Umgang mit der Ermittlung psychischer Belastungen im Betrieb

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  • Psychische Gesundheit bei der Arbeit
    Seit über einem Jahr ist im Arbeitsschutzgesetz nochmals herausgestellt, auch die psychischen Gesundheitsgefahren sind zu ermitteln und gering zu halten oder zu vermeiden.

    Bitte schreibe, ob Du in Deinem Betrieb Interviews zu organisatorischen, kommunikativen, sozialen und Fragen stellst, die sich auf den Stand der Möglichkeit zur Persönlichkeitsentwicklung beziehen: Kurzum, ob im Betrieb überhaupt nach psychischer Gesundheit gefragt wird?
    Wie machst Du dies, welche Methode (Screening Gesundes Arbeiten, Impulstest, BGW-Betriebsbarometer o.ä.) kam zum Einsatz?

    Und natürlich: Was war der bisherige Nutzen. Was konnte aufgrund der Gefährdungsermittlung optimiert werden?
    Z.B. Coaching für Führungskräfte, verbesserte Arbeitsabläufe, neue Vereinbarung über Rückmeldungen und Schichtübergaben, zusätzliches Personal...

    "Abschreckendes" Beispiel:
    In einer Landesbehörde, die zu einem Verband mit 15 weiteren Standorten gehört, wurde beschlossen, auch psychische Belastungen zu ermitteln. Dazu wurde ein Fragebogen genutzt - den irgendwer mal geschrieben hat (Quelle war nicht nachvollziehbar) - , dem Behördenstil angepasst und ins Intranet gestellt. Dazu wurde die Ankündigung verschickt: "Wenn Sie psychische Belastungen haben, verwenden Sie diesen Online-Fragebogen. Drucken Sie ihn aus und geben Sie ihn bei Ihrem Vorgesetzten ab." Seit etwas 12 Monaten liegt der Vordruck im Intranet. Kein einziger hat bisher einen Fragebogen eingereicht. Warum wohl?!

    Hildegard Schmidt

    Ergonomiecampus

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  • Hallo Hildegard!

    Dein abschreckendes Beispiel ist leider vom Prinzip her durchgängige Praxis.
    In Behörden wird in der Regel eine entsprechende Anmerkung, in der Gefährdungsbeurteilung, nicht bearbeitet und nicht weiter gegeben.

    In meiner Sifa-Ausbildung ist der psychischen Belastung nur ein lächerlicher Anteil zugekommen.

    Um weiter zu kommen benötigen wir eine deutlich bessere Ausbildung von denjenigen, die etwas zur psychischen Beurteilung sagen sollen.
    Hier sind vielleicht die Arbeitsmediziner in der Pflicht. In der Regel kann das eine Sifa nicht, auch wenn man ihr das glaubhaft machen will.

    Wir brauchten Personen, die Rückgrad haben und deutlich, auf Probleme zeigen.

    Grüße
    Flügelschraube

  • Hallo Hildegard,

    wir schulen zur Zeit alle Aufsichten zu diesem Thema. Ich finde dieses Thema sehr schwierig und denke dass dort viele Fehler in der Anwendung und Betrachtung passieren können. Bis vor kurzen habe ich immer überlegt wie kann ich den so etwas persönliches Bewerten.
    Wichtig für mich war während der Schulung eine Information bzw. Betrachtungsweise. Das ich mich erst dann darum kümmern muss wenn, dass persönliche von mehreren Personen so empfunden wird. Dann entsteht Handlungsbedarf.

    Der Weg ist kompliziert, von Einzelgesprächen bis zu Gruppengesprächen. Dann muss noch aufgepasst werden, dass diese Runde keine Knatschgruppe wird.

    Daher bis wir da einen guten Weg gefunden haben, wird es noch lange dauern.

