses Thema gesprochen und sie hat die drei Punkte anders formuliert, aber sinngemäß gleich ausgedrückt. Das hilft immens!

    Ihre Unterscheidung fasse ich mal so zusammen: Sind meßbare Grenzwerte aufgeführt, bin ich im spezifischen Bereich; gibt es Regeln oder ähnliche Werke, die die Beurteilung nur beschreiben, bin ich qualitativ. Und erst, wenn es nichts anderes mehr gibt, gehe ich die Selbsteinschätzung.

    Nebenbei: Meinen Punkt mit den Schutzabständen zu spannungführenden Teilen hat sie für meinen Kontext als spezifisch bestätigt.

    Insgesamt schließe ich daraus, daß wir einfach zu viel darüber nachdenken, anstatt die Vorgaben und Aussagen so hinzunehmen, wie sie sind. Damit machen wir uns einen Haufen Arbeit, der in der Praxis sicher sinnvoll ist, in der Ausbildung aber auf Irrwege führen könnte.


    Zu den Lernbegleitern: Ich habe für mich erkannt, daß Lernbegleiter eben auch nur am System entlangarbeiten und stellenweise einen kleineren Wissensvorsprung haben, als man denkt. (Ausnahme: Die 50% der Lernbegleiter, die hauptberufliche Dozenten sind)

    Dann fände ich es gut, wenn dies so auch kommuniziert würde und man dann gemeinsam an Lösungen arbeiten würde, bei denen die Lernbegleiter, die AP und die Teilnehmer ihre Perspektiven einbringen und sich auf dasselbe Niveau heranarbeiten.

    Gemeinsames Lernen auf Augenhöhe und im besten Fall die gemeinsame Entwicklung einer Good Practice, die die BG dann weiterverwenden kann. Das klappt mit den AP sehr gut, mit der Akademie noch nicht so ganz.

    "Das weiß ich nicht, lasst uns eine Antwort finden!" halte ich für völlig legitim. Aber da spricht wieder der Idealist. ;)


    Zu den Modellen:

    Da bin ich auch bei Dir. Das Gesundheitsschaden-Modell (GsM*) ist für mich das Modell für Gefährdungen. Ursache-Wirkung, aus A folgt B. Damit greife ich die Masse der relevanten Einwirkungen.

    Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell (BBM*) hilft mir eher bei mittel- bis langfristigen Einwirkungen, etwa Fehlhaltungen oder ähnlichen Fehlbeanspruchungen. Da komme ich mit LMM & Co. ja auch schon ziemlich weit. Klappt nicht immer, und das ganze ist nicht so einfach-kausal.


    Beim systemischen Anforderungs-Ressourcen-Modell (sARM*) haben praktisch alle nur Fragezeichen. Hier haben wir bisher nichts gefunden, das man mit den Aufzeichnungen allein anfangen könnte. Ich vermute hier liegt der Gewinn auch eher in der gemeinsamen Diskussion über die Verhältnisse, analog zu Planung (Prozeß) vs. Plan (Artefakt).


    * Die Abkürzungen haben wir im Kurs eingeführt, damit wir nicht tausendfaches Copy&Paste haben und nicht allzuviele Stifte verschleißen.

    Gruß


    Thilo


    "...denn bei mir liegen Sie richtig!"

    Einmal editiert, zuletzt von ThiloN () aus folgendem Grund: Smiley entfernt

  • Auch wenn es Dir am liebsten ist, ist das die "schwächste Variante",

    Da stimme ich völlig zu, zumal es dann auch keine unabhängige Autorität gibt, auf die ich zeigen könnte.

    Der Vorteil der Methode liegt aber darin, daß ich sie nicht alleine im stillen Kämmerlein anwende, sondern gemeinsam mit Vorgesetzten und Mitarbeitern eine Situation betrachten, analysieren und dann beurteilen kann. Damit ist nachher jeder in der Pflicht.

