Lesenswert!!! BASF Unglück - Gerichtsverhandlung

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  • Hab ich heute früh auch gelesen. Ich bin sehr gespannt wie das ausgeht

    "Es gibt keine Trottel - nur Menschen, die wenig Glück beim Denken haben"

    ©sinngemäß nach Bruno Jonas, Kabarettist, Oktober 2016

  • Ich lese gerade die Sachen hier - und zumindest aus den Presseberichten fehlen wichtige Infos: wie war die Arbeitsanweisung formuliert? Waren die Rohre markiert? Waren sie Rohre, die nicht beschädigt werden durften in irgend einer Form geschützt? Hatte jemand Aufsicht/koordiniert? Ein Mitarbeiter, der einen Dolmetscher braucht - hatte er überhaupt verstanden, was er tun sollte?


    Dass der Kollege vor Gericht steht erscheint aus zwei Gründen dubios:
    1. Ist Organstationsversagen seitens BASF oder Fremdfirma bereits ausgeschlossen?
    2. Was bringt es jemanden, der sich nicht erinnert (Schädel-Hirn-Trauma?) vor Gericht zu stellen?


    Das Ganze ist doch nur sinnvoll, wenn hier Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegen würde. Wenn da nur eine von 30 rostigen, vermoosten Rohren angeflext wurde... Hätte der Mitarbeiter etwas bestimmtes (Alarm schlagen, warnen) tun müssen, als er den Fehler erkannt hat, und hat das unterlassen (vertuschen wollen)? Konnte er den Fehler überhaupt erkennen und richtig reagieren, oder was bringt ihn vor Gericht?


    Ärzte, die falsche Beine amputieren, sind auch nicht gerade selten. Verknackt werden die auch nicht... Und die müssten es wissen.

  • Hallo,

    Ich lese gerade die Sachen hier - und zumindest aus den Presseberichten fehlen wichtige Infos: wie war die Arbeitsanweisung formuliert? Waren die Rohre markiert? Waren sie Rohre, die nicht beschädigt werden durften in irgend einer Form geschützt? Hatte jemand Aufsicht/koordiniert?

    Die Rohre waren markiert. Ja, es hat eine Aufsicht (Brandposten) gegeben.
    Auch wurde der Fehler (Entstehungsbrand)erkannt, da die Werkfeuerwehr der
    BASF VOR der ersten Explosion vor Ort war. Deshalb sind auch vier
    Werkfeuerwehrleute getötet worden. Wer mal in der BASF LU arbeitet, der kennt
    aber die dortigen Problematiken. Ich habe dort selbst schon mehrere feuerg.
    Arbeiten betreut.


    Zu diesem Thema (Unglücksverlauf) gibt es sehr umfangreiche Darstellungen,
    u.a. auch von einer Informationsveranstaltung der BASF und Fw. (siehe u.a. Youtube).
    Ich persönlich habe Zweifel zur Notwendigkeit von diesem Prozess. Es ist ohne
    Zweifel ein Fehler passiert. Und ohne Zweifel hätte man diesen Fehler
    vermeiden können. Man muss sich aber schon die Frage stellen, was
    für ein Ergebnis dieser Prozess liefern soll? Der Mann ist 63 Jahre alt,
    selbst schwere und bleibende Verletzungen erlitten. Ob jetzt eine Bewährungs-
    strafe oder sogar eine Haftstrafe, das Leid der Hinterbliebenen lindert,
    bezweifel ich stark. Geschweige von eventuellen zivilrechtlichen Ansprüchen.
    Aber ok, so funktioniert halt unser Rechtssystem.


    Präsentation der WF BASF LU auf einer Veranstaltung vom Werkfeuerwehrverband:


    https://www.sfv-muenchen.de/fi…nis-TUIS-SFV-Muenchen.pdf


    oder Bürgerdialog mit Fragen und Antworten u.a. zu Brandwache, Kennzeichnungen
    etc:


    https://www.ludwigshafen.de/fi…alog_basf_doku_apr_17.pdf


    Gruß
    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

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  • Vielen Dank. Sieht soweit schlüssig aus.


    Bleiben noch die Fragen:


    "Sprachen alle Deutsch": jetzt nicht mehr, oder war dieser Mann gar nicht dabei? Er braucht nämlich einen Dolmetscher.


    War die Markierung deutlich genug?


    Schließen der Ethylen-Leitung war nicht möglich, und hätte wohl nichts verhindert.... Habe ich so verstanden. Oder? Weil zu viel Druck, zu viel Material.


    Ob die Feuerwehr notwendigerweise so dicht an der Leitung arbeiten musste, konnte ich ebenfalls nicht herauslesen.


    Mir erscheint es hochgradig unlogisch, eine Rohrleitung einfach so anzuflexen.... Und wenn er sich an nichts erinnern kann, wird man auch nicht viel herausfinden.


