Bauschaum (o.ä.) direkt am Heizungsrohr

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  • Hallo zusammen,

    in einem Stockwerk (EG) mit 10 Büros gibt es eine Geruchsentwicklung wenn die Heizung an ist. Die Räume wurden 2016 neu renoviert/saniert.

    Dort verläuft ein rechteckiges Heizungsrohr wie eine Fußleiste am Boden entlang, jeweils über die gesamte Zimmerlänge. Die Leitung wird ziemlich heiß (Vorlauftemperatur Heizung, vielleicht etwa 80 ° C)

    Der Bereich zwischen Heizungsrohr und Wand (1 cm tief, 5 cm hoch) ist mit einer Masse verfüllt.

    Das Material zeigt eine feste Konsistenz, es zerbröselt zwischen den Fingern bei Druck bleibt sonst aber klumpig, gleichzeitig zeigt es im erhitzten Zustand eine flexiblere Konsistenz (pastorös bis fest und dennoch mit Mühe zu zerbröseln). Das Material riecht erwärmt, genauso wie der ganze Raum wenn das Heizungsrohr heiß ist. Den Geruch würde ich als stechend oder scharf bezeichnen wie als würde etwas verbrennen oder schmoren, aber wiederrum nur ganz leicht. Nicht jeder nimmt den Geruch war. Irgendwie erinnert es auch an Formaldehyd, süsslich.

    Wenn das ganze Bauschaum ist oder so was ähnliches, könnte lt. Datenblatt eines handelsüblichen Montageschaumes bei Erhitzen Wasserstoffcyanid entstehen. Das Material soll von heißen Oberflächen fern gehalten werden. Das könnte den Geruch in dem Raum erkären und auch dass ihn nicht jeder wahrnimmt.

    Was könnte es denn noch sein?

    Es gibt Beschwerden über Schwellungen, Hautirritationen und -veränderungen, Schleimhautreizungen (Hals, Rachen, Lippen) Augenreizungen, Augentränen/ -jucken, das Gefühl auszutrocknen, tockene Schleimhäute zu haben, Kopfschmerzen, auch Auswirkungen auf das Wohlbefinden.


    Was würdet ihr da machen?
    Das Material prüfen, falls ja wie?

    Die Luft prüfen, falls ja wie?


    Die SIFA sagt es wäre nichts und könnte nichts sein, hat aber weder genau hingeschaut noch einen Finger drangehoben oder sonst etwas untersucht. Unsere SIFA riecht und sieht sowas von weitem. Er schließt kategorisch aus, dass etwas mit Schadstoffen sein könnte. Stattdessen misst er die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit.


    Ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Alle Mitteilungen an den Arbeitgeber (eine Behörde) werden zur Kenntnis genommen. Sonst geschieht nichts.


    Über Tipps und Vorschläge wäre ich dankbar.


    Viele Grüße...


    basty

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  • 80 Grad Vorlauftemperatur halte ich für unwahrscheinlich, da könnte man das Teil nicht mit der Hand anfassen.

    Baumschaum auf Polyurethanbasis wäre möglich. Formaldehyd halte ich für unwahrscheinlich.

    Wasserstoffcyanid wäre Blausäure. In größeren Mengen dürfte das nicht austreten, sonst wäre da kein Leben mehr im Büro.

    Ich hätte zunächst auch das Raumklima gemessen. Würde auf trockene Luft in Verbindung mit Staub tippen.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Moin Basty,


    messen steht ganz am Ende der Kette. Was Du brauchst, ist die "Bibel" zur Innenraumbelastung. ;) Schau mal hier. Diese Vorgehensempfehlung ist wirklich gut gemacht. Wenn Du nach diesem Konzept vorgehst, fängst Du auch oftmals Probleme ab, die Du gar nicht messen kannst, wie z.B. den Effekt, dass auf einmal immer mehr Beschäftigte betroffen sind, obwohl es dafür keine Ursache gibt (Gruppendynamik). Ich kann Dir dieses Machwerk nur ans Herz legen. Ich habe es schon oft angewendet und bin dabei immer gut mit gefahren.


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Hallo super, vielen Dank für die Infos.


    Das Rohr kann man auch nicht anfassen, man verbrennt sich die finger.

    Weil die Kolleginnen gefroren hatten wurde die Heizung mal wärmer gestellt.


    Ich kenne die Praxishilfe.
    Das Problem ist nur, dass der AG und die SIFA davon keine Ahnung haben und auch nicht nach den dort vorgegebenen Empfehlungen handeln.
    Dann wäre ja zuerst eine systematische Erhebung und Befragung der Mitarbeiter notwendig.

    Wenn dann die SIFA sagt, dass sie ohnehin schon wisse, dass es sich auf gar keinen Fall um eine Schadstoffrage handeln könne, weiß ich halt auch nicht weiter.


    Die Luft hat ca. 30 % rel. Feuchtigkeit.


    Wie gesagt, das Zeug das auf den Bildern zu sehen ist, stinkt.

    Die heiße Luft von Heizungsrohr die aufsteigt, stinkt genauso.

    Die ganzen Büros füllen sich mit einer leichten Note dieses giftigen Geruches.

    Wenn es kleine Mengen von Blausäure wären und das konstant auf die Mitarbeiter einwirkt, welche Auswirkungen wären dann zu erwarten?

    Einmal editiert, zuletzt von bastyoje ()

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  • Hallo Frank,

    das Problem hierbei besteht darin, dass der Betriebsarzt bei derselben Firma angestellt ist wie die SIFA. Bei einer großen Gruppe, BAD Boys sind das. Ich weiß nicht ob man da wirklich weiter kommt. Kann man sich bei unsagemäßer Vorgehensweise denn bei der Ingenieurskammer beschweren?

    Ich werde aber trotzdem mal einen Termin beim Betriebsarzt machen.

    Eine Kollegin mit den massivsten Beschwerden war schon zweimal beim Betriebsarzt.


    Ich hätte noch eine konkrete Nachfrage.

    Wenn es PU Schaum wäre. Und im Datenblatt des PU Schaumes steht "Von heißen Oberflächen fernhalten" und "Kann polymerisieren bei Temperaturanstieg. Bei Erhitzung: Bildung giftiger/brennbarer Gase/Dämpfe (Wasserstoffcyanid)."

    Läge dann ein Verstoß gegen eine Vorschricht vor, wenn das Heizungsrohr mit seinen mindestens 75 ° C größflächig direkt an dem PU Schaum anliegt?

    Gegen welche Vorschrift würde verstoßen werden (DIN, Baurecht, Grundsatz)?

    Wenn das Sicherheitsdatenblatt offensichtlich nicht beachtet wurde, wer ist verantwortlich?


    Der Bauträger, der Eigentümer, der Arbeitgeber?


    Viele Grüße.

    Basty

    3 Mal editiert, zuletzt von bastyoje ()

  • Hallo,

    ich kann Dir das Problem leider nicht lösen, bedenke aber bitte folgende Punkte.


    1. Das bei Euch eingesetzte Schaummaterial hat möglicherweise gar nichts mit dem Montageschaum zu tun, der laut Sicherheitsdatenblatt bei Erhitzung Cyanwasserstoff (Blausäuregas) freigesetzen kann.

    2. Der Hinweis im SDB bezieht sich auf das gekaufte (flüssige) Produkt des Herstellers, nicht etwa auf den ausgehärteten Schaum.


    Das heißt: Über den als unangenehmen Geruch wahrgenommenen Stoff wissen wir eigentlich gar nichts.


    Da ist es nicht hilfreich, den Geruch ohne vorliegende Infos als "giftig" zu bezeichnen oder über die Folgen einer längerfristigen Einwirkung von Blausäuregas auf die Mitarbeiter oder über über eine mögliche Nichteinhaltung von Vorschriften zu spekulieren.

    Es stellt sich eher die Frage, ob die Beratung Eurer Sifa ausreichend ist. Es wird ja offenbar ein Problem wahrgenommen, das es sachlich zu klären gilt.


    Gruß

    Osnabrück

  • Moin Basty,


    dann kann man zu schweren Geschützen greifen.

    Zitat von §17 (2) ArbSchG

    Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen.

    Viele Beschäftigte scheuen davor zurück, weil sie eben Nachteile befürchten. Die Behörde interessieert sich aber nicht für Deinen Namen, sondern nur für den Sachverhalt. ;)


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Hallo Osnbabrück,

    vielen Dank für die Info.

    Es stimmt, dass man keine Festlegung vornehmen darf, was konkrete Stoffe angeht. Man kann/darf aber Vermutungen äußern um exemplarisch darzulegen, dass ggf. eine enorme Gesundheitsgefahr bestehen könnte. Diese exemplarische Schilderung muss in Zusammenhang mit der festgestellten Geruchsbelastugen aus eionem konkreten Baustoff betrachtet werden. Weiterhin tritt der Geruch unter Hitzelast auf. Hinzu kommen diffuse Gesundheitsbeschwerden einer Anzahl von MItarbeitern.


    Was genau schlägst du vor?

    Welche zusätzlichen Stellen können hinzugezogen werden, außer einem Betriebsarzt und der Sicherheitsperson nach SGB VII der Unfallkasse?

    Wäre es ggf. erforderlich einen Bausachverständigen hinzuzihen?


    Welche Person wäre in einem Landratsamt verantworlich die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen?

    Wäre es der Sicherheitsbeauftragte, die SIFA, die Dienststellenleitung, die Abteilungsleitung für Arbeitssicherheit, der Personalrat oder jemand anders?

    Bisher wurde auf Vorschläge dahingehend nicht eingegangen.


    In der Bibel für Innenraumarbeitsplätze (https://www.dguv.de/ifa/praxis…marbeitsplaetze/index.jsp) steht, dass ein Runder Tisch "mit der Beteiligung von Vertretern der Betriebsleitung, der betroffenen Mitarbeiter, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, des Betriebsarztes und der Personalvertretung" einzuberufen wäre. "Externe Fachleute wie z. B. eine Aufsichtsperson und ein Arbeitsmediziner der zuständigen Unfallversicherung sollten ebenfalls teilnehmen."


    Viele Grüße.

    Basty

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  • Hallo Frank,

    ich habe bereits zu der entsprechenden Behörde Kontakt aufgenommen.

    Sie sagt, dass sie tätig wird sobald ich es wünsch.

    Allerdings ist mir gleich aufgefallen, dass sie sich auch schwer tut bei einzelnen Rechtsfragen.

    Dazu eröffne ich einen neuen Post.


    Man sollte aber beim Gewerbeaufsichtsamt oder bei der Unfallkasse darauf hinweisen, dass man um vertrauliche Behandlung der Beschwerde bittet.


    Die Voraussetzungen für die Außerbetriebliche Beschwerde werden im Gesetzeskommentar zur Arbeitsstättenverordnung wiefolgt beschrieben:


    "c) Tatbestandliche Voraussetzungen

    Was die tatbestandlichen Voraussetzungen des außerbetrieblichen

    Beschwerderechts anbelangt, lassen sich aus § 17 Abs. 2 S. 1

    ArbSchG die folgenden vier Voraussetzungen ableiten:

    - Keine ausreichenden Maßnahmen oder Mittel des Arbeitgebers

    (Bezugspunkt ist Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit),

    - Auffassung des Beschäftigten auf der Grundlage konkreter

    Anhaltspunkte,

    - Innerbetriebliche Beschwerde des Beschäftigten,

    - Keine Abhilfe durch den Arbeitgeber.


    Die Berufung auf das außerbetriebliche Beschwerderecht ist mithin

    nur dann rechtlich zulässig, wenn die genannten Voraussetzungen

    ausnahmslos vorliegen. Wenn auch nur eine der Voraussetzungen in

    concreto nicht erfüllt ist, hat die innerbetriebliche Klärung des

    behaupteten Missstands nach wie vor Vorrang.

    (...)

  • cc) Innerbetriebliche Beschwerde des Beschäftigten

    Was das dritte Tatbestandsmerkmal anbelangt, muss sich der

    Beschäftigte zunächst an den Arbeitgeber (→ § 2 Rn. 122ff.) wenden

    und ihn über den festgestellten Sachverhalt in Kenntnis setzen

    („Vorwarnung“; vgl. Kollmer ArbSchG Rn. 239). Der Gesetzgeber

    folgte

    damit

    sowohl

    der

    arbeits-

    als

    auch

    der

    verwaltungsgerichtlichen

    Rechtsprechung,

    wonach

    die

    Beschäftigten zuerst beim Arbeitgeber um Abhilfe hatten

    nachsuchen müssen, bevor sie sich an die Aufsichtsbehörde wenden

    durften (BT-Drs. 13/3540 S. 20). Die Pflicht zur Durchführung eines

    innerbetrieblichen Abhilfeverfahrens beruht damit auf dem

    Ultima-Ratio-Grundsatz (Otto in NK-ArbR ArbSchG § 17 Rn. 5;

    Vogl NJW 1996, 2753, 2756; Kollmer ArbSchG Rn. 240). 44

    Im

    Ergebnis

    ist

    die

    gesetzliche

    Implementierung

    des

    innerbetrieblichen Verfahrens Ausdruck einer grundrechtlich

    dominierten Interessenabwägung. Während sich die Beschäftigten

    insbesondere auf die Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG und das

    Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs.

    2 S. 1 GG berufen können, können die Arbeitgeber die

    Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in die Waagschale werden

    (zum Ganzen Wiebauer NZA 2015, 22). 45

    Auch wenn in § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG insoweit von den „darauf

    gerichteten Beschwerden“ die Rede ist, muss der betreffende

    Beschäftigte nicht ausdrücklich von einer Beschwerde sprechen bzw.

    sich

    dezidiert

    beschweren.

    Vielmehr

    werden

    die

    arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen schon dann erfüllt, wenn der

    Beschäftigte deutlich macht, dass im Betrieb ein sicherheitskritischer

    Zustand herrscht, der einer Abhilfe durch den Arbeitgeber bedarf. Zu

    diesem Zweck wird der Beschäftigte seine Wahrnehmungen

    wiedergeben und darauf hinweisen müssen, welche Folgen sich ihm

    zufolge für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei

    der Arbeit ergeben (vgl. auch Otto in NK-ArbR ArbSchG § 17 Rn. 5). 46

    (1) Adressat der Beschwerde

    1 of 3

    Adressat der innerbetrieblichen Beschwerde ist der Arbeitgeber

    (→ Rn. 13). Daneben kann sich der Beschäftigte auch an die

    verantwortlichen Personen gem. § 13 Abs. 1 ArbSchG wenden (Otto

    in NK-ArbR ArbSchG § 17 Rn. 7). Demgegenüber genügt es nicht,

    wenn die in Rede stehende Beschwerde an die Betriebsärzte,

    Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Sicherheitsbeauftragten

    gem. § 22 SGB VII gerichtet wird. 47

    Bei Leiharbeitnehmern bzw. Fremdfirmenbeschäftigten stellt sich

    die

    Frage,

    wer

    Adressat

    etwaiger

    Beschwerden

    über

    Sicherheitsmängel im Einsatzbetrieb (des Entleihers bzw.

    Auftraggebers) sein soll. In diesem Zusammenhang kommt man

    nicht umhin, stets den Verleiher bzw. Auftragnehmer als

    Arbeitgeber der Beschäftigten als Hauptverantwortlichen für den

    Arbeitsschutz zu qualifizieren. Bei Leiharbeit folgt jedoch eine

    parallele Mitverantwortung des Entleihers aus § 11 Abs. 6 S. 1 Hs. 48

    14.02.20, 12:08cc) Innerbetriebliche Beschwerde des Beschäfti...

    https://beck-online.beck.de/Print/CurrentDoc?v...

    2 AÜG. Beim Fremdeinsatz im Rahmen von Werk- oder

    Dienstverträgen gilt hingegen, dass die rechtliche Verantwortung des

    Auftraggebers mit dem Umfang der Weisungsrechte hinsichtlich

    der Ausführung der Arbeiten und mit der Notwendigkeit

    spezifischer Maßnahmen aufgrund von besonderen betrieblichen

    Verhältnissen beim Auftraggeber steigt. Weil dem Beschäftigten die

    Kenntnis dieser ggf. abgestuften Pflichtenkreise nicht abverlangt

    werden kann, ist ihm zuzugestehen, dass er sich nach jeder

    (erfolglosen) Beschwerde gegenüber einem dieser Verantwortlichen

    ohne die Furcht vor Sanktionen an die zuständige Behörde wendet.

    Zu betonen ist, dass keine Pflicht der Beschäftigten besteht, auch

    den Betriebsrat einzuschalten; denn § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG sieht

    diesbezüglich

    keine

    entsprechenden

    Regelungen

    zur

    Kontaktaufnahme vor (so auch Wiebauer NZA 2015, 22, 23).

    49

    (2) Form der Beschwerde

    Zur Form der „Beschwerde“ (→ Rn. 46) gibt es in § 17 Abs. 2 S. 1

    ArbSchG keine Vorgaben. Aus diesem Grund wird sich der

    Beschäftigte sowohl mündlich als auch schriftlich an den Arbeitgeber

    wenden können. Dessen ungeachtet kann es ratsam sein, aus

    Gründen der Dokumentation die Beschwerde schriftlich zu führen,

    um ggf. später nachweisen zu können, den erkannten

    Sicherheitsmangel an die hierfür zuständige Stelle im Betrieb

    weitergeleitet zu haben. Ob die Weiterleitung dann mittels E-Mail,

    Brief oder Fax erfolgt, spielt keine entscheidende Rolle.

    50

    (3) Vorbehalt der Zumutbarkeit

    Im Unterschied zu § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG verlangt die Regelung

    in Art. 11 Abs. 6 UAbs. 1 RL 89/391/EWG keinen innerbetrieblichen

    Abhilfeversuch. Vor diesem Hintergrund wird § 17 Abs. 2 S. 1

    ArbSchG in der Literatur z. T. als europarechtswidrig qualifiziert;

    denn die Ausgestaltung im nationalen Recht dürfe den wesentlichen

    Zweck (der RL 89/391/EWG) nicht abschwächen (Kohte in MHdB

    ArbR § 292 Rn. 70). Auf der anderen Seite darf erneut nicht

    übersehen werden, dass die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie

    dezidiert auf die nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken

    verweist, sodass im Ergebnis von der Europarechtskonformität

    des § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG auszugehen ist (h. M.; Pieper

    ArbSchR ArbSchG § 17 Rn. 5; Dötsch AuA 1996, 329, 331;

    Klindt/Schucht in Franzen/Gallner/Oetker RL 89/391/EWG Rn. 79;

    Wiebauer in Landmann/Rohmer GewO ArbSchG § 17 Rn. 26; ders.

    NZA 2015, 22, 23; Wlotzke NZA 1996, 1017, 1022).

    51

    Gleichwohl

    ist

    eine

    restriktive

    Auslegung

    des

    Tatbestandsmerkmals angezeigt (vgl. Kohte in MHdB ArbR § 292

    Rn. 70). Im Ausnahmefall muss die innerbetriebliche Beschwerde

    entbehrlich sein; denn der Vorrang des betrieblichen Wegs steht

    unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit (Pieper ArbSchR ArbSchG

    § 17 Rn. 7). Das innerbetriebliche Abhilfeverfahren darf

    insbesondere nicht zum bloßen Formalismus werden (Wiebauer in

    Landmann/Rohmer GewO ArbSchG § 17 Rn. 26). Vor diesem

    Hintergrund kann sich ein Beschäftigter etwa schon dann direkt an

    die zuständige Aufsichtsbehörde wenden, wenn die Beschwerde

    offensichtlich keinen Erfolg verspricht (vgl. auch BAG NZA 2004,

    427). Dies kann der Fall sein, wenn der in Rede stehende Missstand

    dem Arbeitgeber schon anderweit (länger) bekannt ist und er

    gleichwohl keine Abhilfemaßnahmen ergriffen hat (vgl. Otto in NK-

    2 of 3

    14.02.20, 12:08cc) Innerbetriebliche Beschwerde des Beschäfti...

    https://beck-online.beck.de/Print/CurrentDoc?v...

    ArbR ArbSchG § 17 Rn. 5; Wiebauer in Landmann/Rohmer GewO

    ArbSchG § 17 Rn. 27; Hamm/Faber in HK-ArbR ArbSchG § 17 Rn.

    4). Dabei soll ausreichend sein, dass der Missstand offensichtlich

    ist (Kollmer ArbSchG Rn. 242; Wiebauer in Landmann/Rohmer

    GewO ArbSchG § 17 Rn. 27; Hamm/Faber in HK-ArbR ArbSchG §

    17 Rn. 4). Unzumutbarkeit ist schließlich anzunehmen, wenn

    Straftaten des Arbeitgebers im Raum stehen (vgl. BAG NZA 2004,

    427; Otto in NK-ArbR ArbSchG § 17 Rn. 5; Pieper ArbSchR

    ArbSchG § 17 Rn. 7).

    Allerdings ist zu beachten, dass der innerbetriebliche Abhilfeversuch

    regelmäßig zumutbar sein wird, zumal der Arbeitgeber von dem

    Missstand ggf. gar keine Kenntnis hat (Wiebauer in

    Landmann/Rohmer GewO ArbSchG § 17 Rn. 23).

    Zitiervorschläge:

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht ArbSchG § 17 Rn. 44-51

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, 3. Aufl. 2016, ArbSchG § 17 Rn. 44-51

  • dd) Keine Abhilfe durch den Arbeitgeber

    Schließlich muss das innerbetriebliche Abhilfeverfahren erfolgslos

    durchgeführt worden sein. Davon kann in den folgenden Szenarien

    ausgegangen werden:

    -

    -

    -

    52

    keine Reaktion des Arbeitgebers innerhalb angemessener Frist

    Reaktion des Arbeitgebers, die keine inhaltliche Befassung mit der

    Beschwerde erkennen lässt und deshalb als unzureichend zu

    qualifizieren ist

    keine Durchführung der Abhilfemaßnahme innerhalb angemessener

    Frist trotz erfolgter Reaktion des Arbeitgebers, wonach die

    Beschwerde berechtigt sei

    Demgegenüber hilft der Arbeitgeber der Beschwerde ab, wenn er

    entweder die in Rede stehenden Maßnahmen trifft bzw. die

    betreffenden Mittel bereitstellt oder wenn er inhaltlich nachvollziehbar

    darlegt, dass der arbeitsschutzrechtliche Status quo ungeachtet der

    Beschwerde mit dem geltenden Arbeitsschutzrecht in Einklang steht,

    sodass keine Abhilfemaßnahmen getroffen werden müssen

    (instruktiv zum Ganzen Otto in NK-ArbR ArbSchG § 17 Rn. 6).