    Für die Praxis denke ich daher, die Selbsteinschätzung ist immer noch um Längen besser, als nichts zu tun. Wenn ich höherrangige Verfahren finde oder kennenlerne, kann ich immer noch anpassen. (PCDA läßt grüßen).


    Ob das funktioniert, hängt von den Beteiligten und deren Kultur ab. Aber darauf sind wir letztlich immer angewiesen. Auch höchstdetaillierte Gesetze sind unwirksam, wenn sich einfach keiner dran hält und niemand kontrolliert bzw. sanktioniert. (*hust*Arbeitszeitgesetz*hust*)


    Für die Ausbildung braucht es auf jeden Fall die korrekte Rangfolge, bei der wir dann auf belastbare Definitionen angewiesen sind.


    Das Thema Vermutungswirkung hängt nachher auch von der Perspektive ab:

    Will ich das Ganze so gestalten, daß nachher der Unternehmer nicht in den Knast kommt? Oder will ich es so gestalten, daß sich die Knastfrage gar nicht erst stellt?

    Aber das spielt in der Ausbildung keine Rolle. Von daher lassen wir das hier beiseite.


    Danke für das Feedback!

    Gruß


    Thilo


    "...denn bei mir liegen Sie richtig!"

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  • Damit machen wir uns einen Haufen Arbeit, der in der Praxis sicher sinnvoll ist, in der Ausbildung aber auf Irrwege führen könnte.

    In der Praxis ist die Systematik schon so "ins Blut übergegangen" dass man nicht mehr darüber nachdenkt. Man hat eine Tätigkeit und schaut dann, gibt es dazu genaue Zahlenvorgaben, wenn ja, dann sind die das Maß der Dinge. Wenn nein, dann sucht man ob es Umschreibungen für Grenzen oder best practice Beispiele gibt. Erst wenn es das nicht gibt bemüht man sich um eine eigene Bewertung.

    Wobei man auch bei konkreten Zahlen schnell einmal falsch liegen kann wie z.B. bei den Arbeitsplatzgrenzwerten. Da wird dann eine Messung veranlasst, ist man unter dem AGW fühlt man sich sicher. Ist man das aber wirklich? Formal muss man da noch einige Rahmenbedingungen einhalten um dauerhaft sichere Einhaltung des AGW festzustellen, was oft "vergessen" wird.

    stellenweise einen kleineren Wissensvorsprung haben, als man denkt.

    Woher auch, das sind ja Praktiker, die nach dem alten System gelernt haben und für die viele Begriffe auch neu sind. In der Praxis wird man oft auch auf die ganzen Begrifflichkeiten verzichten, sich eine Systematik aneignen und diese dann anwenden.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Nicht nur für die Ausbildung.

    Die Orientierung an den Grundpflichten ist immer der letzte Notnagel und nicht eine Alternative, die man immer nehmen kann.

  • Die Abkürzungen werde ich übernehmen :)


    Das sARM gehört zu den wenigen Dingen, von denen selbst ich sage: kann man weglassen.

    wenn man den Rest verstanden hat und in der Praxis anwendet, kommt das sARM irgendwann fast automatisch. Da geht es doch um den Zuckerkristall auf der Kirsche auf dem Sahnehäubchen auf einem menschengerechten Arbeitssystem.

  • Hi, vlt hilft dir mein Post aus einem andern Thema:

    Nohl ist "veraltet" oder doch nicht?

    Jein. ;)

    Danke für den Link!

    Der Thread hilft auf jeden Fall, für Dein Schaubild würden mir dann aber erstmal wieder die Definitionen fehlen. "Spezifisch" durch "Beurteilungsmaßstab" zu ersetzen, löst das noch nicht.

    Der Prozeß an sich ist uns auch schon klar, aber der Unterschied zwischen den ersten beiden Stufen ist die Herausforderung. Daran arbeiten wir gerade innerhalb des Teams und mit den beteiligten AP.

