Begehung ohne physische Anwesenheit

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  • Hallo zusammen,

    im Rahmen meines Studenten-Projekts beschäftige ich mich mit der ortsunabhängigen Ausübung der Aufgaben einer Fachkraft für Arbeitssicherheit.

    Gemäß § 6 Nr. 3 a) ASiG haben die Fachkräfte für Arbeitssicherheit die Arbeitsstätten in regelmäßigen Abständen zu begehen.

    Was genau bedeutet "Arbeitsstätte begehen"?:/

    Muss ich da physisch anwesend sein oder sind technische Lösungen (z. B. Zuschaltung per Videochat) ebenfalls gesetzteskonform?

    Insbesondere frage ich mich, wie ihr als SiFa/Experten den Wirkungsgrad von Begehungen ohne physische Anwesenheit bewertet.

    Vielleicht wurdet ihr aufgrund der aktuellen Corona-Situation mit diesem Thema sogar schon konfrontiert.

    Beste Grüße

    Lydia

    Einmal editiert, zuletzt von Lydia (30. Juli 2021 um 09:16)

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  • Eine interessante Frage, über die ich mir auch Gedanken gemacht habe.

    Zwischenergebnis: Fotos, Telefonate, Erzählungen usw - alles gut - aber selber schauen ist besser. Habe soeben ein umgebautes Regal gefunden - ohne Durchschubsicherung.

    Wenn man allerdings einen Avatar haben könnte, der eine ordentliche Kamera auf dem Kopf hat, und dahin läuft, wohin ihn die elektrischen Impulse zwicken, die Du aussendest, könnte ich mir die körperlose Begehung als erfolgreich vorstellen.

  • Moin

    also das Wort BeGEHUNG beinhaltet für mich sprachlich das Wort "gehen", von daher ist für mich grundsätzlich die physische Anwesenheit notwendig.

    Nur wenn man anwesend mit alle Sinnen ist, fallen auch Dinge auf wie z. B. Lärm, Gerüche (AGW?), komisches Verhalten von Mitarbeitern (die einen davon abhalten wollen, in bestimme Ecken zu sehen) oder Mitarbeiter die einen / die man spontan anspricht und so über bestimme Probleme aufmerksam wird.

    Bei einer Besichtigung könnte man auch mal eines Videoformates bedienen), wenn es gezielt um ein Problem geht (Aber auch bei Beschwerden wegen z. B. technischen Unzulänglichkeiten, verstecken sich manchmal zwischenmenschlichen Probleme).

    Aber Lydia, da du ja noch an einer Uni bist, sollte es für eure Uni auch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit geben. Fragt doch einfach mal dort nach, ob du zu einer Begehung mitgehen kannst

    Grüßle
    de Uil

    „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich das generische Femininum. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Personen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen und mitgemeint.“

    Omnia rerum principia parva sunt. [Der Ursprung aller Dinge ist klein.] (Cicero)

  • Bei einer "präsenzlosen Begehung" fallen diverse Sinne weg: Hören, riechen, schmecken, fühlen.

    Und das "sehen" ist auf das gezeigte limitiert. (Im Sinne von "ich kann nicht dahin schauen wo ich möchte")

    Liebe Grüße
    Micha

    Liebe Grüße
    Micha


    Glück auf! *S&E*


    Nur Scheiße "passiert". - Unfälle werden verursacht!

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  • Hallo,

    natürlich ist eine persönliche Begehung vor Ort das anzustrebende Optimum.

    Falls das jedoch nicht möglich sein sollte, ist eine "virtuelle Begehung" sicherlich besser, als der Kontrollpflicht überhaupt nicht nachzukommen.

  • Servus beinand!

    Hier hat sich in den letzten Monaten einiges von Seiten derjenigen getan (Einstellung) die über die Einbindung neuer Methoden entscheiden (ISO TC176). Ich möchte hierbei darauf verweisen, dass es sich um eine ERGÄNZENDE Methode >>remote<< Audit/Begehung handelt, die bei den Profis aktuell auf überwiegende Zustimmung trifft.