    Gruß RaBau

    Fremde Meinungen sind zu akzeptieren meine Antwort auf "du" oder "sie". Ich möchte geduzt werden.
    Ich schreibe weiter alles mit DU (siehe Forumsregel). Die die kein Du haben wollen, machen gedanklich immer aus dem Du ein Sie.
    Gruß RaBau

    Nur Pessimisten schmieden das Eisen, solange es heiß ist. Optimisten vertrauen darauf, dass es nicht erkaltet. (Zitat von Peter Bamm)

  • Hallo,

    seit Oktober 2013 habe ich die Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen am Arbeitsplatz.

    Bei der Ermittlung war mir wichtig nicht nur die Belastungen zu ermitteln sondern auch die Beanspruchung der Mitarbeiter.

    Um die Ermittlung durchzuführen erstellte ich ein Instrument in der Art eines Fragebogens den ich bei der Befragung der Mitarbeiter moderiert habe.

    Die Gewerbeaufsicht ist von meiner Arbeit überaus begeistert und hat mich um Beratungsgespräche für andere Firmen gebeten.

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

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  • Ich habe bei uns in einer Gruppe den Impuls Test durchgeführt. Meiner Meinung nach ein gutes Instrument für den ersten Einstieg in die Thematik. Ich habe darauf geachtet, dass der Test anonym durchgeführt wurde in einer Gruppe von Arbeitern mit ähnlichen Aufgaben.
    Die Ergebnisse geben somit den Durchschnitt der Gruppe wieder und man kann auch die "Spannbreite" der Antworten auswerten.
    Wichtig ist meiner Meinung nach hierbei die Anonymität. Denn bei technischen Problemen ist es einfach zu sagen, diese oder jene Schutzeinrichtung ist nicht vorhanden bzw. funktioniert nicht, da ist ja dann der Arbeitgeber gefordert. Wer gibt aber schon öffentlich zu, dass er sich überfordert fühlt?
    Der Impuls Test ist für mich als Techniker schön, denn er liefert am Ende Zahlen, die man gut visualisieren und bewerten kann.

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

  • Hallo Hildegard,

    Bitte schreibe, ob Du in Deinem Betrieb Interviews zu organisatorischen, kommunikativen, sozialen und Fragen stellst, die sich auf den Stand der Möglichkeit zur Persönlichkeitsentwicklung beziehen: Kurzum, ob im Betrieb überhaupt nach psychischer Gesundeit gefragt wird?

    An unseren Standorten gibt es die Extrempositionen von "Bleiben sie mir bloß weg mit Psychologie (Zitat Geschäftsführer)" und einer stundenweise im Betrieb arbeitenden Psychologin (2-4 Std. pro Woche bei 400 Mitarbeitern). Die Ergebnisse sind eher im subjektiven, persönlichen Bereich zu sehen. D.h. strukturelle oder übergreifende Änderungen des Arbeitsumfelds sind bisher nicht zum Thema geworden.
    Achja, Persönlichkeitsentwicklung wird üblicherweise in einen Topf mit Karriereplanung geworfen...


    Wie machst Du dies, welche Methode (Screening Gesundes Arbeiten, Impulstest, BGW-Betriebsbarometer o.ä.) kam zum Einsatz?

    Üblich ist ein Fragebogen, der betriebsspezifisch durch den Psychologen und/oder Betriebsarzt angepasst wird. An der Auswertung ist die Sifa nicht beteiligt.


    Und natürlich: Was war der bisherige Nutzen. Was konnte aufgrund der Gefährdungsermittlung optimiert werden?
    Z.B. Coaching für Führungskräfte, verbesserte Arbeitsabläufe, neue Vereinbarung über Rückmeldungen und Schichtübergaben, zusätzliches Personal...

    Bisher sind keine messbaren Veränderungen festzustellen. Handlungsfelder für die betriebliche Organisation haben sich bisher nicht ergeben.

    Einen wirklichen Einfluß der psychischen Gefährdungsbeurteilung wird es nach meiner Auffassung auch erst geben, wenn dies durch die Aufsichtsbehörden eingefordert und kontrolliert wird.
    Gruß, Niko.

    - Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart -

  • Hallo, liebe Sifapager!

