Mitarbeiter, die gg Sicherheitsvorschriften verstoßen, bestrafen?

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  • Für mich immer wieder ein wichtiges Beispiel (Quelle: Merkblatt A 006 der BG RCI, Anhang 6):

    Sachverhalt
    Ein Arbeitnehmer, der seit 8 Jahren in einem Unternehmen beschäftigt war, erlitt einen Unfall und war längere Zeit arbeitsunfähig. Der Arbeitnehmer hatte die für die Arbeit vorgeschriebenen Schutzhandschuhe nicht getragen.
    Dies war der dritte Arbeitsunfall des Arbeitnehmers innerhalb von 2 Jahren. Ursache aller drei Unfälle war die Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften. Der Arbeitnehmer war deshalb von seinen Vorgesetzten bereits mehrfach schriftlich verwarnt worden. Vor dem dritten Unfall wurde ihm schriftlich Folgendes mitgeteilt: „Wir verwarnen Sie heute letztmalig und werden bei nochmaliger Nichtbeachtung eines Gebotes oder Verbotes das Arbeitsverhältnis kündigen!“ Trotz dieser Abmahnung missachtete der Arbeitnehmer erneut die Sicherheitsbestimmungen. Der dritte Unfall war die Folge.
    Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung wegen selbstverschuldeter Arbeitsunfähigkeit und kündigte fristgerecht.
    Die vom Arbeitnehmer eingereichte Kündigungsschutzklage blieb durch alle Instanzen ohne Erfolg.

    Urteil
    Das Bundesarbeitsgericht erachtete die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers als sozial gerechtfertigt, da der Arbeitnehmer wiederholt gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen hatte.
    Das Gericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Arbeitgeber auch ohne Unfall zur Kündigung berechtigt gewesen wäre. Der Arbeitgeber war auch zur Verweigerung der Entgeltfortzahlung berechtigt, weil die Arbeitsunfähigkeit auf einem groben Verstoß des Arbeitnehmers gegen die eigenen Interessen beruht hat.

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

  • Problem bei den Querschlägern ist ja auch das sie evtl 3te mit Infizieren in ihrer Resistenz die Sicherheitsvorgaben einzuhalten.

    Gerade wenn die "Alten Hasen" ihre PSA net tragen und dann noch Lehrlinge od Neulinge mit am Arbeitsplatz kommen greift dies schnell über oder kommt erst gar net zu Sprache.

    Mfg Dierk

    Mfg Dierk

    Elektriker aus Leidenschaft :thumbup:

  • Moin,

    Problem bei den Querschlägern ist ja auch das sie evtl 3te mit Infizieren in ihrer Resistenz die Sicherheitsvorgaben einzuhalten.

    nicht nur das: ich kenne die ausführliche Urteilsbegründung (aus Beitrag 2) nicht, aber ich vermute, dass das Gericht den Aspekt "Gefährdung der Kollegen" mit einbezogen hat.
    Es gilt "Jeder hat sich so zu verhalten, dass er weder sich noch andere gefährdet."
    Wenn jemand sich selbst gefährdet, dann ist er auch verantwortlich, wenn ein Kollege ihm im Schadenfall helfen will - und dabei selbst zu Schaden kommt. Diese Sekundärunfälle sind häufiger anzutreffen, als man landläufig annimmt.

    Wenn ein Mitarbeiter also so gestrickt ist, dass Arbeitsschutzvorschriften für ihn nicht gelten, dann gefährdet er - durch "schlechtes Beispiel" und durch Sekundärunfälle - seine Kollegen.
    So jemand gehört für immer aus diesem Arbeitsbereich entfernt.

    Das Urteil ist die Bestätigung.

    "Mit zunehmendem Abstand zum Problem wächst die Toleranz." (Simone Solga)
    "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben." (Robert Lee Frost)
    "Geben Sie mir sechs Zeilen von der Hand des ehrenwertesten Mannes - und ich werde etwas darin finden, um ihn zu hängen." (Kardinal Richelieu)
    "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exupéry)

    "Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?" (Edward Morgan Forster)

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  • Hallo zusammen,

    hat jemand von euch Vorschläge / Beispiele aus der Praxis, wie man seine Mitarbeiter überzeugt die geltenden Sicherheitsvorschriften einzuhalten ohne diejenigen gleich fristlos zu kündigen? Unterweisungen und Dokumentationen waren bisher nicht wirklich effektiv.

    Gruß Viktor

  • Wie schon gesagt - Reden und immer wieder reden - , wird es irgendwann Zuviel hilft oft eine Baustellenverweis, vor allem bei Mitarbeitern die Akkord arbeiten.

    Ich weiß das einem irgendwann der Kragen platzt und man genug hat , man kennt alle Antworten und alle Ausreden, dann hilft schon mal ein lautes Organ am besten lauter als der Polier.