    1 of 2

    Fraglich ist, ob das Abhilfeverfahren erfolglos durchgeführt wurde,

    wenn der Arbeitgeber die Beschwerde zwar begründet

    zurückgewiesen hat, der Beschwerdeführer davon aber nicht

    (restlos) überzeugt ist. In diesem Fall wird man dem

    Beschwerdeführer die Geltendmachung des außerbetrieblichen

    Beschwerderechts versagen müssen (a. A. Otto in NK-ArbR

    ArbSchG § 17 Rn. 6); denn bei dieser Sachlage muss das Interesse

    des Arbeitgebers an der innerbetrieblichen Klärung

    berücksichtigt werden. Wenn sich der Arbeitgeber inhaltlich mit der

    Beschwerde befasst und sie mit nachvollziehbarer Begründung

    zurückweist, muss er sich darauf verlassen können, dass der

    Vorgang nicht an die zuständige Behörde weitergeleitet wird. In

    dieselbe Richtung geht jene Auffassung aus der Literatur, wonach es

    auf die „Sicht eines sachkundigen, objektiven Betrachters“

    ankomme. Wenn diesem Betrachter zufolge kein Raum für Zweifel

    mehr bestehe, sei die gleichwohl erfolgte Anzeige bei der

    zuständigen Behörde pflichtwidrig (Wiebauer in Landmann/Rohmer

    GewO ArbSchG § 17 Rn. 22). 53

    Vergleichbar ist die Fallgestaltung, wenn sich Arbeitgeber und

    Beschäftigter nicht über die erforderliche Abhilfemaßnahme einigen

    können. In diesem Fall soll sich der Beschäftigte mangels Abhilfe

    durch den Arbeitgeber an die zuständige Behörde wenden dürfen (so

    Wiebauer NZA 2015, 22, 23). Im Ergebnis ist diese Sichtweise

    erneut mit der Begründung zurückzuweisen, dass dem Interesse

    des Arbeitgebers an der innerbetrieblichen Klärung bei dieser

    Sachlage der Vorrang gebührt (siehe aber auch Kollmer ArbSchG

    Rn. 241a mit dem Vorschlag, in diesem Fall den Betriebsrat als

    vermittelnde Instanz einzuschalten; so auch Pieper ArbSchR

    ArbSchG § 17 Rn. 5). 54

    14.02.20, 12:10dd) Keine Abhilfe durch den Arbeitgeber - beck-...

    https://beck-online.beck.de/Print/CurrentDoc?v...

    Was die Bestimmung der angemessenen Frist anbetrifft, wird sich

    der Arbeitgeber unverzüglich, d. h. gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB

    „ohne schuldhaftes Zögern“, mit der Beschwerde befassen müssen.

    Diese Befassung wird zunächst mit dem Ziel erfolgen, die

    Dringlichkeit der Beschwerde zu ermitteln. Je nach den Umständen

    des Einzelfalles kann sich der dem Arbeitgeber zugestandene

    Zeitraum zur Reaktion sodann von wenigen Tagen bis zu wenigen

    Wochen erstrecken. Regelmäßig soll freilich eine Reaktionszeit

    von zwei Wochen ausreichen (Wiebauer in Landmann/Rohmer

    GewO ArbSchG § 17 Rn. 28). 55

    Strenger sind die Anforderungen für den Fall, dass der Arbeitgeber

    die Berechtigung der Beschwerde innerhalb angemessener Frist

    anerkannt hat. In diesem Fall wird er abermals unverzüglich (→ Rn.

    55) dafür Sorge tragen müssen, dass die erforderliche

    Abhilfemaßnahme in Angriff genommen wird. Zu streng dürfte

    hingegen die Ansicht sein, wonach die Abhilfemaßnahme des

    Arbeitgebers unverzüglich umgesetzt sein müsse (so Wiebauer in

    Landmann/Rohmer GewO ArbSchG § 17 Rn. 29). 56

    Wenn der Beschäftigte indes feststellt, dass die Durchführung der

    Abhilfemaßnahme ins Stocken gerät, lebt das Recht zur Anzeige bei

    der zuständigen Behörde wieder auf. Dessen ungeachtet kann in

    diesem Szenario die vorherige (nochmalige) Kontaktaufnahme mit

    dem Arbeitgeber - mit Blick auf die grds. erfolgte Anerkennung der

    Berechtigung der Beschwerde - ratsam sein, bevor das Recht der

    außerbetrieblichen Beschwerde ausgeübt wird.

    Zitiervorschläge:

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht ArbSchG § 17 Rn. 52-56

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, 3. Aufl. 2016, ArbSchG § 17 Rn. 52-56

  • bb) Auffassung der Beschäftigten auf der Grundlage

    konkreter Anhaltspunkte

    -

    -

    -

    -

    -

    1 of 2

    Zweitens müssen die Beschäftigten zu der Auffassung gelangen,

    dass die getroffenen Maßnahmen bzw. die bereitgestellten Mittel (→

    Rn. 34ff.) nicht ausreichen, und zwar auf der Grundlage konkreter

    Anhaltspunkte. Im Ergebnis führt dieses Tatbestandsmerkmal somit

    subjektive und objektive Elemente zusammen; denn während die

    konkreten Anhaltspunkte objektiv und damit auch für Dritte

    nachvollziehbar vorliegen müssen, handelt es sich bei der darauf

    beruhenden Einschätzung nicht ausreichender Maßnahmen oder

    Mittel um eine dezidiert subjektive Komponente (vgl. auch Wiebauer

    in Landmann/Rohmer GewO ArbSchG § 17 Rn. 21). Vor diesem

    Hintergrund kann es durchaus dazu kommen, dass ein Beschäftigter

    zwar zutreffend die konkreten Anhaltspunkte wahrnimmt, hieraus

    aber die - aus der Sicht Dritter - falschen Schlüsse in Bezug auf die

    Gewährleistung des Schutzes von Sicherheit und Gesundheit der

    Beschäftigten zieht. Ein solches Szenario steht dergestalt im

    Einklang mit der Regelung in § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG, dass sich

    der betreffende Beschäftigte sehr wohl auf das außerbetriebliche

    Beschwerderecht berufen kann (wenn und soweit auch die übrigen

    Tatbestandsmerkmale vorliegen). Der Grund hierfür liegt vor allem

    darin, dass dieses Recht grds. den innerbetrieblichen

    Informationsfluss zwischen den Beschäftigten und ihrem

    Arbeitgeber fördern soll. Für den Arbeitgeber sind die

    Konsequenzen in diesem Szenario im Übrigen tragbar; denn er - und

    eben nicht die zuständige Behörde - ist erster Adressat der

    betreffenden Beschwerde und hat damit frühzeitig die Möglichkeit,

    seine Sichtweise in die arbeitsschutzrechtliche Diskussion mit dem

    Beschwerdeführer einzubringen. Vor diesem Hintergrund hat er

    insbesondere die Möglichkeit - ggf. unter Einbeziehung der

    Betriebsärzte,

    Fachkräfte

    für

    Arbeitssicherheit

    oder

    der

    Sicherheitsbeauftragten gem. § 22 SGB VII -, den ungeachtet der

    Beschwerde aus seiner Sicht ausreichenden Arbeitsschutz im

    Betrieb darzulegen. 41

    Was die konkreten Anhaltspunkte anbelangt, sind die denkbaren

    Auslöser für die Geltendmachung des Beschwerderechts angesichts

    der bunten Lebenswirklichkeit in den Betrieben unüberschaubar.

    Angesichts dessen sind im Folgenden ausgewählte Beispiele

    aufgeführt, welche als Tatsachen konkrete Anhaltspunkte i. S. d. § 17

    Abs. 2 S. 1 ArbSchG zu begründen vermögen: 42

    Wahrnehmung von Auffälligkeiten an Arbeitsmitteln (ungewöhnliches

    Aussehen, Mängel, Schmutz etc.),

    Wahrnehmung von gefährlichen Situationen im Betrieb,

    Wahrnehmung ungewöhnlicher Gerüche,

    Wahrnehmung

    ungewöhnlicher

    bzw.

    ungewöhnlich

    lauter

    Geräusche,

    Wahrnehmung von Unregelmäßigkeiten,

    -

    nach Einführung neuer Arbeits- oder Fertigungsverfahren,

    -

    nach Einführung neuer Arbeitsabläufe,

    -

    nach Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen

    14.02.20, 12:03bb) Auffassung der Beschäftigten auf der Grund...

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    https://beck-online.beck.de/Print/CurrentDoc?v...

    Technologie,

    Wahrnehmung überforderter Beschäftigter,

    Wahrnehmung von unzureichend geschützten Beschäftigten,

    Wahrnehmung

    von

    räumlich

    veränderten

    Anlagen

    Arbeitsmitteln.

    oder

    Umgekehrt reichen bloße Vermutungen und pauschale

    Behauptungen über angebliche Missstände im Betrieb nicht aus

    (Otto in NK-ArbR ArbSchG § 17 Rn. 4; Wiebauer in

    Landmann/Rohmer GewO ArbSchG § 17 Rn. 21).

    Die Geltendmachung des außerbetrieblichen Beschwerderechts ist

    mit Blick auf die Regelung in Art. 11 Abs. 6 UAbs. 1 RL 89/391/EWG

    nur daran gekoppelt, dass die Arbeitnehmer bzw. ihre Vertreter „der

    Auffassung sind“, die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und

    bereitgestellten Mittel seien nicht ausreichend. Demzufolge fehlt

    europarechtlich die Voraussetzung, wonach die Auffassung auf

    konkrete Anhaltspunkte zu stützen ist. Dessen ungeachtet geht mit

    den Beschränkungen in § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG keine

    europarechtswidrige Umsetzung einher, weil in der Arbeitsschutz-

    Rahmenrichtlinie dezidiert auf die nationalen Rechtsvorschriften und

    Praktiken verwiesen wird (Dötsch AuA 1996, 329, 331;

    Klindt/Schucht in Franzen/Gallner/Oetker RL 89/391/EWG Rn. 79).

