Nach tödlichem Unfall: Geldbuße für Staplerfahrer.

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  • Liebe SiFa - Gemeinde,
    gestern kommt ein Vorgesetzter aus dem Bereich Logistik zu mir und fragt doch allen ernstes: "Warum muss ich hier eigentlich so viel für den Arbeitsschutz machen? Dem Unternehmen und mir passiert doch selbst bei einem tödlichen Unfall nichts"
    Zeitungsartikel der Elmshorner Nachrichten vom 17.11.2018 mit im Dateianhang.
    Über eure Meinungen dazu würde ich mich freuen
    Frank

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  • Zwiespältig....


    Bei der Staplerausbildung und bei der Updateschulung habe ich immer betont: für Arbeitssicherheit ist immer das Unternehmen verantwortlich AUSSER beim Staplerfahren (den Kranführern sage ich das auch). Hier ist es wie mit dem Führerschein. Der Fahrer hat seine Befähigung nachgewiesen, ist beauftragt - und nun ist er dafür verantwortlich, was er für einen Reifen fährt. Niemand kann ihn rausboxen, wenn er einen Unfall baut. Ich appeliere da auch an das Gewissen der Fahrer (die Frage ist nicht, ob diese Aussage 100% wahr ist, sondern ob solche Appelle vielleicht stärker sind, als eine sachlich korrekte Relativierung... "Psychotrick" bitte nicht in der Luft zerreißen - ich kann ihn nämlich mit meinem Gewissen vereinbaren!)


    IMO hat hier der Fahrer:
    - Geschwindigkeiten nicht beachtet
    - Abstände nicht beachtet


    Als "Ladungssicherung" hätte auch eine niedrige Geschwindigkeit (insbesondere in Kurven) getaugt.
    -
    Ob die Lochbleche in den intern festgelegten Prozessen/Gefährdungsbeurteilungen ÜBERHAUPT mit dem Stapler transportiert werden durften, ist auch eine Frage. Offenbar war die "Ameise" vorgesehen, und jemand hat die Bleche "klugerweise" zu hoch gestapelt, damit das nicht mehr geht...?


    Ich gehe davon aus, dass diese Lochbleche auch noch ölig waren. Hat der Staplerfahrer evtl. sogar seine Beauftragung überschritten?


    Bei fehlenden Unterweisungen und Beauftragungen fände ich es aber skandalös, wenn die Firma nicht mindestens ebenso hart rangenommen wird, denn da ist IMO 50:50. Man kann aber nie wissen, wie gut sich der Scheff und der Staatsanwalt auf dem Golfplatz verstehen....


    Im übrigen hatte ich das Thema "lose gestapelte (ölige?) Lochbleche" auch noch nie auf dem Schirm....


    In einem "meiner" Betriebe war ein anderer Unfall, ähnliche blöde:


    LKW fährt an, muss seitlich entladen werden. Was reicht nicht? Die Länge der Gabel. Also nimmt die Dame einen Spanngurt mitsamt Haken, bindet den Gurt am Mast fest und hakt den 1 t schweren Korb ein. Folgerichtig verbiegt sich der Haken und schnalzt zurück - im großen Bogen um das Fahrerhaus und mit vollem Karacho durch die Plexiglasscheibe von hinten gegen die Wirbelsäule der Dame. Langer Krankenhausaufenthalt, keine Lähmung.


    Sachverhalte:
    - Unterweisungen haben pünktlich und regelmäßig stattgefunden
    - Gabelverlängerungen rosteten beschädigt neben dem Gebäude
    - Meine damalige Chefin, Leiterin des als SiFa beauftragten Ing. Büros - hat auch die Termine für die Unterweisungen korrekt getaktet, ich habe sie durchgeführt.
    - Defekte Gabelverlängerungen habe ich in mehreren informellen Begehungen dokumentiert und zur Reparatur (oder für Ersatz) angemeckert (unterwiesen waren sie).
    - Scheffscheff sagte, "die brauchen wir nie" (mündlich) [Lokaler Scheff hätte gerne ersetzt]


    Folge für mich:


    Ich habe NIE etwas von irgend einer Behörde gehört - weder von BG, noch vom Staatsanwalt... Über die Anderen weiß ich nicht Bescheid, irgendwann hatte ich das Ing.-Büro Richtung "interne SiFa" verlassen.

