Einstellunguntersuchungen vs. Eignungsuntersuchungen

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  • Moin,


    bei uns tobt zur Zeit ein kleiner Glaubenskrieg bezüglich der Einstellungsuntersuchungen. Zur Zeit wird bei uns jeder, der ein Beschäftigungsverhältnis eingehen möchte, zu einer Einstellungsuntersuchung geschickt. Der Betriebsarzt erhält von uns nur die Mitteilung, in welchem Bereich die Person eingesetzt werden soll (z.B. Hausmeister, Kinderbetreuung, Buchhalter etc.). Eine Gefährdungsbeurteilung bzw. genaue Beschreibung der Tätigkeiten wird dem Betriebsarzt nicht mitgeteilt (Wie es anders uns besser laufen müsste, ist bekannt und soll hier nicht Gegenstand der Diskussion sein).


    Nach meinem Dafürhalten sind solche Einstellungsuntersuchungen absolut überflüssig. Entweder ich habe eine Tätigkeit, vor deren Aufnahme ich eine Eignungsuntersuchung durchführen muss, weil das Vorhandensein bestimmter gesundheitlicher Voraussetzungen aufgrund der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der sie begleitenden Bedingungen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme darstellt oder es ist eine Tätigkeit, an die keine besonderen Anforderungen oder Gefährdungen geknüpft sind, dann benötige ich auch keine Eignungsuntersuchung.


    Bei einem Buchhalter kann ich so etwas jedoch nicht erkennen. Weder unterliegt er besonderen Gefährdungen, noch werden an diesen Job erhöhte physische Anforderungen gestellt.
    Habe ich jetzt einen Hausmeister, der zweimal im Jahr die Regenrinnen der Dächer unserer Immobilien reinigt, würde ich aufgrund der Absturzgefährdung eine Eignungsuntersuchung empfehlen.
    In den Fällen, in denen eine Eignungsuntersuchung gesetzlich vorgeschrieben ist, erübrigt sich natürlich jede Diskussion.


    Man möchte bei uns jedoch unbedingt nicht von der obligatorischen Einstellungsuntersuchung abrücken. ;(


    Natürlich hat auch der Betriebsarzt kein Interesse daran, die Anzahl der Untersuchungen zu verringern. :whistling:


    Die Einstellungsuntersuchung wird bei uns folgendermaßen begründet:


    Es soll festgestellt werden:


    - dass die arbeitsvertraglich vorgesehene Tätigkeit verrichtet werden kann,
    - durch die auszuübende Tätigkeit keine Gesundheitsgefahren für den Beschäftigten entstehen
    - die Gesundheit anderer Mitarbeiter aufgrund ansteckender Erkrankungen nicht gefährdet wird


    Für mich aber keine Argumente für eine pauschale Einstellungs-/Eignungsuntersuchung. :|


    Wie wird das bei Euch gehandhabt, bzw. wie steht Ihr zu der Frage?


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

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  • Hallo Guudsje,
    ich nehme mal an, dass Du auch im öD beschäftigt bist, denn auch bei uns wird JEDER einer Einstellungsuntersuchung unterzogen.
    M.E. nach ist dies, genau wie Du beschrieben hast, zu 70% völlig überflüssig.
    Hinzu kommt dass die "einstellende Abteilung" den Unterschied zwischen Einstellungsuntersuchung und Eignungsuntersuchung nicht kennt.
    Grundsätzlich müssten diese jedoch unabhängig von einander durchgeführt werden.
    Ebenso sind Einstellungsuntersuchungen grundsätzlich zustimmungspflichtig. Zwar ist sein Widerspruchsrecht eher theoretisch, weil er fürchten muss, bei einer Ablehnung keine Chance auf die Stelle zu haben.
    Natürlich gibt es vorgeschriebene Einstellungsuntersuchungen bei verschiedenen Berufsgruppen, wie z.B. Beamte oder Jugendliche, obwohl hier i.d.R. auch eine geringe Gefährdung vorliegt, wird jedoch im Beamtenrecht bzw. Jugendarbeitsschutzgesetz vorgesehen.


    Ebenso gebe ich Dir 200%-ig Recht, wenn der BA hier nicht wirklich viel ändern möchte - ist er am untersuchen, braucht er keinen Arbeitsschutz im Betrieb abzuarbeiten.
    Immer noch untersuchen BA alles was geht, auch G25, G41...... usw. usw.


    Es wird sich am ehesten etwas ändern, wenn innerhalb deines Betriebes kein eigener BA mehr vorhanden ist und jede Untersuchung "bezahlt" werden muss.
    Dann trifft man plötzlich auf offene Ohren..... 8o

    Gruß
    AL_MTSA


    Sicherheit schaffen ist besser als Vorsicht fordern.
    Ernst Gniza (1910 – 2007),

  • Hallo Frank,


    wird bei der von mir betreuten Kommune ganz genauso gehandhabt. Die gleiche Diskussion habe ich da auch geführt... dank des selbstlosen Einsatzes des Betriebsarztes mit dem gleichen Ergebnis wie bei euch: "Das haben wir schon immer so gemacht, das bleibt so" :whistling: Und das, obwohl die Gemeinde jede Untersuchung bezahlt...