    Es ist tatsächlich so, eine Frage ist schnell gestellt: "Können Sie sich bei Problemen von Ihrem Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen unterstützen lassen?" - Die Auswertung hingegen braucht schon eine verbindliche Ansage. Wie der eine oder andere weiss, bin ich deshalb mit dem Leitfaden Screening Gesundes Arbeiten in den Betrieben unterwegs. Ich erhalte über den "Wissensspeicher" zu jeder Frage Auskunft, welche Bedeutung es hat, wenn die Frage verneint wird. Auch der Impulstest ist eine gute Wahl zum Erfassung psychischer Belastungen und Beanspruchungen. Aus dem Impulstest wurden einige Fragen und Auswertungserkenntnisse im SGA mit verarbeitet. Die Darstellungsform der Ergebnisse (Radardiagramm) hat großen Charme.

    Da wir ja mit der Brille des Arbeitgebers zu schauen haben, ob die Angebote da sind, dass ohne krankheitsauslösende oder beeinträchtigende Beanspruchungen gearbeitet werden kann, finde ich es klug und geeignet, Gruppenbefragungen durchzuführen. Denn für jeden Arbeitsplatz müssen ja alle Bedingungen gegeben sein, um gesund und sicher zu arbeiten. Insofern rechtfertigt dies auch ein anonymisiertes Befragen. Bei notwendigen individuellen Maßnahmen muss auch möglich sein, den Namen zu erfassen - z. B. mit bei Maßnahmen wie Coaching, Supervision oder konkret: Vorschlag zu vier-Augen-Gesprächen mit BR etc.

    An die Antworter heute mein "Danke schön".

    Hildegard Schmidt

    Ergonomiecampus

  • Was sagt ein GF, wenn man als SiFa mit dem Thema zu ihm geht?


    Lass mich mit der Labberrunde in Ruhe


    Kommt die BG mal ins Haus, wird danach gefragt. Stellt man die Frage, habt ihr das den schon bei euch gemacht?


    Ja, wir sind dran, aber wir arbeiten noch dran. Aber für die Unternehmen haben wir z.b. GIMP, Impuls usw.


    Ich sage dazu. Die BG hat es selber nicht durchgezogen will es haben von anderen. Die Behörde will es eigentlich nicht wirklich, muss es aber einfordern. Der Chef findet das als Zeitverschwendung, weil man etwas ableiten kann. Doch zum Schluß muss es mal wieder der machen, der sowieso überfordert ist, die SiFa.


    Diese Sätze helfen garnicht, sorry dafür.

    Einen guten Ansatz habe ich nicht, weil alles was ich bis jetzt mitbekommen habe, führt zu mehr Fragen und noch mehr Arbeit für die SiFa.

    Aber keine Erleichterung oder zum Systemwechsel. Alles bleibt im Prinzip so, bekommt nur einen schönen Namen.

    Die Idee finde ich gut, doch alles was danach bis jetzt da ist, hilft den Mitarbeiter überhaupt nicht.

    Ich bleibe daher beim :50: und warte bis es :rock2: wird.

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  • Psychische Belastung / Psychische Beanspruchung finde ich ein sehr interessantes Thema ^^ .
    Ich habe mit dem Impuls-Test auch schon gearbeitet und recht gute Erfahrungen gemacht. Sehr wichtig ist bei der
    Ermittlung negativer psychischer Beanspruchung eine gute und intensive Vorbereitung.

    Als erstes ist es wichtig die verschiedene Analysetiefen (Orientierung über Sreening bis Vertiefung) kennen zu lernen und die
    notwendigen Informationsquellen herausarbeiten. Aufgrund der Erkenntnisse können die jeweiligen nächsten Schritte abgestimmt werden.

