BBS: Behavior Based Safety/ Verhaltensbasierte Sicherheit

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  • Hallo zusammen,


    ich bin vor kurzer Zeit über das Thema BBS gestolpert. Besonders im Bezug auf das Themenfeld Logistik.


    Da das Thema von den BG´n nicht wirklich Beachtung findet würde es mich Interessieren wer sich mit dem Thema schon befasst hat, ob man da schon Erfolge ableiten konnte und welche Informationsquellen bzw. auch Seminare dafür hilfreich sind. Bis jetzt konnte ich nur eine größere Anzahl an Informationsquellen aus den USA finden.


    Behavior Based Safety - Worum es geht – BGHW


    Ich freue mich eure Meinungen, Informationen und hoffentlich einen regen Austausch bzw. rege Diskussion.


    Gruß Ulrich


    :Franken:

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  • Hallo Ulrich,


    für unseren Konzern ist das Thema BBS schon wieder erledigt. Wir haben es ca. 10 Jahre umgesetzt und teilen die Auffassung, dass BBS in der überwiegenden Mehrheit der Firmen nicht korrekt angewandt bzw. eingeführt wird/wurde. Auch bei uns.

    BBS wurde als Kontroll- und Dokumentationsinstrument missbraucht, um Mitarbeitern, die nicht den Vorgaben entsprechend arbeiten, zu belangen. Relativ schnell wurde daher von den Beobachtern (Observern) gegenüber den Beobachteten permanent 100% sichere Arbeitsweisen dokumentiert. Und das unsichere Verhalten wurde nicht erkannt und abgestellt.

    Deswegen führen wir jetzt HOP ein. Leider gibt es dazu im deutschsprachigen Raum noch nicht sehr viele Hilfsmittel, aber das wird schon kommen.


    Schau doch mal hier nach:

    BBS Sifaboard

    Quentic Webinar

    Faktor Mensch - Christoph Bördlein

    Dekra BBS


    ORCHSE HOP

    HOP HUB

    Do Safety Differently

    Failure to Predict


    Gruß, Niko

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • Leider kann ich dir keine Erfahrung zu BBS geben.

    Finde aber grundstäzlich die Systematik hinter der Bradley-Kurve recht interessant.

    Viele Firmen sind da noch zu weit links... Hier mal ein Film dazu:

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    Einmal editiert, zuletzt von Kai P. ()

  • Ich hab den Kurs bei Christoph Bördlein an der Uni Würzburg gemacht, ich fand den Kurs gut.

    Die Theorie dahinter hat mich fasziniert (Behaviorismus nach B.F. Skinner), ist nur in Deutschland nicht so beliebt, hier ist die kognitive Psychologie wohl vorherrschend, leider.

    Praktisch anwenden konnte ich das leider nicht, da ein Unternehmen gewisse Voraussetzungen erfüllen sollte, die in meinem Unternehmen nicht gegeben sind.


    Allgemeine anwendbare Erkenntnisse aus dem Kurs bzw. BBS sind die Überlegungen zu der Wirksamkeit von Strafen, der Problematik, die richtigen Ziele zu setzen.

    Beispiel, das jeder kennt: hat man das Ziel "Null Unfälle", kann es zur Vermeidung von Unfallmeldungen kommen, wenn das Ziel belohnt oder bei Nichterreichung bestraft wird.

    Die verhaltspsychologische Analyse dazu fand ich erhellend.


    JS

    Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon?

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  • Das Hauptproblem an BBS ist, dass man das Verhalten von anderen nicht ändern kann. Man kann höchstens versuchen, andere dazu zu bringen, ihr eigenes Verhalten zu ändern.


    Das ist langwierig und schwierig und führt oft zu Vermeidungsstrategien, dass Leute ihr Verhalten nicht wirklich ändern sondern stattdessen viel Energie aufwenden um dies zu verschleiern.


    Außerdem führt BBS oft dazu, dass ganz normale menschliche Fehler als Abweichung gesehen und sanktioniert werden.

    Das übersieht, dass Fehler etwas Normales sind und von jedem Menschen gemacht werden. "Behaviour Based" wird dann gerne so interpretiert, dass der Fehler, der zu einem Unfall geführt hat auf vorsätzliches, "abweichendes Verhalten" zurückzuführen ist, anstatt auf ganz normale menschliche Fehlbarkeit.


    Risikoaffines Verhalten ist übrigens evolutionsbiologisch recht erfolgreich und deshalb ziemlich tief in uns verdrahtet - ganz abgesehen davon, dass es auch gessellschaftlich eher positiv besetzt ist.

    Zum bewunderten Helden wird man, indem man hohe Risiken eingeht (und überlebt).

    Sicherheitsfixierte Menschen werden oft als Spaßbremsen wahrgenommen und bekommen vermutlich keine Orden für Tapferkeit...


    Ich finde, man kann keinen sinnvollen Arbeitsschutz gegen die menschliche Natur machen, sondern muss sich um die Rahmenbedingungen, in denen gehandelt wird und wo Fehler passieren Gedanken machen.


    In diesem Sinne:

    No Risk, No Fun!

  • Hallo Ulrich


    das Thema BBS wird bei der BG unter dem Begriff "Nudging" (ETEM) beworben, daher findet man es vielleicht nicht direkt unter dem bekannten Begriff.

