Tödlicher Stromunfall in Trafo-Häuschen

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  • Hallo Forums-Mitglieder
    Ich hätte einige Fragen zu einem tödlichen Unfall. Zugegeben – ich bin ein wenig fachfremd, wende mich aber an Euer Forum, weil hier offensichtlich geballtes Wissen zu den Themen vorhanden ist, zu denen mir etliche Fragen unter den Nägeln brennen. Ich hoffe, es ist für Euch nicht zu ‚Off-topic‘
    Mein Schwager ist Mittwoch abend tödlich verunglückt. Er hinterlässt eine Frau und drei Jungs im Alter von 6 – 13.
    Zudem wurde ein hinter ihm stehender Mann durch eine Druckwelle verletzt, und konnte erst gestern vernommen werden.
    Hier einige Pressemeldungen zum Thema:
    https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/52209/3855732
    https://www.shz.de/lokales/tot…-gefunden-id18968036.html
    https://www.mopo.de/umland/toe…in-biogas-anlage-29596416
    https://www.ndr.de/nachrichten…kasten,quarnstedt108.html
    Zum Hintergrund: Mein Schwager hat Landwirtschaft studiert, und war als Berater für Biogasanlagen bei einem Beratungsunternehmen angestellt. Er hatte keinerlei elektrotechnische Ausbildung. Seine Beratungstätigkeit fiel wohl eher in die Bereiche Wirtschaftlichkeit, Abschreibungsdauer, etc.
    Nach letzten Aussagen der Kripo sei er beim Abfotografieren eines Typenschilds zu nah an die Spannungsführenden Leiter geraten, und es habe einen Überschlag gegeben.
    Ich gehe davon aus, dass sich ein Spannungs-Überschlag nur auf der Mittelspannungsseite eines Trafos ereignen kann.
    Das eröffnet natürlich eine Reihe von Fragen:
    Ich bin immer davon ausgegangen, dass Zugang zur Mittelspannung nur für Mitarbeiter der EVUs möglich ist – stimmt das?
    Ich würde naiverweise auch davon ausgehen, dass Abdeckungen in diesem Bereich nur mit speziellen Werkzeugen entfernt werden können?
    Wie kann es sein, dass ein Landwirt und ein externer Berater direkt mit der Mittelspannung in Berührung kommen können?
    Wer hat hier geschlampert? Sicherlich mein Schwager selbst, dass ist keine Frage, aber trotzdem gehe ich davon aus, dass die Situation an sich vermeidbar gewesen wäre.
    Bei dem folgenden Stromausfall waren lt. Den Pressemitteilungen mehrere Hundert Haushalte ohne Strom.
    Kann das wirklich die Folge eines Spannungs-Überschlags sein?
    Für mich hört sich das eher nach einem Werkzeug an, dass mind. Zwei Leiter kurzgeschlossen hat.
    Die direkten Angehörigen sind derzeit mit der Situation überfordert, ich denke mir jedoch, dass jetzt evtl. schnelle rechtliche Schritte erforderlich sind. Dabei geht es mir natürlich auch um die Zukunft meiner Schwägerin und meiner drei Enkel.
    Habt Ihr Tips, was man für eine ‚Beweissicherung‘ jetzt tun müsste?
    Ansprechpartner Landwirt, EVU, Kripo, BG, beschäftigendes Unternehmen?
    Ich weiss nicht, ob regelmässige Sicherheitsunterweisungen stattgefunden haben, denke mir aber, dass mein Schwager durch solche eine entsprechende Sensibilität hätte haben müssen.
    Erschwert wird die Situation dadurch, dass ich in Bayern sitze, mein Schwager jedoch in Schleswig Holstein lebte und arbeitete.
    In der Hoffnung auf ein paar klärende Hinweise, und dass trotz meiner persönlichen Betroffenheit genug fachliches für das Forum bei dem Beitrag abfällt...


    Gruss
    kirchenbauer

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  • Hallo und herzliches Beileid,


    das ist natürlich tragisch.


    Ich denke, deine Fragen kann dir hier sachlich keiner beantworten. Die Pressemeldungen geben da sehr wenig her.


    Der elektrische Betriebsraum / Traforaum / Trafobox ist im Normalfalle immer abgeschlossen. Das Öffnen und Betreten (hier auch schon die erste Lücke: wie groß ist der?) ist den Fachleuten vorbehalten, die dann auch wissen, was sie tun. Es ist nicht üblich, das ein Unwissender ohne entsprechende Begleitung und ohne Sicherheit da rein / ran darf. Der Besitzer dieser Station hat da die Schlüsselgewalt und damit auch die Verantwortung. Das kann natürlich der Versorger sein, es kann aber auch der Biogasanlagenbetrieber sein. Ist dieser Raum dann offen betretbar, sollte eine zusätzliche Abschrankung vor den aktiven spannungsführenden Teilen sein.