    Die Durchführung einer Analyse gibt es in drei Tiefen

    Orientierung
    , beinhaltet erste Kontakte durch allgemeine Gespräche, Berichte von BG oderKrankenkasse und Festlegen von Arbeitsbereichen. Daraus werden inhaltliche Schwerpunkte festgelegt. Prüffragen könnten sein:

    • Werden imUnternehmen nach Art und Tätigkeit differenzierte Gefährdungsbeurteilungenschon durchgeführt?
    • Auf welche Belastungsfaktoren wird bei der Gefährdungsbeurteilung ein Schwerpunktgelegt?
    • Sollen Vertreter einzelner Arbeitsbereiche bzw. Abteilungen für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen in den jeweiligen Bereichen verantwortlich sein?
    • Ist der Betriebklein und die Aufgabenvielfalt so groß, dass es kaum gleichartige Tätigkeiten gibt?

    Screening Beobachtung/Beobachtungsinterviews

    • Standardisierte schriftliche Mitarbeiterbefragung
    • Moderierte Analyseworkshops

    Vertiefung

    • Gezielter weiterführender Fragebogen
    • DurchFragebogen strukturiertes oder unstrukturiertes Interview
    • Workshop,auf die markierten Stressoren ausgerichtet

    Das bedeutet erstmals betriebliche Hinweise zu suchen.

    Orientierung und erste Hinweise für eventuell psychisch negative Belastungen

    1. überdurchschnittlich viele Unfälle und Sachschäden?
    2. kaum zu bewältigenden Termindruck
    3. Reklamationen von Mitarbeitern/innen bezüglich Stress
    4. überdurchschnittlich hohe Fehlzeiten
    5. gefährdete Arbeitsplätze
    6. Störungen im Betriebsablauf
    7. sozial isolierte Arbeitsplätze
    8. monotonen Tätigkeiten oder einseitiger Belastung
    9. Stark zentralisierte Verantwortung
    10. Nacht und Wochenendschichten

    Wenn ein Fragebogen eingesetzt werden soll bedarf es verschiedener Kriterien.

    Kriterien des Fragebogens:

    Erscheinungsbild: Ist der Fragebogen und die zugehörigen Information in einem AnsprechendenErscheinungsbild?

    Ausfüllzeit: Wird die Ausfüllzeit akzeptiert? Je mehr Zeitverbrauch umso höher auch die Anforderungen an Konzentration und Motivation.

    Verständlichkeit: Gibt es Fragen, auf die Beschäftigte keine aus ihrer Sicht richtige und vernünftige Antwort geben können? Wie beurteilen die Mitarbeiter die Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Fragen?

    Akzeptanz: Sind Fragen vorhanden, deren Beantwortung unangenehm ist oder ein Widerstreben bewirkt?

    Bezug auf Erfahrungswelt der Beschäftigten: Sind Sprache, Begriffe und Situationen im Fragebogen so gewählt, dass die Beschäftigten klare Bezüge zu ihrer Arbeitswelt und ihren konkreten Belastungserfahrungen herstellen können

    Und vor dem Start der ganzen Arbeit bedarf es intensiver Vorarbeit durch:

    Vertrauensbildende Maßnahmen

    1. Führungskräfte und Personalvertretung müssen sichtbar hinter dem Projekt stehen.
    2. Transparent über das gesamte Projekt informieren.
    3. Alle Fragen ernst nehmen und offen beantworten.
    4. Kritik, Zweifel und Skepsis auch ernst nehmen und nicht emotional darauf reagieren (Angriffe, Vorwürfe).
    5. Nichts versprechen, was Sie nicht halten können.
    6. Datenschutz und Freiwilligkeit gewährleisten.
    7. Über Ergebnisse informieren.
    8. Sich mit den Ergebnissen und Mitarbeiter/innen konstruktiv auseinander setzen.
    9. Mitarbeiter/innen bei der Lösungssuche einbinden.
    10. Klar sagen und begründen, was geht und was nicht geht.
    11. Dafür sorgen, dass das Projekt am Ende nicht im Sande verläuft, sondern nachhaltig wirkt.

    Spätestens ab der vertiefenden Analyse bedarf es der Begleitung von Fachleuten mit psychologischen
    Kenntnissen. Denn die Beanspruchung fällt immer auf die Bewertung des Menschen mit seinem persönlichen und sozialen Hintergrund.

