Lesenswert!!! BASF Unglück - Gerichtsverhandlung

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  • Guten Morgen,

    vielleicht kann ich ja helfen - ich habe den Prozess teilweise verfolgt und kenne auch einige Hintergründe dazu. Ich war auch (damals) vor Ort. Vielleicht kann ich also ein wenig helfen und Fragen beantworten?


    Insofern: Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankenthal ist kostenlos in voller Länge, aber anonymisiert (darunter leidet m.E. etwas die Lesbarkeit) online abrufbar unter https://openjur.de/u/2219415.html.

    Der bestätigende Beschluss des BGH ist unter BGH-Beschluss abrufbar.


    Vielleicht klärt das einige offene Fragen?

    Gerichtsbesetzung: Drei Berufsrichter, zwei Schöffen.

    Zur Person des Angeklagten: Er hatte in der Tat im Prozess einen Dolmetscher, der war allerdings m.E. kaum notwendig. Konkret - zu ihm steht auch einiges im Urteil unter I. - konnte er ausreichend gut deutsch, war erfahren und ordentlich ausgebildet. Sprach-/Handlungs-/Verständigungsunklarheiten gab es nicht.


    Zu den Markierungen: Auch dazu steht etwas in dem Urteil. Es gab keine konkreten "Schnittmarkierungen", an denen die Schnitte auszuführen waren. Der Arbeiter kannte allerdings das Rohr und auch die Stelle für den ersten Schnitt war markiert (im Grunde, so hieß es im Prozess, war das wie das Schneiden von Salami, man konnte sich ja jeweils an den vorhergehenden Schnittkanten orientieren). Er hatte außerdem einen entsprechenden Plan, auch war die Rohrführung - man kann es heute noch auf Google sehen - an dieser Stelle sehr gradlinig. Dann kam allerdings ein nach oben stehender Dehnungsbogen und dahinter hatte sich der Angeklagte verschnitten. Wobei wohl nur wenige Meter von ihm weg die ursprünglich abschließende Schnittmarkierung war.

    Problematik der BASF: Die hatte übrigens die Tage nochmals erklärt, dass sie alles richtig gemacht hat. Sah das Gericht anders. Das Problem ist, dass strafrechtlich (anders als im Zivilrecht) nur konkrete Personen verfolgt werden können, d.h. man kann im Strafrecht nicht "die BASF" verurteilen. In der VW-Klage konnte man davon ausgehen, dass auch die Mitglieder des Vorstandes betrügen wollten, sie wussten von den Abschalteinrichtungen, wussten dass sie verboten sind und wollten so Geld verdienen.

    Hier müsste man für einen konkreten BASF-Mitarbeiter einen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten finden, der für ihn vorhersehbar zu einem solchen Unglück geführt hat. Das wäre aber zunächst Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die wohl zu Prozessbeginn noch von einer Alleinschuld des Arbeiters ausgegangen war und deshalb nur ihn angeklagt hatte. Das ist auch das Problem von einem Strafprozess. Er ist kein Untersuchungsaussschuss, sondern entscheidet über die Schuld eines konkreten Angeklagten. Ob sich jetzt aus dem rechtskräftigen Urteil weitere Anklagen ergeben, bleibt abzuwarten und dann muss das Gericht darüber verhandeln. Ob sich aus dem rechtskräftigen Urteil nun zivilrechtliche Klagen (die sich dann auch gegen die BASF an sich richten können) ergeben - in der Lokalzeitung war ein Artikel, dass einige Nebenkläger wohl jetzt den Arbeitgeber des Angeklagten, der nicht bei der BASF beschäftigt war - verklagen wollen, dito.


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  • Hier müsste man für einen konkreten BASF-Mitarbeiter einen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten finden, der für ihn vorhersehbar zu einem solchen Unglück geführt hat.

    Wenn man sich die Erlaubnisscheine der BASF ansieht, dann gibt es bei jedem Schein das Feld "Absprache vor Ort durchgeführt" mit ja oder nein als Ankreuz-Feld. Die Problematik ist doch, dass diese Absprachen überhaupt nicht statt finden!

