Desinfektionsmittel - Hersteller vs. VAH vs. RKI

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  • Moin,


    ich stehe gerade etwas auf dem Schlauch, und bevor ich unserem Gesundheitsamt den Krieg erkläre benötige ich mal Hilfe, ob ich zu doof bin oder die Welt für mich zu kompliziert. ;)


    In unseren Kinderbetreuungseinrichtungen legt das Gesundheitsamt immer größten Wert darauf, dass die verwendeten Desinfektionsmittel VAH-gelistet sind. Das ist ja weiter auch kein Thema. das kann ich über https://vah-liste.mhp-verlag.de/ ja wunderbar prüfen. Nehmen wir z.B. mal das Produkt Desifor-Plexifee. Der Hersteller wirbt mit:


    Produkteigenschaften Gebrauchsfertig Bakterizid (inkl. MRSA) und levurozid Begrenzt viruzid (inkl. HIV, HBV, HCV, Coronaviren) Begrenzt viruzid PLUS (inkl. Rota-, Noro-, und Adenoviren) DEKRA-zertifizierte Materialverträglichkeit für Acrylglas Frei von Aldehyden Frei von Duft- und Farbstoffen Exzellente Reinigungseigenschaften Kennzeichnungsfrei (nach GHS) VAH-gelistet IHO-gelistet HACCP-konform

    Klingt erst mal toll. Schaue ich dann aber in die VAH-Liste, wird das Produkt ausgewiesen als "bakterizid/levurozid". Das wiederum ruft die nette Dame des Gesundheitsamtes wieder auf den Plan "Hilft nix gegen Viren, hilft nix gegen Corona, hilft gar nix....." :rolleyes: Das Produkt ist also beim RKI gar nicht gelistet, bei VAH nur als "bakterizid/levurozid", beim IHO als "bakterizid/levurozid/begrenzt viruzid/begrenzt viruzid plus".


    Die RKI-Liste weist Mittel aus, die besondere Anforderungen erfüllen und vor allem in Situationen angewendet werden, in denen eine Desinfektion nach §18 IfSG behördlich angeordnet wird, wie ggf. in bestimmten Ausbruchssituationen oder bei speziellen Erregern.


    Die VAH-Liste enthält zertifizierte Produkte zur Auswahl für die routinemäßige und gezielte Desinfektion in der Alltagsanwendung (beispielsweise in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen), wenn eine Desinfektion angezeigt ist.


    Die IHO-Liste berugt auf den Angaben der Hersteller, ohne dass hier eine weitere Prüfung auf die Richtigkeit der Angaben erfolgt.


    Liege ich da so weit richtig?


    Die VAH-Zertifizierung basiert auf der Bewertung des Produkts anhand von zwei separaten gutachterlichen Stellungnahmen und den jeweils dazugehörigen Prüfberichten von voneinander unabhängigen und herstellerunabhängigen, akkreditierten Laboratorien. Die VAH-Zertifizierung ist ein besonderes Qualitätsmerkmal für das Produkt, jedoch nicht verpflichtend für den Hersteller.


    Bleiben wir jetzt mal bei meinem Produkt. Wo ich gedanklich gerade nicht mitkomme: Der Hersteller hat sich dem VAH-Prozess unterzogen, erscheint aber auf der Liste nur mit "bakterizid/levurozid". Heißt das jetzt für mich, dass die Herstellerangabe in der IHO-Liste nicht den Tatsachen entspricht? Ich bin gerade etwas ratlos.


    Nach Angaben des VAH besteht für die Hersteller ja keine Verpflichtung einer VAH-Zertifizierung. Der VAH schreibt über sich selbst:


    Der Verbund für Angewandte Hygiene ist ein Verein, welcher Listen über geprüfte Desinfektionsmittel für medizinische und nicht medizinische Einrichtungen veröffentlicht.


    Kann das Gesundheitsamt demnach überhaupt fordern, dass nur VAH-gelistete Produkte eingesetzt werden?


    Erleuchtet mich mal bitte :/


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

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  • Moin,


    langsam kommt Licht ins Dunkel. Ich habe gerade die Zertifikatsgeühren des VAH gefunden. Kein Wunder, dass die Herstellerangaben in Teilen von den Angaben des VAH abweichen. Wenn ich für jede kleine Änderung und/oder Bestätigung dort Kohle abdrücken muss, überlege ich mir irgendwann doch, ob mir der Eintrag beim VAH soooo wichtig ist. Ich bin aber für weitere Infos von Menschen, die sich mit der Materie auskennen, dankbar.