    Ich habe schon die seltsamsten Sachen gehört, z.B. mit Gurt stürze ich eher als ohne da das Seil immer im weg ist, das Gerüst stört an der Stelle
    und was noch alles.

    Ich hatte schon mal überlegt ein Band zu besprechen aber ich glaube das nutzt auch nix.

    Also immer wieder hinweisen , aufklären , erklären und Beispiele zeigen, bei den Elektrikern haben Fotos von Stromunfällen gut gewirkt, beim Dachdecker haben Unfallberichte leider nur zu einem müden Lachen geführt.

    Schönen Abend Harald

    "Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten,
    Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer."

    "Bessser auf neuen Wegen etwas stolpern, als in alten Pfaden auf der Stelle zu treten"

  • Hallo zusammen,

    hat jemand von euch Vorschläge / Beispiele aus der Praxis, wie man seine Mitarbeiter überzeugt die geltenden Sicherheitsvorschriften einzuhalten ohne diejenigen gleich fristlos zu kündigen? Unterweisungen und Dokumentationen waren bisher nicht wirklich effektiv.

    Ich bin der Meinung, nur reden langt meist nicht.
    Es kommt sehr darauf an wie das Thema Arbeitsschutz im Unternehmen gelebt wird "Betriebskultur".
    Vorbildfunktion, Aktionen wie Gesundheitstage, Kommunikation usw.

    Viele Grüße aus Mittel:Franken:

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  • Hallo Zusammen,

    Kelte hat völlig Recht! Nur Reden hilft nicht immer irgend wann muss man durchgreifen sonst macht man sich unglaubwürdig.
    Ich rede ein paar mal und dann handele ich. 1. Vorgesetzten informieren. 2. Geschäftsführer informieren. (Abmahnung)
    Meistens ändert sich dann die Einstellung ein wenig für eine gewisse Zeit und dann bin ich wieder beim reden aber mit anderen Voraussetzungen für mich.
    Manche Menschen reagieren erst wenn man sie bestraft. Dies ist nicht meine Vorstellung vom Arbeitsschutz aber meine Erfahrung in über 30 Jahren Berufs- und Führungserfahrung.

    Mit freundlichen Grüssen aus Braunschweig!

    Hans-Jürgen

  • Was haltet ihr von einem innerbetrieblichen Strafkatalog? Ich muss zwar noch die rechtliche Seite prüfen, aber ich denke wenn mal ein Mitarbeiter 50€ für das Nichteinhalten von Sicherheitsvorschriften zahlen muss, dann ändert sich schnell seine Einstellung zu dem Thema Arbeitsschutz.

    Gruß Viktor

  • Moin,

    das Thema Erziehung ist immer schwer. Egal ob jetzt in der eigenen Familie oder bei Fremden.

    Wichtig ist, finde ich, ein konsequentes Vorleben. Einen Standpunkt zu haben und diesen auch vertreten. Ein Gesicht zu haben und das auch zu wahren!!!

    Klartext:
    Die FASi oder auch der SiGeKo ist kein Polizist der auch Bußgelder verteilt. Wenn vernünftige Worte nicht helfen, dann gibt es die entsprechenden Leute mit einer Weisungsbefugnis. Allein um das eigene Gesicht zu zeigen, würde ich den Weg eingehen. Mehr geht nicht.
    Das ist dann der zahnlose Hund: Bellen geht, beißen eben nicht.
    Deshalb halte ich an der Stelle auch nichts von Strafgeldern. 50 Euro werden dann schnell einkalkuliert und gehören zum Spesensatz? Nein, entweder zeigt der Verantwortliche etwas Hirn oder eben eine sofortige Einstellung der Arbeiten. Dann im nächsten Schritt: Heute keine Baustelle mehr. Doch wie gesagt, wie weit kann man selber gehen?

    .
    .
    .
    ... viele Grüße vom Waldmann.


    "Et kütt, wie et kütt."
    (kölsche Zuversicht)

  • Hallo Wiki,

    Kelte und Waldmann haben es ja schon angesprochen, das Unternehmen muss den Arbeitsschutz leben. Das Sprichwort "Der Fisch stinkt immer vom Kopf her" passt da ganz gut.
    Damit Akzeptanz entsteht muss oft die Herangehensweise geändert werden, weg von "So nicht" hin zu "So machen wir das". Ich glaube es gab hier im Forum vor kurzem auch mal einen Thread, in dem BBS (Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit) angesprochen wurde. Einen guten Überblick dazu bekommt man z.B. bei verhalten.org, oder null-unfall
    Auch bei den von mir betreuten Kunden gibt es, vor allem im Baubereich, einige die mit Strafen arbeiten. Echte Verbesserungen hat es dadurch bei keinem gegeben.

    Gruß
    Stephan

    Respekt, Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl

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  • Moin

    als mit dem Begriff „bestrafen“ an sich habe ich schon einmal ein Problem. In der Kindererziehung ist das schon ein Problem, weil eine Strafe nicht die Einstellung verändert, höchstens das Verhalten aus Angst vor Repressalien. Und Erwachsene Mitmenschen erziehen zu wollen kann auf viel Widerstand stoßen.