    Der Bauleiter geht morgens in die Messwarte, erhält einen ganzen Leitz-Ordner mit Erlaubnisscheinen und arbeitet die dann ab.

    Kommentar der Messwarte ist dann nur "weißt ja, wo das ist".

    Von der Fachabteilung der BASF wird nur gesagt: "Dann sollen die halt "nein" bei der Absprache vor Ort ankreuzen!"


    Alles in allem ein perverses Spiel um möglichst keine Verantwortung tragen zu müssen.

    „Ich habe 26 eklatante Sicherheitsverstöße gezählt!...27!!!!!!!!“ (frei nach Melman Mankowitz, Madagascar)

  • Hallo,

    Vielleicht kann ich also ein wenig helfen und Fragen beantworten?

    Ja, welche Rolle spielte der Brandposten bei der ganzen

    Geschichte?

    Er ist kein Untersuchungsaussschuss, sondern entscheidet über die Schuld eines konkreten Angeklagten.

    Ohne jeden Zweifel. Sieht man vom diesjährigen Vorfall

    bei Currenta mit mehreren Toten ab, war es doch einer

    der schwersten Zwischenfälle in der jüngsten Vergangen-

    heit. Es ist doch aber schon beachtenswert, wenn dieser

    Vorfall nahezu keine kritische Betrachung erfährt.

    Weder im Bezug VB, noch in Mitgliedsheften wie der WFV

    Info (Werkfeuerwehrverband) konnte man ernsthaft

    etwas entnehmen? Möchte man nichts daraus lernen

    oder soll es einfach tot geschwiegen werden?


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Hallo,

    Ja, die Kontrolle am Tor ist umfassender als der Rest...

    Ich habe dort schon Bauarbeiten betreut.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Ich weiß leider nicht genau, wie man zitiert, ich fange jetzt einfach oben an.


    Sprengteufel: Wie die Erlaubnisscheine ausgefüllt waren, weiß ich nicht. Im Prozess - das kann man auch im Urteil lesen - ging es in der Tat darum, ob im konkreten Fall (Du scheinst das allgemeiner darzustellen) die Erlaubnisscheine nach damaligem Erkenntnisstand korrekt ausgefüllt waren. Das scheint wohl der Fall gewesen zu sein, laut Gutachter, man hätte aber wohl noch einen weiteren Betrieb (?) beteiligen müssen, ohne dass sich dadurch im Ergebnis Änderungen ergeben hätten. Vor Ort scheint vor der Ausgabe des Scheins jemand gewesen zu sein. Jedenfalls war dann ein Verantwortlicher der BASF vor Beginn der Arbeiten da, weil er die Probebohrung gemacht hat und die Markierungen geprüft.


    SimonSchmeisser: Der war wohl vor Ort. Die Aussage von ihm habe ich nicht ganz mitbekommen, insofern weiß ich auch nur, was im Urteil steht. Er stand wohl zu dem Zeitpunkt nicht direkt neben dem Arbeiter (das scheint auch räumlich gar nicht zu gehen) und hat auch nicht kontrolliert, ob der Angeklagte in die richtige Leitung schneidet. Da scheinen wohl auch die meisten Zeugen und die Gutachter einig gewesen zu sein, dass es nicht seine Aufgabe ist zu prüfen, ob die konkrete Arbeit an sich richtig ausgeführt wird.
    Als es dann passiert war, hat er wohl versucht Hilfe herbei zu funken und erst den brennenden Angeklagten mit einem Feuerlöscher gelöscht und dann versucht, die brennende angeschnittene Pipeline ohne Erfolg zu löschen.

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  • Hallo,

    und hat auch nicht kontrolliert, ob der Angeklagte in die richtige Leitung schneidet. Da scheinen wohl auch die meisten Zeugen und die Gutachter einig gewesen zu sein, dass es nicht seine Aufgabe ist zu prüfen, ob die konkrete Arbeit an sich richtig ausgeführt wird.

    das ist eine interessante Feststellung, wenngleich ich sie

    nicht teile. Ich habe mich immer gewundert, warum der

    Brandposten nicht angeklagt war.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Als ich in der BASF war, hat "meine" Firma Brandposten ausgebildet und gestellt.