    3 Mal editiert, zuletzt von zzz ()

  • Hallo Frank,


    das Urteil selbst hat sich ja auf den Staplerfahrer bezogen. Viel schlimmer ist das Einstellen der Ermittlungen gegen die Verantwortlichen. Was machen jetzt die Staatlichen Überwachungsorgane würde mich interessieren.


    Dann ist die Reaktion deines Vorgesetzten durchaus nachvollziehbar.

    kommt ein Vorgesetzter aus dem Bereich Logistik zu mir und fragt doch allen ernstes: "Warum muss ich hier eigentlich so viel für den Arbeitsschutz machen? Dem Unternehmen und mir passiert doch selbst bei einem tödlichen Unfall nichts"

    Es kann auch anders ausgehen. Es gibt zum Glück auch andere Urteile z.Bsp.


    https://www.noz.de/lokales/pap…-von-hero-glas-verurteilt

    Gruß tanzderhexen


    "Das Verhüten von Unfällen darf nicht als eine Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft"
    Werner von Siemens, Zitat von 1880
    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
    Aristoteles griech. Philosoph 384 -322 v. Chr.

  • Bei fehlenden Unterweisungen und Beauftragungen fände ich es aber skandalös, wenn die Firma nicht mindestens ebenso hart rangenommen wird, denn da ist IMO 50:50. Man kann aber nie wissen, wie gut sich der Scheff und der Staatsanwalt auf dem Golfplatz verstehen...


    Selbst mit Unterweisungen würde ich es min 50:50 sehen..
    Unterweisen und beauftragen ist kein Freifahrtschein und die meisten Unfälle resultieren m.e. kaum aus einmaligen Situationen die nicht schon eine Vorgeschichte haben wie man dem text ja schon ziemlich entnehmen kann. Selbst Berufserfahrung ist kein Garant. Wenn ich die Leute nicht spezifisch aus und weiterbilde leben sie von dem was sie vor 30Jahren erlernt haben und der Rest ist dann oft nur noch Erfahrungswerte und Glück


    Auch gehört zur Beauftragung/ Ernennung auch die persönliche Eignung, daraus resultiert schon das ich meine Pappenheimer kenne und auch kontrolliere aber oft ist es auch nur eine Zwangs- bzw eine Wunschbesetzung. Je nachdem was vorrangig ist wir mir scheint


    Und danke Frank für den Artikel, werde ich morgen mal an Unsere Staplerfahrer weiter reichen |?

    Mfg Dierk

    Elektriker aus Leidenschaft :thumbup:

  • Es war ein Unfall und wurde von der Geschäftsführung kalkuliert, massive Sicherheitsmängel in dem Unternehmen...und da passiert denen nichts?


    Selbst das Urteil im Link von tanzderhexen finde ich persönlich viel zu lasch.

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  • Selbst das Urteil im Link von tanzderhexen finde ich persönlich viel zu lasch.

    Das sehe ich auch so. Leider gibt es auch bei tödlichen Arbeitsunfällen bei denen nachweislich Führungskräfte Gesetze und Verordnungen sogar vorsätzlich missachtet haben keine vernünftigen Urteile und es wird höchstens eine Bewährungsstrafe verhängt.

    Gruß tanzderhexen


    "Das Verhüten von Unfällen darf nicht als eine Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft"
    Werner von Siemens, Zitat von 1880
    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
    Aristoteles griech. Philosoph 384 -322 v. Chr.

  • Guten Morgen


    Vor ein paar Wochen hatten wir die Bezirksregierung bzw. das Amt für Arbeitsschutz im Haus.