    Wo sind eigentlich die Nervensägen aus dem Krankenhaus, wenn man sie mal braucht? ^^


    Gruß Frank

  • Kommt darauf an, was die Mindest-Vorgaben des Gesundheitsamtes sind...


    Flyer VAH

    "...Alle Produkte in der VAH-Liste wirken gegen Bakterien, auch antibiotikaresistente oder gramnegative Bakterien, sowie Hefepilze. Diese Wirkspektren sind für die Anwendung von Desinfektionsverfahren in jedem Fall mindestens erforderlich...."


    "...Für alle Produkte in der VAH-Liste besteht seit 2010 für die Hersteller die Möglichkeit, die Prüfberichte und Gutachten zur Viruswirksamkeit nach aktuellem wissenschaftlichem Stand (DVV/RKI, EN) kostenfrei unabhängig bestätigen, zertifizieren und listen zu lassen..."

    Sieht für mich nach Freiwilligkeit aus...

    FAQ VAH


    Scheint bei der VAH so zu sein, dass die mindestens bakterizid sowie gegen Hefepilze wirken müssen, um überhaupt in der Liste zu erscheinen. Hat der Hersteller genügen Geld und möchte er unbedingt auch das andere zertifizieren lassen, dann erscheint er auch mit viruzid etc... in der Liste.

    Sie ist halt DAS Referenz-Organ... welches von anderen Institutionen EMPFOHLEN wird.


    Auch die IHO-Liste will nur einen Überblick geben... anhand der Herstellerangaben und der Einschätzung eigener Experten... aber zusätzlich zertifiziert scheint da nichts zu sein...


    So wie du schon geschrieben hast... RKI listet dann Mittel, die bestimmten Anforderungen entsprechen müssen - hier sehe ich die Notwendigkeit des viruzid, viruzid plus etc Nachweises.

    Beste Grüße aus Mainz


    E.weline



    Versicherung der Unsicherheit ist Sicherheit.

    Hanspeter Rigs (*1955), Dr. phil., deutscher Philosoph und Aphoristiker


  • Für alle Produkte in der VAH-Liste besteht seit 2010 für die Hersteller die Möglichkeit, die Prüfberichte und Gutachten zur Viruswirksamkeit nach aktuellem wissenschaftlichem Stand (DVV/RKI, EN) kostenfrei unabhängig bestätigen, zertifizieren und listen zu lassen..

    Das ist seit dem 01.04.2021 Geschichte. Das kostet jetzt auch Kohle.

    Auch die IHO-Liste will nur einen Überblick geben... anhand der Herstellerangaben und der Einschätzung eigener Experten... aber zusätzlich zertifiziert scheint da nichts zu sein...

    Zitat von IHO

    In allen öffentlichen und für die Gesundheit sensiblen Bereichen besteht eine große Verantwortung zur Erhaltung eines hohen Hygienestandards. Um die Anwender von Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern, Arztpraxen, Schulen, Kindergärten und Pflegeeinrichtungen bei ihrer Arbeit zu unterstützen, hat der IHO die IHO-Desinfektionsmittelliste entwickelt. Hier können die Hersteller eigenverantwortlich die Wirksamkeitsergebnisse ihrer Produkte eintragen. Die Wirksamkeit der Produkte muss von akkreditierten Prüflaboren normgerecht geprüft worden sein.

    Siehe auch: https://www.iho.de/aktuell/die…uer-das-gesundheitswesen/


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

    Einmal editiert, zuletzt von Guudsje ()

  • Ein guter Punkt...

    Ich habe noch das hier gefunden:

    Unterschiede RKI, VAH und IHO Listen

    Relevant wird das "Auch Anwender müssen keine gelisteten Desinfektionsmittel einsetzen – es sei denn, es handelt sich um behördlich angeordnete Desinfektionen gem. § 18 Infektionsschutzgesetz." sein, sowie beim RKI nachzulesen "Im Ausbruchsfall können, bei behördlich schriftlich angeordneten Desinfektionen müssen die hier gelisteten Mittel zur Entseuchung eingesetzt werden.".

    Beste Grüße aus Mainz


    E.weline



    Versicherung der Unsicherheit ist Sicherheit.

    Hanspeter Rigs (*1955), Dr. phil., deutscher Philosoph und Aphoristiker


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  • Moin,


    das ist genau mein Ansatzpunkt für die "Kriegserklärung". Wir desinfizieren in einer Kinderbetreuungseinrichtung nicht standardmäßig auf "Teufel komm raus". Wenn es akut wird, ist sowieso das Gesundheitsamt mit im Boot, und wir stimmen mit denen die auf den Ausbruch angepasste Infektion ab. Insofern sehe ich keine Notwendigkeit, im Standardbetrieb Desinfektionsmittel mit VAH-Listung einzusetzen.