    Die Brandposten kontrollieren den Feuererlaubnisschein nur im Hinblick auf Messungen und Brandschutz-Vorgaben.

    Eine Überprüfung der Anlagenbauteile KANN durch das Fremdpersonal überhaupt nicht geleistet werden.


    Und ganz ehrlich, während Abstellungen stellt die BASF alles ein, was auch nur einen Handfeger halten kann.

    Der Rest wandert dann von er ARGE in die SiPo-Kurs.

    Es ist erschreckend, was da sitzt und hinterher die Arbeiten überwacht.


    Somit ist es schon eine beachtliche Leistung, dass der Brandposten überhaupt zum Feuerlöscher gegriffen hat.

    Mit seiner Alarmierung der Werkfeuerwehr war dann seine Arbeit auch erfüllt.

    „Ich habe 26 eklatante Sicherheitsverstöße gezählt!...27!!!!!!!!“ (frei nach Melman Mankowitz, Madagascar)

  • Ich habe in der BASF gelernt und auch einige Jahre dort gearbeitet. Schon in den 1980 war es so, das du dort nichts ohne irgendwelche Erlaubnis Überprüfung oder gar Überwachung gemacht hast.

    Ich verfolge das ganze seit der Unfall passiert ist (war damals gerade auf dem Weg zum Kunden und hab die Explosion und die Feuersäule live gesehen) und finde es schon sehr befremdlich (das es runtergebrochen ein einzelner Arbeiter ist der belangt wird).

    Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.

    Francis Picabia 1879-1953


    Viele Grüße Mario

    Einmal editiert, zuletzt von MaOri ()

  • Hallo,

    Als ich in der BASF war, hat "meine" Firma Brandposten ausgebildet und gestellt.

    Die Brandposten kontrollieren den Feuererlaubnisschein nur im Hinblick auf Messungen und Brandschutz-Vorgaben.

    Eine Überprüfung der Anlagenbauteile KANN durch das Fremdpersonal überhaupt nicht geleistet werden.

    Da habe ich eine andere Auffassung. Als Brandposten kann

    ich nur überwachen, wenn ich auch die Art und den Umfang

    der Arbeiten nachvollziehen kann. Und so habe ich es auch

    bei BASF-Aufträgen gehandhabt. Damit wir uns nicht falsch

    verstehen, es geht nicht darum zwangsläufig die Funktions-

    weise der jeweiligen Anlage zu verstehen. Man muss doch

    aber schon prüfen, hat man eventuelle Gefahrenquellen/

    Schwachstellen (z.B. Hohlräume, brennbare Materialien

    oder aber auch nicht abgestellte Leitungen) und muss man

    darauf reagieren. Wie sonst will man auch prüfen, ob

    eventuelle Brandschutzmaßnahmen (Abdecken etc.) umgesetzt

    sind?


    Generell habe ich z.B. schon sehr viele Arbeiten einstellen

    lassen, wenn ich die Sicherheit für nicht gewährleistet

    gesehen habe.

    Und ganz ehrlich, während Abstellungen stellt die BASF alles ein, was auch nur einen Handfeger halten kann.

    Der Rest wandert dann von er ARGE in die SiPo-Kurs.

    Es ist erschreckend, was da sitzt und hinterher die Arbeiten überwacht.

    Da stimme ich uneingeschränkt zu. Es darf aber auch nicht

    verwundern, wenn die Stellen teilweise wortwörtlich als

    "Rentnerjobs" etc. angeboten werden. Zudem ist halt die

    Bezahlung auch mehr als grenzwertig. BASF ist da nicht die

    Ausnahme.

    Somit ist es schon eine beachtliche Leistung, dass der Brandposten überhaupt zum Feuerlöscher gegriffen hat.

    Mit seiner Alarmierung der Werkfeuerwehr war dann seine Arbeit auch erfüllt.