    Aber das kriegen wir so langsam raus.

    Und Übung macht den Meister. Je öfter wir unsere Recherche betreiben, desto sicherer werden wir, denke ich. Die nächste Herausforderung ist dann noch die Rückkopplung zu AP und Lernbegleiter. Da bin ich mal egoistisch und sage: "Wenn wir im Kurs das verstanden haben, ist das Ziel erreicht. Der Rest ist Kür."

    Gruß


    Thilo


    "...denn bei mir liegen Sie richtig!"

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  • Nicht nur für die Ausbildung.

    Die Orientierung an den Grundpflichten ist immer der letzte Notnagel und nicht eine Alternative, die man immer nehmen kann.

    Kein Widerspruch von mir.

    Aber, und das habe ich auch mit "meiner" AP vorhin diskutiert: In der realen Praxis ist "Eine GBU liegt vor" schon ziemlicher Luxus, eine GBU mit detaillierter Selbsteinschätzung dann schon die halbe Miete. Nicht gut, aber wenigstens haben sie sich gekümmert, und es läßt sich dort anknüpfen, um die richtige Reihenfolge herzustellen. (Diese Aufarbeitung steht mir dann auch demnächst ins Haus.)

    Wird der GBU-Prozeß aber durch Sifa (die ich ja werden möchte) und/oder qualifizierte Vorgesetzte begleitet, liegen die Ansprüche definitiv so, wie Du das hier beschreibst. Dann gibt es keine Ausreden mehr.


    Nachtrag: Da schließt sich auch der Kreis. So, wie ich das sehe, kommt die neue Sifa 3.0 aus dem erkannten Bedarf, mehr systematischen Arbeitsschutz umzusetzen. Dabei sollen die Sifas in erster Linie und die AP in zweiter Linie vorleben, anleiten, beraten, standardisieren.

    Umso wichtiger wäre eine fundierte und einheitliche Ausbildung, in der Erwartungshaltungen der BG formuliert und verfestigt werden. Daran klemmt es noch.

    Gruß


    Thilo


    "...denn bei mir liegen Sie richtig!"

    Einmal editiert, zuletzt von ThiloN () aus folgendem Grund: Ergänzung im Nachtrag

  • Genau. Allerdings wäre es noch wichtiger, die Erwartungshaltung des Staates zu formulieren und zu verfestigen. Ich halte es für eine fatale Fehleinschätzung, dass Beratungskompetenz keine Fachkompetenz erfordert.

    Zugrunde liegt wohl die irrige Annahme, dass die Beratungsleistung der Sifa willkommen und erwartet ist und die Entscheider sich dankbar auf den Weg der Lösungssuche machen, wenn man sie erstmal motiviert und den Prozess angestoßen hat.

    Die Realität sieht anders aus: der AG erwartet, Probleme gezeigt und Lösungen angeboten zu bekommen. Ich persönlich finde diese Erwartungshaltung auch vollkommen nachvollziehbar und richtig. Ich erwarte vom Steuerberater ja auch, dass er die Steuererklärung macht und nicht, dass er mir aufzeigt, was für eine Bereicherung es wäre, wenn ich mir die Kompetenzen aneignen würde, dies selbst zu tun.


    Wenn man mal ehrlich ist: viele Sifa agieren doch heute schon aus dem Bauch heraus und nicht auf Basis der Regeln. Auch hier im Forum wird ja oft vermutet, geglaubt, gemeint. Aber wer keine Ahnung hat, wird nicht ernst genommen. Ich fürchte, das wird mit der neuen Ausbildung eher schlimmer als besser.

  • Genau. Allerdings wäre es noch wichtiger, die Erwartungshaltung des Staates zu formulieren und zu verfestigen. Ich halte es für eine fatale Fehleinschätzung, dass Beratungskompetenz keine Fachkompetenz erfordert.

