Geschwindigkeits­verstoß wegen Not­situation nicht immer straffrei

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  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 08.03.2021, Az. 2 RBs 13/21


    Geschwindigkeits­verstoß wegen Not­situation nicht immer straffrei

    Tempo­verstoß bei Privat­fahrten sei nur in absoluten Ausnahme­fällen möglich


    Bei Schwer­kranken kann jede Sekunde zählen. Wer im Notfall in einem Privatauto Kranke fährt, darf daher unter Umständen zwar schneller sein als erlaubt - eine Bedingung muss dafür aber erfüllt sein.


    Bei Notstands­lagen kann der Staat darauf verzichten, Tempo­sünder zu bestrafen - zum Beispiel dann, wenn in einem privaten Auto Verletzte oder Kranke gefahren werden, um sie zu retten. Doch das gilt erst dann, wenn alle anderen Mittel zur Rettung nicht zur Verfügung standen. Wer im Notfall darauf verzichtet, überhaupt einen Rettungs­wagen zu rufen, geht deshalb nicht straffrei aus, wenn er zu schnell fährt und dabei erwischt wird. Das zeigt ein Beschluss (Az.: 2 RBs 13/21).

    Zu schnell mit schwangerer Ehefrau im Auto


    In dem Fall ging es um einen Arzt, der außerorts 40 km/h zu schnell gefahren und geblitzt worden war. Seinen Einspruch gegen das Bußgeld begründete er damit, dass er seine schwangere Frau ins Krankenhaus fuhr, die in einem lebens­bedrohlichen Zustand gewesen sei. Und da in der Corona-Pandemie ein Kranken­wagen besonders aufwendig desinfiziert werden muss, würden dadurch Kapazitäten gebunden. Zudem wisse er als Arzt, dass es bis zum Eintreffen des Kranken­wagens mindestens 15 Minuten gedauert hätte. Mit dem Privatauto sei er schneller gewesen.

    OLG verneint Notfall


    Die Sache ging vor Gericht - und dort verlor der Arzt. Zwar kann von der Ahndung eines Tempo­verstoßes abgesehen werden, wenn eine Notstands­lage gegeben war. Doch eine solche sah das OLG hier nicht.


    Der Tempo­verstoß wäre auch erst dann ein geeignetes Mittel gewesen, wenn alle anderen Mittel nicht verfügbar gewesen wären. Hier hatte der Fahrer aber darauf verzichtet, den Kranken­transport überhaupt anzufordern. Das Argument, der Kranken­wagen brauche viel länger als der Arzt im Privatauto, überzeugte das Gericht nicht. Denn es wäre bei einer lebens­gefährlichen Situation kein Kranken­transport, sondern ein Rettungs­wagen geschickt worden - und aufgrund von Sonder­rechten hätte dieser schnell vor Ort sein können.

    Rettungswagen gewährleistet optimale Versorgung


    Auch weil die Versorgung über den Rettungs­dienst nach Ansicht des OLG in jedem Fall besser gewesen wäre, verneinte es in diesem Fall einen Notstand und entschied, ein Tempo­verstoß bei Privat­fahrten sei nur in absoluten Ausnahme­fällen hinnehmbar. Auch die Argumentation der zeitauf­wendige Desinfektion überzeugte die Richter nicht: Das Leben eines Menschen könne nicht mit Hygiene­maßnahmen aufgewogen werden.


    Quelle: https://www.anwaltsregister.de

    Liebe Grüße
    Micha




    Glück auf! *S&E*


    Nur Scheiße "passiert". - Unfälle werden verursacht!

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  • Der Argumentation des Gerichts kann ich nicht folgen (ich konnte auch den Jura-Fächern im Studium nicht folgen, und habe nur durch die Gnade des Profs bestanden - und diese Aussage ist kategorischer Fakt), ABER....


    War es medizinisch erforderlich, dass die Frau nach einer Zeit entsprechend der Fahrzeit im Krankenhaus ist, oder hätte eine Notversorgung gereicht? Die Beantwortung dieser Frage obliegt NICHT einem Gericht.


    Wenn die Krankenhausbehandlung die einzig mögliche Hilfe gewesen wäre - wäre die Fahrt ins Krankenhaus unter Einhaltung der StVO nicht ohnehin schneller gewesen, als Rettungsdienstanfahrt + Rettungsdienstfahrt zum Krankenhaus? Ich vermute: das wäre der Fall, weil kein Rettungsdienst doppelt so schnell fährt wie der Normalverkehr (außer am Stau vorbei, dann aber deutlich schneller als doppelt so schnell) oft meist sind Rettungsdienste nicht weit vom Krankenhaus.


    Mein Argument als Laienrichter wäre also: mit Normalgeschwindigkeit wäre die Fahrt ins Krankenhaus immer noch schneller gewesen, als die Fahrt des Rettungsdienstes raus und wieder zurück. Sich über medizinische Details und Desinfektion auszulassen, wäre mir zu blöd gewesen. Zum Glück bin ich aber kein Richter :)


    Meine Methode als besorgter (werdender) Vater wäre, wenn ich der Geschwindigkeit des Rettungsdienstes nicht traue: Geschwindigkeitsübertretungen nur im punktefreien Bußgeldbereich. Dann bleibt der Stress überschaubar.