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Moin,


    ich habe mich jetzt durchgewühlt und folgendes für mich herausgefunden. Vielleicht kann es ja der eine oder andere brauchen:


    Eine frühere Anfrage der Einrichtungsleitung, ob ein eingesetztes Desinfektionsmittel aus Sicht des Gesundheitsamtes geeignet sei, wurde wie folgt beantwortet:


    Sehr geehrter Herr XYZ,


    nein das u.g. Mittel ist nur bakterizid/levurozid nach VAH-Listung freigegeben.Somit bzgl. dem SARS-CoV-2 Erreger nicht geeignet. Die Eignung können Sie auch unter dem folgenden Link prüfen: https://vah-liste.mhp-verlag.de/



    Diese Aussage ist in dieser Form nicht korrekt. Hersteller von Desinfektionsmitteln können beim VAH einen Antrag stellen, dass sie auf die Liste des VAH aufgenommen werden. Laut Angabe des VAH müssen folgende Kriterien erfüllt sein, um in die VAH-Liste aufgenommen zu werden (Quelle: Desinfektionsmittelkommission des VAH):


    Voraussetzung für die Eintragung in die Liste ist der Nachweis der:

    Bakterizidie (d.h. wirksam gegen Bakterien, ohne bakterielle Sporen) und

    Levurozidie (d.h. wirksam gegen Hefen/Sprosspilze, z.B. C. albicans)


    Zusätzlich können spezielle Kennzeichnungen vorliegen für


    Tuberkulozidie (d.h. wirksam gegen Erreger der Tuberkulose, die durch sog. typische Mykobakterienstämme wie M. tuberculosis hervorgerufen wird)

    Mykobakterizidie (d.h. wirksam gegen atypische Mykobakterien wie M. avium, M. ulcerans oder M. intracellulare)

    Fungizidie (d.h. wirksam gegen Schimmelpilze und deren Sporen, z.B. Aspergillus.)

    Viruswirksamkeit (d.h. begrenzt viruzid, begrenzt viruzid PLUS oder viruzid)


    Hersteller, die einen Antrag auf Aufnahme in die VAH-Liste stellen, müssen eine bakterizide und levurozide Wirksamkeit ihres Produktes nachweisen. Sind diese Kriterien erfüllt, wird das Produkt durch den VAH kostenpflichtig zertifiziert. Wenn der Hersteller weitere Wirkspektren seines Produktes in der Liste hinzufügen möchte, ist eine kostenpflichtige Zertifikatserweiterung erforderlich.


    Mit Beschluss vom 11.12.2020 hat die Desinfektionsmittel-Kommission im VAH entschieden, die Gebühren für Zertifizierungsanträge mit Wirkung vom 01.04.2021 neu festzulegen. Anträge zur Viruswirksamkeit wurden vom VAH bis zu diesem Datum als kostenneutral behandelt. Seit dem 01.04.2021 müssen die Hersteller eine Zertifizierungsgebühr zuzüglich zu den sonstigen Zertifizierungsgebühren entrichten, wenn eine Viruswirksamkeit in der VAH-Liste ausgewiesen werden soll.


    Der VAH gibt keine Produkte für bestimmte Wirkspektren frei, sondern die Hersteller müssen eine Zertifizierungsgebühr entrichten, damit die Wirkspektren des jeweiligen Produktes in der Liste aufgeführt werden. Die Tatsache, dass ein Produkt auf der VAH-Liste mit den Wirkspektren bakterizid und levurozid aufgeführt ist, bedeutet nicht, dass dieses Produkt ausschließlich diese Wirkspektren umfasst. Ein Produkt kann demnach wirksam gegen Viren und in der VAH-Liste trotzdem nur mit den Wirkspektren bakterizid und levurozid aufgeführt sein.


    Für Desinfektionsmittel existieren diverse Listen, in denen auch die Wirkspektren angegeben werden.