    Richtig ist es auch, das man ab bestimmten Spannungen die Leiter nicht direkt berühren muss. Bei Annäherung kann es da schon einen Überschlag geben. Der Mensch könnte damit einen Kurzschluss an mehreren Leitern verursachen, einen direkten Erdschluss verursachen oder ...........
    Die Folge davon für die Umgebung sind so plausibel. Dazu braucht es kein Werkzeug!


    Ich denke die "Beweiskette" wird anrollen. Da ist sicherlich nicht nur die Staatsanwaltschaft mit diversen Untersuchungen und auch Sachverständigen im Boot, sondern falls dein Schwager und/oder die zweite Person diesen Schaden in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit erlitten haben, auch die entsprechenden Arbeitsschutzbehörden.


    Die werden ihren Job schon machen. Vertraue ruhig darauf.


    So bitter es auch ist, frage ich mich, was macht dein Schwager an dieser Anlage?


    Ich denke mehr wirst du hier auch nicht erfahren. Alles ist im Rahmen der Spekulation zu suchen. Wirkliche Fakten gibt es nur vor Ort.


    Sorry.

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.





    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

  • Hallo Waldmann,


    vielen Dank für Deine Antwort - einige Fragen hast Du mir damit sehr wohl beantwortet, bzw. meine Vermutungen bestätigt.
    Zu Deinen 'offenen Punkten': Die Trafostation war wohl sehr niedrig, zumindest so, dass man sich zum Abfotografieren bücken oder gar hinknien musste. Ich gehe auch davon aus, dass sie ansonsten sehr klein war, vermutlich war sie nicht begehbar, und mein Schwager befand sich *vor* der Station im Nieselregen, was die Überschlags-Abstände vermutlich nochmal erhöht hat. Und zur zweiten Frage: Ja - das war im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit.
    Ich war gestern sicherlich noch ziemlich verwirrt, so habe ich z.B. aus meinen Neffen 'Enkel' gemacht. Ich hatte auch die Befürchtung, dass die Untersuchungen hier evtl. von 'Dorfpolizisten' ohne Fachausbildung durchgeführt werden.
    Aber Du hattest völlig recht, die Maschinerie läuft an, und die Untersuchungen scheinen sehr professionell abgewickelt zu werden. (Übrigens habe ich auch vor Dorfpolizisten Hochachtung, nur fehlt Ihnen halt vermutlich - genau wie mir selbst - Fachwissen, um so einen Fall gründlich zu bewerten).
    Die weiträumigen Abschaltungen sind vermutlich nur eine indirekte Folge: Durch den Kurz- oder Erdschluss an der Station hat das Netz automatisch Abschaltungen durchgeführt, die zu dem großflächigen Stromausfall geführt haben.
    Die Fragen werden jetzt zunächst darum kreisen, ob mein Schwager entsprechendes Fachwissen durch Sicherheitsunterweisungen hatte oder nicht. Falls nicht, wird beantwortet werden müssen, wer die Schlüsselgewalt hatte und warum die Station offen zugänglich war.
    Weitere Vermutungen möchte ich derzeit nicht anstellen, nichts liegt mir ferner, als aus 1000km Distanz Schuldzuweisungen aufzustellen, zumal Deine Frage, was er da überhaupt getrieben hat, sehr wohl berechtigt ist.
    Ich danke Dir nochmal für Deine Einschätzung und auch Dein Mitgefühl.


    freundliche Gruesse,
    kirchenbauer

  • .....gerne.


    Wenn du irgendwelche Fakten hast, kannst du das Board ja informieren.


    Hier tummeln sich auch einige Elektromenschen die sich in die Materie gut rein versetzen können.
    Ich denke ab Arbeitsbeginn am Montag bekommst du noch einige Kommentare.

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.





    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Kirchenbauer,


    auch von mir erst mal mein Beileid an die betroffenen Familie.


    Es ist schon ein sehr tragischer Fall mit einem schlimmen Ende. Aber die hier zur Verfügung stehenden Info`s bestätigen eine typische Situation, auf die wir überwiegend bei Arbeitsunfällen stoßen: Es ist immer eine Summe von mehreren kleinen Fehlern, die dann das Unglück auslösen. Fehlende, ungenügende oder falsche Sicherheitseinrichtungen, Unwissenheit, äußere Umstände und Fehlverhalten von Betroffenen oder Verantwortlichen, relativ selten noch technisches Versagen.
    Meine Erfahrungen mit Biogasanlagen besagen, dass hier alles möglich ist; Von großen Foliesäcken als Gasspeicher bis hin zu Abwasserrohren als Gasleitung. Leider sind insbesondere die Betreiber von kleinen Anlagen fachlich nicht in der Lage diese Anlagen sicher zu betreiben.
    So wie Waldmann schon dargestellt hat, wird wohl gegen einige sicherheitstechnische Vorschriften verstoßen worden sein und es ist davon auszugehen, dass die Umstände des Unfalles fachkompetent aufgeklärt werden können.



    viele Grüße


    peter

    Es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, sondern mit den Augen die Tür zu finden. (Werner-von-Siemens zugeschrieben)

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  • Guten Morgen Kirchenbauer ,


    mein tiefes Beileid gilt der Familie, für Dich und allen Angehörigen. Solch tragische Unfälle sind einfach nur schlimm !