    Die genauen Voraussetzungen sind aktuell noch nicht fix. Man ist noch dabei umfangreichere Erfahrungen zu sammeln. Fest steht aber bereits jetzt, dass es als alternative (nicht ausschliessliche) Methode der Begutachtung in Zukunft Anwendung finden wird. In welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen (Erfahrungen, etc.) wird sich sicherlich dieses Jahr noch konkretisieren. Das aktuell grösste 'Hemmnis' sind die Kenntnisse und Erfahrungen der Europäer. In Asien ist dies seit mehren Jahren (ca. 2017/18) bereits eingeführte Praxis, sofern die Situation als geeignet beurteilt wurde (Beurteiler). Der Überprüfte hat hier kein Mitspracherecht. Technisch sind hier alktuell TelKos, Videokonferenzen, DMS bis hin zu Handy-Live-Videos, Drohnen und VR-Brillen erfolgreich im Einsatz.

    Wer sich näher über diese (neue) Methode informieren möchte, darf ich auf die TC176 (ISO 9001 Audit Practices Group) und das Dokument des IAF MD4 (IKT)verweisen. Oder natürlich auch darauf, mir gerne eine PM zu senden.

  • Insbesondere frage ich mich, wie ihr als SiFa/Experten den Wirkungsgrad von Begehungen ohne physische Anwesenheit bewertet.

    Das Wichtigste bei jeder Begehung ist , die entsprechenden Mitarbeiter/innen im Rahmen von vertrauensvollen Befragungen miteinzubeziehen und aktiv zu beteiligen. Das geht nur Vor-Ort.

    Vielleicht wurdet ihr aufgrund der aktuellen Corona-Situation mit diesem Thema sogar schon konfrontiert

    Auch hier ist durch die mediale Präsenz sehr viel Verunsicherung erzeugt worden. Hier macht die physische Begehung, natürlich unter den vorgegebenen Schutzmaßnahmen, mehr Sinn um Gespräche zu führen.

    Gruß tanzderhexen

    "Das Verhüten von Unfällen darf nicht als eine Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft"
    Werner von Siemens, Zitat von 1880
    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
    Aristoteles griech. Philosoph 384 -322 v. Chr.

  • Die Frage stellt sich doch eigentlich gar nicht: es gibt schlicht und ergreifend keine technische Möglichkeit die Begehung der Arbeitsstätte durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit zu ersetzen.

    Und was bitte, sollte das unmöglich machen?

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  • (...)

    Und was bitte, sollte das unmöglich machen?

    - Corona-Regeln

    - Geschlossene Grenzen und SiFa auf der anderen Seite

    - SiFa im Rollstuhl und kein geeigneter Zugang (z.B. nur durch eine Leiter)

    - Notwendigkeit spezieller PSA, die für die SiFa nicht nutzbar ist (spezielle Atemgeräte, spezielle Bereiche mit ionisierender Strahlung)

    - spezielle Bio-Labore mit Zugangsbeschränkung

    In allen Fällen wäre die Beschaffung einer SiFa mit geeigneter PSA-Schulung und mit passender PSA im Einzelfall sicher möglich, aber nicht unbedingt nötig .

    Was mich überrascht hat, wie viele SiFas Höhenangst oder Angst vor engen Räumen haben. "Irgendwie" schaffen die ihren Job allerdings auch.... Auch auf Baustellen beobachten sie die Vorgänge brav von unten/außen.

    Persönliche Erfahrung: ALLE Bereiche, die mich betroffen haben (spezielle PSA oder Zugangsvoraussetzungen notwendig), hatten Fenster. Drin war ich aber nicht. Der Schritt vom Fenster zur Camera Obscura ist nicht mehr SEHR groß.

  • Dass gewisse Sinne - z. B. das Riechen - und 4-Augen-Gespräche mit Mitarbeitern wegfallen, hatte ich nicht auf dem Schirm...:wacko:

    @all: Danke für den bereichernden Input!

  • Ob es in Dtl. geht, wird wohl die Zukunft zeigen.

    In Singapur habe ich das bei einem KW schon erlebt - wir durften einfach nicht rein. Videokonferenz mit allen Fachverantwortlichen und Vor Ort ein MA mit Bodycam und weiteren Messgeräten- und sensoren. Die 4-Augen (+2 Ohren Dolmetscher) -MA Gespräche wurden separat ebenfalls per Videochat geführt. Riechen kann relevant sein, kann man bei der Bodycam-Methode aber abfragen. Ist eh ein subjektives Kriterium.

