Guten Morgen,
vielleicht kann ich ja helfen - ich habe den Prozess teilweise verfolgt und kenne auch einige Hintergründe dazu. Ich war auch (damals) vor Ort. Vielleicht kann ich also ein wenig helfen und Fragen beantworten?
Insofern: Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankenthal ist kostenlos in voller Länge, aber anonymisiert (darunter leidet m.E. etwas die Lesbarkeit) online abrufbar unter https://openjur.de/u/2219415.html.
Der bestätigende Beschluss des BGH ist unter BGH-Beschluss abrufbar.
Vielleicht klärt das einige offene Fragen?
Gerichtsbesetzung: Drei Berufsrichter, zwei Schöffen.
Zur Person des Angeklagten: Er hatte in der Tat im Prozess einen Dolmetscher, der war allerdings m.E. kaum notwendig. Konkret - zu ihm steht auch einiges im Urteil unter I. - konnte er ausreichend gut deutsch, war erfahren und ordentlich ausgebildet. Sprach-/Handlungs-/Verständigungsunklarheiten gab es nicht.
Zu den Markierungen: Auch dazu steht etwas in dem Urteil. Es gab keine konkreten "Schnittmarkierungen", an denen die Schnitte auszuführen waren. Der Arbeiter kannte allerdings das Rohr und auch die Stelle für den ersten Schnitt war markiert (im Grunde, so hieß es im Prozess, war das wie das Schneiden von Salami, man konnte sich ja jeweils an den vorhergehenden Schnittkanten orientieren). Er hatte außerdem einen entsprechenden Plan, auch war die Rohrführung - man kann es heute noch auf Google sehen - an dieser Stelle sehr gradlinig. Dann kam allerdings ein nach oben stehender Dehnungsbogen und dahinter hatte sich der Angeklagte verschnitten. Wobei wohl nur wenige Meter von ihm weg die ursprünglich abschließende Schnittmarkierung war.
Problematik der BASF: Die hatte übrigens die Tage nochmals erklärt, dass sie alles richtig gemacht hat. Sah das Gericht anders. Das Problem ist, dass strafrechtlich (anders als im Zivilrecht) nur konkrete Personen verfolgt werden können, d.h. man kann im Strafrecht nicht "die BASF" verurteilen. In der VW-Klage konnte man davon ausgehen, dass auch die Mitglieder des Vorstandes betrügen wollten, sie wussten von den Abschalteinrichtungen, wussten dass sie verboten sind und wollten so Geld verdienen.
Hier müsste man für einen konkreten BASF-Mitarbeiter einen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten finden, der für ihn vorhersehbar zu einem solchen Unglück geführt hat. Das wäre aber zunächst Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die wohl zu Prozessbeginn noch von einer Alleinschuld des Arbeiters ausgegangen war und deshalb nur ihn angeklagt hatte. Das ist auch das Problem von einem Strafprozess. Er ist kein Untersuchungsaussschuss, sondern entscheidet über die Schuld eines konkreten Angeklagten. Ob sich jetzt aus dem rechtskräftigen Urteil weitere Anklagen ergeben, bleibt abzuwarten und dann muss das Gericht darüber verhandeln. Ob sich aus dem rechtskräftigen Urteil nun zivilrechtliche Klagen (die sich dann auch gegen die BASF an sich richten können) ergeben - in der Lokalzeitung war ein Artikel, dass einige Nebenkläger wohl jetzt den Arbeitgeber des Angeklagten, der nicht bei der BASF beschäftigt war - verklagen wollen, dito.