    Das Problem an BBS ist sicherlich, wie man es im Unternehmen umsetzt und so wie bei allen Themen, man es am Leben halten kann. Ich hab eine Strategie daraus gemacht und nun ist diese seit 2018 ein Teil unserer Unternehmensstragie. Mit welchem Erfolg? Wir haben seit 2 Jahren keine meldepflichtigen Unfälle mehr und die Mitarbeiter fühlen sich mehr als Teil der Betriebes und bei einige Themen abgeholt.
    Der Meinung, dass das keinen Sinn macht, kann ich aus meinen Erfahrungen daher nicht teilen. Letzendlich sollten wir alles versuchen, zum Schutz und Gesundheit am Arbeitsplatz alle Maßnahmen anzuwenden. Verhalten ist keine Projekt wo einen Anfang und ein Ende hat, sondern dafür braucht es Zeit und einen guten Prozess dahinter. Behavior Based Safety sollte nach meiner Meinung mehr ein Teil des "Standards" zum Arbeitsschutz werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Ecki ()

  • Das Hauptproblem an BBS ist, dass man das Verhalten von anderen nicht ändern kann. Man kann höchstens versuchen, andere dazu zu bringen, ihr eigenes Verhalten zu ändern.

    Das ist langwierig und schwierig und führt oft zu Vermeidungsstrategien, dass Leute ihr Verhalten nicht wirklich ändern sondern stattdessen viel Energie aufwenden um dies zu verschleiern.

    Außerdem führt BBS oft dazu, dass ganz normale menschliche Fehler als Abweichung gesehen und sanktioniert werden.

    Das übersieht, dass Fehler etwas Normales sind und von jedem Menschen gemacht werden. "Behaviour Based" wird dann gerne so interpretiert, dass der Fehler, der zu einem Unfall geführt hat auf vorsätzliches, "abweichendes Verhalten" zurückzuführen ist, anstatt auf ganz normale menschliche Fehlbarkeit.

    Vermeidungsstrategien zu vermeiden ist ein wichtiges Thema von BBS.


    Ein Ziel von BBS ist es, sicheres Verhalten zu fördern. Sanktionen sind eben nicht Teil von BBS, das würde es ins Gegenteil verkehren.


    Ich kann nur empfehlen, sich mit BBS zu beschäftigen.


    JS

    Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon?

  • Ich war in einem Unternehmen tätig, indem man BBS eingeführt und regelmäßig auch betrachtet hat. Auch ich muß hier Niko recht geben, denn genau das war bei uns auch passiert. Auch wurden die auszufüllenden Kärtchen einfach vom Stuhl aus gemacht, ohne irgendetwas beobachtet zu haben, Hauptsache man hat etwas eingetragen. Dies erfüllt nicht den Sinn und Zweck. Meiner Meinung nach sind das Hilfsmittel für die Verantwortlichen umso an die regelmäßigen Rundgänge erinnern zu werden. Denn gerade ein AL hat nicht nur den Arbeitsschutz im Kopf. Das runter Brechen von BBS auf jeden MA ist nicht Zielführend.


    VG

    Begeistere die Menge und der Schutz sei Ihrer ;)

    Einmal editiert, zuletzt von KriSe ()

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  • BBS kann sehr wohl und gut funktionieren. BBS darf aber bitte nicht als statitsches Werkzeug oder Tool angesehen werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bereits mit der "Einführung" eines "BBS Programms" Fehler gemacht wurden. Da wird lediglich von der Arbeitssicherheit ein netter Flyer, Aushang Poster etc. rausgegeben und erwartet das das ein Selbstläufer ist.


    Für die Entwicklung eines solchen Programms ist viel Vorarbeit erforderlich und alle relevanten Stakeholder sind mit ins Boot zu holen, auch der Betriebsrat. Hier sind klare, deutliche und unmissverständliche Regeln gemeinsam festzulegen. Ferner sollte ausgelotet werden, ob BBS nicht auch in bestehende Konzepte, Tools, Communities, Plattformen etc. integriert werden kann, z.B. in sog. Stand-Up-Meetings, um besondere Verhaltensweisen öffentlich zu erwähnen. Die Settings der einzelnen Arbeitsgruppen, Abteilungen, Bereiche (Büro, Lager, Produktion) sollten durchgespielt werden. Durchaus müssen Fehler auch verhältnismäßig sanktioniert werden dürfen. Wichtig ist auch, dass man ausreichend Multiplikatoren gibt, die das Programm zusätzlich puschen.

  • Hallo


    Letztlich geht es doch darum, dass die Menschen die zur Verfügung stehenden Schutzeinrichtungen und Maßnahmen auch nutzen bzw. umsetzen.

    BBS ist also kein Ersatz für den technischen und organisatorischen Arbeitsschutz, sondern eine Ergänzung.

    Stichworte: Verhältnis- und Verhaltensprävention.

    Da die Verbesserungen im Stand der Technik sich immer weniger auf die tatsächlichen Unfall und BK Zahlen auswirken, wird BBS immer wichtiger. Damit das nicht als hohles BLA BLA krepiert, sind einige Voraussetzungen nötig:


    1. Arbeitsschutz nach dem Stand der Technik mit sinnvollen und rechtskonformen Maßnahmen und Regelungen

    2. Die Verantwortlichen haben den Arbeitsschutz verstanden und sehen den Sinn (rechtlich, moralisch und betriebswirtschaftlich)

    3. Die Verantwortlichen kennen ihre Mitarbeiter und den Stand der Umsetzung der Regelungen

    4. die MA erhalten regelmäßig ein Feedback