    Parallel sehr Hilfreich kann die Förderung und individuelle Aufbau von Resilienzen für alle Mitarbeiter sehr positive Auswirkungen haben.

    Einsicht suchen: Suchfragen stellen und ehrliche Antworten geben

    Unabhängigkeit: das Recht auf sichere Grenzen zwischen sich und anderen

    Beziehungen: enge und erfüllende Beziehungen suchen und aufrechterhalten

    Initiative: Probleme aktiv anpacken

    Kreativität: Frustration oder Schmerz künstlerisch ausdrücken

    Humor: das Komische im Tragischen finden, über sich selbst lachen

    Moral: Wissen, was gut und schlecht ist, der Wille, für diesen Glauben auch Risiken einzugehen


    Das ganze hört sich fürs erste sehr komplizier an, ist es aber nicht. Es ist nur ein langwieriger Prozess und hat sehr viel mit Unternehmenskultur und auch Kommunikations-Kultur zu tun.

    Erste sehr gute Informationen und erste Impulse bekommt Ihr auch unter http://psyga.info/

    Ich hoffe Euch nicht erschlagen zu haben. Das Thema liegt mir sehr am Herzen :) .
    Wenn ich zuviel Fragen aufgeworfen habe schreibt mir gerne dirkt. ;)

    Herzliche Grüße,

    Johannes Schmidt

  • Vielen Dank für die superspannenden Informationen, allen!

    @ Johannes
    Dein konzeptionelles Vorgehen zeigt ja auch, dass eine Checklist allein noch keinen "Sommer macht". Im Gegenteil, das ist nur eine von vielen Anforderungen - Richtig schreibst Du mir auch aus der Seele: Der Text und die Information müssen attraktiv und verständlich aufbereitet sein.
    - Sugessivfragen sind weder hilfreich noch fair, ein "Zettel" mit Fragen ohne Anfang und Ende wertet das Thema ab, lediglich ein Download als pdf-Fragebogen um Thema ist unzureichend... -

    Das Einbetten der Ermittlungen in eine Struktur kennen wir vom PDCA-Zyklus oder vom Handlungszyklus der Sifa. Es zeigt, welche Teilschritte an einer psychischen Gefährdungsbeurteilungt hängen; ohne ein strukturiertes Vorgehen - keine Verbesserung (bei der zuständigen Sifa jedoch eine Menge Frust).

    Ofmhektor: Tatsächlich sind die Annahmen von Chefs, "dass das alles nichts bringt -" , selbsterfüllende Vorhersagen. Wirklich ärgerlich für eine eh schon völlig ausgelastete Sifa. Absolut einverstanden.

    Danke für die Posts.
    Grafik aus dem Heft "Sag´s einfach im Arbeitsschutz"
    (Publikation ist von mir)

    Hildegard Schmidt

    Ergonomiecampus

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  • Hallo Hildegard,

    WAI: Art Anamnese. Der Einsatz ist für BEM (betriebliche Eingliederungsmanagement) gedacht. und ist Personenbezogen „Subjektiv“, hier wird ermittelt inwieweit die individuellen körperlichen, mentalen und sozialen Fähigkeiten der Mitarbeiter mit den Inhalten und der Organisation der Arbeit im Unternehmen übereinstimmen und wo konkreter Veränderungsbedarf besteht.
    Schwach stellen:
    Keine Gewichtung der Krankheiten z.B. Tumor vs. Hautauschlag
    Absolute Anonymität ist nicht gewährleistet
    Fragen zu Krankheiten sehr oberflächlich
    Für welchen Zweck wird der Fragenbogen im Unternehmen gemacht
    Datenschutz
    Ehrlichkeit der Angaben bzw. unehrliche Antworten ()zentrale Schwierigkeit

    Aus der Praxis, Wer Probleme lösen will, steht in der Regel nicht vor der Alternative, Arbeitsanalyse zu betreiben od. nicht. Er wird entweder explizit Das betreiben müssen od. seine Entscheidungen mindestens auf implizit psychische Belastungen anhand von Informationen abstützen.
    Dementsprechend gibt es auch nicht die „ Methode“. Bei der Ermittlung von Belastungen und Beanspruchung der Mitarbeiter gibt es Vielzahl und eine Reihe verschiedener Instrumente und Verfahren, mit denen z.B. unterschiedliche Tätigkeitsklassen, Branchen, Personen oder Dimensionen, und vor allem welche Ziele untersucht werden können.
    Je mehr Methoden eingesetzt sind, desto Valide sind meine Ergebnisse. Hier sind einige Methoden. http://uni.carlo-michaelis.de/doku.php/uni-l…module:aundo:22
    RHIA: Analyse psychischer Belastung in der Arbeit
    SALSA: Fragebogen zur subjektiven Arbeitsanalyse
    MTO: Ganzheitliche Betriebsanalyse unter Berücksichtigung von Mensch, Technik und Organisation
    JDS: Auswirkungen von Aufgaben- und Tätigkeitsmerkmalen sowie psychologischen Erlebniszuständen auf arbeitsrelevante Merkmale, wie Motivation, Qualität der Arbeitsleistung, Arbeitszufriedenheit und Abwesenheit sowie Fluktuation, berücksichtigt
    ISTA: Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse
    FAA: Fragebogen zur Arbeitsanalyse
    TBS: Tätigkeitsbewertungssystem
    VERA: Verfahren zur Ermittlung von Regulationserfordernissen
    Gruß
    elgeneral

  • elgeneral
    Vielen Dank für den fleißigen und nützlichen Beitrag
    - also: Ausreden gibt es nicht, keine Gefährdungsbeurteilungen zu psychischen Belastungen durchzuführen, weil "man angeblich kein geeignetes Werkzeug findet", oder?

    Der WAI - Work Ability Index - wurde ja auch schon von einem Kollegen erwähnt. Das Instrument gefällt mir gerade im Zusammenhang mit der Pflege und dem Phänomen des vorzeitigen Abbruchs der Pflegetätigkeit. Es entstand im Zusammenhang mit Untersuchungen darüber, warum Krankenschwestern "im Beruf nicht alt werden...". Siehe: Nurse Early Exit Study .

    Völlig einverstanden: Die ultimative Methode gibt es nicht.

    Hildegard Schmidt

    Ergonomiecampus

  • joschm
    Ja, ich bin erschlagen von Deinem Beitrag. Obwohl mich das Thema auch sehr interessiert, könnte ich nicht sofort in dieser Breite mit diskutieren.
    Immerhin habe ich das Wort "Resilienz" gelernt.
    Die Benutzung von Checklisten ist mir sehr recht, kann ich doch als Techniker sofort etwas damit anfangen, "richtige" Antworten zählen usw.
    Dies scheint mir trotzdem nicht die geeignete Vorgehensweise.
    In meinem Bereich wurden häufiger, wissenschaftlich begleitete, Fragebogenaktionen durchgeführt. Obwohl ich viele Lobreden auf diese Aktionen hörte, ist mir kein Fall bekannt, wo eine Kehrtwende, eine durchschlagende Besserung, eine deutliche Veränderung der psychischen Belastung stattgefunden hat.
    Das heißt nicht, dass ich glaube Belastungen sind gottgegeben und lassen sich nicht ändern. Eher das Gegenteil.

    Deine Kriterien zu den zu benutzenden Fragebögen sind in Ordnung. Mir fehlen allerdings die Kriterien zur Wissenschaftlichkeit. Es muss sichergestellt werden, dass Aussagen so gemeint sind, wie angekreuzt. Plausibilitätskontrollen müssen eingebaut sein. Gerade im psychischen Bereich sind Verfremdungen der Antwort, bis zur Gegenaussage, häufig.