    In der Anfangsphase fühlten wir uns schon etwas "eingeschränkt" - aber durch das zusammen sitzen der Fachverantwortlichen im Raum flossen während der Begehungen unterschiedliche Sichtweisen ein, die teilweise neue Fragen aufwarfen. Was ich als sehr bereichernd einstufe.

    Wie es für die menschliche Kameradrohne so war, kann ich nicht sagen. Da gab es kein Feedback-Gespräch.

  • Moin.

    Von "Camera Begehungen" halte ich mal gar nichts und finde sie auch nicht zielführend.

    Ich kenne das aus dem Bereich der Audits. Momentan sind sog. RemoteAudits erlaubt. Sprich, der Auditor und der zu Auditierende treffen sich vor dem PC und sprechen über das Audit. Dokumente werden per Mail ausgetauscht. Das ist ja noch soweit in Ordnung... aber als FASI (insbesondere als Externe FASI, mit erhöhter Verantwortung) werde ich einen Teufel tun, und "virtuelle" Rundgänge oder noch besser "auf dem Papier" machen.

    Um eine kurze Einschätzung zu machen, mir einen Überblick zu verschaffen, sind Bilder OK (Bilder zu einer Maschine, einem Arbeitsmittel etc.). Aber wie will ich denn ohne vor Ort gewesen zu sein den Kunden bei der Gefährdungsbeurteilung (die das komplette Arbeitssystem erfasst) beraten können?

    Mal angenommen: In einer Halle steht ein neues Drehzentrem, direkt daneben ein tolles neues Regal mit Anfahrschutz und tollen Durchschiebeschutzen und davon bekomme ich Bilder....

    Auf den Bildern ist alles schick.

    In Wahrheit

    - steht hinter der Drehmaschine ein Kompressor, der 120dbA erzeugt, und 23,5 Std am Tag durchläuft,

    - die Drehmaschine ist wacklig aufgestellt und der Sicherheitsschalter gebrückt (NEIN, das passiert NIE), und

    - am Regal sind zwar Anfahrschutze dran, aber die sind nicht am Boden festgeschraubt. Zudem ist auch der Durchschiebeschutz nicht richtig eingeschoben und wackelt.

    Und da hilft meiner Meinung nach auch keine Bodycam an einem der tut was ich sage; das muss die FASI mit Sachverstand VOR ORT sehen und die Gesamtsituation sehen und gleich bewerten. Ich klopfe z.B. gerne mal mit dem Schuh gegen die Anfahrschutze...

    Und eine erhebliche Erkenntnisquelle fällt dann komplett weg; das persönliche Gespräch mit den Beschäftigten. Die Abteilungsleiter können mir ja viel erzählen; die wissen z.T. ganz genau was sie wem sagen "dürfen" um nicht an den Karren gefahren zu bekommen. Ich will die Realtiät aber sehen.

    Mike

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    Irgendwann gehe ich zur BG und lasse mir den Arbeitsschutz als Berufskrankheit anerkennen...

    Wisst ihr was das Schlimmste ist? Wenn nicht.. .klickt hier ....

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    Mike

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  • Mike144

    Die Wahrheit liegt immer irgendwo in der Mitte. Eine digitale Begehung ersetzt nicht die persönliche Anwesenheit, aber in besonderen Situationen müssen auch halbgare Maßnahmen gut genug sein, anstelle von GAR nichts.... Sach ich mal so pauschal... Vor dem Wochenende... Vor einem langen Termin heute....

  • Hier kommen m.E. zwei Aspekte zum Tragen.

    1. Die persönliche Arbeitsauffassung der SiFa. "Kann ich meinen Job guten Gewissens machen, wenn ich nicht persönlich vor Ort bin, mit den MA spreche etc.pp." und

    2. Die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags. Vereinbaren kann ich eine ganze Menge, z.B. mit meinem Auftraggeber. Wie sich solche Vereinbarungen, auch unter Berücksichtigung temporärer, gesetzlicher Vorgaben, im Falle eines Falles auswirken...