    Zitat von Guudsje

    Nach meinem Dafürhalten sind solche Einstellungsuntersuchungen absolut überflüssig...


    # Volle Zustimmung


    Gruß
    Stephan

    Respekt, Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl

  • Es wird sich am ehesten etwas ändern, wenn innerhalb deines Betriebes kein eigener BA mehr vorhanden ist und jede Untersuchung "bezahlt" werden muss.
    Dann trifft man plötzlich auf offene Ohren..... 8o


    Yep, ÖD. Der Witz ist, wir haben keinen eigenen Betriebsarzt. Wir bezahlen jede Untersuchung. :cursing: Für die Einstellungsuntersuchung gibt es doch überhaupt keine rechtliche Grundlage, und dort wo es rechtliche Grundlagen gibt (FeV, LuftVG etc.) sind es glasklare Eignungsuntersuchungen.


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Mahlzeit,


    der allgemeinen Überflüssigkeit stimme ich zu. Ausnahme: Status Quo Aufnahme bei gefährlichen Arbeitsplätzen. Damit könnte man eine Verschlechterung erkennen.


    Ich dürfte sogar zum Amtsarzt, weil kein BA greifbar war. Dort habe ich die einzelnen Untersuchungen hinterfragt nach Notwendigkeit und Sinn und Berufsbild. Der gute Doc kam dabei ganz schön ins schwimmen, da er viele Berufe und die daraus resultierenden körperlichen Eigenschaften gar nicht kennt. Also wurde eben das "Übliche" gemacht: Blutdruck, Blutuntersuchung, Sehtest, ........
    Der Arbeitgeber hat davon dann lediglich den Daumen nach oben gesehen. Ergebnisse bekam der nicht.


    Lustig wäre es ja gewesen, wenn der Doc nein gesagt hätte. Was wäre dann mit einem bestehenden Arbeitsvertrag gewesen, der keinerlei Haken in Bezug auf diese Untersuchung hatte?

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.





    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

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  • ...Für die Einstellungsuntersuchung gibt es doch überhaupt keine rechtliche Grundlage, und dort wo es rechtliche Grundlagen gibt (FeV, LuftVG etc.) sind es glasklare Eignungsuntersuchungen....


    Dann schau mal in den für Dich geltenden Tarifvertrag. :rolleyes: Siehe da, dort dürfte sich was finden lassen was, wenn man es geschickt formuliert, von jedem eine Eignungsuntersuchung fordert.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Moin,


    anders als der BAT enthält der TVöD keine Verpflichtung der Beschäftigten, sich auf Verlangen des Arbeitgebers einer Einstellungsuntersuchung zu unterziehen. Wenn Du eine andere Quelle kennst - immer her damit.


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Zumindest kann ich dem für mich gültigen TVöD-K entnehmen


    Zitat von TVöD-K

    Der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, die/den Beschäftigte/n zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie/er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist. Bei der beauftragten Ärztin/dem beauftragten Arzt kann es sich um eine Betriebsärztin/einen Betriebsarzt handeln, soweit sich die Betriebsparteien nicht auf eine andere Ärztin/einen anderen Arzt geeinigt haben. Die Kosten dieser Untersuchung trägt der Arbeitgeber.


    Klar steht da "bei begründeter Veranlassung", aber das ist ja durchaus dehnbar. Im "alten" BAT war die Einstellungsuntersuchung meiner Erinnerung nach obligatorisch.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Moin,


    TVöD sind doch Ländersache? Besteht da nicht die Möglichkeit, dass es da von BL zu BL unterschiede bestehen?
    Bei uns im Tg-TVDRV ist ein Absatz zu diesem Thema zu finden. Allerdings nur bei begründetem Verdacht. Was immer das auch heißt.

    Man(n) ist erst dann ein Superheld, wenn man sich selbst für Super hält!
    (unbekannt)
                                                                                                                                                              
    „Freiheit ist nicht, das zu tun, was Du liebst, sondern, das zu lieben, was Du tust.“
    (Leo Tolstoi)

    *S&E* Glück auf


    Gruß Mick

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  • Moin,
    da steht nicht Verdacht sondern Veranlassung! Was ist denn ein schönerer Anlass als eine Einstellung? Scheint rechtlich so auch sauber zu sein, siehe hier (Seite 75, linke Spalte ganz unten).
    Allerdings nur, wenn es Vorraussetzungen gibt, die auch medizinisch überprüft werden müssen.
    Gruß
    Moritz

  • Die begründete Veranlassung bezieht sich nicht auf Einstellungsuntersuchungen, sofern sich nicht aus der angestrebten Tätigkeit tatsächlich die Notwendigkeit einer Eignungsuntersuchung ergibt.


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Die begründete Veranlassung hat man ja schnell konstruiert. Der AG kennt den neuen oder einzustellenden Mitarbeiter noch nicht und im Zuge seiner Fürsorgepflicht muss er sich vergewissern, ob der Arbeitnehmer für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit in der Lage ist.
    Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass somit eine solche Eignungsuntersuchung, eine sinnvolle Sache darstellen kann, wenn eben der Untersuchungsumfang auf die Tätigkeit angepasst ist. Was spricht gegen einen entsprechenden Sehtest bei "Büromenschen", die ja heute üblicherweise Bildschirmarbeit leisten?