    ...


    Wenn man mal ehrlich ist: viele Sifa agieren doch heute schon aus dem Bauch heraus und nicht auf Basis der Regeln. Auch hier im Forum wird ja oft vermutet, geglaubt, gemeint. Aber wer keine Ahnung hat, wird nicht ernst genommen. Ich fürchte, das wird mit der neuen Ausbildung eher schlimmer als besser.

    Ja, das trifft es ganz gut. Deswegen tendiere ich auch dazu, Sifa-"Ausbildung" möglichst mit Anführungszeichen zu schreiben. Der fachliche Teil ist 99% Selbststudium und direkt davon abhängig, welche Haltung jemand zum Gesamtkomplex Sifa hat. Die einen wühlen sich durch hunderte Regeln, Informationen und Gesetze; andere gehen nach "Vier gewinnt". Wenigstens die wichtigsten Regeln (DGUV V1, V2, ArbSchG) sollten mit Moderation und Erläuterung bearbeitet werden, anstatt sich darauf zu verlassen, daß die Teilnehmer sich schon die richtigen Deutungen zurechtlegen werden.


    Zur Erwartungshaltung, zumindest die der BG, habe ich dann auch mal gefragt, vor allem im Blick auf fachliche Dinge jenseits der reinen Methoden. Der Satz begann mit "Sie glauben doch wohl nicht, daß wir..."

    Kurz darauf hieß es dann in anderem Kontext "Sie als Sach- und Fachkundige...". Das Thema "Good Practice" oder "Mindeststandard" lassen wir mal gleich weg.

    Allein sowas entwertet schon die nach außen kommunizierte Rolle der Sifa und macht es den Sifas nachher deutlich schwerer, sich sinnvoll im Unternehmen einzubringen. Und der (aus Sicht z. B. des Vertragsmanagements) durchaus leichtfertige Umgang mit Begriffen wie "Sachkunde", "Fachkunde" und "Stand der Technik" legt die Meßlatte viel zu hoch.


    Alle Beteiligten kochen nur mit Wasser und sind in der Realität auf Netzwerke angewiesen. Das kommt in der "Ausbildung" viel zu kurz. Hier sind viel zu viele Alleingänge drin, vermutlich um die individuelle Benotung zu rechtfertigen bzw. zu ermöglichen.


    Aber lassen wir das, ehe wir uns hier heißreden.

    Mir macht das ganze durchaus Spaß, nicht zuletzt, weil ich Dank meiner Erfahrung in SGU nicht alles so hinnehmen muß. Ohne Vorerfahrung wäre das ganze Thema aber echt ein dickes Brett.

    Gruß


    Thilo


    "...denn bei mir liegen Sie richtig!"

  • viele Sifa agieren doch heute schon aus dem Bauch heraus

    Na, ich habe ja alle Regelungen "gefressen", somit kann ich auch aus dem Bauch heraus entscheiden. ;)

    Zunächst einmal muss man sehen, dass die SiFa als Generalist gar nicht jedes Detail einer Regelung kennen kann. Weiterhin muss man beachten, dass der Ordnungsgeber in den letzten Jahren von konkreten Vorgaben weg gegangen ist und heute vieles den Unternehmern überlässt, nur mit der Zielvorgabe Arbeitsunfälle verhindern. Daraus ergibt sich dann der Fokus auf die Gefährungsbeurteilung, denn wenn die ordentlich durchgeführt wurde, sollte man dem Ziel schon nahe kommen.

    durchaus leichtfertige Umgang mit Begriffen wie "Sachkunde", "Fachkunde"

    Wobei auch diese Begriffe in der Historie oft andere Bedeutungen hatten und auch heute noch, je nach Rechtsgebiet, für den gleichen Begriff unterschiedliche Definitionen gelten.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Wir sollten mal Kaffee zusammen trinken, wir verstehen uns :doppelthumbsup: