Verlängerung der zeitlichen Grenze einer Maschine

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  • Guten Tag,

    was muss man tun, damit man die "Lebenszeit" einer Maschine verlängern kann?

    Konkret geht es um eine Maschine, die 20 Jahre alt ist und laut Doku und Risikobeurteilung auf 20 Jahre ausgelegt wurde.

    Auf der Tonspur hatte ich mal in einer Schulung gehört, dass eine komplett neue Bewertung einer Maschine gemacht werden muss.

    Maschinengestell müsste geprüft werden und die Sicherheit auf den Stand der Technik gebracht werden.

    Wie sind eure Erfahrungen? Lohnt eher ein Neukauf?

    Gruß

    Matrou

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  • Moin,

    erstmal vorne weg.

    Einen Bestandschutz für "Alt"-Maschinen gibt es nicht.

    Maschinen müssen immer dem Stand der Technik und den Verordnungen entsprechen.

    D.H. die Sicherheitseinrichtungen müssen dem Stand der Technik entsprechen, ist dies nicht der Fall, ist ein weiteres Betreiben der Maschine nicht zulässig, bis sie nachgerüstet ist. Siehe dazu MRL 2006/42/EG.

    Wenn sich ein Umrüsten aus technischer und finanzieller Sicht lohnt, warum nicht, ABER !!!!! OBACHT!!! Wenn es dabei zu wesentlichen Änderungen kommt, seid ihr Hersteller und müsst eine Neu-Zertifizierung (CE-Zertifizierung) gemäß den Richtlinien durchführen!!!!

    Ansonsten empfehle ich einen Neukauf. Erstens entspricht die Maschine dann den aktuellen gültigen Vorschriften und dem Stand der Technik. Zweitens erhaltet ihr eine aktuelle Dokumentation mit den Restrisiken und CE-Zertifizierung.

    "Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu Handeln: Erstens durch Nachdenken, das ist der Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der Bitterste."

    (Konfuzius, 551 v.Ch.- 479 v.Chr.)

  • dem ist nichts hinzuzufügen

    Man(n) ist erst dann ein Superheld, wenn man sich selbst für Super hält!
    (unbekannt)
                                                                                                                                                              
    „Freiheit ist nicht, das zu tun, was Du liebst, sondern, das zu lieben, was Du tust.“
    (Leo Tolstoi)

    *S&E* Glück auf

    Gruß Mick

  • Hallo Matrou,

    deiner Fragestellung entnehme ich ,das es dir nicht um die Sicherheit, sondern um die

    mechanische Haltbarkeit oder auch Festigkeit geht.

    Vieleicht analog der Hubwerklebensdauer bei Kranen.

    Dafür müsste man wissen, wie die Maschine in den 20 Jahren betrieben worden ist, z. B. einschichtig oder gar 3-schichtig und diese Betriebsdauer in Relation zur angegebenen Lebesdauer zu betrachen.

    Du lässt offen um welche Maschinenart es sich handelt - in meiner Praxis kam es vor, dass eine

    Exzenterpresse (hatte allerdings schon ca. 45 Jahre auf dem Pleuel) in den letzten 10 Jahren nur für 4 Wochen in Betrieb war - das Werkzeug blieb immer drauf.

    Bei "deiner" Maschine kommt es somit auch darauf an, welches Maschinenteil ggf. infolge einer Wechselbeanspruchung instabil werden könnte.

    So betrachtet ist eine Gesamtlebensdauer - ohne Kenntnis der Maschinenart - m. E. recht kurz:(.

    mfg

    Uwe

  • nicht so ganz. Er fragt schon nach dem Stand der Technik.

    ..... dass eine komplett neue Bewertung einer Maschine gemacht werden muss.

    Maschinengestell müsste geprüft werden und die Sicherheit auf den Stand der Technik gebracht werden.

    Aus meiner Sicht ist hier in dieser Frage alles enthalten, was der Arbeitsschutz so her gibt.

    Aus meiner Sicht, können Ihm nur seine Anlagenfahrer diese Fragen beantworten.

    Wir wissen ja noch icht einmal um was es für eine Maschine es sich handelt? Wie sollen wir hier etwas über die Statik aussagen können.

    Wir haben mal eine Maschine die Druck und Zug ausgesetzt war mittels GPS vermessen. Dabei wurde festgestellt, dass die Anlage bei Zug und Druck sich völlig verzieht und verwindet. Deswegen waren und Kohlenfasern auf dem Filmpapier so schlecht verlegt. Airbus hat daraus seine Flugzeuge gebaut.

    Kann also so schlimm nicht gewesen sein.

    Die Ursache war, dass die Beschaffer Geld sparen wollten und die Träger und Stähle kleiner und schwächer gekauft hatten........................

    Gespart, da wurde richtig gut gespart........................


    Der eigentliche Erbauer dieser Anlage müsste eigentlich am besten darüber Auskunft geben können.

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    Gruß Mick

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  • Hallo,

    laut Doku und Risikobeurteilung auf 20 Jahre ausgelegt wurde.

    Dan wäre doch der Ersteller der Doku und Risikobeurteilung der erste und wichtigste Adressat für diese Frage?

    Hinweis: Viele elektronische Bauteile haben eine Lebenserwartung, die im Drei-Schicht-Betrieb deutlich unter 20 Jahren liegt. Und wenn diese für sicherheitsrelevante Funktionen eingesetzt sind, müssen sie nach Ablauf der zu erwartenden Lebensdauer ausgetauscht werden. Da kommt man dann schnell zu einem wirtschaftlichen Totalschaden.

    Maschinen müssen immer dem Stand der Technik und den Verordnungen entsprechen.

    Im Prinzip korrekt. Nur dass der Stand der Technik oft nicht eindeutig geklärt ist bzw. geklärt werden kann. Siehe Folie 4 auf Seite 2: Klick mich.

    Gruß, Niko

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

    Einmal editiert, zuletzt von Niko (16. Dezember 2021 um 16:02)

  • Es ist möglich, die Anlage auch über die angegebene Lebensdauer hinaus zu betreiben. Hierbei ist dann die Gefährdungsbeurteilung nach Betriebssicherheitsverordnung ausschlaggebend. In dieser wird ermittelt, welche Teile nicht mehr sicher oder verschlissen sind. Hierbei ist der Stand der Technik zu beachten und die Schutzmaßnahmen, wenn erforderlich, anzupassen.

    Man kann hier auch beim Hersteller nachfragen, was an der Anlage anzupassen ist, um diese weiter zu betreiben. Eventuell bietet sich auch eine Überholung der Anlage durch den Hersteller an.

    Die Gefährdungsbeurteilung nach Betriebssicherheitsverordnung erstellst du im Normalfall auch schon vor Bereitstellung des Arbeitsmittels und prüfst diese regelmäßig. Darin legst du auch schon Maßnahmen fest, damit deine Anlage in einem sicheren Zustand bleibt. Auch wenn der Hersteller 20 Jahre Lebensdauer angibt, muss eventuell schon früher etwas getauscht oder erneuert werden.

    Meine Erfahrung hierzu ist, dass ein Neukauf die Möglichkeit bietet neueste ergonomische und sicherheitstechnische Aspekte einfließen zu lassen. Aber auch, dass ein Neukauf nicht immer notwendig ist. Es kommt darauf an, um was für eine Anlage es sich handelt, was die Gefährdungsbeurteilung ergibt, wie die Mitarbeiter an der Anlage arbeiten müssen und was an der Anlage alles zu tun ist, damit diese sicher betrieben werden kann.

  • Im Prinzip korrekt. Nur dass der Stand der Technik oft nicht eindeutig geklärt ist bzw. geklärt werden kann. Siehe Folie 4 auf Seite 2: Klick mich.

    Hier mal eine kleine Definition aus der Maschinenrichtlinie und anderen Quellen, auch im Zusammenhang mit der Frage in diesem Chat.

    Fachinformationen zum Begriff "Stand der Technik"

    Der Begriff „Stand der Technik“ spielt in den europäischen Richtlinien und somit im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung eine besonders wichtige Rolle.

    Der Begriff "Stand der Technik" ist aber nicht in den einschlägigen EU-Richtlinien definiert:

    Einige wichtige Auszüge der Maschinenrichtlinie, in denen der Begriff "Stand der Technik" verwendet wurde:

    Erwägungspunkt Nr. 14:

    Es sollte den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen genügt werden, damit gewährleistet ist, dass die Maschinen sicher sind; es sollte jedoch eine differenzierte Anwendung dieser Anforderungen erfolgen, um dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Konstruktion sowie technischen und wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen."

    Anhang I, Allgemeine Grundsätze, Punkt 3:

    Die in diesem Anhang aufgeführten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen sind bindend. Es kann jedoch sein, dass die damit gesetzten Ziele aufgrund des Stands der Technik nicht erreicht werden können. In diesem Fall muss die Maschine so weit wie möglich auf diese Ziele hin konstruiert und gebaut werden."

    Anhang IX (EG-Baumuster-prüfung), Punkt 9.2:

    Den Hersteller der betreffenden Maschine trifft die laufende Verpflichtung sicherzustellen, dass die Maschine dem jeweiligen Stand der Technik entspricht."

    Punkt 9.3:

    … Stellt die benannte Stelle fest, dass die Bescheinigung unter Berücksichtigung des Standes der Technik gültig bleibt, erneuert sie die Bescheinigung für weitere fünf Jahre. …"

    Rechtsanwalt Prof. Dr. Wilrich informiert in diesem Beitrag über die juristische Herangehensweise bei der Interpretation des Begriffs „Stand der Technik“ nach deutschem Recht. Darüber hinaus werden auch die Begriffe „Stand von Wissenschaft und Technik“ sowie „Anerkannte Regeln der Technik“ beleuchtet.

    Rechtsquellen und rechtliche Zusammenhänge

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unterscheidet in dem zum Atomrecht ergangenen Kalkar-Beschluss v. 8.8.19781 drei technische Standards

    • die allgemein anerkannten Regeln der Technik,
    • den Stand der (Sicherheits-) Technik und
    • den Stand von Wissenschaft und Technik.

    Der Gesetzgeber entscheidet, welches Sicherheitsniveau gelten soll. Die alten Vorgänger-Vorschriften2 zum heutigen Geräte- und Produktsicherheitsgesetz forderten (nur) die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Heute wird im Produktsicherheitsrecht häufig der anspruchsvollere Stand der (Sicherheits-)Technik gefordert3. Der Stand der Technik ist auch zentraler Sicherheitsstandard im Arbeitsschutzrecht, verbindlich gemäß § 4 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 BetrSichV, und gemäß § 4 Nr. 3 ArbSchG ist er zu „berücksichtigen", was bedeutet, dass er in die Überlegungen einfließen, aber nicht zwingend eingehalten werden muss. Wenn der Gesetzgeber die zwingende Einhaltung einer Vorgabe will, verwendet er das Wort „beachten".

    Der Stand von Wissenschaft und Technik als höchstes Anforderungsniveau spielt eine Rolle im Atom- und Gentechnikrecht4.

    Gemäß § 3 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) bestimmt sich die Fehlerhaftigkeit eines Produkts nach den berechtigten Erwartungen des Nutzers – und zwar unter „Berücksichtigung aller Umstände". Zu berücksichtigen – also nicht zwingend zu beachten – ist dabei auch der Stand der Technik und sogar der Stand von Wissenschaft und Technik. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG ist aber die Haftung des Herstellers ausgeschlossen, wenn der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte (sog. Entwicklungsrisiken).

    1. Allgemein anerkannte Regeln der Technik

    Eine allgemein anerkannte Regel der Technik ist als unterstes Sicherheitsniveau die „herrschende Auffassung unter den technischen Praktikern", weshalb dieser Maßstab – so das BVerfG im Kalkar-Beschluss – „stets hinter einer weiterstrebenden technischen Entwicklung hinterherhinkt": „Bei dieser Art der Verknüpfung von Recht und Technik können die Behörden und Gerichte sich darauf beschränken, die herrschende Auffassung unter den technischen Praktikern zu ermitteln, um festzustellen, ob das jeweilige technische Arbeitsmittel in den Verkehr gebracht werden darf oder nicht".

    Anerkannte Regeln der Technik sind – so das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem Beschluss vom Juni 1996 – Prinzipien und Lösungen, „die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben": Sie können (etwa in technischen Regelwerken), müssen aber nicht schriftlich fixiert sein: „Technische Regelwerke kommen hierfür als geeignete Quellen in Betracht. Sie haben aber nicht schon kraft ihrer Existenz die Qualität von anerkannten Regeln der Technik und begründen auch keinen Ausschließlichkeitsanspruch".

    Bei sicherheitstechnischen Festlegungen in technischen Regelwerken besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie anerkannte Regeln der Technik sind (so das OLG Celle im Urteil vom Mai 2003). Technische Regelwerke „begründen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie als Regeln, die unter Beachtung bestimmter verfahrensrechtlicher Vorkehrungen zustande gekommen sind, sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, die einer objektiven Kontrolle standhalten, sie schließen den Rückgriff auf weitere Erkenntnismittel aber keineswegs aus" (so das BVerwG im Beschluss vom Juni 1996).

    Auch der Bundesgerichtshof (BGH) betont die „hohe Bedeutung der Normung" etwa „in Bezug auf Rationalisierung, Qualitätssicherung, Verständigung der am Wirtschaftsleben beteiligten Kreise, aber auch für die Sicherheit der Produkte der industriellen Massenfabrikation" 5. Technische Regelwerke „spiegeln den Stand der für die betreffenden Kreise geltenden anerkannten Regeln wider und sind somit zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen in besonderer Weise geeignet“ 6. Anerkannt ist aber, dass sie „im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern enthalten" 7.

    Technische Regelwerke „können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter ihnen zurückbleiben" 8. Der BGH warnt, es handele sich bei technischen Regelwerken „nicht um mit Drittwirkung versehene Normen im Sinne hoheitlicher Rechtssetzung, sondern um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Empfehlungen“, die „regelmäßig keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber Schutzgütern Dritter aufstellen. Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt vielmehr stets von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab" 9.

    BHG, Urteil vom 27.09.1994 AZ. VI ZR 150/93:

    Es genügt etwa nicht, technische Regelwerke zu erfüllen, „wenn die technische Entwicklung darüber hinausgegangen ist" oder „wenn sich bei der Benutzung eines technischen Geräts Gefahren zeigen", die „noch nicht berücksichtigt sind".

    Quelle: https://www.ibf-solutions.com/fachbeitraege/…and-der-technik

    "Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu Handeln: Erstens durch Nachdenken, das ist der Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der Bitterste."

    (Konfuzius, 551 v.Ch.- 479 v.Chr.)

  • 2. Stand der Technik

    Auf der zweiten Stufe gibt es den Stand der Technik als – so das BVerfG im Kalkar-Beschluss – „höheres Sicherheitsniveau". Dieses Anforderungsniveau wird etwa in § 3 Abs. 10 GefStoffV definiert:

    Der ‚Stand der Technik’ ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind".

    Ähnlich definieren dies auch § 2 Nr. 5 StörfallV (12. BImSchV), § 3 Abs. 6 Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSchG) und § 3 Abs. 12 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG). Diese Definitionen werden auch in anderen Rechtsbereichen – etwa dem Produktsicherheitsrecht – herangezogen.

    Mit dem Stand der Technik wird – so das BVerfG Kalkar-Beschluss – der rechtliche Maßstab für das Erlaubte oder Gebotene „an die Front der technischen Entwicklung verlagert“, da die allgemeine Anerkennung und die praktische Bewährung allein nicht ausschlaggebend sind – man muss „in die Meinungsstreitigkeiten der Techniker eintreten, um zu ermitteln, was technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar ist“. Es geht um das „entwickelte Stadium der technischen Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt“, aber basierend auf „gesicherten Erkenntnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung“. Zu einer anerkannten Regel der Technik wird die technische Festlegung (erst) dann, wenn sie „von einer Mehrheit repräsentativer Fachleute als Wiedergabe des Standes der Technik angesehen wird“ (vgl. Nr. 1.4 und 1.5 der EN 45020:1998 „Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten – Allgemeine Begriffe“).

    Verbindlich ist im Produktsicherheitsrecht allein der Stand der Technik. Normen sind daher (nur) verbindlich, wenn sie den Stand der Technik kodifizieren. „Anders als allgemein angenommen, ist dieser Fall sehr selten. Nicht die Norm ist zwingend, sondern der Stand der Technik. Eine Norm kann nicht für sich in Anspruch nehmen, den Stand der Technik systematisch und von vornherein widerzuspiegeln, sondern sie muss unumstrittener Ausdruck einer weit verbreiteten fachlichen Realität im betreffenden Berufsstand sein“ ( so die EG-Kommission in ihren Erläuterungen zur alten Maschinenrichtlinie 98/37/EG, Rn. 167, S. 47, was aber auch heute noch gilt). Bei europäisch harmonisierten Normen oder einer vom Ausschuss für technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte ermittelten und bekannt gemachten technischen Spezifikation besteht indes eine Vermutung, dass bei ihrer Einhaltung die Sicherheitsziele eingehalten sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 GPSG). Harmonisierte Normen bieten einen „guten Anhaltspunkt“ für den Stand der Technik zum Zeitpunkt der Bekanntmachung (EC-Commission, Guide to the application of the Machinery Directive 2006/42/EC, 2017, § 162,

    Seite 155: „good indication“) 10.