    Ich habe mal im Zusammenhang mit Rauchen gelernt, der Mensch ändert eher seine Einstellung als sein Verhalten, sprich der Raucher sagt sich, „Nein, ich bin bestimmt nicht der, der Lungenkrebs bekommt, da kann ich unbesorgt weiter rauchen.“ Und auch wenn jedes Jahr die Zigaretten teurer werden, es wird trotzdem munter weiter gequarzt.
    Das kann man direkt auf die Arbeitsschutzeinstellung übertragen: „Nein, ich bin doch nicht derjenige dem was passiert und es ist doch noch nie was passiert, warum soll ich also Handschuhe tragen.“

    Hier hilft, wie schon erwähnt, nur Reden und Überzeugen …
    Und besser als bestrafen: positive Verstärkung, also z.B. eine Abteilungen belohnen, „wenn es ½ Jahr keinen Unfälle gab“ oder „bei einem zufälligen gewählten Termin alle PSA trugen“.
    Dann orientiert sich die Gruppendynamik an dem guten und nicht am schlechten Vorbild.

    Ansonsten ist hier auch schon alles wesentliche gesagt: Dokumentation, dass z.B. unterwiesen wurde, Konsequenz und Vorbildfunktion.

    Grüßle
    de Uil

    Grüßle
    de Uil

    „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich das generische Femininum. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Personen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen und mitgemeint.“

    Omnia rerum principia parva sunt. [Der Ursprung aller Dinge ist klein.] (Cicero)

  • als mit dem Begriff „bestrafen“ an sich habe ich schon einmal ein Problem. In der Kindererziehung ist das schon ein Problem, weil eine Strafe nicht die Einstellung verändert, höchstens das Verhalten aus Angst vor Repressalien. Und Erwachsene Mitmenschen erziehen zu wollen kann auf viel Widerstand stoßen.

    Hallo Zusammen,

    sicherlich sollte bestrafen nicht immer der 1. Weg sein, aber ein Geschäftsführer, Vorgesetzter oder Fasi der vorsätzliches Missachten von Arbeitsschutzvorschriften durchgehen lässt und nicht bestraft, hat unter Umständen später auch ein rechtliches Problem.

    Nicht Umsonst heißt es 1. Gefährdungsbeurteilung, 2. Maßnahme definieren und 3. Maßnahmenwirksamkeit prüfen. Eine Maßnahme, die nicht gelebt wird, ist keine Maßnahme. Unter Umständen kann die unterlassene Maßnahme nach einer durchgeführten Gefährdungsbeurteilung (und der Erkenntnis, dass ohne entsprechende Maßnahme eine Gefährdung von Personen vorliegt) sogar Vorsatz sein. Hier kommen wir dann schon in den strafrechtlich relevanten Bereich. (bis 1 Jahr Haft)

    Sinvoll ist meiner Meinung nach, dass die Mitarbeiter die Eskalationspyramide kennen und diese konsequent gelebt wird. Diese könnte so aussehen:

    1. Ansprache durch Fasi
    2. Gespräch mit Abteilungsleiter / Schichtleiter
    3. Abmahnung
    4. Zweite Abmahnung
    5. Dritte Abmahnung
    6. Kündigung

    Wenn das jeder weiß, sollte spätestens bei Punkt 3. Schluss sein.

    Kleiner Tip: Wenn man das vorher noch mit dem Betriebsrat abgesegnet hat ist Alles in Sack und Tüten ;)

    Gruß Karl

    " Kenntnisse kann jedermann haben, aber die Kunst zu denken ist das seltenste Geschenk der Natur." Friedrich der Große

  • Was haltet ihr von einem innerbetrieblichen Strafkatalog?

    Nichts, denn meiner Meinung nach fehlt hierfür die Rechtsgrundlage. Klar könnte man per Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung möglicherweise ein Konstrukt schaffen, das solche "Vertragsstrafen" dann zulässt, allerdings dürfte man sich damit auch gewaltig Ärger einfangen können. Wer entscheidet wann, wer, welche Strafe bekommt? Was ist, wenn der Beschuldigte hier die Schuld von sich weist?

    Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in meinen Beiträgen das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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  • Kommt immer darauf an, in welcher Position er eingestellt ist. Bei mir ist dies mit "inklusive".

    Sehe ich noch immer nicht so .....
    Selbst wenn ich eine Doppelfunktion habe, sehe ich bei den Aufgaben der Fasi das bestrafen überhaupt nicht.
    Bei der Funktion als Führungskraft schon, wobei ich den Begriff bestrafen in diesen Zusammenhang nicht für passend halte.
    Da habe ich das Bild im Kopf "Der Oberlehrer mit dem Rohrstock".

    Viele Grüße aus Mittel:Franken: