Eignung der Kurzzeitmessröhrchen von Dräger

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  • Hallo liebe Community,


    Es geht um das Thema Explosionsschutz und um geeignete Messverfahren um festzustellen, ob man sich noch unterhalb der UEG oder schon zwischen UEG und OEG befindet.


    Folgendes Szenario habe ich:

    In mehreren Produktionsprozessen und -bereichen wird mit 1,2-Dimethoxyethan (CAS 110-71-4) in einer 48%igen wässrigen Lösung umgegangen. Beim Ansetzen gehen die Mitarbeiter sogar mit dem konzentrierten Gefahrsoff um... Eine Externe FaSi hat dazu die Frage gestellt, ob wir alles Mögliche zum Explosionsschutz unternommen haben. Der betroffene Produktionsschritt war eine Inkubation des Materials in einem geschlossenen System (Alu-Kiste), welches nach einer Zeit x für y min (Herkunft der Zeitspanne: "das haben wir immer schon so gemacht") abgesaugt und geöffnet wird. Die FaSi hat Vorschläge gemacht, wie die Kiste mit einer automatischen Freimessung und magnetischer Entriegelung sicher geöffnet werden könnte... letztendlich hat der Produktionsverantwortliche die Aussage von Dräger vorgelegt, dass man so ein System nicht präsentieren kann. Daraufhin hat die GL erst mal beschlossen bei diesem Schritt und auch bei weiteren Schritten (Arbeiten mit dem konzentrierten Gefahrstoff, Umfüllarbeiten zur Entsorgung) das mögliche Vorhandensein einer explosiven Atmosphäre anhand von Messungen nachzuweisen und zu dokumentieren, bevor kostspielige und eventuell unnötige Umbaumaßnahmen eingeleitet werden. Man hat sich folgendes System von Dräger zur Messung auserkoren: Gasmesspumpe accuro in Verbindung mit Kurzzeitröhrchen für n-Butanol (8103861).


    Da ich nun für meinen SiFa-Praktikumsbericht in diesem Zusammenhang auf die Messungen verweisen möchte, habe ich mich bei Dräger doch genauer nach dem System und dem Messverfahren erkundigen wollen und heute die Antwort des Innendienstmitarbeiters für feste Gas-Mess-Anlagen erhalten, dass diese Kurzzeitröhrchen gar nicht geeignet wären, um eine Messung der explosiven Atmosphäre ordnungsgemäß machen zu können. Hier in meinem Unternehmen ist aber die verantwortliche Führungskraft von der Eignung nicht abzubringen oder nicht gewillt sich die Eignung durch den Außendienstmitarbeiter, der den Vorschlag zur Verwendung gemacht hat schriftlich geben zu lassen... :pinch:


    Nun habe ich zwei unterschiedliche Meinungen - daher meine Frage: Hat jemand sich mit dieser Thematik befasst (es wäre das Nonplusultra, wenn es sogar die gleiche Chemikalie ist) und kann mir seine Erfahrungen mit diesem Kurzzeitmessröhrchen mitteilen?


    Viele Grüße aus dem mittlerweile trüb gewordenen Mainz

    E.weline

    Beste Grüße aus Mainz


    E.weline



    Versicherung der Unsicherheit ist Sicherheit.

    Hanspeter Rigs (*1955), Dr. phil., deutscher Philosoph und Aphoristiker


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  • Wie soll das gehen, 1,2-Dimethoxyethan messen mit einem Röhrchen für n-Butanol? Oder ist da eine Doppelempfindlichkeit vorhanden? Möglicherweise wird auch über eine Querempfindlichkeit gemessen, aber das ist meiner Meinung nach nicht sonderlich sinnvoll, da in der Regel kein lineares Verhalten vorhanden ist.

    Die Kurzzeitröhrchen sind auch für ganz andere Konzentrationsbereiche gedacht.


    Ich würde zunächst einmal über eine überschlägige Rechnung versuchen, ob man überhaupt in einen EX-Bereich gelangen kann.


    Wie viel 1,2-Dimethoxyethan wird denn in die Kiste eingebracht und wie groß ist die Kiste? Was ist sonst für eine Atmosphäre in der Kiste? Luft oder Inertgas?


    Anhand der reproduktionstoxischen Wirkung und des doch recht hohen Dampfdrucks würde ich einen offenen Umgang ohne Abzug nicht akzeptieren.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Mich wundert spontan, dass Dräger keine Ex-Messung mit katalytischem Sensor vorgeschlagen hat. Kurzzeit-Röhrchen zur Überwachung explosionsfähiger Atmosphäre kann nur schief gehen, da ist eine kontinuierliche Überwachung der Konzentration in der Raumluft Stand der Technik. Erster Schritt ist die näherungsweise Berechnung der zu erwartenden Gaskonzentration. Wenn rechnerisch eine Konzentration in der Nähe oder oberhalb der UEG möglich ist, dann ist die Gaskonzentration während des Arbeitsablaufs zur Ermittlung der aktuellen Situation kontinuierlich zu messen.