    Im Hinblick auf ihre vorherigen Ausführungen stimme ich Ihnen

    zu. Auf der anderen Seite muss man aber schon sagen, es sind

    Grundlagen die schlicht zu dieser Tätigkeit gehören. Wenn wir

    da am Punkt sind und aus nachvollziehbaren Gründen von einer

    beachtlichen Leistung reden müssen, kann man die Frage der

    Sinnhaftigkeit der Maßnahme (Stellung Brandposten) schon

    hinterfragen.


    Ich bleibe dabei, für mich hätte der Brandposten im Verfahren

    deutlich hinterfragt werden müssen, gerade hinsichtlich seiner

    strafrechtlichen Verantwortung.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

    Einmal editiert, zuletzt von SimonSchmeisser ()

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  • Ich glaube, ihr seit gar nicht so weit auseinander bzgl. der Aufgaben des Brandsicherungspostens, jedenfalls hierbei (ist denn die Frage, was GENAU er machen muss irgendwo definiert?). Die Arbeiten waren ja "a. Flex das konkrete Rohr in handlichen Stücken weg. b. Schweiß das neue Rohr an diese Stelle." Das wusste der Brandschutzposten auch.


    Er hatte wohl kontrolliert, ob es Gefahrenstellen in der Umgebung gibt (Laub, das brennen könnte etc. Er hat wohl auch kontrolliert, ob die Brandschutzdecken ausgelegt sind. Er hat NICHT kontrolliert, ob der Angeklagte in das richtige Rohr schneidet. In der Tat hat wohl ein Zeuge erklärt, auch das sei seine Aufgabe, Gutachter und die anderen Zeugen aber meinten, dann müsste er seinen Fokus ja letztlich stets auf dieses Arbeitsfeld legen und könnte die nähere und weitere Umgebung nicht mehr auf Gefahren kontrollieren. Außerdem könnten bei einer derart "engen" Betreuung ja auch im Grunde nur Schweißer oder nur Flexer arbeiten, so meine ich stets im Urteil.

    Übrigens hat er - ich hatte eben nochmals in das Urteil reingeschaut - wohl nicht die Feuerwehr gerufen, das Funkgerät hatte nicht funktioniert, wobei nicht klar war, ob es defekt war oder er es falsch bedient hat. Erinnern kann ich mich noch daran, dass er der einzige war, der gesagt hatte, dass die Flamme aus dem eigentlich zu bearbeitenden Rohr gekommen war.

  • Hallo,


    Danke für die Ausführungen. Das die Tätigkeit durchaus anspruchsvoll

    ist je nach Situation, ist allgemein bekannt. Ich hatte auch schon Fälle

    mit Fassadenarbeiten bei einem Kaufhaus im laufenden Betrieb.

    Getrennt war das ganze nur mittels einer Staubschutzwand.

    Da haben sich die Funken über mehrere Stockwerke teilweise

    ausgebreitet. Stellt man das fest, muss man auf diese Umstände

    entsprechend reagieren. Meine Reaktion war die Anordnung einer

    größeren Abdeckung/Abschirmung mittels Schweißerdecken/

    Löschdecken, als es ursprünglich geplant war. Freunde hat

    man sich damit bei den Arbeitern nicht gemacht, da es mit einem

    deutlichen Mehraufwand verbunden war.


    Und da hat man dann nicht nur die Arbeiter im Blick, sondern auch

    das Arbeitsumfeld, was je nach Situation sehr groß sein kann. Auf

    der anderen Seite muss man aber auch sagen: Warum setzt man je

    nach Situation nur einen Brandposten ein? Gerade je größer das

    Arbeitsumfeld ist, muss man ggfs. mehrere Brandposten einsetzen.

    Er hat NICHT kontrolliert, ob der Angeklagte in das richtige Rohr schneidet.

    Und das war der Fehler, in meinen Augen ein Pflichtversäumnis.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Dateien

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Und das war der Fehler, in meinen Augen ein Pflichtversäumnis.

    und wie hätte der Sicherungsposten das bitte herausfinden sollen?