    Meine oben schon angeführte Kritik, ist dann natürlich das weitere Vorgehen. Selbst wenn wir einen super Fragebogen haben, mit wahrheitsgemäßen Angaben, mit konkreten Ergebnissen, was machen wir dann? (Könnte auch drei Fragezeichen schreiben) Wie viele Semester Psychologie sollte eine Sifa studieren, um effizient eingreifen zu können und das System korrigieren?

    Nochmal: ich bin dafür, dass die negativen psychischen Einflüsse an der Arbeitsstelle verringert werden. Weiter glaube ich, dass alle von uns einen kleinen Beitrag leisten können. Wunderheiler, sind mir allerdings suspekt.

    Grüße an Euch alle
    Flügelschraube

  • ^Guten Morgen Ihr guten Geister,
    das Thema psychische Belastungen ist im Bereich der Akutkrankenhäuser für Psychosomatik und Psychiatrie sowie DRogen- und Sucht ganz groß.
    Ich selbst habe, bevor ich überhaupt an irgendwelche Analysen oder Beurteilungen begegben habe, an den Supervisionssitzungen einzelner Abteilungen teilgenommen.
    Ich wollte damit die ersten Belastungen aus sicht der MA erkennen.
    Ich kann Euch sagen, diese waren sehr interessant und informativ.
    Viele Vordrucke und Analyemethoden sind bekannt und auf dem Markt bzw. werden seitens EXTERN angeboten.
    Aber hat sich den einer mal Gedanken gemacht, dass ein nicht verstandener oder einem nicht zugehörtem MA, es zuviel werden kann (Man redet gegen eine Wand).
    jeder Mensch muss sich auch mal die Seele freisprechen können, ohne Nachteile dadurch zu bekommen.

    Ein ganz gutes Beispiel zum Nachdenken möchte ich gerne weitergeben:
    der Betriebsausflug (ist im Gesundheitsdienst meist halbiert in zwie Gruppen, sonst bleibt der Patient auf der .....) ist von allen eine sehr wertgeschätzte Abwechselung zum täglichen Dienstbetrieb.
    Während des Ausflugs ist eine gelöste und offene Stimmung erkennbar.
    Verschiedene gemischte Gruppen bilden sich, man tauscht sich aus, Labial-Falten verschwinden und vieles mehr......
    Was ist nun am nächsten Tag?

    Ist eingentlich nicht auch unsere FASI-Aufgabe, sich mit den MA zu unterhalten oder auch eine anonyme befragung der MA durchzuführen:
    MOTTO: Eine SIFA braucht keine Rückenschule, die SIFA hat Rückgrat

    Es darf nicht übersehen werden, dass viele psychische Belastungen immer aus Sicht der Arbeitswelt betrachtet werden, doch der vernüntife AG betrachtet auch den Zusammenhang zwischen Privat und Arbeit.
    Beispiel: GRoßes Unternehmen, überzählige weibliche MA. variabler Beginn der Arbeit zw. 07:00 und 09:00 Uhr. Problem: Mehrheit der Frauen waren erst um 09:00 Uhr in der Fa.
    warum?: Es waren die Kindergartenkinder, welche in den Hort oder etc..... gebarcht werdne mussten und somit der private Druck schon morgens begann, um dann gehetzt zur Arbeit zu erscheinen.
    Dieses Unternehmen hatte anonym die männlichen und weiblichen MA befragt, ob es aus Sicht der MA Sinn machen würde, wenn das Unternehmen einen Tageshort in der Zeit zw. 07:00 bis 17:00 Uhr einrichten würde?
    Ergebnis: Es wurde ein Hort auf dem eigenen Gelände mit allem gebaut, die Steigerung der Zufriedenheit der MA ist bei einer späteren anonymen befragung merklich gestiegen.

    Meine Zeilen sind allgemen gehalten, doch im "Dazwischen" könntet Ihr eventuell schon Parallelen erkennen!!!!!!!

    Beste Grüßen
    Thomas

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  • Thomas: Vielen Dank für den Hinweis. Stress beginnt mit Sicherheit schon im Privatleben.
    Die persönlichen Verarbeitungsmachanissmen nutz der Mitarbeiter in seinem beruflichen sowie auch privaten Umfeld, hinzu kommen auch die eventuell negatieven Beanspruchungen wie Kind in den Kindergarten, Streit innerhalb der Familie, schwere Erkrankung eines Familien-Mitglieds etc. ...

    Als sehr hilfreich und wichtig scheint mir immer wieder eine gute Komunikations-Kultur. Wenn man sich die Reselienz bildende Faktoren etwas genauer anschaut, haben diese sehr viel mit Komunikation zu tun.

    Komunikation ist nicht nur Reden, sondern bereit sein zu Reden und bereit sein zu Hören.
    das ist ein Lernfeld, kann aber jeder lernen.

    @ Flügelschraube: Der Hinweis auf die Kriterien der Wissenschaft für Erhebungsbögen ist hilfreich. Darauf zu achten ist sehr hilfreich und es gibt da schon einige akzeptierte Verfahren. Ab dem Sreening - und spätestens bei dem vertiefenden Verfahren bedarf es Fachleute mit psychologischem oder pädagogischem Hintergrund.

    Ich habe bisher nirgens gelesen das eine FASI alles machen soll. Das trifft auch auf das Thema psychisch Beanspruchung (negativ / positiv) zu. Wie ich das sehe geht es zuerst ja auch nur um das erkennen psychischer Belastung neutral oder schon bewertet. Ich denke das kann die FASI schon durch einfaches zuhören.
    Gerade hier ist sehr gut erkennbar das eine FASI in manchen Bereiche anstoßen kann,... und begleiten. Bei weiteren Maßnamen ist das ganze Unternehmen gefordert. Nach meinen Erfahrungen auch von der Unternehmensleitung über mittleres Management zu dem Mitarbeiter führend. Nur so kann Unternehmens-Kultur wirksam und dauerhaft verbessert werden.

    Für Fasis die das Thema etwas näher betrachten wollen ist das Buch "Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen" vom Erich Schmidt Verlag sehr zu empfehlen.

    Aber kein Stress ;) : Psychische Belastungen und daraus folgenden Beanspruchung zu betrachten ist ein langwieriger und permaneneter Prozess der das ganze Unternehmen betrifft. Es scheint aufwendig und trotzdem lohnt sich der Einatz.

  • Danke für die sehr guten Beiträge - an ALLE!


    Ich stelle mir beim Lesen Eurer Überlegungen die Frage, wie viel Verantwortung der Arbeitgeber auf das Wohlbefinden seiner Leute haben kann. Respekt und Akzeptanz der individuellen Lebensbedingungen ist wichtig für das Miteinander und sollte selbstverständlich sein. Beispielsweise für Frauen und Männer, deren Kinder vor der Arbeit in die Krippe "müssen", wo Oma ins Altenpflegeheim umziehen muss, der Hund, die Katze gerade gestorben ist und der Hausbau ansteht. Die Lebensumstände wirken immer in die eine und andere Richtung der Arbeit. Sei beeinflussen, ob ich mit voller Leistungsbereitschaft zur Verfügung stehe (hier geht´s ja auch um Wirtschaftlichkeit) und ob ich so konzentriert sein kann, dass kein Unfall geschieht (hier geht´s um Arbeitsschutz)...

    Arbeitsschutz und psychische Belastungen ganz konkret
    Tatsächlich sollen mit der Ermittlung und Vermeidung psychischer Belastungen gesicherte arbeitswissenschaftlich anerkannte Bedingungen betrachtet werden. Dazu zählt vieles, was bereits genannt wurde.
    Sind die Bedingungen so, dass Körper und Seele eine optimale Leistung erbringen können, kann gegen eine solche Ermittlung oder Überprüfung oder Verbesserung nichts sprechen. Dann geht es jetzt "nur noch" um das Wie.

    Also: Bleibt am Ball ;~)

    Hildegard Schmidt

    Ergonomiecampus