    RKI-Liste (Robert-Koch-Institut als Bundesoberbehörde gemäß IfSG)

    Die Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel gilt für den Seuchenfall. Sie kommt bei behördlich angeordneten Desinfektions- und Entseuchungsmaßnahmen nach § 18 des Infektionsschutzgesetzes zum Einsatz. Bei routinemäßiger Desinfektion verweist das Robert Koch-Institut beispielsweise auf Gutachten nach anerkannten Prüfmethoden, wie sie in EN Normen stehen oder auch die VAH-Liste. Da die Relevanz der RKI-Liste auf den Seuchenfall bezogen ist, stellt sie eine Ergänzung zur IHO-Desinfektionsmittelliste für routinemäßige Desinfektionsanwendungen dar.


    VAH-Liste (Verbund für Angewandte Hygiene e.V.)

    Wurde vorab bereits erläutert.


    IHO-Liste (Industrieverband Hygiene & Oberflächenschutz)

    Auf der Desinfektionsmittelliste des IHO finden Anwender die auf Viruswirksamkeit geprüften Produkte in den Anwendungsgebieten Händedesinfektion, Flächendesinfektion und Instrumentendesinfektion – einschließlich der zugehörigen Einsatzkonzentrationen und Einwirkzeiten. Die hier gelisteten Desinfektionsmittel wurden entsprechend der europäischen Normen (z.B. EN 14476) auf Wirksamkeit, und somit dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik, geprüft.


    Sollte eine Behörde darauf bestehen, dass nur Desinfektionsmittel eingesetzt werden dürfen, die in der VAH-Liste als „Viruzid, begrenzt viruzid oder begrenzt viruzid PLUS“ aufgeführt sind, könnte die dazu führen, dass im Rahmen der Routinedesinfektion ein Desinfektionsmittel von Seiten der Behörde als „nicht durch den VAH freigegeben“ abgelehnt wird, während das gleiche Desinfektionsmittel im Rahmen einer behördlich angeordneten Desinfektion gemäß §18 (1) Nr.1 IfSG von Seiten der Behörde empfohlen wird, da es auf der RKI-Liste mit den Wirkspektren AB geführt wird.


    Beispiel:

    Das Produkt ABC wird auf der VAH-Liste mit den Wirkspektren bakterizid/levurozid geführt und würde demnach von der Behörde als nicht wirksam gegen das SARS-CoV-2-Virus eingestuft werden.


    Auf der RKI-Liste wird das Produkt ABC mit dem Wirkbereich AB geführt und somit für eine behördlich angeordnete Desinfektion gemäß §18 (1) Nr.1 IfSG zugelassen. Die Einstufung in der VAH-Liste besagt demnach nicht, dass das Produkt über keine Viruswirksamkeit verfügt.


    Ich hoffe, ich habe es verständlich genug rübergebracht. Wenn Ihr Denkfehler findet - immer her damit.


    Gruß Frank


    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Moin,


    gestern stand auf einmal die Tante vom Gesundheitsamt in einer Kjndertagesstätte, weil sie einen Termin mit der Leitung hätte. Niemand wusste von irgend etwas. Die Leitung hat die Tante gefragt, ob sie denn jetzt den Hygieneplan gesichtet hätte und ob hinsichtlich der Desinfektionsmittel noch etwas zu klären wäre. Kein Ton zu den Desinfektionsmitteln, aber im Hygieneplan würde die verantwortliche Person fehlen, die das Schubfach für das Waschpulver der Waschmaschine reinigt. :cursing:


    Sollte jemand von Euch beim Nachwuchs einen Notfall ahben, kann er sich gerne bei mir melden. Wir werden demnächst in unseren Kinderbetreuungseinrichtungen auch Operationen am Kind durchführen, da wir steriler sind, als jeder OP. :rolleyes:


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Sollte jemand von Euch beim Nachwuchs einen Notfall haben, kann er sich gerne bei mir melden. Wir werden demnächst in unseren Kinderbetreuungseinrichtungen auch Operationen am Kind durchführen, da wir steriler sind, als jeder OP.

    Ich beneide euch!
    Bei uns wird nicht mal mehr ein Splitter gezogen, weil wohl irgendein Arzt abends dem Helikopter-Papa erklärt hat, dass der Splitter von mittags besser drin geblieben wäre...

    „Ich habe 26 eklatante Sicherheitsverstöße gezählt!...27!!!!!!!!“ (frei nach Melman Mankowitz, Madagascar)

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  • Bei uns wird nicht mal mehr ein Splitter gezogen, weil wohl irgendein Arzt abends dem Helikopter-Papa erklärt hat, dass der Splitter von mittags besser drin geblieben wäre...

    Wir lassen das im Zeltlager von den Eltern unterschreiben, dass wir das machen dürfen. Ansonsten würden wir aber auch mehrmals täglich mit Spreißeln zum Arzt rennen.