    Schon mal bei anderen Anbietern von Gasmesstechnik angefragt? Die Ultima X Sensorserie von MSA Auer kann z.B. Dimethoxyethan kontinuierlich messen.

  • Hallo E.weline,

    bevor ich mir Gedanken zur Messung mache, ob ich eine Kiste gefahrlos öffnen kann oder nicht, mache ich mir Gedanken, wie ich es möglichst verhindere, dass Gefahrstoffe in die Raumruft gelangen können. Wie AxelS schon sagt, ohne Abzug geht da garnichts! Auch die Frage warum die Mitarbeiter die Lösung selbst ansetzen müsste in meinen Augen geklärt werden. Hier muss ja auch eine Absaugung vorhanden sein. Hast Du dir die Gefährdungen und möglichen Maßnahmen in der GESTIS Datenbank angesehen? Sehr zu empfehlen! GESTIS Stoffdatenbank . hab mal das Stoffdatenblatt Deines Problemstoffes angehängt. Hier recherchiere ich immer zusätzlich zu allen SDBs die man vom Hersteller bekommt.


    Die Drägerröhrchen sind sicher nicht schlecht, aber verlassen würde ich mich darauf nicht. Denn sollte es im Arbeitsbereich zu einem Brand kommen mit Freimessung wird automatisch nach den grundlegenden Schutzeinrichtungen gesucht.


    Gruß Frank

  • Hallo an alle,


    bevor wir uns über eine kontinuierliche Messung Gedanken machen wollten, hatten wir erst mal eine grobe Abschätzung der Menge an Dimethoxyethan ins Auge gefasst. Die Kollegen hier vor Ort sind immer von ungefährlichen (hüst...) Konzentrationen ausgegangen. Klar, ich muss immer mit einem Ausfall z.B. der Lüftung etc. rechen.

    Diesbezüglich hatte ein Außendienstmitarbeiter von Dräger diese Kurzzeitmessröhrchen vorgeschlagen. Mittlerweile habe ich auch die Information bekommen, warum... Wir haben hier eine Querempfindlichkeit vorliegen (Erklärung: als Indikator wird eine Farbreaktion mit einer metallorganischen Verbindung genutzt) und können deshalb das DR Butanol 10/a zur Bestimmung der Dimethoxyethankonz. nutzen. Es gibt auch eine Tabelle , die die 300ppm für Butanol mit 750ppm für meinen Stoff gleichsetzt...Und solange sich die Mitarbeiter in dem Messbereich befinden, sind wir weit unterhalb der 16000 ppm UEG. Problematisch wird es nur, wenn wir uns über 750 ppm bewegen...(Dräger entwickelt in den nächsten Monaten eine mobile Überwachungseinheit, die für uns wohl dann interessant sein wird).

    Noch mal zur möglichen Berechnung: Ich habe heute da viel recherchiert und viele Formeln analysiert, aber wie genau geht die Berechnung? Meine Studienzeit liegt da schon länger zurück bzw. als Biologin scheine ich damals keine Relevanz gesehen zu haben... Speicherplatz wurde zugunsten von Bio-Lern-Stoff freigemacht...

    Ich habe 6,305l Ether - welcher gemäß Dichte einer Masse von 5466g entspricht. Berechne ich die Molare Masse , komme ich auf 60,65mol. Mit dem molaren Gasvolumen eines idealen Gases unter Standardbedingungen (24,5l/mol) käme ich da auf exorbitante 1485l... und das bei einer UEG in einem 240l Behälter (geschlossenes System) von 3,84l (1,6 vol%)… Wenn die Rechnung korrekt ist...

    Da unsere Mitarbeiter aber nicht die ganze Menge auf einmal in diese 240l Kiste packen, sondern sich die Menge über einen Zeitraum von ca 40min bis zur vorliegenden Endmenge aufsummiert, müsste ich doch eigentlich eher die Menge berechnen, nach welcher die 3,48l explosionsfähige Atmosphäre vorherrscht… könnte ja schon nach 10 min sein, oder? Nach einer gewissen Inkubationszeit von 2 h wird das ganze final belüftet/abgesaugt...


    Ich stelle auch gerade fest, dass ich morgen die Kollegen frage, ob sie die Kiste bereits beim Bestücken kontinuierlich absaugen...