    Aus eigener Erfahrung: nach einem Unfall waren die letzten 20 s weggeblasen. Nach Check der GPS-Daten zu Hause ist alles wieder gekommen. Fakt, denn ich konnte sogar die Blumen an der Stelle beschreiben, wo mein Kopf in der Nähe eingeschlagen hat. Der "Film" ist wie in Zeitlupe im Kopf wieder entstanden. Sturzursache, Ablauf, Gedanken und der Übergang in die Ohnmacht - alles da. Aber vor der Erinnerung war eine beängstigende Leere.


    Ich kann mir gut vorstellen, wie sich dieser Mann fühlt, wie fremd er sich in diesem Prozess fühlt. Seine "Schuld" wurde ihm vorgetragen, aber er erkennt sich darin nicht. Ich kam mir auch blöd vor, wie kann ich so brutal stürzen? Nun, jetzt weiß ich es (Blödheit), aber ich habe meinen Frieden. Dieser Mann wird diesen Frieden wohl nie finden....

  • 2. Was bringt es jemanden, der sich nicht erinnert (Schädel-Hirn-Trauma?) vor Gericht zu stellen?

    Er steht als Täter vor Gericht. Könnte man sich durch Erinnerungslücken so einfach aus der Verantwortung stehlen, gäbe es wohl niemanden mehr, den man verurteilen kann.


    Im Vorfeld wurden von Seiten der BASF anscheinend einige Dinge nicht ausführlich genug angegangen, was Arbeitsorganisation, Koordination und Überwachung angeht. Das scheint inzwischen verbessert zu sein. Daher wundert mich, warum hier nicht noch weitere auf der Anklagebank sitzen.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Ob jetzt eine Bewährungs-
    strafe oder sogar eine Haftstrafe, das Leid der Hinterbliebenen lindert,
    bezweifel ich stark. Geschweige von eventuellen zivilrechtlichen Ansprüchen

    Das sehe ich auch so. Das Leid wird sicher nicht gelindert. Aber wo fängt es an und wo wird nicht verurteilt ? Das Rechtssystem gibt es vor.
    Angeklagt ist leider wieder nur das schwächste Glied das wohl ursächlich war. Aber wo sitzen die Verantwortlichen der Arbeitsorganisation, Koordination und Überwachung wenn dort auch Fehler gemacht wurden ?

    Gruß tanzderhexen


    "Das Verhüten von Unfällen darf nicht als eine Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft"
    Werner von Siemens, Zitat von 1880
    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
    Aristoteles griech. Philosoph 384 -322 v. Chr.

  • Optimismus: vielleicht kommt heraus, dass der Sessel an eine höhere Etage übergeben wird.


    Mir ist übrigens auch nicht klar, wieso der Mitarbeiter überhaupt so schwer verletzt wurde... Hat er nach dem Schnitt kein Fersengeld gegeben??? Warum nicht?

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  • Hallo,

    "Sprachen alle Deutsch": jetzt nicht mehr, oder war dieser Mann gar nicht dabei? Er braucht nämlich einen Dolmetscher.

    Laut Darstellung der BASF ja. Wobei man sich an diesem Dolmetscher
    nicht aufhängen sollte. Dieser kann auch vom Gericht als notwendig
    erachtet worden sein, um eventuelle Angriffsmöglichkeiten bei einem
    Urteil zu entgehen


    Auch wurde die Baustelle von Seiten der BASF kontrolliert, es gab
    keine Beanstandungen. Wie es zum gravierenden Schnitt an der falschen
    Leitung kam, ist im übrigen in den verlinkten Dokumenten gut geschildert.

    Aber wo fängt es an und wo wird nicht verurteilt ? Das Rechtssystem gibt es vor.

    Zustimmung. Es stellt sich halt nur einem die Frage, was soll es bringen?!

    Mir ist übrigens auch nicht klar, wieso der Mitarbeiter überhaupt so schwer verletzt wurde... Hat er nach dem Schnitt kein Fersengeld gegeben??? Warum nicht?

    Neija, es kam "nur" zu einem Entstehungsbrand siehe Bilder. Das tatsächliche
    Ausmaß vom Schaden wurde nicht erkannt, auch nicht direkt von der
    Werkfeuerwehr. Diese war schließlich schon 3 Minuten vor Ort, bevor es
    zur ersten Explosion gekommen ist. Zudem sollte man die Wucht der
    Explosion nicht unterschätzen, man sollte nur bedenken wie der Matrose
    vom Schiff ums Leben gekommen ist....


    Sicherlich könnte man jetzt die Frage stellen, Mitarbeiter der WF ok, gehört
    zum Berufsrisiko. Warum waren aber die anderen Mitarbeiter nicht außerhalb
    vom Gefahrenbereich, z.B. an einem Sammelplatz?


    Letztlich ist das aber der Unterschied zwischen Theorie und Praxis und
    zeigt "gut", was für Folgen es haben kann.


    Gruß
    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Es stellt sich halt nur einem die Frage, was soll es bringen?!