    In diesem Sinne

    Der Michael

    "You'll Clean That Up Before You Leave..." (Culture/ROU/Gangster Class)

  • Ich denke da schon etwas weiter. Was wird die Staatsanwaltschaft sagen, wenn ein schwerer Unfall passiert und es sich herausstellt, das hier keine Begehung durch die Sicherheitsfachkraft im Vorfeld stattfand und der Unfall bei einer vor Ort Begehung hätte verhindert werden können ? Der betreffende Vorgesetzte wird da an die Sicherheitsfachkraft verweisen um nicht alleine blöd dazustehen.

    Gruß Martin

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  • Ich denke da schon etwas weiter. Was wird die Staatsanwaltschaft sagen, wenn ein schwerer Unfall passiert und es sich herausstellt, das hier keine Begehung durch die Sicherheitsfachkraft im Vorfeld stattfand und der Unfall bei einer vor Ort Begehung hätte verhindert werden können ? Der betreffende Vorgesetzte wird da an die Sicherheitsfachkraft verweisen um nicht alleine blöd dazustehen.

    Gruß Martin

    WENN mir eine Behörde die Einhaltung der AMTLICH verordneten Corona-Regeln als berufliches Versäumnis um die Ohren jagt, lauf ich Amok.

    Damit klar ist:

    1. Eine OFFIZIELLE Begehung ist mit Betreibsarzt, Betriebsrat, Sicherheitsbeauftragte, Vorgesetzte und SiFa zu organisieren. Schon mal eine erhebliche Zusammenkunft.

    2. Die Begehung ist außerdem durch den Unternehmer zu organisieren, also eine nicht stattgefundene Begehung ist SEINE Entscheidung. Es ist auch SEINE Entscheidung, der SiFa Filmaufnahmen zur Verfügung zu stellen, wenn die SiFa just zu dem Zeitpunkt physisch nicht vor Ort sein konnte oder durfte. Die Verantwortung der SiFa beschränkt sich also auf das, was er aus dem Material, was ihm das Unternehmen zur Verfügung stellt, erkennen kann.

    Fazit: die virtuelle Begehung ist 100% Risiko des Kunden - es sei denn, die SiFa stellt sich an wie ein A... und spart sich den Weg zum Kunden aus eigener Initiative.

    Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass ein Gericht die virtuelle Begehung während des Lockdowns, oder die gelegentliche zu Beurteilung von Film- und Fotoaufnahmen aus der Entfernung als Pflichtverletzung werten kann, und damit über alle Instanzen Erfolg hat.

    GLEICHZEITIG muss auch klar sein, dass die Beratung nach Foto oder Film nur ERGÄNZEND zur physischen Begehung eine Daseinsberechtigung hat. Das wäre auch eine Gewissensentscheidung meinerseits.

    Einmal editiert, zuletzt von zzz (20. Juni 2020 um 12:43)

  • Ich bringe mal einen anderen Aspekt zur Sache.

    Wie beurteilt Ihr denn Homeoffice Arbeitsplätze?

    In vielen Betrieben gibt es dazu Fragebogen und der Mitarbeiter muss evt. noch ein paar Bilder von seinem Arbeitsplatz machen. Also häufig ohne direkte Begehung.

    Warum? Privater Wohnraum ist ein hohes Schützgut und da ist die oben beschriebene Variante ein guter Kompromiss, um die zu erwartenden Gefährdungen zu erkennen.

    In einer technischen Anlage halte ich dieses Vorgehen allerdings für weniger geeignet und vermute, dass man da auch bei der "Ferndiagnose" hohe Risiken übersehen kann. Somit käme für mich eigentlich nur eine Beurteilung von Arbeitssystemen in Frage, bei denen nur geringe Gefährdungen zu erwarten sind. All zu viele Bereiche dürften das nicht sein.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Alle Unternehmen, die ich betreut habe, wollten KEIN Homeoffice. Aber Notebook mitnehmen, und von dort Arbeiten, wo man möchte (sozusagen "Werkvertrag unterwegs" - LOL), darf man gelegentlich. Gute Kurve, die sie da kriegen, nicht?

    Ansonsten: wenn ich einen Bereich schon kenne, und mit einem Foto gefragt werde, ob ein Regal dort sicherheitstechnisch vereinbar wäre, kann ich das meist auch so beantworten. In 99% der Fälle wird man gefragt, weil der fragende selbst zweifel hat. Diesen Zweifel kann ich dann bestätigen :44:

    Noch NIE durfte ich "Homeoffice" bewerten.