    Im Gespräche kam die Info, dass es im Kreis Borken seitens der Staatsanwaltschaft wohl so gehalten wird/wurde, dass bei einem Arbeitsunfall mit Gabelstaplerbeteiligung der Staplerfahrer im ersten Stepp generell als Verursacher eingestuft wird/wurde!
    Hintergrund: Ich bewege 'schweres Gerät', ich muss auf andere achten!

    Gruß,
    Marco



    ------------------------------------------------
    If you're going through hell...keep going!

  • ... Ich bewege 'schweres Gerät', ich muss auf andere achten!...

    Finde ich im ersten Ansatz richtig.
    ABER:


    Meiner Meinung nach hat hier (Pinneberg) einiges nicht richtig funktioniert...
    Wenn die komplette Arbeitsschutzorganisation (BA, Unterweisung etc..) fehlt, kann sich der Unternehmer eigentlich nicht einfach rausnehmen... leider wird das dann schon mal nachgeschoben oder nachträglich passend gemacht.
    Auch die SiFa müsste anfangen kalten Schweiß ab zu sondern, wenn die Zustände schon immer bekannt waren und er/sie nie was angeprangert hat.


    Seitens der Berufsgenossenschaft bzw. staatlichen Arbeitsschutzaufsicht (sind in Schleswig-Holstein ja hmmm sagen wir mal miteinander verbunden....) solte dies im Rahmen der Unfall-Nachuntersuchung geprüft werden.


    Wie ist es so oft bei Toten? - den Verunfallten trift eine Mitschuld, er hätte sich nicht so nah am Stapler aufhalten dürfen etc... Der Tote ist immer schuld - kann sich ja auch nicht wehren, fertig. Sieht immer anders aus, wenn der Verunfallte/Geschädigte noch lebt und dann ggf. auch och zivilrechtlich gege die Beteiligten vorgeht.


    MfG


    Ulli

  • Offtopic: Bei Gerichtsurteilen nach schweren oder tödlichen Unfällen fließt auch der Zustand der Angeklagten in die Urteilsfindung mit ein (z.B. wird Reue gezeigt, hat ihn das Geschehen sichtbar mitgenommen, usw.). Oftmals benötigen Führungskräfte psychologische Behandlung, nachdem ein tödlicher Unfall in ihrem Zuständigkeitsbereich bzw. in "ihrer Verantwortung" passiert ist. Einige werden dauerhaft arbeitsunfähig aufgrund psychischer Probleme oder weil sie das Geschehen nicht verarbeiten / verarbeiten können und sich in Drogen flüchten. Und manch eine verantwortliche Führungskraft begeht sogar Suizid, weil sie ihre Mitschuld am Tod des Untergebenen nicht verkraftet. In den Zeitungsberichten steht i.d.R. nur das Urteil und es ist nicht möglich, die Beweggründe des Gerichts für das Strafmaß vollständig nachzuvollziehen. Dass eine Führungskraft aufgrund des Unfallgeschehens in ihrer Verantwortung Suizid begeht schafft es bei uns i.d.R. nicht mal als Meldung in die Presse (wobei Berichte über Suizide tatsächlich ein sehr heikles Thema sind). Ich halte deshalb auch nichts davon, bei der Schulung von Führungskräften zu Verantwortung im Arbeitsschutz nur mit Verurteilung vor Gericht zu drohen (auch wenn Dr. Gregor diesbezüglich super Vorträge gehalten hat), sondern zeige lieber vollumfänglich alle möglichen Folgen für die Verantwortlichen auf und frage auch mal nach, wie sie sich denn wohl fühlen würden, wenn sie für einen Todesfall verantwortlich wären.

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  • Schulung von Führungskräften zu Verantwortung im Arbeitschutz

    https://www.arbeitsschutzfilm.…heit-video_8f5fed6af.html


    Ich zeige den Film der Schweizer Kollegen. Ist ein Film aus dem Bereich Hochbau aber sehr eindrücklich dargestellt.

    Gruß tanzderhexen


    "Das Verhüten von Unfällen darf nicht als eine Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft"
    Werner von Siemens, Zitat von 1880
    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
    Aristoteles griech. Philosoph 384 -322 v. Chr.