    Auf dem Bild (aus dem Handbuch Erlaubnisscheine) könnte keiner genau sagen, welche Stütze/Rohr/Strebe das sein soll.

    Und außerdem sagt die BASF zu dem Posten der Brandsicherung (Handbuch Erlaubnisscheine, Seite 45, Abschnitt E 3.):

    "Die Überwachung durch eine weitere Person ist zwingend erforderlich, wenn der Ausführende, bedingt durch örtliche Gegebenheiten oder Arbeitsausführung, einen Entstehungsbrand nicht sofort erkennen und Löschversuche einleiten kann."


    Somit ist die Aufgabe des Brandpostens (der auch vom Betrieb ohne jegliche Ausbildung gestellt werden kann) keine Überprüfung, ob tatsächlich das richtige Rohr durchgeschnitten wird.


    Dafür hat die BASF nach dem Vorfall die lustigen Klebebanderolen ausgegeben, die (angeblich) von der BASF vor Ort angebracht und DANN unterschrieben werden.

    Meine letzte Kenntnis dazu war, dass diese inzwischen aber auch schon fertig unterschrieben mit den jeweiligen Erlaubnisscheinen ausgegeben werden...

  • Hallo,

    und wie hätte der Sicherungsposten das bitte herausfinden sollen?

    Habe ich doch schon ausgeführt, siehe Beitrag 69.

    Als Brandposten kann ich nur überwachen, wenn ich auch die

    Art und den Umfang der Arbeiten nachvollziehen kann. Und

    so habe ich es auch bei BASF-Aufträgen gehandhabt. Damit wir

    uns nicht falsch verstehen, es geht nicht darum zwangsläufig

    die Funktionsweise der jeweiligen Anlage zu verstehen. Man

    muss doch aber schon prüfen, hat man eventuelle Gefahrenquellen/Schwachstellen (z.B. Hohlräume, brennbare Materialien oder aber

    auch nicht abgestellte Leitungen) und muss mandarauf reagieren.

    Wie sonst will man auch prüfen, obeventuelle Brandschutzmaßnahmen

    (Abdecken etc.) umgesetzt sind?

    Auf dem Bild (aus dem Handbuch Erlaubnisscheine) könnte keiner genau sagen, welche Stütze/Rohr/Strebe das sein soll.

    Ja, es ist ein Mangel. Ich halte diesen aber nicht für tragisch,

    wenn der Brandposten vor Ort sich gewissenhaft mit der Lage

    vertraut macht. Man kommt doch nicht als Brandposten vor

    Ort und dann beginnen auch im selben Moment die Arbeiten.


    Unabhängig davon verweise ich auf das gleiche Handbuch

    Seite 38 Auszug:


    B 1. Den Anlagenteil, an dem die Arbeiten auszuführen sind, genau für den Handwerker nachvollziehbar und verwechslungssicher bezeichnen; z. B. Bühne, Apparatenummer, Baunummer. Falls dennoch Verwechslungen möglich sind (z. B. gleichaussehende Abfüllstellen, Leitungen vom Keller bis ins 4. OG, gleiche Rührbehältereinheiten), ist der betreffende Anlagenteil zu markieren (Anhänger, Farbmarkierungen, usw.). Die Bezeichnung und ggf. Kennzeichnung des Anlagenteils ersetzt nicht die Sicherheitsunterweisung des Ausführenden vor Ort.

    Und außerdem sagt die BASF zu dem Posten der Brandsicherung (Handbuch Erlaubnisscheine, Seite 45, Abschnitt E 3.):

    "Die Überwachung durch eine weitere Person ist zwingend erforderlich, wenn der Ausführende, bedingt durch örtliche Gegebenheiten oder Arbeitsausführung, einen Entstehungsbrand nicht sofort erkennen und Löschversuche einleiten kann."


    Somit ist die Aufgabe des Brandpostens (der auch vom Betrieb ohne jegliche Ausbildung gestellt werden kann) keine Überprüfung, ob tatsächlich das richtige Rohr durchgeschnitten wird.

    Ich würde mich von diesem Handbuch lösen. Ich halte die

    Praxis der BASF für verbesserungswürdig.