    43

    Zitiervorschläge:

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht ArbSchG § 17 Rn. 41-43

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, 3. Aufl. 2016, ArbSchG § 17 Rn. 41-43

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  • aa) Keine ausreichenden Maßnahmen oder Mittel des

    Arbeitgebers

    1 of 3

    Die erste Tatbestandsvoraussetzung zielt darauf ab, dass der

    Arbeitgeber keine ausreichenden Maßnahmen getroffen bzw.

    keine ausreichenden Mittel bereitgestellt hat, um die Sicherheit und

    den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten. Wie sich

    aus dem zweiten Tatbestandsmerkmal ergibt, handelt es sich hierbei

    indes nicht um eine rein objektive Voraussetzung; denn es kommt

    gerade nicht darauf an, ob tatsächlich kein ausreichender Schutz

    besteht. Vielmehr ist entscheidend, dass der Beschäftigte subjektiv

    zu dieser Ansicht gelangt; Grundlage dieser Einschätzung müssen

    jedoch konkrete (objektive) Anhaltspunkte sein (→ Rn. 41ff.). 34

    Ungeachtet der ausdrücklichen Bezugnahme auf Maßnahmen und

    Mittel zielt das erste Tatbestandsmerkmal im Kern darauf ab, dass

    der Arbeitgeber insbesondere die Pflichten aus den §§ 3ff. ArbSchG

    nicht eins-zu-eins erfüllt (Wiebauer in Landmann/Rohmer GewO

    ArbSchG § 17 Rn. 17). Vor diesem Hintergrund ist die gesetzliche

    Formulierung weit auszulegen. Erfasst werden insbesondere auch

    Fragen der Arbeitsschutzorganisation; denn die Organisation der

    Durchführung der Maßnahmen des Arbeitsschutzes hat

    unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesundheit

    der Beschäftigten bei der Arbeit (→ § 3 Rn. 84). 35

    Das außerbetriebliche Beschwerderecht ist indes inhaltlich nicht auf

    fehlende Compliance mit dem ArbSchG und die darauf gestützten

    Verordnungen

    beschränkt.

    Bei

    europarechts-

    bzw.

    richtlinienkonformer Auslegung wird namentlich auch der soziale

    Arbeitsschutz einzubeziehen sein; denn auf die hinter § 17 Abs. 2

    S. 1 ArbSchG stehende Regelung in Art. 11 Abs. 6 UAbs. 1 RL

    89/391/EWG wird etwa in Art. 1 Abs. 4 RL 2003/88/EG

    (Arbeitszeitrichtlinie) und in Art. 1 Abs. 2 RL 92/85/EG

    (Mutterschutzrichtlinie) verwiesen. Darüber hinaus können

    Verstöße

    gegen

    Unfallverhütungsvorschriften

    der

    Unfallversicherungsträger geltend gemacht werden (instruktiv zum

    Ganzen Wiebauer in Landmann/Rohmer GewO ArbSchG § 17 Rn.

    20 mit Beispielen). 36

    Keine ausreichenden Maßnahmen werden vom Arbeitgeber

    getroffen, wenn der Status quo des innerbetrieblichen

    Arbeitsschutzes insbesondere nicht im Einklang mit den §§ 3ff.

    ArbSchG steht. Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber

    verpflichtet, „die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes (...)

    zu treffen.“ In der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie wird insoweit

    Bezug genommen auf die allgemeinen Pflichten des Arbeitgebers in

    Art. 6 RL 89/391/EWG. Gem. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 RL 89/391/EWG

    trifft der Arbeitgeber im Rahmen seiner Verpflichtungen „die für die

    Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer

    erforderlichen Maßnahmen“. Exemplarisch können innerbetriebliche

    Gefahrenlagen bestehen, die ohne Weiteres zum Eintritt von

    Personenschäden bei den Beschäftigten führen können. Solche

    Gefahrenlagen können z. B. darauf zurückzuführen sein, dass der

    Arbeitgeber

    bestehende

    Gefährdungen

    im

    Rahmen

    der

    durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG nicht 37

    14.02.20, 12:02aa) Keine ausreichenden Maßnahmen oder Mitt...

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    ermittelt hat. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber zwar die

    Gefährdungen ordnungsgemäß ermittelt haben, aber keine

    erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes i. S. d. § 3 Abs. 1 S.

    1 ArbSchG zur Gefahrensteuerung ergriffen haben. Mit Blick auf die

    Gefährdungsfaktoren und die sie kennzeichnenden Merkmale

    kommen

    etwa

    mechanische

    Gefährdungen,

    elektrische

    Gefährdungen, Gefahrstoffe, biologische Arbeitsstoffe oder Brand

    und Explosionsgefährdungen in Betracht. Darüber hinaus trifft der

    Arbeitgeber keine ausreichenden Maßnahmen, wenn z. B. keine

    persönliche

    Schutzausrüstung

    (PSA)

    als

    individuelle

    Schutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt wird oder wenn die zur

    Verfügung gestellte PSA nicht individuell passt (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1

    PSA-BV).

    Mit dem Verweis auf keine ausreichenden Mittel wird Bezug

    genommen auf die Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, wonach

    der Arbeitgeber „zur Planung und Durchführung der Maßnahmen“

    gem. § 3 Abs. 1 ArbSchG „für eine geeignete Organisation zu sorgen

    und die erforderlichen Mittel bereitzustellen“ hat; denn Art. 11 Abs. 6

    UAbs. 1 RL 89/391/EWG steht in engem Zusammenhang mit Art. 6

    Abs. 1 UAbs. 1 RL 89/391/EWG, wonach der Arbeitgeber u. a. eine

    geeignete Organisation und die „erforderlichen Mittel“ bereitstellt. Die

    arbeitsschutzrechtliche Pflicht zur Bereitstellung der erforderlichen

    Mittel dient dem Zweck, die tatsächlichen Voraussetzungen zu

    schaffen, um die Aufgaben in der vorgesehenen Weise ausführen zu

    können. Sie wird als Komplementärpflicht zur allgemeinen

    Organisationspflicht bezeichnet (→ § 3 Rn. 56). 38

    Auch wenn in § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG darauf abgestellt wird, dass

    die „getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht

    ausreichen“, müssen diese Voraussetzungen richtigerweise nicht

    kumulativ erfüllt werden. Das außerbetriebliche Beschwerderecht

    kann damit schon dann aktiviert werden, wenn entweder die

    getroffenen Maßnahmen oder die bereitgestellten Mittel nicht

    ausreichen. Jede andere Auslegung führte zu einer sachwidrigen

    Einschränkung des außerbetrieblichen Beschwerderechts.