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Zitat von DGUV I 250-010

    Geeignet ist die Untersuchung, wenn mit ihr die angestrebte Eignungsfeststellung erzielt werden kann. Zudem muss die Untersuchung erforderlich sein. Das bedeutet, dass sie unter mehreren denkbaren Alternativen das mildeste Mittel zur Eignungsfeststellung darstellt. Ist die Eignung durch eine andere, gleichermaßen geeignete Maßnahme feststellbar (Test, Befragung etc.), stellt die Untersuchung nicht das mildeste Mittel dar, weil sie stärker in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten eingreift, als die gleich geeignete Maßnahme.


    Da gab es doch mal was im BDSG hinsichtlich Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit usw. :whistling:


    Im Übrigen bestreitet nicht einmal meine "Gegenseite", dass es keine Rechtsgrundlage für eine Einstellungsuntersuchung gibt. Warum muss ich jemandem zum Sehtest schicken? Wenn schon wäre die Angebotsvorsorge das Mittel der Wahl. Aber auch dann erst, wenn ich nicht im Gespräch klären kann, ob Beeinträchtigungen bestehen.


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Als Arbeitsmediziner rate ich meinen Kunden häufig von der Durchführung von Einstellungsuntersuchungen ab (außer bei wirklich nachvollziehbaren Gefährdungen im Sinne von Eignungsprüfungen).


    Meine Gründe:


    - Der Informationsgewinn durch eine ärztliche Untersuchung wird von den Betrieben meist überschätzt
    - Gemäß einer Stellungnahme des nationalen Ethikrates darf sich die Beurteilung nur auf die der Untersuchungen folgenden 6 Monate beziehen. In dieser Zeit könnte sich der Betrieb aufgrund der "Probezeit" aber ohnehin ohne Angabe von Gründen von seinem Mitarbeiter trennen
    - Aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen müssten bei Einstellungsuntersuchungen im Grunde die Betriebe (und nicht ich als Arzt) die "Bestehenskriterien" festlegen (z.B. "Wie übergewichtig darf Ihr Mitarbeiter für einen Bürojob sein ?" "Führt eine psychische Erkrankung/Burn Out in der Anamnese schon zum Ausschluss aufgrund einer reduzierten Belastungsfähigkeit ?"). Wenn man die Kriterien von den Betrieben aber konkret einfordert, dann sind sie hierzu nicht in der Lage.
    - Wenn der seltene Fall eintritt, dass jemand, der in den Bewerbungsgesprächen alle Konkurrenten ausgestochen hat, auf einmal vom Arzt als "nicht geeignet" eingestuft wird, dann können umgekehrt die meisten Betriebe mit dem Ergebnis nicht umgehen und im Zweifelsfall ist der Betriebsarzt der Blöde


    Ganz unabhängig davon: Wir haben in der Arbeitsmedizin sowohl ein Nachwuchs- als auch ein Kapazitätsproblem. Dies wundert mich allerdings immer weniger, wenn viele Kollegen Ihre Zeit mit sinnlosen Untersuchungen verschwenden, anstatt sich um die wirkich relevanten Dinge der Arbeitsmedizin zu kümmern.

  • Was spricht gegen einen entsprechenden Sehtest bei "Büromenschen", die ja heute üblicherweise Bildschirmarbeit leisten?


    Moin,


    dagegen spricht z.B., dass die ArbMedVV für die Bildschirmarbeit eine Angebotsvorsorge vorsieht, die nicht zwingend einen Sehtest vorsieht. Dagegen spricht weiterhin, dass der Arzt für die Feststellung der Eignung gewisse Entscheidungskriterien benötigt. Optimalerweise kennt er den Arbeitsplatz und die Arbeitsumgebung. Ab welchem Wert signalisiert der Doc dann dem Arbeitsgeber, ob jemand ungeeignet ist?


    Ab 0,5 Öchsle, ab 1,5 Öchsle, ab Schwierigkeiten beim Dämmerungssehen, ab Schwierigkeiten beim Farbsehen, ab einem Augenschiefstand wie bei Marty Feldmann?


    Gruß Frank

    Ich stelle die Schuhe nur hin. Ich ziehe sie niemandem an.

  • Moin zusammen,


    betrachten wir das Ganze mal von einer anderen Seite. (Abgesehen, dass es auch in meinen Augen oft sinnlos ist, jeden zum BA zu schicken.)


    Im §7 der DGUV 1 steh drin:



    Somit möchte doch der AG wissen ob der von ihm geplante MA diese Anforderung erfüllt. :512:


    habe mal im Netzt gesucht und die DGUV-I 250-010 gefunden. Schaut mal da rein.


    Gruß


    Sven

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    Die Verhütung von Unfällen ist nicht eine Frage gesetzlicher Vorschriften, sondern unternehmerischer Verantwortung und zudem ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft.
    (Werner v. Siemens, 1880)

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