    Viele Grüße und schon mal Danke für die Tipps...

    E.weline

    Beste Grüße aus Mainz


    E.weline



    Versicherung der Unsicherheit ist Sicherheit.

    Hanspeter Rigs (*1955), Dr. phil., deutscher Philosoph und Aphoristiker


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  • Deine Berechnungen erscheinen plausibel. Irgendwie kann ich mir aber kein sinnvolles Verfahren vorstellen, bei dem man mal so eben 6,3 L 1,2-Dimethoxyethan verdampfen lässt. In Deinem Behälter wirst Du wahrscheinlich recht schnell die UEG überschreiten und vermutlich auch die OEG. Somit wäre dann "nur noch" Brandgefahr. Aber viele Ether neigen zur Peroxidbildung, sofern nicht entsprechend stabilisiert. Während des Vorganges gehe ich davon aus, wird sich keine wesentliche Peroxidmenge bilden, sofern nicht auch noch thermisch belastet wird. Ich würde auf jeden Fall den Ether vor Gebrauch auf Peroxide testen. Der Behälter wäre im Betrieb Zone 0 und die weiteren Zonen darfst Du selbst bestimmen. Ich würde mir fachkundigen Rat in Sachen Explosionsschutz zuziehen.

    Wo pustet Ihr denn die Abluft von diesem Vorgang hin? Da scheint mir eine Nachbehandlung notwendig.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Berechnungen in Ehren. Ich habe 10 Jahre im Chemischen Labor gearbeitet. Arbeiten mit Ether waren immer besonders gefährlich, da sich die Dämpfe gerne auf dem Boden sammeln und sehr schnell verbreiten. Hier war immer erhöhte Vorsicht und eine sehr gute Absaugung im Arbeitsbereich und am Boden das Nonplusultra!

    Ob eine Maßnahme hier sinnvoll ist kann man aufggrund der Fakten eigentlich garnicht von hier aus beurteilen, da wir den Arbeitsablauf und die örtlichen Begebenheiten nicht kennen. (Was ist die Funktion der Kiste? Steht dies in einem Abzug oder ist sie sicher zu belüften?...) Daher nützen auch die tollsten Berechnungen nichts. Im Datenblatt steht ja schon, dass der bloße Kontakt des Reinstoffes mit Luft zur Bildung von Peroxiden führt.

    Kann mir einfach nicht vorstellen, dass hierauf geachtet wird, wenn die Kollegen bislang wohl von "ungefährlichen" Konzentrationen ausgegangen sind. Da muss man schon mal an der fachlichen Qualifikation der Mitarbeiter und deren Vorgesetzten beim Umgang mit Ether zweifeln.


    Gruß Frank

    Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden;
    es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun. (Johann Wolfgang von Goethe)

  • Guten Morgen, Frank!


    Kann mir einfach nicht vorstellen, dass hierauf geachtet wird, wenn die Kollegen bislang wohl von "ungefährlichen" Konzentrationen ausgegangen sind. Da muss man schon mal an der fachlichen Qualifikation der Mitarbeiter und deren Vorgesetzten beim Umgang mit Ether zweifeln

    Du erfasst gerade einen Kernpunkt... mit dem ich mich hier bei wirklich jeder Arbeitsschutzthematik herumschlage. Wenn ich das Thema Arbeitsschutzmanagement anspreche - wird mir um die Ohren gehauen, dass wir aktuell andere - kritischere - Baustellen haben und es aktuell nicht angegangen werden kann... ?(


    Viele Grüße

    Eweline

    Beste Grüße aus Mainz


    E.weline



    Versicherung der Unsicherheit ist Sicherheit.

    Hanspeter Rigs (*1955), Dr. phil., deutscher Philosoph und Aphoristiker


  • Sagen wir es mal auf den Punkt. Sobald ein Mitarbeiter beim Umgang mit Ether die ach so unkritische Konzentration (trotz hochtrabender Berechnung) überschreitet und ein Funke aus dem Nirgendwo den Ether zur Entzündung bringt und der Mitarbeiter in Flammen steht und schwerste Verbrennungen davon trägt.... Feuerwehr, Rettungskräfte, Polizei und wer sonst noch alles das (fehlende) Arbeitsschutzmanagement auseinandernehmen....... dann hast du keine Zeit mehr nach Dokumenten und Ausreden zu suchen! Die müssen vorhanden sein!


    Die sind sich wohl nicht bewusst genug, das ein Managementsystem es einfacher macht!


    Gruß Frank

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    es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun. (Johann Wolfgang von Goethe)

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