    Praktisch weitaus wichtiger werden dabei die nicht ausreichenden

    Maßnahmen sein, weil sie für die Beschäftigten greifbarer sind. 39

    Richtigerweise setzt die Geltendmachung des außerbetrieblichen

    Beschwerderechts gem. § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG nicht voraus,

    dass der Beschwerdeführer selbst betroffen ist. Der Wortlaut der

    Norm verlangt insoweit nur, „dass die vom Arbeitgeber getroffenen

    Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen“. Vor

    diesem Hintergrund spricht nichts dagegen, dass der

    Beschwerdeführer auf solche Missstände hinweist, die sich auf seine

    eigene Sicherheit und Gesundheit gar nicht auswirken können (so

    auch Kollmer ArbSchG Rn. 241; Wiebauer in Landmann/Rohmer

    GewO ArbSchG § 17 Rn. 19). Dieses weite Verständnis ist im

    Übrigen auch sachgerecht, weil es erstens einen Beitrag zur

    Gewährleistung des Arbeitsschutzes im Betrieb leistet. Zweitens wird

    in der Literatur darauf hingewiesen, dass dem Beschäftigten das

    staatsbürgerliche Recht, sich mit einer Beschwerde an eine

    Aufsichtsbehörde zu wenden, ohnehin nicht genommen werden

    könne (Wiebauer NZA 2015, 22, 23). Schließlich ist

    gesetzessystematisch darauf hinzuweisen, dass innerhalb der

    Pflichten aus § 15 Abs. 1 ArbSchG sowohl die Eigenvorsorge als

    auch der Schutz anderer Personen (Fremdvorsorge) gleichermaßen

    rechtlichen Regelungen unterworfen wird. 40

    Zitiervorschläge:

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht ArbSchG § 17 Rn. 34-40

    2 of 3

    14.02.20, 12:02aa) Keine ausreichenden Maßnahmen oder Mitt...

    https://beck-online.beck.de/Print/CurrentDoc?v...

    Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, 3. Aufl. 2016, ArbSchG § 17 Rn. 34-40

  • Du erwartest jetzt aber nicht, dass wir die ganzen obigen Texte lesen.

    Dein Schaum ist schon polymerisiert. Das Datenblatt bezieht sich auf das Produkt vor der Verarbeitung.

    Ich würde zunächst einmal nachfragen, wie es sein kann, dass da ein Rohr verlegt ist, mit der entsprechenden Temperatur ohne Berührungsschutz und Warnhinweis.

    30% Luftfeuchtigkeit ist zu niedrig. In Kombination mit dem heißen Rohr und Staub führt das zu Reizungen der Augen, Nase und im Rachenraum sowie zu einem Geruchsempfinden, das unterschiedlich stark wahrgenommen wird.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Ne, sorry, das ist nur ein einschlägiger Gesetzeskommentar zur Frage wann eine Beschwerde bei externen Stellen arbeitsrechtlich gedeckt ist. Ich dachte vielleicht hilft es irgenwann mal irgendeinem Googler der ähnliche Probleme hat. Dann muss er nicht in die Bibiothek oder sonst wohin um diesen Content lesen zu können. Das soll Google regeln.


    30 % Luftfeuchtigkeit ist doch meines Wissens nach die Grenze nach der DIN zur thermischen Behaglichkeit und damit (leider) noch in Ordnung, oder? Sogar bis knapp 20 % gilt als noch behaglich. Während andere Quellen die Grenze tatsächlich bei 30 % rel Feuchte sehen.


    Nehmen wir mal an es handelt sich um keine ganz so hohen Temperaturen. Welcher Stoff würde denn bei ggf. knapp 60 oder 60 ° oder vielleicht bis maximal 75 ° bereits schon abnorme Gerüche abgeben?


    Noch ein Rückfrage, entstehen denn bei der Erhitzung oder Verbrennung des Bauschaumes keine Cyanide? Ich habe gelesen dass sie das auf jeden Fall tun. Die Frage ist nur ab welcher Temperatur.

  • Der Anteil an Cyaniden der hier bei Erwärmung frei werden kann dürfte minimal sein. Ansonsten wäre das Produkt nicht verkehrsfähig und als Bauprodukt ungeeignet.

    Fast in jedem Pkw findest Du solche Polyurethanschäume und da wird es auch Mal 70 Grad heiß.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Man sollte aber beim Gewerbeaufsichtsamt oder bei der Unfallkasse darauf hinweisen, dass man um vertrauliche Behandlung der Beschwerde bittet.

    Braucht man nicht wirklich, das wird auch verfolgt, wenn man es anonym sendet.


    Ein erklärende Satz, z.B. "Ich melde mich anonym, da ich Repressalien befürchte" (oder ähnlich), sollte enthalten sein.


    Liebe Grüße
    Micha

    Liebe Grüße
    Micha




    Glück auf! *S&E*


    Nur Scheiße "passiert". - Unfälle werden verursacht!

  • Ah Ok, aber wie könnte man den nun ermitteln, warum dieser Stoff eben einen starken Geruch absondert und ob dabei Schadstoffe entstehen?


    Kann man eine Materialprobe untersuchen lassen,

    oder sollte man eine Luftprobe untersuchen lassen?