    Zu diesem Zeitpunkt, mit den vorhandenen Fakten, wird man nur matmaßen können wie die Kollegen schon geschrieben haben.


    Eine Möglichkeit für die Familie, da kenn ich mich jedoch leider nicht mit aus , wäre vielleicht einen Rechtsanwalt einzuschalten um Akteneinsicht zu bekommen. Das könnte vielleicht helfen nichts falsch zumachen für den weiteren Verlauf.


    In diesem Sinne Kirchenbauer , alles Gute für Dich und der Familie .


    Grüsse aus Korschenbroich


    Matthias

  • Mein herzliches Beileid und gute Besserung für den verletzten Mann.


    Auf Distanz kann man tatsächlich nicht viel sagen, eines aber doch: Wenn z. B. das Geld für die Bestattung fehlt sollte man ruhig die zuständige BG ansprechen, ob für die Bestattungskosten ein Abschlag vorab möglich ist. Ich habe bei einem tödlichen Arbeitsunfall mal eine solche Hilfe vermittelt, weil die Witwe nicht ausreichend Geld für die Bestattung zur Verfügung hatte.



    Gruß Michael

    SiFaFa weil ich zwei BG-spezifische Blöcke erfolgreich absolviert habe.

  • Habt Ihr Tips, was man für eine ‚Beweissicherung‘ jetzt tun müsste?
    Ansprechpartner Landwirt, EVU, Kripo, BG, beschäftigendes Unternehmen?

    Hallo Kirchenbauer,


    auch von mir mein Beileid ......


    Beweissicherung ist nicht Deine Aufgabe .... das übernimmt der Staatsanwalt,
    Sei lieber für die Hinterbliebenen da .... sie werden Dich brauchen.

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

  • Hallo,
    mein Beileid gilt allen Angehörigen.


    Der Umgang mit Strom hat sich im Zuge der erneuerbaren Energien gewandelt.
    Während früher der Bau und Betrieb einer Trafostation eine besondere Ausnahme war, werden nun viele Stationen betrieben.


    Der massive Personalabbau bei den Netzbetreibern und der Kostendruck führen dazu, das vom Netzbetreiber keine Hilfestellungen mehr zu erwarten sind, wie es einmal der Fall war.
    Hatte man ein Problem an einer Kundenstation, kamen die hilfsbereiten Kollegen vom Netzbetreiber, und standen mit Rat und Tat zur Seite. Das ist Geschichte.


    Auch aus Betreibersicht ist das rufen von Fachbetrieben unnötig, da man die Notwendigkeit nicht sieht.


    Somit ist der Betrieb von kunden-eigenen Trafostationen in Hände von Leuten geraten die keine Ahnung haben, bzw. die einen kurzen Lehrgang absolviert haben. Leider fehlen diesen Leuten jegliche Erfahrungswerte.


    Ein Problem die Schließungen an den Trafostationen, hier finden sich immer 2 Schlösser eins für den Stromversorger / Netzbetreiber und ein Schloss für den "Kunden".
    Für den Kunden heisst aber für mich, für den vom Kunden beauftragten Fachbetrieb.
    Keinesfalls darf dieser Schlüssel in die Hände von elektrotechnischen Laien geraten.
    Und eben das ist zunehmend der Fall.


    Bei Mittelspannung (in S-H 11KV) muss kein aktiver Leiter berührt werden um einen Unfall herbei zu führen!
    Spannung kann schon einmal pro 1000V 1mm Luft überwinden. Da könnte nun jemand meinen 12mm Abstand würden reichen.
    Nein leider nicht! 11KV ist ja nur der Mittelwert der Wechselspannung, die Spannungsspitzen liegen weit darüber!!
    Also anfassen ist gar nicht notwendig! Jede Absperrung, jede Tür hat ihren Sinn und ist selbst von Fachleuten nicht ohne reifliche Überlegungen zu öffnen.


    Kommt es erst-einmal zu einem Überschlag wird die Luft leitend. Dieser Lichtbogen ist wie eine Leitung die sehr viel Energie übertragen kann.
    Ein Trafo sieht so friedlich aus, aber man sollte sich klarmachen, das die potentiell verfügbare Energie am Mittelspannungsanschluss des Trafos ganze Ortschaften mit Strom versorgen kann.
    Bei einem Lichtbogen wird eben diese Energie abgefragt, die sonnst viele tausend Haushalte versorgt.


    Tödliche Unfälle, Verbrennungen, Druckwellen und Netzausfälle sind da die Regel, wenn jemand einer Mittelspannungsleitung zu nahe kommt.


    Eben dieses Wissen fehlt vielen Laien und Lehrgangsteilnehmern.
    Eine Elektrofachkraft mit jahrelanger Ausbildung und vielen Erfahrungswerten kann man nicht mal eben ersetzen.

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