    Die Maschinenrichtlinie fordert die Einhaltung des Standes der Technik, benennt aber auch (wirtschaftliche) Grenzen. In Anhang I „Allgemeine Grundsätze“ Nr. 3 heißt es: „Die in diesem Anhang aufgeführten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen sind bindend. Es kann jedoch sein, dass die damit gesetzten Ziele aufgrund des Stands der Technik nicht erreicht werden können. In diesem Fall muss die Maschine so weit wie möglich auf diese Ziele hin konstruiert und gebaut werden“. Und Erwägungsgrund 14 der Maschinenrichtlinie ergänzt, es sollte „eine differenzierte Anwendung dieser Anforderungen erfolgen, um dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Konstruktion sowie technischen und wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen“.

    Die EG-Kommission betont in ihrem Leitfaden zur neuen Maschinenrichtlinie, dass der Stand der Technik (state of the art) “includes both a technical and an economic aspect. In order to correspond to the state of the art, the technical solutions adopted to fulfil the essential health and safety requirements must employ the most effective technical means that are available at the time for a cost which is reasonable taking account of the total cost of the category of machinery concerned and the risk reduction required. Manufacturers of machinery cannot be expected to use solutions that are still at the research stage or technical means that are not generally available on the market. On the other hand, they must take account of technical progress and adopt the most effective technical solutions that are appropriate to the machinery concerned when they become available for a reasonable cost. ‘The state of the art’ is thus a dynamic concept: the state of the art evolves when more effective technical means become available or when their relative cost diminishes 11. Die wirtschaftlichen Gesichtspunkte betont der BGH im Urteil vom 16. Juni 2009 (Az. VI ZR 107/08) zu einem Unfall nach einer Fehlauslösung eines Airbags und verweist dabei ausdrücklich auch auf den risk-utility-Test im US-amerikanischen Recht.

    Der Nachweis der Einhaltung der in der Maschinenrichtlinie geforderten Integration der Sicherheit in die Konstruktionsprozesse und der Nachweis der Durchführung der Risikobeurteilung wird im Schadensfall von besonderer Bedeutung sein, um darlegen zu können, warum zum Zeitpunkt der Konstruktion die gewählte sicherheitstechnische Lösung aus der Sicht des Konstrukteurs geeignet erschien, tatsächlich auch dem geforderten Sicherheitsmaßstab zu genügen. Dies ist auch bei der Anwendung von Normen zu berücksichtigen, die nicht Konformitätsvermutung besitzen.

    3. Stand von Wissenschaft und Technik

    Die dritte Stufe bildet den Stand der Wissenschaft und Technik als höchstes Sicherheitsniveau. Es kommt auf die „derzeitigen menschlichen Erkenntnisse“ an. Das BVerfG fasst im Kalkar-Beschluss zusammen: Der Maßstab des Standes der Wissenschaft und Technik „übt einen noch stärkeren Zwang dahin aus, dass die rechtliche Regelung mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt hält. Es muss diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird. Lässt sie sich technisch noch nicht verwirklichen, darf die Genehmigung nicht erteilt werden; die erforderliche Vorsorge wird mithin durch das technisch gegenwärtig Machbare begrenzt“. Auch hier werden indes Restrisiken hingenommen. Es gilt zwar der „Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge“, aber es muss nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen sein, dass Schadensereignisse eintreten, sondern es reicht, wenn dies „praktisch ausgeschlossen erscheint“. Denn – so das BVferG – technisches Risiko ist „unentrinnbar und insofern als sozialadäquate Last von allen Bürgern zu tragen“.

    Quelle: https://www.ibf-solutions.com/…edeutet-stand-der-technik

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  • Gaaaanz ehrlich. Letztendlich können wir hierzu wiedereinmal kaum etwas beitragen. Wir kennen die Maschine nicht.