    In dem Fall sehe ich das auch so. Ein Schuldiger, oder auch nicht je nach Rechtslage und Auffassung des Gericht, wird halt versucht zu finden. Wenn die Schuldfrage geklärt ist fühlen sich manche Beteiligte und Betroffene vielleicht besser.


    Der Schweißer ( einer externen Firma) hat letztendlich nach den derzeitigen Erkenntnissen, wenn diese den Tatsachen entsprechen sollten, den tragischen Unfall verursacht und wird zur Rechenschaft gezogen.

    Gruß tanzderhexen


    "Das Verhüten von Unfällen darf nicht als eine Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft"
    Werner von Siemens, Zitat von 1880
    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
    Aristoteles griech. Philosoph 384 -322 v. Chr.

  • Hallo,


    zwei interessante Sichtweisen auf das Unglück:


    Brandposten und Werkfeuerwehrmann


    https://www.swr.de/swraktuell/…s-basf-explosion-100.html


    und


    https://www.morgenweb.de/mannh…g-mehr-_arid,1400921.html


    Gruß
    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Danke für die Links.
    Aber.... Hart, sehr hart...


    Ich frage mich auch, wie es zu einer Explosion kommen konnte, mit der unter den gegebenen Umständen durch die Fachleute nicht gerechnet wurde.


    - Angesägtes Rohr
    - Feuer
    - Explosiver Stoff...


    Was ich glaube:


    - Hitze beschädigt Rohr
    - Weiterer Austritt des Gases ohne Entzündung
    - Entzündung außerhalb des Rohres an der Hitze/Flamme als Explosion...


    Nicht vorhersehbar?

    Einmal editiert, zuletzt von zzz ()

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  • Hallo,

    Nicht vorhersehbar?

    Davon würde ich ausgehen. Zudem fand ja schon ein Abbrand statt.


    Gruß
    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • Ich frage mich auch, wie es zu einer Explosion kommen konnte, mit der unter den gegebenen Umständen durch die Fachleute nicht gerechnet wurde.

    Die Fachleute hatten einfach nicht damit gerechnet, dass es möglich ist, das falsche Rohr anzusägen. Dementsprechend haben sie auch nur mit einem geringen Restinhalt im Rohr gerechnet und nicht damit, dass eine materialführende Leitung beschädigt wurde.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Die Frage war anders gemeint...


    Das Ansägen des falschen Rohres ist passiert, er brannte. Folge des Vorgangs:
    - Gasaustritt
    - Brand
    - Hitzeentwicklung


    Konnte man (nicht) annehmen, dass dieses brennende Rohr auch noch explodiert?
    Oder dass ein anderes Rohr, das von der Hitze betroffen ist, explodiert?
    Was ist eigentlich überhaupt explodiert...?


    Die Fragen sind rein technisch gemeint.

  • Konnte man (nicht) annehmen, dass dieses brennende Rohr auch noch explodiert?

    Bei einem gasgefüllten Rohr besteht in der Regel keine Explosionsgefahr, da man weit oberhalb der oberen Explosionsgrenze ist. Es brennt in der Regel nur an der Leckagestelle bzw. in einigem Abstand davon. Wenn man jetzt der Annahme ist, dass Restgas im Rohr ist, so kann man durchaus auf die Idee kommen diesen lokalen Brand zu löschen. Bei einer gefüllten Gasleitung unter Druck wird man in der Regel abschiebern.

    Was ist eigentlich überhaupt explodiert...?

    Ausgeströmtes Gas im Rohrgraben, welches sich mit Luft zu einem explosionsfähigen Gemisch verdünnt hatte.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Danke für die Ausführung (mit Gasbränden hatte ich bisher NULL Berührung, möchte aber für den Fall der Fälle durchaus auch aus diesem Thread sachdienliche Hinweise "mitnehmen")


    War das Gas aus der Leitung mit dem Leck, oder aus einer anderen Leitung, die durch die Hitze beschädigt wurde?

  • Hallo,


    eher das letztere, da es einen Abbrand gab.


    Gruß
    Simon Schmeisser

    Durch einen guten vorbeugenden Brandschutz und entsprechende Brandschutzaufklärung kann davon ausgegangen werden, dass mehr Menschenleben und Sachwerte bewahrt werden können, als durch alle Einsatzleistungen und Bemühungen im Ernstfall zusammen. Simon Schmeisser These "VB-ein Weg aus der Feuerwehrkrise" Fachzeitschrift Feuerwehr 2010

  • "Eine farbliche Markierung als Hinweis für die Arbeiter, wo sie die Flex ansetzen sollten, habe er an den fraglichen Rohren nicht gesehen "


    Die Aussage widerspricht dann den offiziellen Angaben . Bin gespannt wie es weitergeht.

    Gruß tanzderhexen


    "Das Verhüten von Unfällen darf nicht als eine Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft"
    Werner von Siemens, Zitat von 1880
    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
    Aristoteles griech. Philosoph 384 -322 v. Chr.