    Ich persönlich vertrete da eine andere fachliche Meinung,

    die ich umsetze, auch in der Ausbildung von Brandposten.

    Letztlich wird es aber zig verschiedene Meinungen zu diesem

    Thema geben, leider. Und da bin ich dann auch wieder bei

    einem anderen Punkt, nämlich der fehlenden öffentlichen/

    fachöffentlichen Aufbereitung. Gerade damit man aus diesem

    Vorfall Erkenntnisse/ Verbesserungen ziehen könnte.

    Eine ausschließlich verbesserte Methode der Markierung, halte

    ich jetzt für nicht ausreichend.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

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  • Naja, abgesehen davon, dass sich das Handbuch nach dem Unglück geändert haben dürfte...

    Vielleicht muss man differenzieren:

    Selbstverständlich kann man danach sagen, dass da einiges schief gelaufen ist. Insofern bin ich auch irritiert, dass es keinen Untersuchungsausschuss etc. gegeben hat. Die ganze Geschichte hätte auch noch mehr schief gehen können, wenn das Schiff, das da im Hafen gelegen hatte, explodiert wäre. Insofern hätte ich auch erwartet, dass in Fachkreisen (welche auch immer, da kenne ich mich nicht aus) über die Folgen aus dem Unglück diskutiert wird.


    Strafrechtlich müsste man keinen "Fehler" oder "Pflichtversäumnis" nachweisen, sondern eine für den Betroffenen erkennbare Sorgfaltspflichtverletzung. Maßstab ist, sind die Anforderungen, die ein besonnener und gewissenhafter Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters in dessen sozialer Rolle bei einer Betrachtung der Gefahrenlage ex ante zu erfüllen hat, eingehalten?
    Die konkrete Sorgfalt, die einzuhalten ist, kann sich aus Rechtsvorschriften ergeben - da scheint ihr doch zu sagen, es gibt keine Rechtsvorschrift, die verlangt, dass er zu prüfen hat, ob auch in die konkret richtige Leitung geschnitten wird. Die kann sich aus der Verkehrssitte ergeben - auch da scheint es wohl nicht zwangsläufig üblich zu sein, oder? In jedem Fall scheint der Meinungsstand hier eher 50/50 zu sein? Und dann "was würde ein einsichtiger und besonnener Mensch tun, der aus dem selben Verkehrskreis wie der Täter stammt" tun? Und auch da scheint es nicht zwangsläufig usus zu sein, dass die konkret richtige Ausführung der Arbeiten geprüft wird, oder?

    Man könnte sich dann noch überlegen, dass es vielleicht in den Schulungen und Vorgaben, die der Brandschutzposten hatte, zwar keine Pflicht gab, die konkrete Ausführungen zu prüfen, die Schulungen und Vorgaben aber so erkennbar unzureichend waren, dass es sich aufdrängen würde, mehr zu tun. Aber auch hier scheint die Meinung gespalten zu sein.


    Das mit der gespaltenen Meinung gilt ja übrigens nicht nur in dem Forum hier, sondern galt auch im Prozess, auch da war lediglich ein BASF-Zeuge der Meinung, dass dies zu den Aufgaben gehört - andere im selben Aufgabenbereich waren es nicht, dito nicht die Gutachter.

    Aber damit glaube ich kaum, dass der Brandschutzposten strafrechtlich verfolgt werden kann, auch nachdem jetzt die wesentlichen Abläufe ja rechtskräftig feststehen.

  • Hallo,

    Insofern bin ich auch irritiert, dass es keinen Untersuchungsausschuss etc. gegeben hat. Die ganze Geschichte hätte auch noch mehr schief gehen können, wenn das Schiff, das da im Hafen gelegen hatte, explodiert wäre. Insofern hätte ich auch erwartet, dass in Fachkreisen (welche auch immer, da kenne ich mich nicht aus) über die Folgen aus dem Unglück diskutiert wird.

    Das ist in der Regel auch nicht gewollt...

    Da könnte man jetzt sehr viele Beispiele anführen.