    Für mich sieht das im Moment so aus, das alle bisher gemachten Aussagen zutreffend sind. Letztendlich läuft es doch darauf hinaus, dass die Mannschaft sich drum herum aufstellen muss, dabei heftig auf die Maschine guckt und entscheidet, schafft die Maschine noch 10 Jahre oder nicht? Sind die Ergebnisse das was wir erwarten? Oder bekommen wir das mit einer neuen Maschine noch besser hin?

    Unterm Strich behaupte ich mal, dass wenn alle hier gemachten Vorschläge zutreffen, zuzüglich der vorangegangenen Überprüfungen und Messungen, die Neubeschaffung zwar etwas teuerer wird, aber eine neue Maschine wieder ca. 20 Jahre "problemlos" arbeitet.

    Muss die neue Maschine neu konzipiert und entwickelt werden oder gibt es die von der Stange? Dann bist du auf jeden Fall schneller als bei einer Sanierung.

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    Gruß Mick

    Einmal editiert, zuletzt von Mick1204 (17. Dezember 2021 um 09:42)

  • Bei zukünftigen und auch vielen aktuellen Maschinen haben es die Hersteller einfach die Nutzungsdauer festzulegen. Sie schalten einfach ihre Server oder den Zugriff darauf ab, schon ist die Maschine außer Betrieb. ;)=O

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Hallo,

    für alle, die den langen Text nicht lesen wollen oder können, hier mein subjektiver und willkürlicher Extrakt:

    Der Begriff "Stand der Technik" ist aber nicht in den einschlägigen EU-Richtlinien definiert:

    es sollte jedoch eine differenzierte Anwendung dieser Anforderungen erfolgen

    Es kann jedoch sein, dass die damit gesetzten Ziele aufgrund des Stands der Technik nicht erreicht werden können.

    in diesem Fall muss die Maschine so weit wie möglich auf diese Ziele hin konstruiert und gebaut werden."

    was bedeutet, dass er in die Überlegungen einfließen, aber nicht zwingend eingehalten werden muss

    Sie können (etwa in technischen Regelwerken), müssen aber nicht schriftlich fixiert sein:

    Nicht die Norm ist zwingend, sondern der Stand der Technik.

    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Es wird immer eine Einzelfallentscheidung sein.

    Gruß, Niko

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • Vielen Dank für die vielen Infos.

    Ich muss hier tatsächlich intern argumentieren, was alles gemacht werden soll, damit die Maschine weiter laufen kann vs. Neuanschaffung.

    Eine Neuanschaffung bringt hier sehr viele Vorteile mit sich. Aber das Management muss ja auch zustimmen und das wird bei einer Neuanschaffung einer Maschine, die eine noch funktionierende Maschine, die "Geld" verdient eben etwas schwierig.

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  • Vielen Dank für die vielen Infos.

    Ich muss hier tatsächlich intern argumentieren, was alles gemacht werden soll, damit die Maschine weiter laufen kann vs. Neuanschaffung.

    Eine Neuanschaffung bringt hier sehr viele Vorteile mit sich. Aber das Management muss ja auch zustimmen und das wird bei einer Neuanschaffung einer Maschine, die eine noch funktionierende Maschine, die "Geld" verdient eben etwas schwierig.

    Ausgaben mit Schulden bringen Steuererleichtungen

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    Gruß Mick

  • Hallo matrou,

    vielleicht hängt diese Angabe von 20 Jahren mit der Ausfallwahrscheinlichkeit von Sicherheitselementen zusammen.

    In der EN ISO 13849-1 habe ich eine Angabe zur "Gebrauchsdauer" von 20 Jahren gefunden.

    Diese Norm ist allerdings zu jung, um für deine Maschine angewendet worden zu sein.

    In der EN ISO 12100 sind die zeitlichen Grenzen folgendermaßen definiert: "vorhersehbare "Lebensdauer" der Maschine und/oder einiger ihrer Teile (z.B. Werkzeuge, Verschleißteile, elektrische Bauteile) unter Berücksichtigung ihrer bestimmungsgemäßen verwendung."

    Es kann natürlich aus sein, dass bereits schon früher dieser Grenzwert für Sicherheitseinrichtungen verwendet worden ist.

    Demnach wäre es möglich, die Sicherheitssteuerung zu erneuern, und dadurch die Maschine weiter zu betreiben.

    Eine Erneuerung von Sicherheitskomponenten führt in der Regel nicht zu einer wesentlichen Änderung. Die CE bleibt also "bestehen".

    Auch die Forderung der BetrSichV (§3 Abs. 7) könnte somit erfüllt werden.