    Die konkrete Sorgfalt, die einzuhalten ist, kann sich aus Rechtsvorschriften ergeben - da scheint ihr doch zu sagen, es gibt keine Rechtsvorschrift, die verlangt, dass er zu prüfen hat, ob auch in die konkret richtige Leitung geschnitten wird.

    Wir bewegen uns hier in einem Bereich mit vielen Möglichkeiten,

    daher müssen die Gefahren und mögliche Maßnahmen auch

    individuell betrachtet werden. Trotzdem gibt es Regelungen,

    deren Umsetzung die Prüfung erforderlich macht.


    Ohne jeden Zweifel gibt es aber viele unterschiedliche Meinungen.

    Aber damit glaube ich kaum, dass der Brandschutzposten strafrechtlich verfolgt werden kann, auch nachdem jetzt die wesentlichen Abläufe ja rechtskräftig feststehen.

    Auch da kann man unterschiedlicher Meinung sein, ich halte

    es für geboten.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Verstehe ich richtig: das gesamte Management ist aus der Geschichte fein raus, der Mitarbeiter, der einen Fehler gemacht hat, ist verurteilt?


    Wenn ja, können wir SiFas einpacken - oder anfangen, die Angestellten zu beraten (die uns dann nicht sehr gut bezahlen werden...)

  • Hallo,

    Verstehe ich richtig: das gesamte Management ist aus der Geschichte fein raus, der Mitarbeiter, der einen Fehler gemacht hat, ist verurteilt?

    Ja, wobei deutlich wurde, auch beim Kreis der "normalen" Mitarbeiter

    gibt es noch Unterschiede bzw. unterschiedliche Ansichten. Ich hätte

    eine Anklage für den Brandposten für notwendig erachtet.


    Letztlich ist damit aber nur die strafrechtliche Geschichte abgeschlossen.

    Zivilrechtlich wird man abwarten müssen, ob und was da eventuell noch

    kommt.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

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  • Das kann doch nicht sein, dass man sich das so einfach macht.

    Der Betreiber von Anlagen, der sicherstellen könnte das in Bereichen wo Tätigkeiten durchgeführt werden sollen, diese auch "freischalten läßt "und die "Lastfreiheit" mit dem Werker feststellt und sichert.

    Damit in der Folge nicht ein Werker hingehangen werden kann.

  • Hallo,


    einfach hat man es sich nicht gemacht.

    Es gab staatsanwaltliche Ermittlungen hinsichtlich dem

    möglichen Kreis der Verdächtigen, man hat Anklage

    bei Gericht erhoben, es kam zur Verhandlung und zur

    Verurteilung. Dieses Urteil wurde vom höchsten Gericht

    bestätigt. Die Messe ist damit gelesen, wenngleich man

    unterschiedlicher Auffassung sein kann.


    Und nur so nebenbei, wo wurde ernsthaft die Chefetage

    mal angeklagt? Gerade jetzt bezogen auf große Unglücke

    in Deutschland. Loveparade Duisburg? Nö. Flughafenbrand

    Düsseldorf? Nö. Nahezu alle diese Verfahren sind nach

    x-Jahren entweder eingestellt worden gegen Geldauflage

    oder es gab eine Geldstrafe.


    Gruß

    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Mensch darf dabei auch nicht vergessen, dass die Aufgabe der Justiz nicht ist Gerechtigkeit herzustellen, sondern den "Rechtsfrieden".


    https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsfrieden


    Rechtsfrieden ist im Idealfall auch gerechter Interessensausgreich, der Idealfall ist aber nicht der Regelfall.


    Sobald der Instanzenweg beendet ist - egal was dabei raus gekommen ist gilt der Rechtsfrieden als hergestellt.

    Wichtiger als das Ergebnis ist dass das Verfahren eingehalten wurde. Damit ist die Legitimität automatisch hergestellt.


    Das hat Niklas Luhman schon 1969 sehr schön herausgearbeitet.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Legitimation_durch_Verfahren

    Einmal editiert, zuletzt von Schmandhoff ()